»Male oscuro« - Ingeborg Bachmann - E-Book

»Male oscuro« E-Book

Ingeborg Bachmann

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Beschreibung

»Nun startet sie, die große Ingeborg-Bachmann-Gesamtausgabe: eine Schatztruhe für Bachmann-Süchtige.« Deutschlandfunk Kultur Diese überaus persönlichen Aufzeichnungen aus der Zeit der Krankheit manifestieren die literarische Versiertheit Ingeborg Bachmanns: Mutig, anstößig und geschlagen mit dem Wissen um das Unheilbare rücken bisher unveröffentlichten Traumnotate, Briefe und Redeentwürfe den Zusammenhang zwischen Leben und Schreiben ins Licht. In großer Offenheit erzählen sie von dem leidenschaftlichen Wunsch, aus der Krankheit herauszukommen. Il male oscuro heißt ein in den sechziger Jahren erschienener Roman von Giuseppe Berto. Er, sagt Ingeborg Bachmann, habe sie ermutigt, über die eigene Krankheit zu reden. Deshalb haben Gabriella Pelloni und Isolde Schiffermüller diesen Titel für die bisher unveröffentlichten Aufzeichnungen aus der Zeit der Krankheit gewählt.  »Male Oscuro« möchte Bachmanns nachgelassene persönliche Schriften, die jene Krankheit zum Gegenstand haben, mit Respekt vor dem Privatleben der Schriftstellerin würdigen und ihre Integrität nicht verletzen. Das bedeutet, gerade angesichts solcher selbstentblößender Texte, die Grundlagen zu deren Verständnis zu schaffen - und zugleich den Zusammenhang von Leben und Schreiben ins Licht zu rücken. So werden »Grund und Boden« des schreibenden Ichs verstehbar, denn in dieser Edition wird Bachmanns Leben, so schwierig und kaum auf den Begriff zu bringen es ist, ein signifikanter Stellenwert auch für ihre Werke eingeräumt. Das Leben-Wollen, ein Leben, das mehr als Überleben ist, es bildet den würdigsten Gegenstand jeder poetologischen Erforschung des Verhältnisses von biografischer Wirklichkeit und literarischer Fiktion.

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Seitenzahl: 258

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Inhalt

Cover & Impressum

Vorwort

»Male oscuro«

Traumnotate und Aufzeichnungen

[1.]

[2.]

[3.]

[4.]

[5.]

[6.]

[7.]

[8.]

[9.]

[10.]

[11.]

[12.]

[13.]

[14.]

[15.]

[16.]

[17.]

[18.]

[19.]

Briefe, Brief- und Redeentwürfe

[20.]

[21.]

[22.]

[23.]

[24.]

[25.]

[26.]

[27.]

[28.]

Kommentar

Zur Edition

Editorische Vorbemerkung

Editorischer Bericht

Auswahl und Überlieferung

Beschreibung und Anordnung der Textträger

Probleme der Transkription

Entstehungszusammenhang

Die Klinikerfahrung

Therapieversuche

Male oscuro: Rede an die Ärzteschaft

Literaturwissenschaftlicher Kommentar

Das »Briefgeheimnis« der »Todesarten«

»Womit begann es eigentlich«

»Versuch, es herauszubekommen«

»Mord oder Selbstmord?«

»Das Buch oder morte«

Das Traumkapitel in Malina

Literatur

Quellen

Werke von Ingeborg Bachmann

Briefwechsel

Werke anderer Autoren

Kritische Literatur zu Ingeborg Bachmann

Literatur zum Thema

Faksimiles

[1.][1]

13–2.63 morgens

Der Traum:

