Management-Brevier - Helmut Maucher - E-Book + Hörbuch

Management-Brevier E-Book und Hörbuch

Helmut Maucher

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Beschreibung

Helmut Maucher stand fast 20 Jahre an der Spitze des Nestlé- Konzerns. Er hat das Unternehmen in eine neue Dimension geführt und zu einem echten Weltkonzern gemacht. Hier präsentiert er die Essenz dessen, was man für ein richtiges und erfolgreiches Management wissen muss.

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Seitenzahl: 170

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Maucher, Helmut

Management-Brevier

Ein Leitfaden für unternehmerischen Erfolg

www.campus.de

Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Copyright © 2007. Campus Verlag GmbH

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E-Book ISBN: 978-3-593-40322-9

|7|Vorwort

Noch nie gab es so viele Bücher über Management, Unternehmensführung, »Wege zum Erfolg« oder über einzelne Aspekte der Unternehmensführung. Wissenschaftler, Berater und Praktiker haben darüber geschrieben. Nicht zu vergessen Universitäten, Institute, unzählige Seminare und Schulungseinrichtungen in Firmen, die sich auch diesem Thema gewidmet haben. Wenn also Unternehmen oder verantwortliche Führungskräfte keinen Erfolg haben, liegt es bestimmt nicht an einem Mangel an Angeboten entsprechender Literatur, Vorlesungen oder Veranstaltungen. Vielmehr ist es heute schwer geworden, in der Masse des verfügbaren Wissens die Essenz, das wirklich Wesentliche, zu finden.

Deshalb habe ich es trotz vieler Empfehlungen nicht für nützlich erachtet, der bestehenden Literatur ein weiteres umfangreiches Werk hinzuzufügen nach dem Motto: Es wurde schon alles gesagt und geschrieben, aber nicht von mir.

Stattdessen kam mir irgendwann die Idee, ein Brevier für Manager zu schreiben. Kurz, handlich und den wesentlichen Aspekten zum Thema Management |8|entsprechend gegliedert. So kann man sich im Sinne eines Nachschlagewerkes rasch über ein bestimmtes Thema oder mit relativ geringem Zeitaufwand über die ganze Thematik informieren. Deshalb wird dieses Buch nicht nur die Manager, die heute in Verantwortung sind, interessieren, sondern vor allem auch junge Menschen, die am Anfang ihrer Karriere stehen oder noch studieren. Oder aber Leser, die ganz einfach einmal wissen möchten: Was ist eigentlich Management?

Natürlich kann ein solches Buch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, aber es vermittelt Gedanken und Wissen über das, was mir besonders wichtig erscheint, und es behandelt Gesichtspunkte, die in der einschlägigen Literatur vernachlässigt sind oder gar nicht behandelt werden (wie zum Beispiel ergänzende Anmerkungen zu vielen Aspekten eines wertorientierten Managements oder auch einige Anmerkungen zu Corporate Governance).

Im Anhang befindet sich außerdem eine Zusammenstellung von zehn Eigenschaften, die ich als Voraussetzung für erfolgreiches Management sehe, und die, vor vielen Jahren beim World Economic Forum in Davos präsentiert, auch heute noch aktuell sind. Ferner finden sich dort die von mir formulierten »Grundlegenden Management und Führungsprinzipien für Nestlé«, die von allgemeinem Interesse sein dürften. Dem Brevier liegt kein zusätzliches Literaturstudium zugrunde, sondern es enthält Erfahrungen und Kenntnisse, die sich im Laufe meines beruflichen Lebens angesammelt haben.

|9|Natürlich habe ich Aufsätze, Abhandlungen, Reden und Interviews von mir sowie interne Ausarbeitungen aus meinem Unternehmen genutzt, die aber – außer der Erhebung von Daten und allgemeinen Informationen – nicht von anderen aufgeschrieben, sondern von mir selbst verfasst worden sind. Das Ganze ist also in »meiner Sprache« geschrieben.

