Man kann nie wissen - Tom Selleck - E-Book

Man kann nie wissen E-Book

Tom Selleck

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Beschreibung

Magnum - Der Kult-Schnäuzer der 80er! Charmant, weltgewandt und warmherzig Albert Einstein, Friedrich Nietzsche oder Richard Strauss - sie alle trugen ihn, doch niemand erreichte mit seinem Oberlippenbart einen solchen Kultstatus wie Tom Selleck in seiner Rolle als Privatdetektiv Thomas Magnum. Die Frauenwelt erkor den Mann mit dem schrillen Hawaiihemd in den Achtzigern mit euphorischer Begeisterung zum »Sexiest Man Alive«, und ganze Familien fieberten den Ausstrahlungen der humorvollen Krimiserie mit Tiefgang entgegen. In seinen spannenden und hintergründigen Memoiren beschreibt Tom Selleck den langen Weg bis zur letzten Magnum-Folge, wobei er wegen des Erfolgs der Serie sogar Steven Spielbergs Angebot der Hauptrolle im ersten Indiana Jones-Film ablehnen musste. Nach beschwerlichen Anfängen - unter anderem einer Deodorant-Werbung mit Drei Engel für Charlie-Star Farrah Fawcett - und zahlreichen Nebenrollen räumte er mit den 162 Episoden von Magnum einen Emmy und einen Golden Globe ab. Danach folgten weitere Highlights mit Rollen in Friends, Jesse Stone und Blue Bloods. Selleck lässt in seiner Autobiografie eine Ära der Unbeschwertheit wiederauferstehen und vermittelt ein positives Lebensgefühl, was nur jemand kann, der alle Höhen und Tiefen der Glamourwelt durchlebt und überstanden hat.

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TomSelleck

mit Ellis Henican

MAN KANN

NIE WISSEN

Aus dem Englischen von Andreas Schiffmann

www.hannibal-verlag.de

WIDMUNG

Für Jillie und Hannah

Kevin

Mom und Dad

IMPRESSUM

Die Autoren: Tom Selleck mit Ellis Henican

Deutsche Erstausgabe 2024

© 2024 by Hannibal

Hannibal Verlag, ein Imprint der KOCH International GmbH, A-6604 Höfen

www.hannibal-verlag.de

ISBN 978-3-85445-776-3

Auch als Hardcover erhältlich mit der ISBN 978-3-85445-775-6

Titel der amerikanischen Originalausgabe 2024: „You never know. A memoir“

© 2024 Thomas Selleck

Erschienen bei HarperCollins Publishers, 195 Broadway, New York, NY 10007

ISBN 978-0-06-294576-1

Coverdesign: Michael Bergmeister, www.bw-works.com

Coverfoto: © 1981 Gene Trindl/mptv/picturedesk.com

Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von Tom Selleck, außer anders gekennzeichnet

Grafischer Satz: Thomas Auer

Übersetzung: Andreas Schiffmann

Deutsches Lektorat: Dr. Matthias Auer

Deutsches Korrektorat: Thomas Wachter

Hinweis für den Leser:

Kein Teil dieses Buchs darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, digitale Kopie oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden.

Der Autor hat sich mit größter Sorgfalt darum bemüht, nur zutreffende Informationen in dieses Buch aufzunehmen. Alle durch dieses Buch berührten Urheberrechte, sonstigen Schutzrechte und in diesem Buch erwähnten oder in Bezug genommenen Rechte hinsichtlich Eigennamen oder der Bezeichnung von Produkten und handelnden Personen stehen deren jeweiligen Inhabern zu.

INHALT

MULHOLLAND DRIVE

1 LASS DICH NICHT VERBIEGEN

2 IM FÖRDERPROGRAMM

3 IN UNIFORM

4 MISS WEST

5 VERZÜCKT VERKAUFEN

6 ANPACKEN

BILDERSTRECKE 1

7 SICH AUF NICHTS VERLASSEN, SOLANGE ES NICHT FESTSTEHT

8 THE SACKETTS

9 ICH WEISS NICHT, WOHIN ICH GEHE, ABER MICH ZU VERSPÄTEN BRINGT NICHTS

10 MAGNUM DREHEN

11 ES IST KOMPLIZIERT

12 EIN ANFANG

BILDERSTRECKE 2

13 DEN RHYTHMUS FINDEN

14 IM FLUSS

15 MAN WEISS JA NIE

16 UNERLEDIGTE ANGELEGENHEITEN

17 STETS MIT DEM UNERWARTETEN RECHNEN

18 ZURÜCK ZU ALTER STÄRKE

19 DER ELEFANT IM RAUM

20 DAS RICHTIGE TUN

EPILOG: VON MEILENSTEINEN UND ERINNERUNGEN

DANKSAGUNGEN

ÜBER DEN AUTOR

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MULHOLLAND DRIVE

In einer weiten Kurve kam eines der Räder von der Fahrbahn auf den unbefestigten Seitenstreifen. Der Wagen, der einen Heckantrieb hatte, verlor sofort die Bodenhaftung, geriet ungebremst ins Schleudern und stürzte über die Böschung. Alles Weitere schien langsamer abzulaufen. Ich saß auf dem Beifahrersitz, während sich das Auto, in der Luft schwebend, um sich selbst drehte. Wir waren bowlen gewesen, und die beiden Bowlingkugeln flogen nun durch den Innenraum und trafen oft genug ihr Ziel. Die Nacht war dunkel, weshalb ich nicht sah, wohin wir stürzten. Dann spürte ich ein durchdringendes, schmerzhaftes Knirschen, als das Auto auf dem Dach aufschlug.

Gott sei Dank war es vorbei.

Doch plötzlich waren wir wieder in der Luft. Wir drehten uns in einem fort und fielen weiter. Dann noch ein erschütterndes Knirschen, als wir auf der Beifahrerseite landeten.

Die Tür war weg, und ich spürte den Boden unter meinem rechten Arm, der irgendwie heil blieb, während das Auto weiterrollte. Dann ging’s wieder hoch in die dunkle Leere, wir überschlugen uns und landeten dann richtig herum.

Ich stützte meine linke Hand an der eingedellten Decke ab, um mich auf das vorzubereiten, was sicher als Nächstes kommen würde, doch es kam nicht. Der rote Corvair Monza meiner Mom war auf einer flachen Stelle des steilen Abhangs gelandet und liegen geblieben. Während er zur Ruhe kam, herrschte eine unheimliche Stille.

Ich dachte, ich sei klar bei Verstand, aber das war ich nicht. Im Radio lief „Rock’n’Roll Will Stand“ von den Showmen. Ich schaltete es aus. Ich löschte auch die Scheinwerfer, die nicht mehr da waren. Und ich stellte den Motor ab, der nicht mehr lief.

Was ist mit Vicki?!

Meine Freundin Vicki Wheeler lag kopfüber auf der Rückbank. 1962 gab es noch keine Sicherheitsgurte. Sie kam gerade zu sich. Während ich ihr half, sich wieder aufrecht hinzusetzen, sah ich, dass ihr blondes Haar blutgetränkt war.

„Bist du okay, Vic?“

„Ja. Glaub schon.“

Dann schien es uns beiden gleichzeitig einzufallen: „Wo ist Steve?“, fragte sie.

Ich hatte meinen Freund Steve Lowe das Auto meiner Mom fahren lassen … aber er war nicht mehr da! Ich sprang raus und begann, „Steve! Steve!“ zu rufen. Schließlich hörte ich von einer höheren Stelle an dem dunklen Hang her: „Ich bin hier oben.“

„Steve, bist du okay?“

„Ich denke schon, aber wenn ich mich bewege, tut’s weh.“

Ich erkannte ein Haus nicht weit unterhalb der Stelle, wo wir gelandet waren. Hätten wir uns ein weiteres Mal überschlagen, wären wir auf seinem Dach gelandet … oder hineingekracht.

Dann beschleunigte sich alles. Ein Paar, das in dem Haus wohnte, kam angelaufen.

„Sind Sie okay?“ Schon komisch, was einem so alles einfällt. Sagt das jeder?

„Ich schon, aber mein Freund oben am Hang braucht Hilfe.“

Während ich ins San Fernando Valley hinunterschaute, hörte ich in der Ferne eine Sirene. Ich sah einen Krankenwagen auf der Straße, der sich Beverly Glen hoch zum Mulholland Drive schlängelte.

Von der Fahrt im Krankenwagen weiß ich nichts mehr, außer dass ich darüber nachdachte, welchen Mist ich gebaut hatte. Meine Eltern waren nicht versichert für den Fall, dass jemand anders fuhr, und erst recht nicht bei einem Teenager. Danach erinnere ich mich nur noch daran, dass ich in der Notaufnahme saß und meine linke Gesichtshälfte ironischerweise dick wie eine Bowlingkugel angeschwollen war. Und dass Mom und Dad hereingerannt kamen.

Einen Ausdruck wie den in ihren Gesichtern hatte ich noch nie in meinem Leben gesehen. Sie hatten in der Nacht den Anruf erhalten, den alle Eltern fürchten. In diesem Moment wurde mir bewusst, wie schlimm es ohne weiteres hätte ausgehen können.

„Mir geht’s gut“, sagte ich. Ich glaube, ich habe geweint und immer wieder „Es tut mir leid, es tut mir leid“ gesagt.

Meine Mom nahm meine Hand, und mein Vater unterbrach mich: „Mach dir keine Sorgen. Konzentrier dich einfach darauf, wieder auf die Beine zu kommen.“

Vicki und Steve landeten schließlich auch im Valley Doctors Hospital in Studio City. Vic wurde behandelt und anschließend entlassen, doch Steve hatte einen Beckenbruch erlitten, und wir kamen zusammen auf ein Zimmer. Am nächsten Morgen las ich Steve einen Artikel auf Seite 4 der Valley News and Green Sheet vor, die ich als Zeitungszusteller austrug. Die Schlagzeile lautete: „Drei Verletzte bei Fahrzeugabsturz“.

