Maucher und Malik über Management - Helmut Maucher - E-Book

Maucher und Malik über Management E-Book

Helmut Maucher

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Beschreibung

In diesem Buch erfahren Sie alles, was nach Ansicht der Autoren erfolgreiches Management ausmacht. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Buches sind Aussagen aus Reden, Aufsätzen und Interviews von Herrn Maucher aus den vergangenen Jahrzehnten. Gemeinsam arbeiten die beiden Management-Koryphäen - auch "sozialverantwortliche" - Führungsleistungen heraus, die universelle Gültigkeit haben. Heute, wo so viele fragwürdige und zum Teil irreführende Dinge über das Management und seine gesellschaftliche Funktion verbreitet werden, sind die Gedanken der beiden Autoren ein Orientierungspunkt und Leitfaden für beispielgebendes und richtiges Management mit dem die heutigen und zukünftigen Herausforderungen an die Unternehmensführung erfolgreich gemeistert werden können. In einem speziell für dieses Buch geführten Dialog zwischen Maucher und Malik erfahren die Leser unter anderem, inwiefern die heutige Krise auch und vorwiegend durch falsches Management entstanden ist. Für Führungskräfte und Unternehmer sowie für Politiker hat dies eine besondere Bedeutung. Sie lernen zugleich die universell gültigen Grundsätze, Strategien, Methoden und Tools kennen, die das Top Management instand setzen, ein Unternehmen auch in komplexesten Situationen richtig und vor allem langfristig erfolgreich zu führen.

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Maucher | Malik | Farschtschian

Maucher und Malik über Management

Maximen unternehmerischen Handelns

Campus VerlagFrankfurt/New York

Über das Buch

Einem guten Manager geht es nie um sich selbst, sondern immer um das Unternehmen. Er ist ein Diener seiner Aufgabe und führt das Unternehmen mit dem Ziel, langfristig erfolgreich zu sein, und nicht als kurzfristige Gewinnerzielungsmaschine. So hat Helmut Maucher Nestlé zu einem starken, globalen Unternehmen gemacht, ohne sich von Modewellen verleiten zu lassen. Mit diesem Buch setzt Fredmund Malik dem früheren Nestlé-Chef ein Denkmal. Entstanden ist ein einmaliger Austausch zweier Managementvordenker über die Essenz ihrer Lehre.

Über die Autoren

Helmut Maucher baute Nestlé zum größten Nahrungsmittelkonzern der Welt auf und wurde zu einem der besten Manager Europas gekürt. Seit seinem Rücktritt ist er Ehrenpräsident der Nestlé AG.

Fredmund Malik ist einer Gründer und Chairman von Malik Management, St. Gallen, der führenden Knowledge-Organisation für ganzheitlich-kybernetisches Management, Bestsellerautor und einer der profiliertesten und herausragendsten Managementvordenker Europas.

Farsam Farschtschian ist Direktor bei der Deutschen Bank und verantwortet am Hauptsitz in Frankfurt die strategische Beratung von internationalen Unternehmern und Key Clients aus Europa, dem Mittleren Osten und Afrika.

Inhalt

Geleitwort von Farsam Farschtschian

Teil 1Einführung von Fredmund Malik

Good Management – Good Food, Good Life

Geheimnisse in Helmut Mauchers Management

Wider den Mainstream, und deshalb erfolgreicher

Begegnungen

Dynamik und Wachstum durch erfolgreiche Akquisition

CEO, Verwaltungsrat und richtige Governance

Menschen und Unternehmenskultur

Ungewöhnlich auch in der Arbeitsweise

Keine großen Worte, aber große Unterscheidungen

Menschenverstand, Pragmatismus, Weisheit

Teil 2Aus Helmut Mauchers Reden, Schriften und Interviews

Editorische Notiz

Unternehmenspolitik, Unternehmensführung und Organisationspolitik

Auf schmalem Grat

Von der Kunst, ein Unternehmen zu führen

»Ich habe keine Sehnsucht nach einfachen Lösungen

Unternehmensführung in einer globalen Wirtschaft – Gedanken über zukünftige Führungsbedingungen und notwendige Führungseigenschaften