An dieser Stelle möchte ich mich auch bei Herrn Hartmut Gahmann, Leiter Corporate Communications, Nestlé Deutschland AG, für seine kritische Durchsicht des Buches sowie seine konstruktiven Ergänzungen und Vorschläge bedanken.

Da meine Überlegungen sich nicht immer im »Mainstream« der heutigen Zeit bewegen, sondern gegenwärtige Tendenzen und Modeerscheinungen zum Teil kritisch beleuchten, mag nicht jeder Leser mit allem einverstanden sein. Ich hoffe aber, dass dies sein Vergnügen oder Interesse an dem Brevier nicht beeinträchtigen, sondern dass es ihn eher dazu inspirieren wird, über das eine oder andere Thema nachzudenken. Wenn dies geschehen sollte, habe ich mit meinem Managementbrevier nicht wenig erreicht.

Übrigens wird der Begriff »Management« im Titel des Buches im weitesten Sinne des Wortes verwendet und steht also für Unternehmer, Topmanagement und Führungskräfte. Welche Unterschiede ich beispielsweise zwischen einem Manager und einem Unternehmer sehe, ist im anschließenden ersten Kapitel behandelt.

|11|Kapitel 1

Unternehmer oder Manager ?

Zwei unterschiedliche Führungsqualitäten

Heute wird oft zwischen dem Unternehmer und dem Manager unterschieden. Gleichzeitig ist das Wort »Management« der heute am meisten verwendete Begriff für Unternehmensführung. Im Allgemeinen sind englische Begriffe ja sehr präzise, klar und einfach. In diesem Fall glaube ich aber, dass das deutsche Wort »Führungskunst« besser trifft, was zumindest ich unter Management verstehe. Auch das Wort »Leadership« umfasst nicht alles, was das Wort »Führungskunst« beinhaltet. Denn es setzt sich immer mehr das Verständnis durch, dass reine Führungstechnik nicht ausreicht, um erfolgreich zu sein. Unerlässlich ist etwa die »Emotionale Intelligenz«, die Fähigkeit, seine eigenen Gefühle zu kontrollieren, klug mit den eigenen und den Gefühlen anderer Menschen umzugehen. Der Begriff der »Emotionalen Intelligenz« ist heute ja in aller Munde.

Was unterscheidet den klassischen Manager von dem klassischen Unternehmer? Ich habe das in der folgenden Tabelle festgehalten.

Der wohl bekannteste Managementguru des letzten Jahrhunderts, Peter Drucker, hat es  übrigens  |14|ganz einfach wie folgt auf den Punkt gebracht: »Leaders do the right things. Managers do things right«. Und der Organisationsforscher Harold J. Leavitt fasste den Unterschied zwischen Unternehmern und Managern so: »Leaders are pathfinders. Managers are problem-solvers.« Ich wiederum glaube, dass heute, um ein Unternehmen erfolgreich zu führen, sowohl Unternehmer- als auch Managerqualitäten erforderlich sind.

Der Manager

.... sieht vor allem seine Aufgabe im Unternehmen

... verwaltet und optimiert das Unternehmen

... hat fachliche Kompetenz

... macht Forecasting und erstellt Pläne (der Planungshorizont ist eher kürzer)

... sichert Risiken ab, etwa durch Checklisten und Kennziffern

... arbeitet mit Analysen, Zielsetzungen und Maßnahmen

... trifft Entscheidungen unter rationaler Abwägungvon Pros und Cons

... verfügt über spezielle Managementqualitäten

|12|

Der Unternehmer

... sieht vor allem die unternehmerische Chance

... ist mehr Stratege und Unternehmensentwickler

... hat Charisma und Begeisterungsfähigkeit

... hat Vorstellungen, Visionen von der Zukunft des Unternehmens, denkt vor allem langfristig

... nimmt Risiken in Kauf, hat Mut

... arbeitet mit einfachen Konzepten und Grundideen, welche er hartnäckig verfolgt

... verlässt sich in schwierigen Fragen, in denen eine Entscheidung nicht allein rational gefällt werden kann, auf seine Intuition

... ist eine Führungspersönlichkeit

|13|

|14|In diesem Zusammenhang wurde ich oft gefragt, wie ich meine Entscheidungen treffe: mehr mithilfe wissenschaftlicher Betriebsführung oder mehr intuitiv aus dem Bauch? Meine Antwort darauf lautet: Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Auch Erfahrungen spielen eine Rolle, und im Übrigen besteht Intuition auch aus einer kreativen Verwertung von Informationen. Wenn es sehr schwierig wird und verschiedene Wege gegangen werden können, verlasse ich mich am Schluss auf meinen »inneren Kompass«.