Meine und Steves Eltern besuchten uns jeden Tag. Vicki kam mit einigen Freundinnen aus der Schule. Ich weiß noch, dass sich Steve vor den Mädchen schämte, weil er einen Streckverband trug und einen Katheter mit Urinbeutel am Bett hängen hatte. Teenagerprobleme.

Das war im späten Frühling 1962, und wir wollten beide rechtzeitig zum Abschluss an der Grant High School rauskommen. Ich wurde zuerst entlassen, aber sie steckten mir noch gezwungenermaßen eine Nadel in die linke Wange, um Blut abzunehmen, weil die Schwellung einfach nicht nachließ. Steve musste noch eine ganze Weile bleiben, kam aber am Ende humpelnd zur Abschlussfeier.

Das alles hat einen Sinn. Ich hatte gründlich versagt. Und ich wusste, dass meine Eltern einen großen finanziellen Schaden davontragen würden. Aber selbst, nachdem ich mich erholt hatte, gab es keine Schuldzuweisungen – kein „Du hast ein Jahr Hausarrest“, nichts dergleichen. Sie wussten, dass sie mir keine Konsequenzen aufzuzwingen mussten, weil ich selbst welche ziehen würde. Ihnen war zu dem Zeitpunkt klar, dass sie es geschafft hatten, mir die Gabe der Selbstreflexion und eines Gewissens zu vermitteln.

Das ist irgendwie schwer zu erklären, doch ich weiß zumindest: Die schwerwiegendste Konsequenz, wenn ich Fehler machte, was ein 17-Jähriger ziemlich häufig tut, war die Einsicht, dass ich meine Mom und meinen Dad enttäuscht hatte.

Ich weiß nicht, wie mir meine Eltern das beibrachten, aber sie haben es getan.

Es ist nicht so, dass ich nie bestraft worden wäre. Ich habe durchaus Prügel bezogen, als ich klein war, und sie auch immer verdient.

Aber während ich älter wurde, änderten sich auch die Bestrafungen meiner Eltern. Dad nahm mich und meinen großen Bruder Bob mit zur Van Nuys City Hall, um uns das dortige Polizeirevier zu zeigen. Da war ich ungefähr sieben, glaube ich. Bob ist 19 Monate älter als ich. Wir trafen einige sehr nette Polizisten und beantworteten alle ihre Fragen mit „Ja, Officer … Nein, Officer“. Dann bekamen wir eine Führung durchs Revier. Sie nahmen uns auch mit ins Untergeschoss zu den Gefängniszellen.

„Dürfen sie reingehen und sich umschauen?“, fragte Dad.

Der eine Polizist erwiderte leicht lächelnd: „Natürlich, Mister Selleck.“

Bob und ich betraten die Zelle zögerlich und sahen uns um.

„Gut, sperren Sie sie ein“, sagte Dad.

Wortlos schlug der Beamte die Tür zu, sperrte ab und verschwand mit meinem Vater die Treppe hinauf.

Zwischen Bob und mir entwickelte sich ein bisschen falscher Heldenmut, ein überhebliches „Okay, sehr witzig!“

Nach etwa 10 Minuten war es aber schon weniger witzig, nach 20 überhaupt nicht mehr. Kurz darauf hörten wir Schritte auf der Treppe. Allerdings lachte niemand. Der Beamte schloss die Zellentür auf, und mein Dad sagte: „Ich glaube nicht, dass ich etwas sagen muss.“

In unserer überschaubaren Nachbarschaft in der Peachgrove Street durften wir nicht auf der Straße Baseball spielen. Nicht weitersagen, aber die Kinder aus der Gegend haben es trotzdem alle getan. Leider bekam ich auch einen Ball in die Finger und warf damit ein Fenster unseres Nachbarn gegenüber ein. Wir alle rannten zu unseren jeweiligen Elternhäusern zurück.

Ich erzählte es meiner Mom und fragte: „Wirst du es Dad sagen?“ Sie antwortete: „Nein, ich werde es deinem Dad nicht sagen. Du tust es … und kein Fernsehen, bis er nach Hause kommt!“

Tja, als er nach Hause kam, sagte ich es ihm rundheraus. Er überlegte kurz. Ich hatte keine Ahnung, was als Nächstes kommen würde. Dann entgegnete er: „Danke, dass du mir das erzählt hast. Wir reden morgen früh weiter.“

Am nächsten Morgen trat er früh mit seinem üblichen „Aufstehen!“ in unser Kinderzimmer. Er ging mit mir zum Nachbarhaus und klopfte an. Als Mr. Rockwell aufmachte, sagte Dad zu mir: „Erzähl’s ihm.“

„Mr. Rockwell, ich bin derjenige, der Ihr Fenster eingeworfen hat.“

Dad zeigte mir anschließend, wie man eine zerbrochene Fensterscheibe ausmisst. Dann fuhren wir zum Baumarkt, wo wir ein Stück Glas zuschneiden ließen und alles besorgten, was wir für die Reparatur brauchten. So lernte ich, Fenster zu erneuern und nicht auf der Straße Baseball zu spielen.

Ich habe diese Erinnerungen immer noch ganz klar vor Augen. Und ich denke, das ist die Lehre aus alledem.

Genauso deutlich erinnere ich mich auch an den Sturz vom Mulholland Drive. Dass die Produktion des Chevy Corvair ein paar Jahre später eingestellt wurde, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Verbraucherschützer setzten sich dafür ein. Sie behaupteten, das Modell würde sich leicht überschlagen. Offen gestanden bin ich mir nicht sicher, ob das stimmt. Ich habe im roten Corvair Monza meiner Mom etliche Meilen unversehrt zurückgelegt; ich kann mich aber persönlich dafür verbürgen, dass er sich überschlägt, wenn man ihn von einem 40 Meter hohen Abhang hinunterstürzen lässt.

1 LASS DICH NICHT VERBIEGEN

Ich wusste genau, wo das Problem lag.

Ich hatte eine Menge Zerstreuungen.

In meinem ersten Studienjahr an der USC wohnte ich im Sigma-Chi-Haus. Dort gab es einen Billardtisch im Aufenthaltsraum und eine große Couch vorm Fernseher. Am Ende des Flurs lief immer ein Gin-Spiel, wo ich mittrinken konnte, wenn ich eigentlich lernen sollte. Das Leben in einer Studentenverbindung machte einfach zu viel Spaß. Eine letzte Gelegenheit, Kind zu sein. Ab und an verstopften wir die Abflüsse unserer Gemeinschaftsdusche mit Handtüchern, um den ersten Stock zu fluten, und schlitterten durch den Flur. Manchmal stiegen wir mit dem Feuerlöschschlauch aufs Dach und spritzten in die offenen Fenster des Sigma-Alpha-Epsilon-Hauses auf der anderen Straßenseite. Und ich hatte noch eine weitere Zerstreuung: schlafen. Ich musste meine Veranstaltungen auf den Vormittag legen, weil nachmittags mein Basketballtraining stattfand. Nach langen Nächten, in denen ich nicht gelernt hatte, verpennte ich meine ersten Stunden immer. Wenn ich dann zum Campus kam, konnte ich gleich zum Trojan Grill gehen und dort mit meinen Freunden abhängen.

Eines späten Morgens schleppte ich mich in Basketballshorts und einem T-Shirt die Treppe hinunter, während ich mir nach einer anstrengenden Nacht mit Gin-Spielen den Schlaf aus den Augen rieb. Ich ging geradewegs in die Küche, um mir einen Kaffee zu holen. Als ich am Gemeinschaftsraum vorbeikam, hörte ich es: Gemurmel einer lebhaften Unterhaltung. Ich steckte meinen Kopf durch die Tür und sah eine große Gruppe Frauen. In ihrer Mitte saß meine Mom.

„Oh. Hi, Mom.“

Ich hatte vergessen, dass sich der Verein der Sigma-Chi-Mütter an diesem Tag zum Lunch traf.

Meine Mom trat immer sehr beschützend gegenüber all ihren Kindern auf. „Ach, das ist toll“, sagte sie. „Dein Unterricht ist ausgefallen. Komm, setz dich doch zu uns.“

„Äh, na gut.“

„Geh nach oben, und zieh dich um, dann kannst du zu uns ins Esszimmer kommen.“

Ich verschwand, so schnell ich konnte, weil mir gleich klar gewesen war, dass sie Bescheid wusste.

Mom hätte mich nie öffentlich bloßgestellt. Ich muss aber sagen, hätte man meine Brüder Bob und Dan oder meine Schwester Marti gefragt, wäre ihre Antwort die gleiche gewesen: Meiner Mutter etwas zu verheimlichen war nahezu unmöglich.

Man könnte meinen, ich hätte etwas aus dem „Skandal“ gelernt, den ich damals als stellvertretender Schülersprecher in der Junior High School verursacht hatte, als ich das Amt wegen mangelhafter Mitarbeit niederlegen musste. Dies Mom und Dad beizubringen war nicht leicht. Arbeitsmoral stellte offensichtlich ein dauerhaftes Problem für mich dar. Im Sport hatte ich sie zweifellos, doch in meiner Herangehensweise ans Lernen war sie nicht vorhanden.

Und noch etwas: Die Colleges schickten Zeugnisse an die Adresse, die man angab. Es war nicht wie in der High School, wo man sie von den Eltern unterschreiben lassen musste. Das auszulassen tat mir nicht gut. Niemand in der Familie wusste von meinem nachlassenden Lernpensum und miserablen Notendurchschnitt. Mein Bruder Bob ahnte es vermutlich, sagte aber nichts. Er war auf dem besten Weg, seinen Abschluss im Juni zu machen. Ich wünschte mir quasi, dass er blieb. Er war der Einzige, der mir in den Hintern treten, mich zum Pauken bewegen und vielleicht wieder in die Spur bringen konnte. Allerdings sollte Bob bald zu seinem eigenen Abenteuer aufbrechen; ein Baseball-Talentsucher namens Tommy Lasorda hatte ihm einen Vertrag bei den L.A. Dodgers besorgt.