Personal- und Führungspolitik

Herausforderungen an die zukünftige Unternehmensführung

»Man braucht Mut«

»Tue nichts, was nicht morgen in der Zeitung stehen kann«

Nachhaltigkeit und Wertorientierung

Lohnt sich Moral im Geschäft? Der Stellenwert von Moral für nachhaltigen Erfolg

Wertorientierung als wichtiger Bestandteil moderner Unternehmensführung – Erfahrungen aus der Führung eines internationalen Konzerns

»Man braucht Rückgrat«

»Unsere Generation ist länger standhaft geblieben«

Forschung und Innovation

Bedeutung von Forschung und Innovation für langfristige Wettbewerbsfähigkeit Europas

Die Bedeutung von Innovationen und Forschung für die zukünftige Entwicklung der Lebensmittelindustrie

Akquisitionen

Wachstum durch Übernahmen, Akquisitionen, Kooperation, Joint Ventures und Fusionen – Praxiserfahrung prominenter Wirtschaftsführer

»Der Wind wird eisiger«

»Einige Players erobern die Märkte«

Interview mit Helmut Maucher bezüglich seiner hoch erfolgreichen Akquisitionspolitik bei Nestlé

Marketing, Werbung und Kommunikation

Fast Moving Consumer Goods: Aktuelle und zukünftige Aspekte des Marketings

Marken- und Produktpolitik zwischen Profilierung und Verwässerung

Glaubwürdigkeit und Kommunikation als Elemente moderner Unternehmens- und Markenpolitik

Pflege der Einfachheit

Wirtschaft, Politik und Gesellschaft

Ist der Rheinische Kapitalismus zukunftsfähig?

Visionen und Innovationen als wichtiger Erfolgsfaktor bei fortschreitender Globalisierung der Lebensmittelwirtschaft

Die soziale Verantwortung der Konzerne im Zeitalter der Globalisierung

Das rechte Maß

Wirtschaftliche Chancen für Oberschwaben in der heutigen Welt

Bleibt euch treu!

Erziehung für die Zukunft – Gedanken eines Unternehmers

Teil 3Helmut Maucher und Fredmund Malik im Gespräch – Gedanken über Management und Wirtschaft

Einführung in das Gespräch

Corporate Governance, Unternehmensorganisation und Strategie

Shareholder Value und Unternehmensführung

Die Wichtigkeit einer langfristig angelegten Corporate Governance

Ein starker CEO an der Macht – und Alternativen

Effektives Management von Board Meetings

Personalunion CEO und Chairman

Wirksames Management und Führungsalltag

Die Rolle von Ausbildung und Mitarbeiterauswahl

Wichtige Literatur und Autoren

Diskussion über Arbeitsmethodik und Effectiveness

Die Wichtigkeit der PR- und Medienarbeit

Führungsstil, Motivation und angewandte Leadership

Maßnahmen, um Innovationen zu fördern

Personalpolitik

Politik, Wirtschaft und Gesellschaft

Teil 4Helmut Mauchers Gedanken über die Zukunft und Vorschläge zur Verbesserung unserer demokratischen Verfassungen

Einige Bemerkungen über zukünftige Entwicklungen

Vorschläge zu demokratischen Verfassungen

Allgemeine Gedanken und Bemerkungen zur Einstimmung

Zur Gestaltung und Effizienzsteigerung von demokratisch verfassten Gesellschaften