ich bin in Vellach[2] oder vielleicht in Kötschach (meine Schwester ist auch dort) (aber erst beim Aufwachen, im Halbschlaf, merke ich, daß es eher ausgesehen hat wie Ischia[3] beim Einsetzen der ersten Winterstürme, es war auch wie eine kleine Insel, abgeschnitten, Boote irgendwo, ich aber in der Meinung, es sei das Gailtal) – ich bin verzweifelt allein und sage das auch irgendwann, zu meiner Schwester. Dann werde ich ans Telefon gerufen, der Anruf kommt aus New York[4], zuerst ist die Leitung leer, dann kommt Max, seine Stimme, wir reden eine Weile, ich bin sehr aufgeregt, aber was wir reden ist ohne besondere Bedeutung, dann frage ich plötzlich, was mich als einziges beschäftigt: wann kommt Ihr denn zurück nach Europa? Max lacht und lacht immer mehr, nicht gerade höhnisch, aber ziemlich belustigt, und ich frage, ziemlich beherrscht: wird es eher Ende Feber oder Anfang März sein? Er lacht noch immer und sagt: Nein, ich denke erst am 1. August[5]. Und da er noch immer lacht, sage ich, das ist furchtbar, daß Du auch noch lachst, und ich hänge ab. Ich bin wahnsinnig konfus danach, ich spreche auch wieder, scheint es, mit meiner Schwester, ich sage, ich muß sofort die Koffer packen und etwas tun, vor allem muß ich weg von hier, ich kann hier nicht mehr länger warten. Es ist grau und stürmisch und inselhaft und winterhaft rundherum. Ich sage, nachdem ich alles (was, weiß ich nicht) durchdacht habe, ich kann nur nach Wien oder nach Berlin[6] gehen, dann fällt mir ein, daß ich nicht nach Wien gehen kann, ich sage, ich muß also doch nach Berlin gehen und sofort abreisen.

Danach wache ich auf, begreife nicht, wo ich bin, nehme noch eine Weile alles für bare Wirklichkeit und dann kommt die Wendung, der erste halbwache Gedanke. Ich frage mich, was für eine Jahreszeit wir haben, ja, doch Feber, also war meine Frage völlig richtig und ja auch oft so gedacht, wenn auch nie ausgesprochen. Und es war völlig richtig, daß ich wegen des »1. August« in der Traumgeschichte völlig zusammenbrach.

Danach noch zwei Stunden im Bett, mit Halbwachtraum, ich gehe von dem ersten Traum ab und weiß, ich muß sofort nach New York schreiben und bitten um eine Zeichnung der Wohnung mit allen Möbelstücken eingezeichnet, ich muß wissen, wie es in der Park Avenue[7] aussieht, wo das Bett steht, ob es ein Doppelbett ist etc. Ich weiß plötzlich, daß ich das unbedingt wissen muß und mich schon die ganze Zeit über, unbewußt, damit beschäftigt habe – mit der Frage, wie diese Wohnung in allen Einzelheiten aussieht. Ich denke, ich muß nach New York fahren und nachher zumindest sie mir ansehen, damit ich weiß, wie es dort war.

[2.][8]

3. März 1963

Traum: Max kommt überraschend mit Marianne. Eine Wohnung, die ich nicht kenne. Plötzlich aber ist alles noch ganz anders, ich erfahre, daß Max geheiratet hat, eine ganz andere Frau, die kommt auch, sie ist ein wenig über 40, sie kommen wahrscheinlich aus Mexiko. Ich bin vollkommen überrascht, begrüße auch diese Frau, die mir aber nicht gefällt, sie paßt überhaupt nicht zu Max, sie sieht weder gut aus, noch macht sie einen angenehmen Eindruck, aufdringlich, taktlos, und nachdem ich eine Weile mit ihr gesprochen habe, mir Mühe gegeben habe, wird es mir zu dumm, ich sage ihr etwas darüber, daß sie sich gefälligst einen Moment lang vorstellen soll, was ich durchgemacht habe. Wieder ist meine Schwester auch dabei, ich glaube, sogar Marianne ist dabei. Ich sehe sie einen Augenblick, vor allem ihren Mund und beim Lachen wunderbare Zähne. Dann müssen wir schlafen gehen, es wird sehr kompliziert, wer wo und mit wem schlafen soll, alle die Frauen, ich meine, Marianne und Max sollten in meinem Schlafzimmer in dem großen Bett schlafen, aber es scheint, daß er mit der anderen Frau dann dorthin geht, und ich arrangiere alles und die Wohnung ist sehr eng und kleinbürgerlich, wir sitzen an einem Küchentisch herum, – beim Aufwachen habe ich einen Teil des Traumes vergessen, denn er hat mehr Handlung gehabt, vor allem habe ich vergessen, was ich mit Max gesprochen habe und wie er zu mir war, es könnte auch sein, daß er gar nicht mit mir geredet hat, sondern mich unter den Frauen zurückließ.