***

Ich stand nur auf dem Papier kurz vor meinem Studienabschluss.

Nach je zweieinhalb Jahren am Valley College und an der USC konnte ich ihn immer noch nicht machen. Das wurde mir von Tag zu Tag klarer.

Ich war seit dem zweiten Semester meines dritten Studienjahres auf „akademischer Bewährung“, was an der USC eintrat, wenn der Notendurchschnitt unter 2,0 fiel. Jetzt drohte mir der Ausschluss aus dem Basketballteam. Um aufgestellt zu bleiben, musste ich zwölf Kurseinheiten pro Semester absolvieren. Ich hatte mich durchgeschlagen – gerade so. Als jedoch die Saison 1966/67 näher rückte, bekam das dünne Eis unter mir Risse.

Als BWL-Student hatte ich die schwierigen Kurse so lange wie möglich hinausgezögert, weshalb sie die einzigen waren, die übrig blieben.

Im ersten Semester meines „Abschlussjahrs“ hatte ich schon einen Kurs abgebrochen. Ich musste also zwölf Einheiten schaffen, das absolute Minimum für meine Spielberechtigung. Dann brachte ich meinen Statistik-Kurs „Quantitative Analyse 1“ nicht zu Ende, wobei ich hoffte, die zusätzliche Zeit zu nutzen, um den Rückstand aufzuholen. So kam ich auf acht Einheiten, was mich für Basketball untauglich machte. Für diesen Kurs musste man seine Hausaufgaben machen, er umfasste eine Menge Mathematik. Ich hatte das Lehrbuch jedoch kaum durchgeblättert und war fast nie in den Unterricht gegangen. Die Wahrheit lautete: Ich konnte in Statistik unmöglich bestehen. Ich war offiziell nicht spielberechtigt! Basketball ist ein echter Lichtblick für mich gewesen. Ich war deshalb entsprechend verzweifelt und wusste nicht, was ich tun sollte.

Ich suchte dann den Professor auf, um meinen Fall vorzutragen. Obwohl ich wirklich keine guten Argumente hatte, musste ich es versuchen.

Ich kannte ihn nicht gut, weil ich kaum in den Unterricht gegangen war. Er wirkte sehr lehrerhaft und ein wenig abweisend. Ich erklärte ihm meine Situation, wie sehr ich in der Klemme steckte, wie viel mir das Basketballteam bedeute und wie stolz ich darauf sei, dass ich ein Stipendium für mein letztes Semester erhalten hätte. Als ich ihm sagte, dass ich im Begriff sei, das Stipendium zu verlieren, wurde ich verlegen. Ich hatte zu weinen angefangen. Das war nicht geplant, sondern passierte einfach. Ich meine, ich war ja kein Schauspieler oder so …

Wie sich herausstellte, war er ein gütiger Mensch und schenkte mir ein „Ausreichend“. Somit war ich wieder für Basketball zugelassen.

Ich hatte eindeutig zu kämpfen, und langfristig war trotz des vorübergehenden Aufschubs auch keine Besserung in Sicht. Fürs Frühjahrssemester würde ich einen noch anspruchsvolleren Stundenplan im Vergleich zum vergangenen Herbst bekommen. Welche Aussichten hatte ich nach meiner Leistung in QA-1 bei QA-2? Das konnte nicht gutgehen, ich spürte es. Selbst nach fünf Jahren College würde ich nicht genug Studieneinheiten haben, um meinen Abschluss zu machen.

Und mit diesem Kampf ging ein gewisses Maß an Reue einher. Meine Eltern hatten sich, wie schon für Bob, Geld geliehen, um mir das College zu finanzieren. Aber bei meinem wirtschaftswissenschaftlichen Studium war ich gewiss nicht motiviert. Ich hatte Wirtschaft als Hauptfach gewählt, weil mein Vater in der Wirtschaft tätig war. Ein tieferer Gedanke steckte nicht dahinter. Ich hatte ein paar Wahlpflichtkurse in Geschichte belegt, die mir sehr gut gefielen, besonders am Valley College – doch was fängt man mit einem Geschichtsstudium an?

Ich vereinbarte also einen Termin bei Dr. William Himstreet, dem stellvertretenden Dekan der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Ihn hatte ich durch meine Eltern bei Football-Spielen kennengelernt. Seine Tochter Sue war in einer der Vereinigungen für Studentinnen auf dem Campus aktiv. Er wirkte auf mich immer wie ein netter Kerl mit trockenem Humor.

„Ich brauche Ihren Rat“, sagte ich zum Dekan, als ich in seinem Büro Platz nahm.

Ich wollte ihm gerade von meinen Studienproblemen erzählen, den Sorgen um meine Spielberechtigung und der Befürchtung, nie zum Abschluss zu kommen, aber er war mir weit voraus.

„Pass auf, Tom“, begann er. „Ich habe mir dein Studienbuch angeschaut und muss sagen, es hat mich schwer beeindruckt.“

Beeindruckt?

„Es ist eines der bemerkenswertesten Zeugnisse von Mittelmäßigkeit, die ich je gesehen habe. In deinem Hauptfach warst du nie besser als befriedigend, manchmal sogar schlechter.“

Irgendwie hatte er ein Funkeln in den Augen, während er das sagte. Als ich ihn fragte, was ich an meiner Studiensituation ändern könne, erwiderte er schlicht: „Streng dich mehr an!“

Natürlich hatte Dean Himstreet recht, doch ich muss gestehen, dass es kein neues Problem war. Damals am Valley College hatte ich ein zusätzliches Semester nehmen müssen, weil die USC meinte, meine Noten würden „nach unten tendieren“. Deshalb suchte ich mir selbstverständlich einen Kurs, von dem es hieß, man könne darin leicht gut abschneiden. Wie sich herausstellte, war „Die Geschichte des amerikanischen Theaters“ ein solcher Kurs. Irgendwann sagte Robert Rivera, der Professor, zu mir, ich sei gut für Werbespots geeignet und er könne mich einem Agenten empfehlen, falls ich Interesse hätte. Nun, ich legte es nicht unbedingt darauf an, hatte aber gehört, dass man viel Geld verdienen konnte, wenn man in einem Werbespot mitspielte. Ich meine, man weiß nie … Ich ging also zu einem Treffen mit dem Kerl. Er hieß Don Schwartz und wurde zufällig auch mein Agent.

Während meines ersten Semesters an der USC rief mich Don Schwartz an und sagte, er habe einen Job für mich. Er erzählte mir, es handle sich um einen Lehrfilm für die Psychiater der Air Force. Okay. Der Titel lautete Psychische Faktoren menschlicher Zuverlässigkeit. Okay. Ich sollte drei Zeilen Text als Pilot Pickens sprechen. Okay. Die Wahrheit ist, ich habe es eigentlich nie als „Job“ aufgefasst. Für mich bedeutete es einen Lohnscheck. Eine Tagesgage nach Gewerkschaftstarif zuzüglich Tagesspesen.

Es war ein glücklicher Zufall. Der Lehrfilm wurde am Luftwaffenstützpunkt Davis-Monthan in Tucson gedreht. Als ich von dort nach Hause zurückkehrte, erzählte mir mein Dad, er sei dort als B-29-Mechaniker stationiert gewesen und nach dem Krieg von dieser Basis aus entlassen worden, um nach Detroit zurückzukehren und zum ersten Mal seinen zweiten Sohn zu sehen, den zweijährigen Thomas William.

***

Im Sigma-Chi-Haus sprach sich herum, dass man leicht Kandidat in der Flirt-Show The Dating Game werden konnte.

Einer der Bewohner kannte einen Typen, der fürs Casting der Bewerber zuständig war.

„Wir fahren zum Bewerbungsgespräch hin“, meinte einer meiner Kameraden. „Willst du mitkommen?“

„Ja, gut“, antwortete ich gleichgültig.

Ich wurde ausgewählt. Mehrere andere von uns auch.

In The Dating Game gab es hin und wieder ein Wiedersehen. Die Kandidatin war zuvor mit einem der drei Junggesellen zusammen gewesen und hatte sich schließlich von ihm getrennt. Jetzt kehrten sie und ihr Ex in die Sendung zurück, und das Publikum war gespannt: Würde sie ihm noch eine Chance geben?

So wie Studenten nun einmal sind, fanden meine Bundesbrüder heraus, wie man das Spiel manipulieren konnte. Sie nahmen mit ihren echten Freundinnen teil, um miteinander auszugehen, ohne dafür zu zahlen, weil der Sender ABC für alle Unkosten aufkam. Zudem hatten sie einen Freund im Publikum sitzen, der den Freundinnen ein Zeichen gab, falls sie nicht sicher waren, auf welchem Platz ihr Partner saß.

Die Macher der Show schienen nichts zu ahnen, oder sie taten es doch, und es war ihnen einfach egal.

Ich hatte keine Freundin. Außerdem kam mir das nicht ganz koscher vor.

Ich war Junggeselle Nummer 2. Während der Beginn der Show näher rückte, saß ich auf meinem Hocker und bekam immer mehr Angst. Der Regieassistent, dem meine finstere Miene auffiel, empfahl mir zuvorkommend: „ Sieh zu, dass du lächelst, wenn die Drehbühne nach vorn fährt.“

Sieh zu, dass du lächelst. Verstanden!

Ich saß mit den beiden anderen Kandidaten im Dunkeln. Mein Herz klopfte so heftig, dass ich es fast hören konnte. Dann dröhnte Moderator Jim Langes tiefer Bariton durchs Studio: „Es ist an der Zeit, unsere drei heiratswilligen Junggesellen kennenzulernen … und hier sind sie!“

Die Bühne begann sich zu drehen. Als wir so weit waren, dass ich das Publikum sehen konnte, ging das Licht an. Ich entsann mich der Worte des Regieassistenten:

Lächeln!