Beispielsweise war es bei der vor über 15 Jahren getätigten Akquisition von Rowntree in England (Kitkat, Smarties und so weiter) sehr schwierig, den richtigen Preis für das endgültige Angebot an das Management von Rowntree zu definieren. Erstens wussten wir nicht, wie das Rowntree-Management und der Vorstand von Rowntree auf einen bestimmten Preis reagieren würden, und zweitens gab es einen wichtigen anderen Anbieter, von dem wir ebenfalls nicht wussten, mit welchem Preis er bieten würde. Wir hatten am Vorabend mit allen einschlägigen Experten und Fachleuten intensive |15|Diskussionen, ohne zu einem endgültigen Ergebnis zu kommen. Schließlich sagte ich: »Ich gehe jetzt schlafen.« Was ich auch tat (und im Übrigen sehr gut schlief). Am nächsten Morgen griff ich um acht Uhr zum Telefonhörer und teilte dem Rowntree-Management meinen Angebotspreis mit, von dem ich glaubte, dass es der richtige sein könnte. Glücklicherweise habe ich Recht behalten. Meine Entscheidung beruht dann auf allem, was ich an Erfahrungen, Informationen, Analysen und Intuition zur Verfügung habe. Ausführlicher sind diese Dinge kaum erklärbar. Schon Goethe hat geschrieben: »Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht erjagen.«

|16|Kapitel 2

Die Ausrichtung des Unternehmens

Von Zeit zu Zeit lohnt es sich, die generelle Ausrichtung des Unternehmens und die unternehmenspolitischen Grundsätze zu überprüfen und neu auszurichten. Dies schafft eine klarere Grundlage und setzt den Rahmen, innerhalb dessen sich Verwaltungs- oder Aufsichtsrat und Management bewegen können. Für diese grundlegenden Diskussionen sind besonders die Eigentümer (das heißt die Aktionäre oder die Familie) und der Verwaltungs- oder Aufsichtsrat gefordert.

Meines Erachtens handelt es sich dabei um die folgenden Fragen, welche diskutiert und entschieden werden müssen: die Eigentümerstruktur, die Frage nach Diversifizierung oder Konzentration auf das Kerngeschäft, die Frage nach Aktionsradius und Expansionspolitik, die Risikopolitik sowie die unternehmenspolitischen Grundsätze.

Die Eigentümerstruktur

Zu diskutieren ist die Eigentümer- und Kapitalstruktur, zum Beispiel Unternehmen im Besitz eines oder |17|mehrerer Betriebsinhaber, Familiengesellschaften, Public Companies oder Mischformen. Hierher gehört auch die Frage, ob ein Unternehmen im öffentlichen Eigentum bleiben oder privatisiert werden soll.

Familie oder Börse?

Das Unternehmen Henkel beispielsweise, ein bekanntlich sehr erfolgreiches Familienunternehmen, hat drei Familienstämme, die bislang beschlossen haben, die Mehrheit im Unternehmen zu behalten, aber im beschränkten Umfang auch den Kapitalmarkt zu nutzen. Bisher ist das Unternehmen gut damit gefahren und hat auch die nötige Expansion bewältigen können.

Bertelsmann dagegen hat sich entschieden, die teilweise Inanspruchnahme des Kapitalmarktes wieder zurückzunehmen und das Unternehmen ganz in der Familie zu belassen. Damit handelte das Unternehmen gegen den Trend und ersparte sich viele Komplikationen, die mit der Nutzung von Börse und Kapitalmarkt entstehen: Viele Einzel- oder Familienunternehmen sind zurzeit dabei, mit einem Teil des Vermögens an den Kapitalmarkt zu gehen – einerseits, um die Familienabhängigkeit zu reduzieren, und andererseits, um die Expansion über den Kapitalmarkt zu finanzieren.