Dann, nach dem Erwachen, dachte ich noch einmal an Gestern, wegen dem »ein Jahr Mexiko«[9], und ich war plötzlich sicher, daß Max in Mexiko geheiratet hat. Ich dachte noch eine Weile nach, wie ich dann alles machen müßte, hier und mit Rom[10], mit der Mutter und allem, und es erschien mir plötzlich alles ganz unlösbar und so unendlich mühsam auch für die Zukunft.

Heute spricht die Mutter wieder über Mexiko, ich beruhigte sie, dann sagte sie, Franz[11] hätte auch den Eindruck, daß Max sofort nach Rom ginge, auch ihr hat er geschrieben, er freut sich nur auf Mexiko und auf Rom. Von mir steht kein Wort in dem Brief, auch nichts, wann und ob er mich hier sehen will. Es ist schon, als existiere ich überhaupt nicht mehr. Zum Glück merkt die Mutter es nicht, sie meint, ich müsse erst ganz gesund werden, ehe Max mich wiedersehen will.

Aus unerfindlichen Gründen hält sie Krankheit für einen Trennungsgrund. Sie sagt, Sie müssen dann wieder gut aussehen, wenn Max zurückkommt.

[3.][12]

6–3–63

Traum: Mein Vater (anders und jünger aussehend), meine Mutter und Marianne kommen aus Amerika zurück. Wir fahren zuerst auf einem Planwagen. Unausgesprochen dabei als Faktum, daß mein Vater und Marianne (wie in Wirklichkeit jetzt Max und Marianne[13]) in Amerika waren und mit aller Bedeutung davon.

Schon während wir fahren, frage ich meine Mutter (die auch anders aussieht), ob Papa von allen meinen Briefen weiß, die ich geschrieben habe, ob er weiß, daß ich so krank war[14]. Ich merke, sie antwortet mit Ausflüchten. Ich spreche lauter, und sie sagt, er hat immer an Dich gedacht, doch er weiß es. Ich habe etwas unangenehm Insistierendes, ich will nur davon sprechen, obwohl sonst niemand davon sprechen will, auch meine Mutter nicht.

Später sind wir in einem Lokal, mein Vater sitzt, absichtlich, etwas weit von mir weg. Vor dem Raum, in dem wir sitzen, ist eine Art Saal. Ich fange wieder an: ich spreche von meiner Krankheit, weiß jetzt schon, daß keiner[1] darüber reden möchte, ich fahre allen ins Gespräch mit meinen Sätzen. Plötzlich kommt Marianne. Sie hat kurzes Haar, goldblond, fast golden, strahlend, glücklich, setzt sich neben mich, erkennt mich, zögert, ich gebe ihr die Hand, beuge mich dann hinüber und küsse sie auf die Wange. Trotzdem scheint auch sie, wie die anderen, angesteckt zu sein von dieser Verlegenheit, die sich darin äußert, daß alle mich ignorieren. Marianne steht auf und mein Vater steht auf, sie fangen beide an zu tanzen, andere tanzen auch, aber die beiden am wildesten und strahlend beide. Nein ich vergaß: als sie aufstehen, ich schon sehe, daß sie tanzen wollen, frage ich Marianne: Wissen Sie, wie das mit Morphium ist? (Anspielung auf meine Morphiumtage[15].) Sie sagt, im Weggehen mit meinem Vater, im Konversationston: Morphium, das soll wunderbar sein.

Später, es ist immer noch diese Art Fest, steht Hans[16] am Rande, er ist auch mit irgendwas beschäftigt, aber ich gehe zu ihm, bitte ihn, mich hineinzuführen, sich mit mir zu zeigen. Ich lehne mich an ihn, er kommt auch mit mir. Dann aber geschieht etwas ganz anderes, er ist auch nicht mehr da, ich bin bei meiner Mutter, die allein sitzt und denke, sie müßte doch eigentlich leiden wegen meines Vaters, aber es ist gar nicht meine Mutter, dann weiß ich nicht mehr, wie es weitergeht.