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich solches Herzklopfen, dass meine Oberlippe, wenn ich lächelte, synchron zu meinem starken Puls zuckte. Wenn man bei der alten Aufnahme der Sendung genau hinsieht, erkennt man es tatsächlich. Ich hatte ja keinen Schnurrbart, um es zu verbergen.

Die Kandidatin stellte die heiklen Fragen, für die The Dating Game berühmt war. Ich gab schwache Antworten und verlor.

Ich war nicht lustig. Es machte mir keinen Spaß. Während der ganzen Zeit, die ich da oben war, stand ich Todesangst aus.

Im Laufe meiner Zeit an der USC schickte mich Don gelegentlich zum Vorsprechen für Werbespots. Nicht dass ich mir ernsthaft Hoffnungen darauf machen konnte. Ich hatte keine Ahnung, was ich da tat. Darum muss ich sagen, dass ich leicht verdutzt war, als Don sagte: „Du hast den Pepsi-Spot bekommen.“

„Hab ich?“

Ich wusste wohl, dass es unmöglich an meinem Schauspieltalent liegen konnte. Viel wahrscheinlicher verdankte ich es meinem Basketballtalent.

Meine Figur in dem Spot – Verzeihung, ich habe damals nicht in solchen Begriffen gedacht – … der Typ im Basketballspiel täuscht rechts an, wechselt auf links, zieht am Verteidiger vorbei, springt und versenkt den Ball mit links im Korb. Das war einfach. Ich brachte zweifellos die Voraussetzungen mit. Selbst nach einer irrsinnigen Anzahl von Versuchen habe ich mein Soll stolz erfüllt. Wir hatten gerade unsere Basketballsaison an der USC beendet, und ich war in Topform.

Dann zog das Filmteam zum Set in der Umkleidekabine um. Ich hatte nicht bedacht, dass es dort um die Schlüsselszene ging, aber so war es: Ich sitze darin vor meinem Spind und gluckere verzückt eine leckere Pepsi. Ehrlich gesagt, war ich nicht auf die vielen Wiederholungen gefasst. Und der Regisseur fühlte sich nicht bemüßigt, mir zu erklären, warum ich die Szene immer wieder machen musste. Rückblickend bin ich sicher, dass er dachte: Warum sollte ich diesen entlaufenen Uni-Basketballer einweihen, der offensichtlich ungeübt ist und sowieso keine Ahnung hat?

Ich gab mein Bestes, um jedes Mal verzückt zu wirken, und trank eine Menge Pepsi. Dann kam der Regisseur zu mir, und ich dachte natürlich, ich hätte etwas falsch gemacht.

Er sagte, „der Kunde“ halte die Farbe der Pepsi im Bild für zu dunkel, weshalb wir von vorn anfangen müssten. Mein Magen war übervoll, aber hey – es lag nicht an mir, und ich wurde bezahlt. Also fingen wir von vorn an. Nachdem sie die Pepsi verdünnt hatten, schmeckte sie wie etwas, das einer Kuh hinten rausläuft. Tatsächlich hatte ich immer lieber Pepsi als Cola getrunken.

Nie wieder.

Merkwürdigerweise wurde ich dann aber noch einmal für eine Folge der Spätausgabe von The Dating Game eingeladen, wo die Sieger die Gelegenheit zu ausgefalleneren Dates bekamen – und merkwürdigerweise machte ich wieder mit. Ich hatte wieder Angst, war wieder nicht lustig und verlor auch wieder.

In dieser Lebensphase tun manche Männer alles, um einem Girl zu imponieren. Jedem Girl. Ich zumindest. Ich schätze, bei The Dating Game mitzumachen war eine kleine Prestigefrage, so wie ich für Werbespots vorsprach. Mir gefiel es, wenn jemand sagte: „Oh, er ist Schauspieler.“ Eigentlich war ich keiner. Dadurch konnte ich mich einfach ein wenig hervortun – etwas, das die Girls vielleicht bemerkten.

Ungefähr eine Woche nach meinem zweiten Auftritt erhielt ich einen Anruf von meinem Agenten Don Schwartz. Er sagte, ein Besetzungschef von 20th Century Fox namens David Graham habe mich in The Dating Game gesehen und würde mich gern kennenlernen. Außerdem sei die Rede von einem „Fox New Talent“-Programm gewesen, wofür ich möglicherweise infrage käme.

„Triffst du dich mit ihm?“, fragte Don.

„Keine Ahnung. Warum nicht?“

Nicht, dass ich darauf brannte, Karriere als Schauspieler zu machen. Darüber hatte ich noch nie nachgedacht. Meine „Karriere“ beschränkte sich auf einen Pepsi-Werbespot und einen Lehrfilm der Air Force.

Don erklärte, dass sowohl Fox als auch Universal Talentförderprogramme hätten, um junge Schauspieler in die Kinofilme und Fernsehsendungen ihrer Studios zu lotsen. „Universal nimmt Leute unter Vertrag und stellt sie vor die Kamera, ohne sie anzulernen“, fügte Don hinzu. „Sie schauen einfach, was passiert; versagst du, bist du weg. Fox hingegen lernt dich an, so wie es bei den alten Studios üblich war – Schauspiel-, Gesangs- und Tanzunterricht. Und die Lehrer sollen ausgezeichnet sein.“

Ein paar Wochen später meldete sich Don wieder. Ich kannte ihn inzwischen ziemlich gut und hörte an seiner Stimme, wie begeistert er war. „Fox will dich gleich am Montagmorgen sehen“, erzählte er. „Ich sagte ihnen, Universal würde dich gern spätestens am Dienstag unter Vertrag nehmen. Dann habe ich mit Universal gesprochen und behauptet, dass Fox dich nehmen wolle, also will Universal dich jetzt auch sehen. Du hast also Termine bei beiden Studios, aber deine Entscheidung muss auf Fox fallen.“

In Hollywood gibt es einen Fachbegriff für die Strategie, die Don anwandte. Er lautet „Totalverarsche“, falls ich mich nicht irre. Man nennt es jedoch auch „gute Interessenvertretung“.

Ich weiß nicht mehr viel von meiner Audition bei Universal. Es war ganz unverbindlich. Ich glaube, Monique James, die Leiterin des Förderprogramms, schaute kurz herein, aber das war’s auch schon.

Als Don anrief, erreichte er mich nicht zu Hause. Ich befand mich im Chapman Park Hotel, hinter dem alten Ambassador Hotel und dem Nachtclub Cocoanut Grove gleich um die Ecke. Ich war mit dem Basketballteam USC Trojans unterwegs. Wir hatten an diesem Wochenende freitags- und samstagabends Heimspiele und mussten von Donnerstagabend bis Sonntagmorgen im Hotel bleiben. Die Trainer wollten sicherstellen, dass die Spieler richtig aßen und sich vor allem anständig benahmen.

„Wenn du am Montag zu Fox fährst“, sagte Don, „wollen sie, dass du eine Szene für sie nachstellst.“

„Eine Szene?“

„Aus einem Theaterstück.“

„Oh.“

„Ich bringe eine meiner Schauspielerinnen rüber. Wir werden mit dir proben. Eine Szene aus Barfuß im Park kriegst du hin.“

„Krieg ich nicht, Don“, entgegnete ich.

„Keine Bange. Wir bringen es dir bei.“

„Nein! Ich sitze das ganze Wochenende im Hotel fest. Ich könnte mich erst am Sonntagnachmittag mit ihr treffen.“ Das sei viel zu spät, um anzufangen, bekräftigte Don. „Glaub mir, ich habe deinen Pepsi-Spot gesehen, du brauchst mehr Zeit.“

Ich wusste, dass man mich wahrscheinlich in keinem der Spiele an diesem Wochenende aufstellen würde, also verließ ich am Samstagnachmittag heimlich das Hotel. Das war keine meiner Glanzleistungen.

Dons Klientin wusste, was sie tat. Sie hatte Schauspiel studiert und definitiv mehr Erfahrung als ich. Vermutlich hoffte sie darauf, entdeckt zu werden. Ich wünschte, ich könnte mich an ihren Namen erinnern – aber Pustekuchen. Am Sonntag kam sie noch einmal und probte weiter mit mir. Als wir fertig waren, kehrte ich nach Hause zurück und übte meinen gesamten Text einschließlich der Mimik vorm Spiegel. Das entsprach nicht unbedingt dem Schauspiellehrbuch, doch ich schwöre, nachdem ich das alles getan hatte, kannte ich die Szene besser als Neil Simon.

Als ich auf dem Studiogelände am Pico Boulevard im Herzen von Century City ankam, traf ich mich mit dem Leiter der Casting-Abteilung, einem redlichen Kerl namens Jack Baur. Der stellvertretende Studioleiter Owen McLain, der sich um die Talente kümmerte, war ebenfalls anwesend. Ich war nicht nervös, als ich den Raum betrat. Zumindest dachte ich das, vielleicht, weil für mich nicht sonderlich viel auf dem Spiel stand. Ich spulte meinen Text und meine Mimik ruhig ab, bis die Stelle kam, an der meine Figur einen Anruf erhielt. Nun würden die meisten Schauspieler in dieser Situation einfach eine geballte Faust an ihr Ohr halten und vorgeben, in einen Telefonhörer zu sprechen.

Das allerdings genügte mir nicht. Nein, ich wollte sie so richtig beeindrucken. Mir fiel ein echtes Telefon auf einem Tisch neben der Couch auf.

Ich nahm den Hörer ab.

Das Freizeichen ließ mich erstarren.

Ich war völlig sprachlos.