Weitere Vorschläge zur Verbesserung von demokratischen Verfassungen

Schlussbemerkungen

Teil 5Epilog

Management – Das Richtige richtig tun

Teil 6Anhang

Helmut Mauchers Kernaussagen aus schon früher Zeit

Helmut Mauchers gesammelte Aphorismen, eigene Gedanken und Lieblingsgedichte

Gesammelte Aphorismen

Lieblingsgedichte

Eigene Aphorismen und Gedanken

Biografien

Helmut Maucher

Fredmund Malik

Farsam Farschtschian

Literatur

Interviews mit Helmut Maucher

Reden, Schriften und Aufsätze von Helmut Maucher

Literatur von Fredmund Malik

Literatur von Farsam Farschtschian

Register

Geleitwort von Farsam Farschtschian

[Bild vergrößern]

Dieses Buch gehört zu den herausragendsten Werken über Management. Es handelt von einem der größten Erfolge der Unternehmensführung und einem der bisher fähigsten Unternehmensführer der Geschichte. Es enthält die Quintessenz eines beispiellosen unternehmerischen Erfolgs, der in exzellenter Weise durch richtiges Management erzielt wurde.

Dr. Helmut Maucher gehört zu jenen höchst seltenen Spitzenmanagern, die Dreierlei gleichermaßen gut beherrschen: Handeln, Reflektieren und Schreiben.

Die Qualität seines unternehmerischen Handelns zeigt sich daran, wie erfolgreich Nestlé von Maucher über zwei Jahrzehnte vorbildlich geführt wurde. Darüber hinaus beherrscht er auch die Fähigkeit, auf höchstem Niveau über Führung nachzudenken und sein Handeln geistig zu durchdringen. Und schließlich ist Helmut Maucher, wie das Buch zeigt, auch ein Meister darin, sein Denken und Handeln in Wort und Schrift auszudrücken. Bei Maucher kommen diese drei Dimensionen wie zu einem musikalischen Dreiklang zusammen.

Basierend auf Reden, Schriften und Interviews von Dr. Helmut Maucher ist mit dem vorliegenden Werk ein einmaliges Zeugnis für die herausragenden unternehmerischen Resultate entstanden, die durch das richtige Management geschaffen werden können. Die Beiträge für dieses Buch sind zu verschiedenen Zeitpunkten, für unterschiedliche Zwecke und Zuhörer und in jeweils unterschiedlichen Kontexten entstanden. Sie reichen über den Zeitraum von 1988 bis 2010. Zu den Adressaten gehörten internationale Spitzenführungskräfte der Wirtschaft genauso wie Politiker, Mitarbeiter des Unternehmens, sowie Studenten und auch Gymnasiallehrer – ein Querschnitt der Gesellschaft.

Gewisse natürliche, dem Thema gemäße Redundanzen in Mauchers Schriften wurden belassen, denn so tritt die volle Bedeutung seiner Aussagen klar hervor. Weil aber der Kontext jeweils wechselt, bekommen selbst ähnliche Formulierungen eine neue Bedeutung und bringen das umfassende Spektrum seiner Aussagen zum Ausdruck. Erst so erkennt man den umfassenden Charakter von Mauchers Führungswissen und Führungspraxis – über Zeit, Raum und Zweck. Die Anwendungen sind je ganz verschieden – die Botschaft aber könnte treffender nicht sein.

In diesem Buch, einem erstrangigen Orientierungswerk für neue Führungsgenerationen, wird Helmut Mauchers Management in einer umfassenden Einführung von Prof. Dr. Fredmund Malik kommentiert. Über Malik sagt Peter Drucker, Doyen des Managements, er sei der führende Kopf des Managements in Europa. Malik stellt Mauchers Lebensleistung hier in den Zusammenhang seines eigenen system-kybernetischen Werkes über Richtiges und Gutes Management und arbeitet dabei besonders jene Dimensionen heraus, die in Mauchers Führungsleistung universell gültig sind und daher auch weit in die Zukunft reichen.

Ergänzt und abgerundet wird dieses Buch durch einen Austausch beider Koryphäen über Kernfragen von Management, Wirtschaft und Gesellschaft im Rahmen eines mehrstündigen ausführlichen Dialoges. Mauchers eigene Aphorismen schließen dieses Werk ab, durch die auch komplexeste Themenbereiche prägnant und elegant auf ihren Wesenskern gebracht werden, und so für jedermann nachvollziehbar sind.