[1]keiner] es keine

[4.][17]

Versuch, es herauszubekommen:

7. 1. Gestern Besuch von Herrn R.[18] Es ist nicht möglich, etwas von dem klarzumachen, woran man krankt, es hängt aber vor allem damit zusammen, daß rundherum alle Leute keine Ahnung von einer derartigen Krankheit haben (ich hatte zuvor ja auch keine), z. B. meint sicher jeder, was ich jetzt schon zum zweitenmal gefragt werde: ob es nicht eine Sache des Willens sei. Jeder Psychiater weiß natürlich, daß man einen Patienten, der unter Angstneurose leidet, nicht seinem guten Willen überlassen kann, den hat er ja, er hat ja sogar »Krankheitseinsicht«, was bei vielen andren Neurosen nicht der Fall ist.

Immerhin, Herr R. bringt mich auf die Idee, das aufzuschreiben, ja, was? Und ich versuche es, will es versuchen, weil ich momentan sogar unfähig bin, zu einem Arzt zu gehen. Jeden Tag denke ich zwar, ich müsse zu Dr. S.[19] zurück, schon um diese Traumüberflutung loszuwerden.

Traum: (nicht heute, sondern vor zwei Tagen)

– aber während ich schreibe, dröhnt der Kopf so, durch den Körper gehen dauernd Wellen von Erregung, an den Händen geht mir die Haut ab von den letzten nervösen Bläschen, die ich in den vorigen Wochen plötzlich stundenweis bekommen habe.

Nachts lange gelesen, dann eingeschlafen gegen sechs Uhr früh, gegen 11 Uhr aufgewacht, dann drei Stunden gebraucht, bis ich angezogen bin, das letztere nur mit der größten Willensanstrengung. Größte Anstrengung, mit Fr. u. G.[20] zwei drei Sätze zu wechseln, ich sitze auf dem Bett, starre vor mich hin.

Konnte nicht mehr weiterschreiben, das Furchtbare ist wieder dagewesen, ich war in diesem Augenblick bereit, sofort ein Taxi rufen zu lassen, in die Klinik nach Spandau[21] zu fahren.

Jetzt, wo es vorbei ist, überlege ich wieder, weiß wieder, daß ich nicht in die Klinik will, daß ich noch einen Versuch machen möchte, mit Schwimmen, viel Luft, viel Radfahren, ich will morgen anfangen in einer schmerzfreien Stunde.

Ehe ich zu schreiben aufhörte, ist mir der Traum so schrekklich vorgekommen, den ich erzählen wollte. Frauen sind ermordet worden, lauter arme Frauen, ich habe bei diesen Keuschlerinnen, Hausmeisterinnen nachgeforscht, ich wollte weitere Morde verhindern. Dann merkte ich, daß jede der Frauen schweigt, sich vor etwas fürchtet, mir nicht die Wahrheit sagt. Einen Schauplatz habe ich noch einmal durchsucht, fand dort einen einzigen Anhaltspunkt, einen Perlmutterknopf mit vier Löchern, wie man ihn auf Pyjamas manchmal findet, auf dem stand »Olga«.[22] (Der Name meiner Mutter.) Ich habe diesen Knopf zum Beweismaterial, anderen Knöpfen, die aber noch auf ein Papier geheftet waren, gelegt. Der Knopf war der einzige Anhaltspunkt. Danach stand ich mit einigen Leuten, wir sahen drei Hunden entgegen, die auf uns zujagten, aber nur zwei waren wirklich schnell, erreichten uns rasch, der dritte, eine Art Bulldogge, hatte einen derartigen Abstand, daß mir das Tier leid tat, und im selben Augenblick fiel mir ein, daß vielleicht kein Mensch, aber dieser Hund die Morde getan habe. Er kam endlich an, da war es eine Gewißheit, ich dachte, er müsse morden, weil er keine Chance neben den zwei andren Hunden habe, und vielleicht hatte er die Zärtlichkeiten und Neckereien der Opfer mißverstanden, sie einfach getötet. (Wie im Doppelmord in der Rue Morgue[23].) (Auf die Frage, wer kann der Hund gewesen sein, fiel mir eine seltsame Antwort ein, M.[24])