„Ich weiß nicht, was ich als Nächstes sagen soll.“

Als Leiter der Casting-Abteilung hatte Jack Baur wahrscheinlich schon hundertmal Auszüge aus Barfuß im Park bei Vorsprechterminen gehört. „Für einen Anwalt küsse ich sehr gut“, sagte er.

Ich hielt den Hörer immer noch an mein Ohr. „Wie bitte?“

„Das sagst du als Nächstes.“

Ich brachte die Szene holprig zu Ende, und leider wurde meine Spielpartnerin heimgeschickt. Was für eine Branche!

Dann meinte Owen zu mir: „Also, weil wir uns heute entscheiden sollen, müssen wir mit unserem Vorgesetzten sprechen.“

„In Ordnung.“

„Gehen wir.“

Mir war nicht klar, dass ich mitkommen sollte, doch anscheinend gehörte ich zu „wir“.

Jack, Owen und ich gingen also zu Gebäude 1, der alten Fox-Verwaltungszentrale, einem gewaltigen und sehr beeindruckenden Bau, der wahrscheinlich aus den 1930ern stammte. Sie führten mich einen ebenso beeindruckenden Flur entlang zu einer edel aussehenden Tür. Auf dem Namensschild stand „RICHARD D. ZANUCK“.

Ich wusste, dass ich ihrem Boss entgegentreten würde; dass er der Boss war, ahnte ich nicht.

Der Eingangsbereich des Büros sah aus wie ein Saal, in dem das Studio elegante Cocktailpartys oder Oscar-Auszeichnungen feierte. „Er erwartet Sie“, sagte zweckmäßig knapp eine Sekretärin, als wir drei eintraten.

Richard Zanuck war der Sohn von Darryl Zanuck, der 20th Century Fox in den 1930ern mitbegründet und das Studio durch mehrere seiner erfolgreichsten Jahrzehnte geführt hatte. Jetzt war sein Sohn federführend. Nach den Formalien nahmen Jack, Owen und ich vor dem verschnörkelten Schreibtisch des Studiobosses Platz.

„Und?“, fragte Zanuck.

„Er hat eine Szene für uns nachgestellt, Dick“, sagte Owen und schob meinen einseitigen Lebenslauf über den Schreibtisch. „Der Junge ist noch ziemlich unerfahren, aber deshalb haben wir ja ein Förderprogramm. Wir denken, er könnte Potenzial haben.“

Ich schaute zu Zanuck hinüber, der wie gebannt auf meinen Lebenslauf schaute.

Ehrlich gesagt, stand nicht viel darin. Der Präsident von 20th Century Fox interessierte sich bestimmt nicht für meinen Pepsi-Werbespot und meinen Air-Force-Lehrfilm.

„Du spielst in der Mannschaft der USC.“

„Ja, Sir.“

„Ich bin ein großer UCLA-Fan.“

Und das war es: Er hatte angesprochen, was die Leute in L.A. „die Rivalität“ nannten. „Tja, zu schade“, antwortete ich wie ein echter Trojan.

Er erwiderte prompt: „Eure Zeitschinderei gegen uns war ein ziemlich schäbiger Trick.“

Am 10. Februar, als die USC zuletzt gegen die ungeschlagenen UCLA Bruins angetreten war, hatte unser Trainer Bob Boyd eine Hinhaltetaktik angewandt. Das Spiel verursachte gehörigen Medienrummel. Der Ball wurde immerzu hin und her gepasst, man griff jeweils zwei bis drei Minuten lang partout nicht an. Einfach die Uhr laufen lassen … Wir nahmen Tempo aus dem Spiel, bis es nur so dahinkroch und kaum mehr Körbe geworfen wurden. Beinahe wäre diese verrückte Taktik aufgegangen. Wir führten zur Halbzeit mit 17:14 gegen den nationalen Meister Bruins und schlugen eine Verlängerung heraus, unterlagen aber schließlich 35:40.

„Koste es, was es wolle“, erwiderte ich achselzuckend. Dann fügte ich hinzu: „Eigentlich sitze ich die meiste Zeit auf der Bank. Aber wenn wir uns auf ein Spiel gegen euch vorbereiten, drängen die Teammitglieder, die nicht so oft zum Einsatz kommen, den UCLA-Sturm gegen unsere Stammspieler. Unsere Reserveleute sind nicht groß. Wenn wir den UCLA-Sturm also unter Druck setzen, bin ich Lew Alcindor“ – der außergewöhnliche 2 Meter 18 große Spieler der Bruins, der wenig später den Namen Kareem Abdul-Jabbar annehmen sollte.

Zanuck sah aus wie ein Kind, das in eine Riesenschüssel Eiscreme glotzt. „Im Ernst?“, fragte er.

„Im Ernst.“

Dann wandte er sich an Owen und Jack und sagte: „Gut dann, packen wir’s.“

***

Die ganze Sache ist erstaunlich, wenn man darüber nachdenkt.

Ein junger Kerl spielt bei The Dating Game mit, und dank der Winkelzüge eines cleveren Agenten glauben zwei der größten Studios in Hollywood, das jeweils andere sei an ihm interessiert. Der Jungspund, der keine richtige Schauspielerfahrung hat und auch gar kein Schauspieler werden will, nimmt schließlich den Präsidenten von 20th Century Fox auf den Arm und wird augenblicklich eingeladen, an dem neuen Talentförderprogramm des Studios teilzunehmen. Und besiegelt wird das Abkommen durch College-Basketball. Das alles geschah so schnell, dass ich mich nicht ein einziges Mal fragte: Warum? Warum tue ich das? Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich das jetzt beantworten kann. Ich hatte nie das geringste Interesse an Schauspielerei. Niemals. Mir war aber auf meine eigene Art, ohne zu planen, tatsächlich etwas gelungen: Ich hatte eine Chance erhalten, für die andere töten würden. So entwickelte ich einen gesunden Respekt vor glücklichen Zufällen.

Don erklärte mir die Einzelheiten. Ich sollte zunächst die Mindestgage der Schauspielergewerkschaft Screen Actors Guild bekommen, also etwas mehr als 100 Dollar wöchentlich, was ich als unheimlich viel empfand. Mit meinem Job bei United Airlines hatte ich nur meine Kosten decken können. Die SAG-Mindestgage würde ausreichen, um mir nach dem Semester eine eigene Wohnung zu finanzieren und für mich selbst aufzukommen. Und habe ich schon erwähnt, dass mein Semester nicht besonders gut lief?

Also besuchte ich meinen Dad in seinem Büro, um ihm von dem Angebot zu erzählen und seinen Rat einzuholen. Zu dem Zeitpunkt leitete er bereits das Coldwell-Banker-Büro fürs San Fernando Valley.

„Ich habe dieses Angebot bekommen, einen Vertrag mit 20th Century Fox zu unterschreiben“, sagte ich ihm.

Ich erklärte alles. Vielleicht ließ ich aber versehentlich aus, dass ich meinen Abschluss nicht schaffte. Er hörte mir aufmerksam zu, wahrscheinlich wollte er irgendetwas zwischen den Zeilen aufschnappen. Als ich fertig war, setzte er sich einen Moment lang hin. Dann sprach er ohne Umschweife, unverblümt und unbeirrt. „Nun“, begann er, „ich denke, es ist wie bei deinem Bruder Bob, als er die Chance bekam, bei den Dodgers zu unterschreiben. Es ist eine dieser Gelegenheiten, die als besonders gelten. Und wenn du sie nicht wahrnimmst, wirst du es vielleicht mit 35 bereuen. Du könntest dich fragen, was wäre wenn …?“

Mehr brauchte ich nicht mehr zu hören.

Ich wollte eigentlich nicht von ihm wissen, was ich tun konnte. Ich fragte ihn, um mich dessen zu vergewissern, was ich tun würde.

In diesem Moment fiel mir ein Spruch ein, den er verwendete: Risiko ist der Preis, den man für eine Chance zahlt. Und wissen Sie was? Ich bin mir nicht sicher, ob mein Vater das wirklich gesagt hat oder ob ich es nur dachte. Aber so oder so, er hat nach dieser Devise gelebt, das steht fest.

Dann sagte er: „Du musst es deinem Chef bei United gleich mitteilen.“

Ich wusste das, obwohl ich insgeheim gehofft hatte, er würde sagen: „Ach, das geht schon klar, mein Sohn. Ich werde für dich dort anrufen.“

Das hätte Dad jedoch nicht ähnlichgesehen.

Ich sagte also etwas Unzureichendes wie „Danke, Dad“ und stand auf, um zu gehen.

Währenddessen sprach mein Vater wie zu sich selbst, aber nur scheinbar; ich habe seine Worte auf jeden Fall gehört. „Lass dich bloß nicht von denen verbiegen.“

Wie aus heiterem Himmel: „Lass dich bloß nicht von denen verbiegen.“

Ich sagte nichts weiter, aber mir wurde bewusst, wie schwierig es für meinen Vater sein musste, mir diesen Rat zu geben. Sein Sohn, der auf dem College nicht gerade Bäume ausriss, war der Zeit zwei Jahre voraus bei einem Unternehmen, dessen Tätigkeit mein Vater wirklich verstand. Da er schon so lange in L.A. arbeitete, musste er über die vielen Risiken des Showbusiness im Bilde sein. Die Geschichten der vielen vergeudeten Leben hatte er gehört. Er wollte auf keinen Fall, dass sein Sohn in diesen Sumpf hineingezogen wurde. Er kannte also die Gefahren. Dennoch gab er seinen Rat freiweg und ohne Zögern.

***

Viele Jahre später lag Dad schwerkrank im Krankenhaus. Meine Mutter, meine Schwester, meine Brüder und ich versuchten, für ihn da zu sein. Wir achteten darauf, dass stets mindestens einer von uns bei ihm war. Eines Morgens saß ich mit meinem Bruder Dan in Dads Zimmer. Er war schon eine Weile still.