Privatisierung

Bei den öffentlichen Unternehmen besteht gegenwärtig generell die Tendenz, diese ganz oder teilweise |18|zu privatisieren. Beispiele dafür sind Elektrizitätswerke, kommunale Serviceeinrichtungen wie die Müllabfuhr, Deutsche Bahn, Deutsche Post und Telekommunikationsunternehmen. Das ist aus ökonomischer und gesellschaftspolitischer Sicht vernünftig, und dass immer noch Widerstände gegen die komplette Privatisierung von VW bestehen, ist daher nicht zu verstehen. Fragen muss man sich auch, ob die vielen Kultureinrichtungen in staatlicher Hand bleiben müssen. Durch eine Privatisierung würde sicherlich vieles effizienter werden, und bei der richtigen Preispolitik (das heißt höheren Preisen) würde man dann sehen, wie viele Menschen sich noch für Kultur interessieren.

Dem sozialen Einwand (»Kultur nur für die Reichen«) könnte man dadurch begegnen, dass man für Studenten und einkommensschwache Bürger eine Form von Subventionen findet, die natürlich von der öffentlichen Hand bezahlt werden müssen, die aber bestimmt günstiger wären als die Zuschüsse, die jetzt von Staat und Kommunen bezahlt werden.

Ein weiteres Argument für die Privatisierung von Kultureinrichtungen ist die Tatsache, dass sie oft nur von einem Teil der Bürger genutzt werden, jedoch alle Steuerzahler für deren Defizite bezahlen. Es mag aber auch Einrichtungen und Institutionen geben, die sich für eine Privatisierung nicht eignen, weil hier ein öffentliches Gut oder gemeinnützige Aspekte, die allen Bürgern zugutekommen, nicht privatwirtschaftlich und gewinnorientiert organisiert werden können.

|19|Stiftungen

Zunehmend werden Unternehmen auch aus den verschiedensten Gründen in Stiftungen eingebracht. Das kann den Charakter des Unternehmens und seine Grundzielsetzungen verändern. Zum Beispiel können Ziele einer Stiftung sein, neben der Gewinnorientierung ethische oder soziale Aufgaben zu erfüllen, was zulasten der Gewinnmaximierung gehen kann. Ein Beispiel ist das Institut für Demoskopie in Allensbach. Es wurde von der früheren Eigentümerin, Elisabeth Noelle-Neumann, in eine Stiftung eingebracht, mit dem Ziel, dass neben der Gewinnerzielung des Institutes auch allgemeine Forschungsaufträge erfüllt werden können, die der Entwicklung der Meinungsforschung oder der Befragung über Themen dienen, für die es keinen Auftraggeber gibt.

Diversifizierung oder Konzentration auf das Kerngeschäft ?

Eine weitere Frage ist die nach der generellen Ausrichtung des Portfolios eines Unternehmens. Hier wird immer wieder die Grundfrage gestellt: Soll das Unternehmen stärker diversifizieren oder sich mehr auf sein Kerngeschäft beschränken? Diese Frage wird überschätzt. Es gab vor einigen Jahren eine grundlegende Untersuchung dieses Themas durch ein Beratungsunternehmen, und zur Überraschung vieler war die Schlussfolgerung dieser |20|Studie, dass es für den Erfolg eines Unternehmens nicht so sehr auf die Entscheidung für mehr Diversifikation oder mehr Kerngeschäft ankommt, sondern – man staune – auf die Qualität des Managements!

Generell gilt natürlich, dass eine zu enge Ausrichtung auf das Kerngeschäft das Risiko erhöht, wenn sich die Welt stark verändert. Anderseits hat eine zu große Differenzierung oft die Folge, dass die Gesamtrentabilität des Unternehmens verringert wird, weil man nicht auf allen Gebieten gleich gut ist.