Heute nacht ein Traum über Schreiben, zweifellos ein Dilemmatraum, irgendwie wurde mir bewiesen, daß ich nur auf Aktion schreiben dürfe, nicht personlos, nicht in allgemeinen Sätzen. Am Ende wußte ich nicht, was zu tun sei und malte mit dem Bleistift auf ein Papier lauter kleine Striche, ganz kurze nebeneinander, wie man das macht, wenn man während eines Vortrags nicht zuhört und kritzelt. Später in einem Schlafwagen von Prag nach Wien, der so groß war, wie ein Postwagen, mit mehreren Betten, ich schon beim Fertigmachen. Hatte keine Zeit mehr, die Unterwäsche anzuziehen, zog also rasch die Schuhe an, dabei half mir ein Steward, die Schuhe hatten hinten zwei Lederschleifen, die störten, also so gelegt werden mußten von ihm, daß ich den Schuh tragen konnte. Währenddem dachte ich, er würde vielleicht einen guten Diener abgeben, ich könnte ihn irgendwohin vermitteln. (Vermutlich weil Martha[25] bei mir war und wegen W.[26] etwas sagte und den Dienern.)

[5.][27]

|2.)| Sehr konfuser Traum, mit zahllosen, kaum erzählbaren Seltsamkeiten: meine Schwester in unserem Garten in V., auf dessen Boden Draht und Hindernisse sind. Sie sitzt am Eingang und hat in einer Art Teller einzelne Nadeln von Fichten oder Tannen.

Dann Skifahren. Ich fahre Ski auf einem geschriebenen Satz, der von größter Wichtigkeit für mich ist, es heißt darin, daß ich momentan noch Schwierigkeiten habe und nicht damit rechnen kann, sofort aus der Misere herauszukommen, physische | und psychische | Schwierigkeiten.

Eine ältere Frau, eine Wahrsagerin, leitet das Skifahren. Ein Brief, ganz klein geschrieben, betrifft den 11. des Monats[28] und hat etwas mit einem Kind zu tun, mit einer Warnung, er wird mehrfach zusammengefaltet und verschlossen, ist auch voll von einer Wahrsagung.

Dann Frau Sch.[29] mit zwei Mädchen, Versuche, mit ihnen zu fahren oder etwas für ihre Heilung zu tun, das scheitert aber nach anfänglichem Optimismus, Frau W. und Frl. Pf.[30]; Vor allem Frau W., von der ich tags zuvor geträumt habe, sie sei gestorben.

Dann auf dem Weg zu Ilse[31]. Das Schild am Haus mit dem Namen ihres Mannes fehlt. Ich besuche sie, es geht wieder um meine Krankheit und um ihr Nichtkommen, aber diesmal bin ich | überlegen | und erzähle, meine Mutter und Isi[32] kämen bald an, ich müsse zum Flugplatz, wisse aber nicht, ob ich nach Tempelhof oder Tegel[33] müsse. | (Berlin also) |

Dann bin ich in einem Zimmer mit einem jungen Mädchen und verliebe mich plötzlich in sie, umarme sie, während Frau K.[34] | (Uetikon) | nebenan liegt, dick und schwer, sie merkt offenbar, daß wir einander im Bett umarmen, obwohl wir zugedeckt sind, und sagt, das hätte sie nie für möglich gehalten, sie habe gedacht, ich sei seit | der Trennung von F | wirklich allein; eine Art Heilige, und ich versuche ihr zu erklären, daß das doch verständlich sei, nach dem vielen Unglück, ich könne nicht anders. Ich sehe das Mädchen genauer an, es ist sehr zart; sehr jung; und ich bin überwältigt vor Glück, wenn ich sie anschaue. Dazu Musik, 3. Akt Tristan, der Liebestod. Später wird von mir und dann auch von ihr, darauf ein Text gesungen, | auch Frau K. singt womöglich, | wir irren uns einige Male, es ist dann, scheints, auch eine andre Musik.

2. Auf dem Weg zu F.[35] treffe ich einen jungen Mann, Studenten, der auch dorthin will, ich kann ihm den Weg zeigen, möchte aber vor der Türe nicht gleichzeitig mit ihm dort ankommen. Er läutet, während ich im Hintergrund warte. Marianne öffnet in einem langen Hauskleid, sehr üppig, sie begrüßt den Studenten und sagt, sie erinnre sich, ihn schon bei einer Lesung oder Diskussion gesehen zu haben, sie sagt ihm, sie sei »Frl. Lüdecke« (Namen eines Berliner Freundes)[36] und also die Freundin von F.