In zahlreichen persönlichen Gesprächen habe ich die Ansichten beider Managementvordenker über die letzten Jahre hinweg gründlich kennenlernen und deren Entwicklung eng verfolgen können. In unterschiedlichen sprachlichen Formulierungen und auf je anderen Wegen kommen Maucher und Malik in vielen wesentlichen Punkten zu den gleichen oder sehr ähnlichen Ansichten. Wo sie hingegen unterschiedliche Akzente setzen, kommen sie gemeinsam zu neuen Lösungen, was im ausführlichen Dialogteil brillant zum Ausdruck kommt, der speziell für dieses Buch entstanden ist.

Wo Maucher zu bescheiden ist, sich selbst zu loben, braucht es Malik, der mit seiner Managementexpertise den richtigen Kontext für Mauchers einzigartige Managementleistungen schafft. Mit dem für das Format von Helmut Maucher angemessenen Gewicht zeigt Malik die Bedeutung auf, die Mauchers Management für die Bewältigung der immensen heutigen und zukünftigen Herausforderungen für Wirtschaft und Gesellschaft hat.

Malik selbst hat die heutigen wirtschaftlichen Krisen und ihre maßgebliche Verursachung durch falsches Management schon in ihrer Entstehung vorhergesehen. Früh erkannte er, dass die Haupttriebkräfte dieser Krisen der angelsächsische Ansatz der Corporate Governance und des Shareholder Values waren, weil diese aufgrund ihrer kurzfristigen Orientierung zwangsläufig zu einer der größten geschichtlichen Fehlallokationen von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ressourcen führen würde. Weit vorausblickend hat Malik auf der Grundlage seiner Erkenntnisse die für das Meistern der heutigen Herausforderungen nötigen Lösungen in Gestalt seiner ganzheitlichen Managementmodelle sowie seiner innovativen Change-Management-Tools entwickelt. In diesem Kontext zeigt Malik die immense Bedeutung von Mauchers Art des Managements für die Führungsgenerationen von heute und morgen.

Entstanden ist mit diesem Buch ein einzigartiges Bild des Lebenswerks von Helmut Maucher, der in diesem Jahr seinen 85. Geburtstag feiert. Es soll für Unternehmer, Führungskräfte und ebenso für die Politik als »Leuchtturm für Seeleute im Sturm« der zuverlässigen Navigation für das Meistern des grundlegenden, weltweiten Wandels dienen. Außerdem soll es in Zeiten großer Missverständnisse über Manager und Management durch das Beispiel von Helmut Mauchers Wirken bei Nestlé einer breiten Leserschaft ein neues Verständnis für die gesellschaftliche Bedeutung des Großunternehmens, von richtigem Management und von sozialverantwortlicher Führung ermöglichen.

Farsam Farschtschian

TEIL 1

EINFÜHRUNG VON FREDMUND MALIK

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Good Management – Good Food, Good Life

Der Weltkonzern Nestlé und der Name Helmut Maucher sind untrennbar miteinander verbunden. Denn durch Helmut Maucher wurde Nestlé innerhalb von zwei Jahrzehnten mit atemberaubender Dynamik zum größten Nahrungsmittelkonzern der Welt und gleichzeitig zu einem der wenigen wirklich globalen Unternehmen.

Unter Mauchers Leitung hat sich der Umsatz von Nestlé verdreifacht, und ohne negative Währungseinflüsse wäre er noch um ein Vielfaches höher gewesen. Der Aktienkurs ist ex Dividende um mehr als das 15-fache gestiegen. Er hat zukunftsträchtige neue Produktbereiche erschlossen, insgesamt 250 Unternehmen akquiriert und erfolgreich integriert, einige der bis dahin größten Akquisitionen aller Zeiten getätigt und zahlreiche neue Märkte rund um den Globus erschlossen. Weit mehr noch: Nicht nur hat Maucher diese gewaltige Expansion hocherfolgreich gemanagt, es ist ihm dabei auch kein Fehler unterlaufen.