Schließlich sagte er: „Ich habe nie Baseball gespielt. Ich habe nie einen Basketball gedribbelt, bis ich auf die High School ging. Don Lund und viele meiner Freunde haben immer Sport getrieben.“

Anschließend schwieg er wieder.

Dann sagte er zu sich selbst: „Schon komisch, was einem so alles einfällt.“

Ich schaute Dan an, und er mich. Unser Vater dachte darüber nach, was war und was hätte sein können.

Er war während der Weltwirtschaftskrise aufgewachsen. Sein Vater war Bauunternehmer gewesen und hatte seinen jüngsten Sohn als Mitarbeiter gebraucht. Don, der Freund meines Vaters, war von den Chicago Bears in der ersten Nachwuchsrekrutierungsrunde als Running Back ausgewählt worden, bevor er meinte, Baseball sei die bessere Berufswahl. Er spielte Außenfeld für die Brooklyn Dodgers und die Detroit Tigers. Im Laufe der Jahre hörte ich viele Geschichten über Don.

Mein Dad liebte Sport. Er war immer sehr darauf bedacht, seine Kinder beim Sport zu unterstützen. Wer ihn je gesehen hat, konnte erkennen, dass er den Körper eines Sportlers hatte …

Er verstand also etwas von Reue.

Trotz allem, was er erreicht hatte.

Trotz allem, worauf er stolz sein durfte.

Was wäre wenn?

2 IM FÖRDERPROGRAMM

Ich war wirklich nervös. Nein, nicht die Art von Nervosität, bei der ich mich nicht für nervös hielt. Ich war richtig nervös, und ich wusste es. Ich brach aus dem Tal auf, nachdem ich wieder ins Haus meiner Eltern gezogen war. Es war mein erster Tag im 20th Century Fox New Talent Program, und ich wollte nicht in einen Autobahnstau geraten, also beschloss ich, den Weg durch einen der Canyons zu nehmen.

Ich fuhr über den Hügel, wie wir ihn nannten, nach Beverly Glen hinauf, wobei meine Gedanken rasten. Was zur Hölle tue ich? Ich bin einfach nicht bereit dafür. Ich könnte ja vorgeben, krank zu sein oder Probleme mit dem Auto zu haben; ich könnte mir noch einen Tag Zeit nehmen, um den Kopf freizubekommen und einen besseren Start zu erwischen.

Während ich zwanghaft grübelte, flogen weite Teile der Straße vorbei, ohne dass ich es bemerkte. Aber das war in Ordnung; ich wusste, wohin ich fuhr. Ich wusste bloß nicht … wo ich fuhr.

Ich erreichte die Hügelkuppe, die Kreuzung des Mulholland Drive.

Etwa eine halbe Meile rechts von mir befand sich die Stelle, wo ich den 40 Meter tiefen Hang hinuntergestürzt war. Moment, einen Hang runterstürzen? Was ist das? So etwas wie ein böses Vorzeichen? Hör auf, Tom! Das ist wirklich dumm. Du kommst nicht daran vorbei. Mach das Beste daraus.

Ich holte ein paarmal tief Luft, überquerte den Mulholland Drive und fuhr den Hügel hinunter. Ich erinnerte mich daran, was Don zu mir gesagt hatte, wie glücklich ich mich schätzen dürfe, am Förderprogramm von Fox teilzunehmen, dem letzten Studio des alten Systems.

Na, was ist denn schon dabei? Du weißt nur eines sicher – dass du das die nächsten sechs Monate tun wirst. Und du erhältst Unterstützung, um dich mit etwas auseinanderzusetzen, wovon du gar nicht wusstest, dass du dich damit auseinandersetzen willst. Wie schlimm könnte es werden?

Beverly Glen verlief im Zickzack über den Sunset Boulevard und führte hinunter zum Olympic Boulevard, wo ich links abbog. Ich kannte alle diese Landstraßen auswendig. Da ich im Tal aufgewachsen bin, ging ich immer in Westwood und Beverly Hills ins Kino. Ich bog rechts in eine Seitenstraße ein. Ich wollte pünktlich sein.

Zu meiner Linken sah ich etwas, das mir nie aufgefallen war. Das weitläufige Studiogelände.

Die Dächer der Filmkulissen ragten aus dem Grün heraus. Eine Reihe von Mietshäusern in New York City. Ein einsamer Kirchturm. Eine Western­stadt.

Damals konnte ich es noch nicht wissen, doch das Studiogelände sollte binnen kürzester Zeit verschwunden sein. Leider wurde es an Bauunternehmen verkauft, um das hochzuziehen, was heute Century City ist. Das Studiogelände von 20th Century Fox wurde zu einem Relikt aus einer vergangenen Ära.

Als ich auf den Pico Boulevard abbog, kam das imposante Gebäude der Fox Studios in Sicht. Ich war schon oft daran vorbeigefahren, aber irgendwie kam es mir jetzt viel größer vor.

Mir fiel ein, dass ich nicht gerade in einem alten Duesenberg vorfuhr. Ich saß in meinem ramponierten 1964er VW, aber der Wachmann lächelte mir breit zu. Höflich fragte er mich nach meinem Namen.

„Sie dürfen weiterfahren, Mr. Selleck“, sagte er. „Wir haben schon auf Sie gewartet. Willkommen bei Fox.“

Er war wirklich nett. Ganz anders als der Wachmann bei Universal, der anscheinend noch nie in seinem Leben gelächelt hatte. Dieser hier gab mir eine Karte, auf der er säuberlich die Strecke zu meinem Ziel eingezeichnet hatte. Bühne 3 und 4 waren mit einem großen X und der Zahl 163 markiert. Letztere musste eine Adresse oder etwas Ähnliches sein.

Auf dem Weg dorthin kam ich an dem großen Fox-Verwaltungsgebäude vorbei, wo ich meinen Moment der Überlegenheit gegenüber meinem neuen besten Freund Richard Zanuck erlebt hatte. Links sah ich mehrere moderne Tonbühnen: große, leere Kästen, die nur auf Funktionalität ausgerichtet waren. Ich fuhr an charmanten Cottages in Reihen vorbei, den dauerhaften privaten Garderoben der Stars, die sich in ihrer freien Zeit ungestört und gemütlich darin entspannen konnten.

Als ich zu dem großen X auf der Karte kam, sah ich sie gemalt auf dem Pflaster eines freien Parkplatzes: die 163. Was sagt man dazu? Der Neuling hatte seinen ganz persönlichen Parkplatz!

Dadurch bestärkt, stieg ich in einem gut einstudierten Anflug von Sportlichkeit aus meinem VW, hielt inne und betrachtete einfach nur das Gebäude, das Bühne 3 und 4 war. Es hatte eine elegante Fassade im alten Art-déco-Stil, genau wie das Verwaltungszentrum und die Cottages.

Ich holte noch einmal tief Luft und machte mich auf den Weg. Ich weiß nicht, wohin ich gehe, aber mich zu verspäten bringt nichts.

Als ich die Eingangshalle betrat, befanden sich an der gegenüberliegenden Wand zwei Türen, die als Bühne 3 und Bühne 4 ausgewiesen waren. Neben der Tür zu Bühne 3 hing ein Schild mit der Aufschrift: „PEYTON PLACE. GESCHLOSSENES SET“. Plötzlich leuchtete eine rote Lampe über der Tür auf und drehte sich, wie an einem Feuerwehrauto.

Wow! Mia Farrow, Ryan O’Neill oder Barbara Parkins könnten da drin sein und genau in diesem Moment drehen.

Ich sah mich um. Auf der linken Seite befand sich eine Treppe. Auf dem Schild darüber stand: „TALENTFÖRDERUNG“. Als ich den oberen Absatz erreichte, setzte ich mein Pokerface auf und betrat einen Raum. Zwei, drei gutaussehende junge Leute, die vorbeigingen, lächelten mir freundlich zu.

In diesem Moment kam eine Frau aus einem Büro. „Hallo, ich bin Pamela Danova“, sagte sie, „die Koordinatorin des Förderprogramms.“ Ihr britischer Akzent ließ den ganzen Betrieb noch wichtiger erscheinen. „Bitte“, fuhr sie fort und wies mich in ihr Büro.

Sie bot mir einen Platz auf ihrer Couch an. „Ich weiß, dies ist dein erster Tag, also bist du vermutlich nervös.“

„Nein, ich bin nicht nervös – nur aufgeregt“, behauptete ich mit meinem besten The Dating Game-Lächeln.

„Verstehe“, entgegnete sie. „Ich erklär dir, was wir hier tun. Jon Gregory und seine Frau Helene leiten die Tanzkurse. Ein sehr guter Lehrer, Jack Woodford, ist für die Gesangsstunden zuständig. Natürlich haben wir die meiste Zeit über auch Schauspielunterricht.“

„Natürlich.“

Nun trat Curt Conway ein, der Schauspielcoach. Pamela stellte mich vor. „Willkommen“, sagte er herzlich. „Wir können gleich anfangen. Komm rein.“

Ich folgte ihm in einen Saal mit einer Minibühne und einem großen Stuhlkreis, wo bereits acht oder zehn Schüler warteten.

„Klasse“, sagte er, „das ist unser neustes Mitglied, Tom Selleck. Und Linda Peck habt ihr ja schon kennengelernt. Tom, das ist auch Lindas erster Tag.“

Ich nahm mir einen Stuhl.

„Linda, Tom“, fuhr Curt fort. „In diesem Kurs machen wir einige Übungen und Improvisationen, aber hauptsächlich Szenenanalysen. Ich werde jedem von euch einen Szenenpartner zuweisen. Ihr probt zusammen, und wenn ihr euch bereit fühlt oder ich das Gefühl habe, ihr solltet bereit sein, spielt ihr die Szene auf der Bühne.“

Dann verzettelte sich Curt irgendwie in Einzelheiten. Dinge, von denen ich noch nie gehört hatte. Er sprach über das Actors Studio in New York, von Stanislawski und Boleslawski. Mehrere Male erwähnte er „die Methode“. So ging es einige Zeit weiter. Während er sprach, spürte man aber seine Leidenschaft für die Schauspielerei und das Unterrichten, das er wiederholt als „die Arbeit“ bezeichnete.