Dann sieht[2] sie mich, wir begrüßen einander mehr als oberflächlich, geben uns die Hand so, daß die Hände sich nur flach berühren, sie geht voraus in die neue Wohnung. Ich sehe, daß sie schwanger ist. In der Wohnung ist Pina, unser altes Dienstmädchen, wir reden miteinander (Rita heißt sie, denke ich), die Wohnung ist riesig; besteht aber nur aus einem schmalen und einem riesigen Raum; das läßt Max, sie der in der Wohnung ist, so machen. Ich sehe unter den Gegenständen mein grünes Sofa aus Berlin. Dann spreche ich im großen Raum mit ihm, wo er mit dem Einrichten etc. beschäftigt ist. Ich mache ihm Vorschläge wegen der Gegenstände und der Dinge, die noch zu ordnen[37] sind, frage ihn, ob ich ihm das mündlich oder schriftlich erklären soll – wie es ihm lieber sei. Er ist vollkommen gleichgültig, sagt nur auf berlinisch: nu mach mal[38]. Später sitze ich mit dem Wiener Arzt[39] in einer Art Straßenbahn und frage, was ich bloß machen soll, ich brauche seinen Rat;

Frau W. ist gestorben.

Ehe ich die Wohnung verlasse, sehe ich mir einiges an, hoch oben an der Wand einen komischen Wandschmuck, dann noch etwas in einer Nische, die kitschig beleuchtet ist, und ich sage mir, daß das geschmacklos ist wie eh und je, | während Pina-Rita mich begleitet.|

[2]sieht] sie

[6.][40]

Ein Ehepaar (weiß nicht, warum ich an

Dr. B und Frau

[41]

denke, gemeint dürfte eher

Dr. Sch. mit Frau

[42]

sein) und ich im Wald, viele Bäume, ein Hang, der ausgesteckt ist als Slalomstrecke, die ich mit den Skiern hinunterfahre.

Vor der letzten Kurve gibt es ein Hindernis

[43]

, ich bleibe stehen und fahre nicht weiter, es ist jetzt die Frage, ob man die Zeit zu stoppen aufgehört hat, ob also die Fahrt gemessen werden kann bzw. richtig gemessen wird. Das Hindernis ist ein toter Mann, er ist leicht vom Schnee bedeckt, ich stehe bloß da, ohne Gefühlsregung und warte, bis er von der Strecke geräumt wird – das tun Herr und Frau Dr. B. (aber vielleicht sind es andre Personen) und es gibt Kommentare dazu, dann ist die Strecke frei und ich mache die letzte Kurve, aber weil ich nicht mehr genügend Schwung habe, fällt sie nicht so gut aus, trotzdem falle ich nicht, komme etwas ungeschickt, aber lachend, herum.

Spielkarten mit schwarzen Nummern. Es kommt eine acht heraus, und man denkt, es ist schon zuende, dann kommen aber doch von derselben schwarzen Farbe die neun zehn etc. und es geht also weiter.

Frisch: Ort undeutlich, wahrscheinlich Rom. Er lebt nicht mehr mit »Frau Oellers«, ich frage mindestens zweimal, ob denn »Frau Oellers« nicht mehr | bei ihm | sei, obwohl ich weiß, daß es ihn ärgert, wenn ich »Frau« und ihren Familiennamen sage. Er lebt jetzt mit meiner Schwester. Meine Schwester ist jetzt auch da, sieht aber nicht wie meine Schwester aus. Frisch spricht über Marianne Oellers, sehr heiter, ironisch, macht Bemerkungen, die bedeuten, er habe sie durchschaut, ihren Ehrgeiz etc. und ihre Sucht, durch ihn glänzen zu wollen. Die Metaphern, die er dafür benutzt, sind allerdings eigenartig, das Wort »Schnee« kommt vor. Ich frage ihn, ob er meinen Brief schon bekommen hat, aber es stellt sich heraus, daß das aus irgendeinem plausiblen Grund nicht der Fall ist und er den Brief erst zu Ostern bekommen kann. (Frage ob nicht Überschneidung mit

Pierre

[44]

, wegen der Tochter die zu Ostern kommt?) Weil Frisch jetzt mit meiner Schwester lebt, denke ich, daß es dann leichter ist, außer den Sachen, die ich auf die Liste geschrieben habe, auch die zwei Dinge zu verlangen, an denen mir soviel liegt, die

zwei kleinen Tassen, aus denen wir immer Kaffee getrunken haben, und den silbernen Brotkorb.