Im Allgemeinen ist eine starke Reduzierung auf das Kerngeschäft eher eine kurzfristig wirksame Politik, während eine gewisse Diversifizierung längerfristig zu mehr Erfolg führt, Risiken absichert und zukünftige Trends besser berücksichtigt. Die Wahrheit und die beste Strategie liegen wie in so vielen Fällen in der Mitte. Für das Unternehmen Nestlé habe ich immer gesagt: »Wir wollen ein Weltunternehmen sein, aber kein Allerweltsunternehmen.« In diesem Sinne haben wir wachstumsträchtige und an Wertschöpfung orientierte Gebiete auf dem Sektor Nahrungs- und Genussmittel weiter ausgebaut, besonders da, wo zukünftiges starkes Wachstum erwartet werden konnte. Ich erwähne als Beispiel Mineralwasser, Tiernahrung (Pet-Food), Frühstückscerealien, neue Tendenzen im Süßwarenverbrauch (Riegel, Schokolade gemischt mit Cerealien), Eiskrem und neuerdings auch alle Möglichkeiten der Ausschöpfung von ernährungsphysiologischen Aspekten (Nutrition). Dagegen |21|haben wir uns von Gebieten zurückgehalten, die kein Wachstum mehr verzeichnen oder von starken Konkurrenten dominiert werden. Beispiel: Unilever bei Margarine, Coca-Cola im Bereich Softdrinks.

Ein gewisser Zwang zur Änderung des Portfolios mittels Diversifizierung besteht insbesondere dann, wenn das Kerngeschäft eher rückläufig ist und auch durch Innovationen nicht mehr belebt werden kann. Viele Unternehmen sind untergegangen, weil sie diese Änderungen zu spät bemerkt haben. Als Beispiel möchte ich hier die Entwicklung in den USA anführen: Im Jahre 2000 befand sich lediglich noch ein Unternehmen der 1900 gelisteten größten US-Unternehmen auf der Top100-Liste. Alle anderen Unternehmen haben seitdem stark an Bedeutung verloren oder existieren gar nicht mehr. Oft genug ist die Ursache einer solchen Entwicklung der Mangel an weitsichtigem und nachhaltigem Management. Denn ganz entscheidend ist: Veränderungen und Anpassungen müssen auch und gerade dann vorgenommen werden, wenn das Unternehmen gut aufgestellt und profitabel ist. Man muss in die Zukunft – und das heißt in Potenziale – investieren und darf nicht auf dem Status quo verharren.

Wenn es notwendig wird, in ein neues Gebiet zu diversifizieren, dann ist es wichtig, dass man sich von Anfang an das notwendige Know-how beschafft und die entsprechenden Führungskräfte hat. Dies kann unter anderem auch durch eine Akquisition geschehen.

|22|Aktionsradius und Expansionspolitik

Eine weitere Frage betrifft den Aktionsradius und die Größenordnung eines Unternehmens. Tendenziell kann man heute der stärkeren internationalen Ausweitung und auch dem weiteren Wachstum des Unternehmens den Vorzug vor lokaler Beschränkung und dem Verzicht auf Wachstum geben. Durch die heutige Informations- und Kommunikationstechnologie, durch die Globalisierung, durch die Entwicklung des Freihandels und so weiter sind frühere Beschränkungen weggefallen. Auch ein Mittelständler kann heute mit der ganzen Welt online verbunden sein. Es mag aber daneben immer auch Unternehmen geben, die sich aus guten Gründen beschränken, etwa weil sie mit der Konzentration auf eine lokale Ebene besonders erfolgreich sind oder weil eine Expansion wegen zu großem Kapitalbedarf abzulehnen ist.