Als der Unterricht zu Ende war, gingen alle nach draußen. Linda Peck war direkt vor mir. „Entschuldige“, sagte ich zu ihr. Sie drehte sich um.

„Ich bin Tom.“

„Linda.“

„Du schauspielerst schon eine Weile, oder?“

„Nein“, antwortete sie. „So etwas wie das hier habe ich noch nie in meinem Leben getan.“

„Oh … Okay. Darf ich dich was fragen?“

„Sicher.“

„Hast du verstanden, wovon er gesprochen hat?“

„Stanislawski und Boleslawski sind spanische Dörfer für mich“, sagte sie. „Ich hatte keinen Schimmer.“

„Danke dir. Geht mir genauso.“

Da meinte einer der Stammdarsteller zu uns: „Wir gehen jetzt alle zum Lunch. Kommt mit.“

Die Fox Commissary war ein großer, belebter Raum mit eng beieinanderstehenden Tischen, gestärkten weißen Decken und bunten Wandgemälden mit den abstrakten Konterfeis von Shirley Temple, Will Rogers, Janet Gaynor und anderen frühen Filmstars. Wie ich später erfuhr, war die Kantine in einer Filmkulisse erbaut worden, einem französischen Restaurant.

„Hallo, Leute“, sagte die Kantinenchefin fröhlich, als wir hereinkamen. Linda und ich folgten ihr und den alteingesessenen Schauspielern zu einem großen runden Tisch in der Mitte einer Nische an der gegenüberliegenden Wand. Sie nahm das RESERVIERT-Schild weg, woraufhin wir uns alle hinsetzten. Ich wollte beim Eintreten nicht gaffen wie ein Grünschnabel, obwohl ich natürlich neugierig darauf war, welche Berühmtheiten an diesem Tag zu Mittag aßen. Wer weiß? Vielleicht Charlton Heston, der gerade die Dreharbeiten zu Planet der Affen abschloss; oder Barbra Streisand, womöglich sogar John Wayne.

Wir hatten ein tolles Mittagessen ohne Eile. Linda und ich hörten hauptsächlich zu, während die anderen Schüler über ihre Szenen sprachen, Kinofilme bewerteten, die sie gesehen hatten, und sich darüber beklagten, dass sie nicht genug Interviews bekamen. Allmählich das Gefühl zu bekommen, zur Gruppe zu gehören, war schön.

Und man erkannte, dass der Zeitplan des Förderprogramms nicht unbedingt militärisch genau eingehalten wurde.

Nach dem Mittagessen schickten sie mich zu Sonia Wolfson, einer wunderbaren Veteranin in der PR-Abteilung von Fox. Sie sollte einen Lebenslauf für mich schreiben.

„Du bist also mit einem Basketball-Stipendium an die USC gegangen“, sagte Sonya, als ich mich in ihrem Büro niederließ.

„Ich hatte eigentlich kein Stipendium“, berichtigte ich. „Strenggenommen wurde ich nicht rekrutiert. Wissen Sie, ich habe mich selbst –“

„Und du wurdest bei The Dating Game entdeckt.“

„Na ja, eher so –“

„Schon gut, Hübscher“, sagte sie beruhigend. „So läuft das in unserer Branche.“

Als Sonya mein Leben in ihrem flotten Stil umgeschrieben hatte, war ich ein vielumworbener Basketballstar von der USC mit prestigeträchtigem Stipendium und der neue aufsteigende Stern bei Fox. Dieser Typ – nicht ich – verdiente definitiv einen Artikel in Photoplay oder ModernScreen.

Was auch der Zweck der Übung war, schätze ich.

***

Am nächsten Tag steckte Pamela ihren Kopf in den Aufenthaltsraum und sagte: „Tom, du hast heute Nachmittag einen Fototermin mit Barbara Parkins.“

Wow! Ich war noch keine ganze Woche bei Fox und hatte schon einen gemeinsamen Termin mit Barbara Parkins. „Barbara verspätet sich“, teilte mir eine Sekretärin mit, als ich das Fotostudio betrat.

Während ich wartete, kam der Fotograf und erklärte mir, sie würden ein Plakat für den neuen Film der Schauspielerin machen, Das Tal der Puppen. „Barbara wird den Kopf verzückt in den Nacken legen“, beschrieb er, „und wir verhüllen ihre Brüste absichtlich ganz knapp mit einem Bettlaken. Ihr Filmpartner Paul Burke sollte sie umarmen, ist aber leider verhindert. Daher übernimmst du das. Selbstverständlich müsst ihr beide nackt sein.“

„Kann ich meine Unterhose anbehalten?“

Er verdrehte die Augen. „Wenn es sein muss.“

Ich saß schon fast eine Stunde lang dort, als das Telefon klingelte. Die Sekretärin sagte dann aufgeregt zum Fotografen: „Sie ist da. Sie ist gerade vorgefahren.“

Barbara Parkins stürmte herein. Sie wandte sich an den Fotografen und fragte ungeduldig: „Also, wo ist der Männerleib?“

Ich glaube wirklich nicht, dass sie das abwertend meinte. Sie wusste nicht einmal, dass ich im Raum war. Falls man das Showbusiness aber mit einer Leiter vergleichen konnte, lernte ich wohl gerade, auf welcher Sprosse ich stand.

Als die Fotoaufnahmen begannen, hatte Barbara nichts außer dem Laken an sich. Ich trug meine Unterhose.

Schon gab es ein Problem. „Steven“, schnauzte sie den Fotografen an. „Ich kann das Laken nicht hochhalten und … Tom umarmen? So heißt du, richtig?“

„Ja, Tom“, antwortete ich.

„Tom muss es tun.“

Dann sagte sie zu mir: „Halt einfach das Laken fest, Tom. Man wird es nicht sehen, weil es hinter deinem Rücken ist. Also, komm näher. Das ist okay, Tom. Nimm mich in den Arm.“

Da meldete sich der Fotograf wieder: „Tom, könntest du uns bitte noch einen Zentimeter mehr von der rechten Brust zeigen?“

Das war mein erster Job bei Fox.

***

Die erste Szene, die mir Curt zuwies, war nur ein alberner Austausch aus dem Charles-Strouse-Musical It’s a Bird … It’s a Plane … It’s Superman, das in jenem Jahr am Broadway Premiere feierte und ein totaler Flop war. Nein, ich musste nicht singen. Meine Bühnenpartnerin war eine 17-Jährige aus Cleveland namens Cindy Ferrare. Sie war sehr süß und sehr hübsch. Unter ihrem zweiten Vornamen Cristina wurde sie ein internationales Topmodel, spielte neben David Niven in Alles was verboten ist, wurde zum Gesicht des Kosmetikherstellers Max Factor ernannt, führte und beendete eine Ehe mit dem Autohersteller John DeLorean und heiratete Tony Thomopoulos, der später Präsident der ABC Broadcast Group wurde. Sie moderierte eine Talkshow, begann zu kochen und schrieb Lifestyle-Bücher. Für mich wird sie aber immer Cindy bleiben.

Jedes Mal, wenn wir einen Durchgang beendet hatten, war sie sehr freundlich und machte mir viele Komplimente. Ich dachte natürlich, ich sei furchtbar, und sie würde nur versuchen, mich ein wenig aufzulockern. Die 17-jährige Cindy war zweifellos die Erwachsene im Raum. Für unsere Generalprobe stellte mir die Garderobenabteilung des Studios ein Superman-Kostüm mit Strumpfhose zur Verfügung. Als Cindy mich darin sah, lachte sie laut auf, fing sich aber sofort wieder. „Tommy, das steht dir einwandfrei.“

Alle meine Mitschüler schienen, nun ja – gute Aussichten zu haben. Einige brachten Erfahrung mit. Manche hatten an der Hochschule Schauspiel studiert, andere verfügten über Beziehungen. Aber jeder erkannte ihr Potenzial. Lyle Wagoner war ein großer, gutaussehender klassischer Hauptdarsteller-Typ. Er kam in die Endauswahl für die Rolle des Fernsehserien-Batman, die letztlich allerdings an Adam West ging. Lyles Wesen entsprach aber ganz und gar nicht seinem Aussehen. Er hatte einen lausbubenhaften Sinn für Humor. Innerhalb eines Jahres gehörte er zur Stammbesetzung der Carol Burnett Show.

Die Gruppe hatte echtes internationales Flair. Corinna Tsopei war ein griechisches Model, Schauspielerin und die Miss Universe 1964. Jutta D’Arcy, die aus Deutschland stammte, war mit dem gebürtigen Ägypter und Charakterdarsteller Alex D’Arcy verheiratet, den man für seine charmanten Schurkenfiguren kannte. Die asiatische Schauspielerin Cecile Azario wurde hingegen eine gute Freundin von mir und spielte schließlich in Seymour Robbies Musical-Abenteuerfilm Marco an der Seite von Desi Arnaz Jr., Jack Weston und Zero Mostel.

Zudem hatten wir Elizabeth Baur, deren Vater der Casting-Abteilungsleiter Jack Baur war. Lizzie brauchte diese Verbindung nicht; sie war bereits eine ausgebildete Schauspielerin, die als Officer Fran Belding neben Raymond Burr in DerChef mitspielen sollte. Eine Newman hatten wir ebenfalls, genauer gesagt Melissa, deren Onkel der legendäre Fox-Musikdirektor Alfred Newman war. Er hatte über 200 Film-Soundtracks komponiert und neun Oscars gewonnen. Missy war eine versierte Ballerina, deren nunmehr draller Körper ihre Tanzkarriere verhindert hatte. Im Laufe des Jahres sollte sie eine schöne Rolle in DieUnbesiegten mit John Wayne und Rock Hudson bekommen. Missy hatte wie Lizzie einen renommierten Nachnamen, aber beide besaßen auch eine Menge Talent. Linda Peck war ein sehr erfolgreiches Model gewesen, bevor sie zu Fox kam. Unter ihrem Ehenamen Linda Dano machte sie eine jahrzehntelang andauernde Seifenopernkarriere, wobei sie Felicia Gallant in AnotherWorld und die Figur Rae Cummings spielte, die in mehreren Nachmittagsserien auftrat.