[45]

(Dinge, die ich in Rom gekauft habe, aber aus unerfindlichen Gründen nicht zurückverlange, die zwei Tassen kommen in dem

Roman

[46]

vor, und ihr Vorkommen hat mich fast ebenso verletzt wie die Preisgabe ganz andrer Dinge – außerdem war mir der Gedanke immer unerträglich, daß sie weiterbenutzt werden von Frisch und Frau Oellers. Ich habe auch

Frau Auer

[47]

einmal nach einigen Dingen, diesen auch, gefragt, aber sie sagte, sie habe nichts von ihnen gesehen bei ihrem letzten Rom-Besuch.) Ich sage meiner Schwester, daß sie mir die erwähnten Dinge geben soll.

Ich bin in einem Hotel, in einem großen Zimmer, sehr schön, mit Hans, wir haben uns getroffen, müssen aber weiterfliegen, ich muß auf irgendwelchen Umwegen wahrscheinlich nach Berlin, telefoniere wegen der Anschlüsse.

Oper

[48]

? Dann wird aus Berlin gefragt, was ich an Auslagen gehabt habe, und ich sage der Sekretärin, (von der Oper) daß nur ein zwei Übernachtungen und nur kurze Strecken zu bezahlen seien, ich gebe weniger an, merke es auch, daß ich eigentlich größere Auslagen gehabt habe. Später bin ich wahrscheinlich wieder in demselben Hotel und Zimmer, diesmal mit den Eltern, das Zimmer hat drei Betten, die Handlung ist sehr verworren, hat aber primär mit Hans zu tun.

[7.][49]

Traum: und sag einer noch, der gesittete Mensch sei keiner Perversion fähig. Das Kamel, zum zweiten Mal das Kamel, das mir zugeführt wird, während es auf mich zukommt, weiß ich schon, daß es mir zugedacht ist und das Kamel benimmt sich danach, seine lange Zunge, aus dieser großen Höhe, denn wie hoch ist ein Kamel (ich weiß es) herauszutun und mich zu lecken. Ich rücke ab, ich weiß, daß die alle mir das Kamel zugedacht haben. Im weitren Verlauf, während mein Verleger[50] sich in einen Liegestuhl neben mich setzt, während der Herr mit der entlobten Dame mir auch etwas zu sagen hat, während Freund X und Freund Y. mit allen und jedem übereinkommen, steht der junge Araber im Hintergrund mit dem Kamel. Ich möchte mit dem Kamel schlafen, ich weiß es auch, das Kamel weiß es, der Araber weiß es. Die anderen wissen nichts und machen Konversation, sind um Hotelzimmer und Honorare besorgt. Aber ich, ein Teil dieses Gesindels, verzichte aus Feigheit auf das Kamel. Ich wache auf, angenehm berührt, dann weniger froh, denn übriggeblieben ist eine Lösung, für die ich keine Gleichung weiß. Ein Araber, ein Kamel, eine Feigheit. Was vermelden die Lehrbücher? Kamele, vielleicht sogar Kamel. Vermelden sie Feigheiten, diese brüchigen, schmerzlichen Verlegenheiten während man nach rechts und links spricht und die Wüste ihren Sand zählt, ihre Ironie in einen Traum rieseln läßt. Zähl Wüste[51], und verzähl dich nicht vor mir. Ich könnte imstand sein, nachzuzählen und den überschlagenen Sand, den unterschlagenen Sand dir im Triumph vorrechnen.

Ganz zersplittert, eine Wohnung, Fetzen von einem Schreibtisch, Sitzbänken, Sesseln, Stichen, Teppichen, unendlich viel Kram wäre aufzuzählen, alles zersplittert, mit dem Fuß könnte man die Sesselbeine vor sich herstoßen, die Bilder beiseiteschieben, die Teetassen mit einem nach außen gedrehten Fuß wegtun, weiter weiter. Ich würde nicht gern etwas mit den Händen angreifen, aufheben höchstens, aber mit angeekelten Fingern, ja was, etwas wollte ich doch aufheben. Im Hintergrund ginge noch das Grammophon, Platte verrate ich nicht, die Ansage macht die anderen immer gleich sicher in der Einschätzung der Musik, ich sage also nicht, welche Platte auf 33 Millimeter sich noch dreht. Raten heißt es, raten. Tot ist alles[52], alles tot. Und: seht ihrs Freunde, seht ihrs nicht. Drei zu eins, drei zu null, einer schweigt, hält im Zweifelsfall jede Musik der Art für schwere Musik.