Risikopolitik

Schließlich gehört zur grundsätzlichen Ausrichtung eines Unternehmens auch die Risikopolitik. Risiken können besonders bei großen Investitionen, Akquisitionen, langfristigen Strategien in der Entwicklung neuer Produkte oder beim Eintritt in neue Länder entstehen. Ein wichtiger Aspekt der Risikopolitik ist das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital (hierauf werde ich im Rahmen des Kapitels Finanzpolitik noch zurückkommen).

|23|Generell gilt: Je mehr es sich um ein Einzelunternehmen handelt oder um ein Unternehmen, das nur ein einziges Produkt herstellt, desto weniger kann man größere Risiken eingehen, da bei Ausbleiben des Erfolges das ganze Unternehmen untergehen kann. Je mehr es sich allerdings um große Firmen mit verschiedenen Produktgruppen und Tätigkeiten in verschiedenen Ländern handelt, desto mehr kann man sich Einzelrisiken leisten, weil in diesem Fall bei einem Misserfolg nicht das ganze Unternehmen zur Debatte steht.

Doch bei all dem gilt es zu beherzigen: Wer gar kein Risiko eingeht, geht am Schluss das größte Risiko ein!

Unternehmenspolitische Grundsätze

Auch die unternehmenspolitischen Grundsätze sind für die generelle Ausrichtung des Unternehmens wichtig. Ein Problem besteht allerdings darin, dass bei zu allgemeiner Formulierung dieser Grundsätze keine konkreten Wirkungen erzielt werden und man ähnliche Grundsätze bei anderen Firmen genauso findet. Wenn man andererseits zu konkret wird, besteht das Problem, dass der betreffende Grundsatz in Einzelsituationen nicht stimmt.

In dem von mir geleiteten Unternehmen habe ich einige wenige Grundsätze formuliert, die für alle Mitarbeiter und Führungskräfte verbindlich sind. Sie lauten:

|24|Wir sind ein Unternehmen, das mehr menschen und produktorientiert als systemorientiert ist.

Wir sind für eine langfristige Politik und nicht für eine kurzfristige Maximierung.

Wir sind eher für Dezentralisierung als Zentralisierung.

Hinsichtlich der Menschen- und Produktorientierung ist es selbstverständlich, dass wir Systeme brauchen, um große komplexe Organisationen zu managen. Es handelt sich hier also um eine Frage der Priorität. Auf keinen Fall dürfen Systeme ein Ziel in sich selbst werden. Die Orientierung zum Menschen (Führungskräfte, Mitarbeiter, Kunden und so weiter) ist heute zwar in aller Munde, wird aber selten konsequent angewandt. Die Grundhaltung vieler Manager entspringt eher ihrem Interesse an Systemen und Prozessen als einem wirklichen Interesse für Menschen.

Auch die langfristige Orientierung wird in offiziellen Statements immer wieder betont, aber aufgrund der opportunistischen Mentalität vieler Manager und des verstärkten Erwartungsdrucks der Finanzwelt oder des Wettbewerbs in der Praxis selten konsequent durchgeführt. Ich habe noch nie so viele kurzfristig denkende und handelnde Manager beobachtet wie seit der Zeit, als das Wort »Nachhaltigkeit« in Mode gekommen ist. Langfristiges Denken und Handeln ist auch deshalb wichtig, weil dadurch automatisch die soziale und ethische Verantwortung und die Imagebildung stärker berücksichtigt werden. Diese Punkte sind |25|für den langfristigen Erfolg des Unternehmens wichtig – bei kurzfristigem Denken werden sie oft vernachlässigt.

Die Politik der Dezentralisierung wird ebenfalls immer erwähnt und behauptet. Gleichzeitig tendieren aber zentrale Stabseinheiten – gestützt durch technologische Möglichkeiten (Informationstechnologie) – dazu, dass zu viel zentralisiert wird. Vor allem die Globalisierung gibt den zentralen Einheiten zum Teil die Berechtigung und die Begründung, mehr zu zentralisieren und weniger an einzelne Märkte zu delegieren. Eine objektive und nicht auf die Interessen einzelner Stabsabteilungen ausgerichtete Analyse, was zentral sein soll und was dezentralisiert wird, ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für jedes Unternehmen. Im Zweifelsfall sollte man jedenfalls der Dezentralisierung den Vorzug geben, weil sie mehr Identifikation der Führungskräfte und Mitarbeiter in den Märkten mit dem Unternehmen schafft sowie zu mehr Flexibilität und zu einer marktnäheren Politik führt.