Kurz nachdem ich das Förderprogramm begonnen hatte, stieß ein schlaksiger Kerl mit tiefer Stimme zur Gruppe. Sam Elliott hieß er. Er war zwar in Oregon aufgewachsen, doch seine Familie stammte aus Texas. Und von dem Moment an, als er hinzukam, erkannte ich, dass er völlig im Einklang mit dem stand, was Curt sein „Instrument“ nannte. Für mich bedeutete dies, dass er wusste, wer er war und was er tun wollte. Es ist irgendwie schwer zu beschreiben. Er wirkte einfach … fortgeschrittener. Ich war andererseits noch unfertig. Sam und ich wurden schnell warm miteinander, und unsere Freundschaft sollte ein Leben lang halten.

Jack Woodford überreichte jedem von uns ein gebundenes Büchlein mit literarischen Auszügen. Er ließ uns im Kreis sitzen und abwechselnd Passagen daraus vorlesen. Da er so ein freundlicher Mann war, machte der Stimmbildungsunterricht tatsächlich Spaß. Die Tanzausbildung erforderte ein gewisses Maß an Einsatz, den ich auch zeigte, sogar einschließlich der damals üblichen Kleidung mit Strumpfhose. Wir bemühten uns, Stepptanz, Softshoe und selbst Modern Dance mit seinen seltsamen Rumpfverrenkungen zu lernen. Jon Gregory improvisierte Tanzfiguren in jeder Disziplin: Schritte, die ich nie hätte nachmachen können. Und dann gab es da noch Ballett. Mein Körper war nicht so biegsam, wie er dafür sein sollte. Deshalb half mir Helene Gregory, die zu einer guten Freundin geworden war, mein Bein auf die Ballettstange zu heben, damit ich meine Aufwärmübungen machen konnte. Auf meine Sprünge bildete ich mir allerdings etwas ein. Sie waren das, was dem Basketball am nächsten kam. Ich übertraf die kühnsten Erwartungen der Talentschule und sogar die gazellenhaften Sprünge des hochkonzentrierten Sam Elliott.

Eines Tages kam zu Beginn des Tanzunterrichts eine dunkelhaarige Traumgestalt mit schwarzem Trikot herein. Sie entschuldigte sich und stellte sich neben mich.

„Hi, ich bin Linda Harrison“, sagte sie.

„Ich bin Tom.“

„Ich hoffe, es macht dir nichts aus. Tanzen ist von jeher ein Teil meines Lebens. Ich arbeite hier im Studio. Geht das in Ordnung, wenn ich mitmache?“

„Gern. Oh, willkommen.“

Helene kam nach der Stunde zu mir und fragte: „Wie fandest du Linda?“

Ich antwortete, sie sei mir sehr nett und bodenständig vorgekommen.

„Ja, das ist sie“, erwiderte Helene. „Weißt du, sie hat gerade die Dreharbeiten zu Planet der Affen abgeschlossen, darin spielt sie Charlton Hestons Angebetete.“ Im Davongehen fügte sie hinzu: „Ach, und sie ist mit unserem Boss zusammen, Richard Zanuck.“

„Helene“, begann ich. „Seien wir ehrlich. Es stimmt, sie ist charmant, und jawohl, zufällig auch sehr hübsch. Ich erkenne aber wohl, dass sie mir unheimlich viel voraus hat. Und egal, mit wem sie zusammen ist, wäre sie einige Nummern zu groß für mich. Du bist meine Freundin und gönnst mir hoffentlich das insgeheime Vergnügen, sie auf dem Platz neben mir zu haben, solange sie bei uns mitmacht.“

Gelegentlich hatten wir auch Gäste. Derjenige, an den ich mich am eindrücklichsten erinnere, war Marcel Marceau. Nein, nicht weil ich Pantomime werden wollte, sondern weil er den ganzen Nachmittag mit uns verbrachte. Er sprach über die Kunst der Pantomime; er zeigte seine Fähigkeiten darin; er erzählte Geschichten. Er war höflich und gütig und wirklich an unseren Gedanken interessiert. Und wir konnten gar nicht genug von dem bekommen, was er so großzügig mit uns teilte.

***

Innerhalb unserer Fördergruppe standen wir uns sehr nahe. Wir haben uns zusammengetan und miteinander angefreundet. Curt lud uns zu Grillabenden in seinem kleinen Strandhaus in Malibu ein, sowohl Schüler als auch Lehrer, einfach alle. Wenn jemandes Option gezogen wurde, was eine Gagenerhöhung bedeutete, hatten wir alle Grund zum Feiern. Ich kann ehrlich sagen, dass ich in der Gruppe nie richtige Eifersucht oder Neid erlebt habe. Wir saßen alle im selben Boot und versuchten, Engagements zu erhalten, taten uns aber schwer damit, auf uns aufmerksam zu machen. Wir hielten zusammen. Hatte jemand das Glück, eine Rolle zu bekommen, selbst wenn wir ebenfalls dafür geeignet schienen, war es uns lieber, dass sie einem Gruppenmitglied statt einem Außenstehenden zufiel. Vielleicht bin ich da ein bisschen blauäugig, aber das war bestimmt das, was wir alle unter Curt Conways Weisung anstrebten. Falls er keine Vaterfigur war, dann sicherlich unser Lieblingsonkel.

Wenn wir uns nicht im Unterricht befanden, waren wir im Aufenthaltsraum. Dort haben wir miteinander geredet, gescherzt und Kaffee getrunken. Lyle brachte seinen tragbaren Kassettenrekorder mit. Wir beide spielten die jeweiligen Charaktere aus dem neusten Witz, den wir gehört hatten, und übertrafen uns gegenseitig mit selbstgemachten Soundeffekten wie Schritten, sich schließenden Türen oder natürlich Furzgeräuschen. Andere machten mit, wobei Corinna Tsopei wertvolle Beiträge leistete mit ihrem griechischen Akzent, der einzigartige Pupslaute zu ermöglichen schien. Auch stiegen wir über die Notfalltreppe auf eine kleine Plattform auf dem Dach, um die Texte für unsere Szenen durchzugehen, uns zu sonnen oder einfach nur rumzuhängen. Lunch in der Kantine war immer ein Ereignis. Gott, das hat alles ungeheuren Spaß gemacht!

Aber im Schauspielunterricht ging es völlig ernst zu. Immerhin waren wir aus diesem Grund dort. Meine Kritik zu Superman bestand im Wesentlichen aus einer langen Denkpause, gefolgt von einem „Er war … reizend.“ Mittlerweile hatte ich von Lehrern gehört, die ihre Schüler auseinandernahmen und im Grunde nach ihrem Bild formten. Curt war nicht so; er war ein guter Mensch, der behutsam Kritik übte und dem, was er zu uns sagte, stets etwas Positives, Stärkendes hinzufügte. Ich glaube, er dachte, ich bräuchte ein wenig Zeit, um mich hinzusetzen und die anderen zu beobachten.

Die nächste Szene, die er mir zuwies, stammte aus Sidney Kingsleys düsterem Polizeidrama Detective Story. Irgendwie war ich zu der Überzeugung gelangt, ich müsste mich in die Figur hineinversetzen, so etwas wie ein Damaskus-Erlebnis auf der Bühne haben und zu ihr werden. Ich spielte die Szene mit meiner Freundin Linda Peck. Zwischen uns bestand eine gewisse Verbundenheit, die Curt offensichtlich erkannt hatte. Linda war wie ich neu dabei. Während wir jedoch probten, konnte ich sehen, dass sie über ein natürliches Verständnis von Theater verfügte.

Nachdem man seine Szene vorgeführt hatte, setzte man sich auf zwei Stühle vor Curt und den Rest der Klasse. Gegenüber Linda äußerte er sich sehr positiv, was aber, glaube ich, durch die Tatsache relativiert wurde, dass er noch auf mich zu sprechen kommen musste. Er lobte mich für ein paar gute Momente, die ich hatte.

Möglicherweise unterbrach ich ihn, als ich sagte: „Ja, aber ich habe es nicht richtig gefühlt.“

Er entgegnete: „Das ist nicht schlimm, Tom.“

„In dem einen Moment, den du erwähnt hast – weißt du, was ich da gedacht habe? … Wie lautet mein nächster Satz?“

„Auch das ist nicht schlimm.“

„Ich mag den Kerl nicht“, fuhr ich fort. „Ich habe Tennessee Williams gelesen, und seine Kerle gefallen mir auch nicht. Seine Frauen schon, aber –“

„Tom, du sollst eine Figur nicht mögen. Deine Aufgabe besteht darin, sie zu verstehen und zu verkörpern.“

„Okay. Na ja, ich verstehe ihn aber nicht. Darf ich als Nächstes eine Komödie machen?“

„Ich sag dir was“, erwiderte Curt. „Als Nächstes machen wir Der Regenmacher. Das ist eine ausgefallenere Figur. Ich glaube, sie wird dir gefallen.“

Er meinte N. Richard Nashs trostlose Darstellung einer Westernstadt während der Depressionszeit. Als wir unsere Stühle heranzogen, sagte ich sofort: „Diesen Kerl mag ich auch nicht. Entschuldige, ich verstehe ihn nicht. Er ist ein Arschloch.“

Curt bemerkte, dass dies allmählich die Zeit der Klasse vergeudete. „Wir zwei unterhalten uns später.“