Das liebste am Französischsprechen, daß schlecht ausgesprochen, ich < >

[8.][53]

Montag nacht:

1. Ich bin noch auf dem Bett, sitze neben A.[54], der auch noch im Pyjama ist, da kommt Max, setzt sich. A. und ich haben die Füße in kleinen Waschbecken, die auf dem Boden stehen, es ist mir unangenehm, daß A. sich gerade jetzt die Füße badet. Die beiden Männer sprechen miteinander, A. sagt etwas über seinen Pyjama, entschuldigend, daß der Pyjama unten zerrissen ist, aber »er würde noch wachsen«. Dann sitzt er da mit Max, die beiden unterhalten sich, ich ärgere mich über A., der dümmliche Fragen (Literatur?) stellt, plötzlich muß ich zu dem Mädchen in die Küche, weil die Musik irrsinnig laut dort geht, das Mädchen sagt, der Nachbar habe sich schon beschwert, aber sie meint, wir dürften aus Prestigegründen jetzt die Musik doch nicht abstellen. Ich sage ihr, daß die Musik sofort aufhören muß, ganz, daß ihre Gedanken lächerlich sind, mich nicht interessieren.Später bin ich mit A. und Max auf der Straße, ich bin in einem fürchterlichen Zustand, sage den beiden, sie hätten keine Ahnung, was das ist, Leben, davon wüßten sie nichts, es sei alles »viel schlimmer«. Ich bin in einem Zustand, in dem ich schreien könnte, ich bin halb wahnsinnig.(Max ist das erstemal wieder er | selber|, nicht mein Vater, und er kommt zum erstenmal nach der langen Zeit, zu einem Besuch, das ist die gefühlte Bedeutung.)

2. sehr komplizierter Traum, von meinem Kind, einem etwa vier bis fünfjährigen Jungen, der mir sagt, Max werde heiraten, und zwar diese »Masseuse«, die so schön sei; es scheint, daß der Kleine deswegen nicht mehr gerne bei Max bleiben möchte. Wir sind in einer großen Wohnung, irgendwo in einem Zimmer ist Max mit einigen Leuten. Ich beschließe plötzlich, das Kind doch zu behalten, obwohl es bei mir sicher auch nicht besonders gerne bleibt (Gründe: daß mein Leben so ungeordnet ist, daß wir keine Wohnung haben, daß ich oft reisen muß, ich müßte erst eine Wohnung und ein Mädchen haben). Ich weine und versichre dem Kleinen, daß ich alles tun werde, daß wir beisammen bleiben müssen, daß ich jetzt um ihn kämpfen werde, da Max ja kein Recht auf ihn hat. Dazwischen fetzenhafte Szenen, in der Wohnung, in einem Zimmer, liegt eine Frau, die mit einem Revolver alle bedroht, ich weiß schon davon, versuche, auf ihre skurrilen Einfälle einzugehen, sie steht vom Bett auf, der Revolver ist oben auf der Tür, man weiß nicht, ob es Ernst oder Spaß ist, sie könnte diese Masseuse sein, aber es ist nicht sicher, es könnte auch jemand andrer sein. Eine andre junge Frau fragt, was ich denn hier zu suchen habe, ich frage sie, ob es nicht umgekehrt sei, sie gehört zu der Gruppe von Max, ich nehme das Kind und will mit dem Kind zu allen andren gehen und sagen, daß es bei mir zu bleiben hat. Zu dem Kind sage ich[55] auch, wir müssen es zumindest versuchen, es könne dann immer noch zu Max gehen, wenn es nicht bei mir bleiben will, es ist damit einverstanden. So wollen wir den Plan auch Max vortragen.

3. Gisela und Fred und Max und ich sitzen beisammen, Gisela setzt sich weg | zu Max | und gibt zu erkennen, daß sie sich auf die Seite von Max stellt, wie Fred ja auch, ich bin, wie in Berlin[56], enttäuscht, verletzt.

Ende der Leseprobe