Erwähnen möchte ich noch einen weiteren generellen Grundsatz, welcher heißt: das Unternehmen mehr pragmatisch als dogmatisch führen. Der Vorrang des Pragmatismus darf aber nicht dazu führen, dass allgemeine ethische, soziale und ähnliche Unternehmensgrundsätze vernachlässigt werden!

Da auf der Welt nichts ewigen Bestand hat, möchte ich schließlich noch darauf hinweisen, dass diese Grundausrichtungen und Grundsätze von Zeit zu Zeit (aber nicht zu oft, jedenfalls nicht mit jedem neuen Chef) überprüft werden müssen, |26|da sich die Welt, die Menschen, die Eigentümer, die Mitarbeiter, die Konsumenten, die Gesellschaft und auch die Technologien immer wieder ändern und diese Änderungen heute zum Teil dramatischer und schneller vor sich gehen als früher.

|27|Kapitel 3

Unternehmensstrategie , Planung und Kontrolle

Strategie

»Strategie« ist ein Wort, das sehr unterschiedlich verwendet wird. Oft benutzen es auch diejenigen, welche gar keine klare Strategie haben, um damit einen unklaren Kurs zu verschleiern. Bei der Strategie geht es meines Erachtens um Folgendes: Sie soll aufzeigen, was und wohin man grundsätzlich will im Hinblick auf neue Produkte, neue Segmente, neue Märkte und auch wie man Marktanteile gewinnen möchte. Ferner geht es dabei um die Festlegung einer Balance zwischen langfristigen und kurzfristigen Maßnahmen und Investitionen, was eine der schwierigsten, aber wichtigsten Entscheidungen darstellt. Mit anderen Worten: Mit Strategie oder strategischen Maßnahmen will man den Krieg gewinnen und nicht nur eine Schlacht. Von den Militärstrategen kann man hierzu manches, wenn auch nicht alles lernen. Oft werden auch Strategie und Taktik verwechselt. Clausewitz hat dazu ganz richtig gesagt: »Taktik ist defensiv, Strategie ist offensiv.«

Generell sollten zum Thema Strategie, wie der |28|St. Galler Professor Dr. Fredmund Malik 2005 in seinem Buch Management – Das A und O des Handwerks auf Seite 168 f. ausführte, drei Fragen gestellt werden:

»1. Was benötigt der Markt, oder: Was benötigt der Kunde?

2. Worin besteht unsere Überlegenheit, oder: Was können wir besser als andere?

3. Woher kommt unsere Kraft, oder: Woran glauben wir?«

Zur strategischen Ausrichtung gehören auch Forschungs- und Innovationspolitik und Standortfragen, Organisationsstruktur, Management-Development und personalpolitische Fragen. Im Prinzip gibt es also in allen Sektoren des Unternehmens einen Bedarf für strategische Überlegungen (auf einzelne dieser Punkte komme ich im Rahmen der folgenden Kapitel noch zurück). Im Unternehmensalltag muss immer die Frage gestellt werden: Was ist wichtig? Was gehört zur Strategie, und was gehört zu den laufenden Aufgaben? Häufig werden die kurzfristigen operativen Aufgaben zu stark betont, und das Management beschäftigt sich aus Zeitgründen oder wegen aktueller Anforderungen zu wenig mit den Strategien.

Hinsichtlich der Unternehmenspolitik, insbesondere aber der Strategie, müssen oft zwei gegensätzliche Gesichtspunkte in eine Balance gebracht werden, und zwar auf den folgenden sieben Gebieten:

|29|langfristige versus kurzfristige Aspekte,

Zentralisierung versus Dezentralisierung,

Marketing versus Controlling (Spending or Saving),

Vielfalt (Diversifikation) versus Focusing,

die Notwendigkeit von Regelungen und Vorschriften versus die Gewährung von individuellem Spielraum,