Möglich wurde dies durch die beispielgebende Art des Managements, das Helmut Maucher bei Nestlé einführte. Good Food, Good Life ist das Motto des Unternehmens. Mauchers Good Management hat Nestlé zu dem gemacht, was es heute ist.

Management wird heute weithin falsch und teilweise auch gefährlich missverstanden. Zum Beispiel als das Mittel, reich, berühmt und mächtig zu werden. Dazu gehört auch das Missverständnis, Unternehmen seien in erster Linie Gewinnmaximierungsmaschinen. Wenn man will, kann man sie so missbrauchen. Verantwortungsvoll und zukunftsträchtig verstehen kann man Management und die Wirtschaft damit aber nicht.

Ich selbst sehe Management folgendermaßen: Management ist der Beruf des Funktionierens. Es ist Management, das die gesellschaftlichen Organisationen zum Funktionieren bringt, oder dabei versagt. Daher gehört Management zu den wichtigsten Funktionen einer modernen Gesellschaft. Manager sind die Menschen, die so verstandenes Management als einen Beruf auf den verschiedenen Führungsebenen der Organisationen ausüben.

Daher hängt von der Kompetenz und Qualität von Management fast alles ab, was uns in den modernen Gesellschaften lieb und teuer sein muss, und was diese auch lebenswert macht – vom wirtschaftlichen Wohlstand, dem Bildungs- und Gesundheitsniveau, über Wissenschaft und Forschung, Innovationskraft und Kreativität bis letztlich zur Lebensqualität.

Management ist somit die gesellschaftliche Funktion, die alles andere zum Funktionieren bringt. Es ist auch die Funktion, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Ressourcen in Resultate und in Nutzen für die Gesellschaft transformiert.

Dafür muss Management aber richtig gemacht werden und es muss gut gemacht werden. Vieles, was landläufig als Management bezeichnet wird, erfüllt diese beiden Anforderungen bei Weitem nicht oder nur schlecht. Das Allgemeinverständnis von Management ist ein Minenfeld von Irrtümern und Irrlehren. So konnte es auch zu den heutigen wohlstandsbedrohenden Krisen kommen, die zum wesentlichen Teil durch falsches Management verursacht wurden und werden.

Dieses Buch hat daher den Zweck, anhand des Beispiels von Nestlé und Helmut Mauchers einzigartiger Führungsleistung zu zeigen, was richtiges und gutes, ja exzellentes Management in der Praxis ist und was dieses bewirken kann. Deswegen habe ich Helmut Maucher vorgeschlagen, seine Reden und Schriften geschlossen zu veröffentlichen, diese in den Kontext der großen gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen zu stellen, und so den Führungsgenerationen von heute und morgen als universell gültige Navigationshilfe zu dienen.

Das Buch zeigt die Managementphilosophie und Managementpraxis von Helmut Maucher in seinen Originaltexten, im Rahmen dieser Einführung in den Kontext meiner eigenen Managementlehre gestellt. Es verdeutlicht, warum das Management von Maucher richtig ist und er damit als langjähriger CEO von Nestlé so erfolgreich war.

Damit soll Helmut Mauchers in vielfacher Hinsicht ganz außergewöhnliche Führungsleistung weit über eine bloße Fachleserschaft hinaus sichtbar werden, und es soll darlegen, was ihn als Person in den vielen Jahrzehnten seiner Lauf bahn bis an die höchste Spitze von Nestlé von anderen Topmanagern unterschieden hat.

Maucher steht aber nicht nur für eine glanzvolle Führungsleistung in der Vergangenheit, sondern – noch weit wichtiger – auch für eine neue Zukunft des gesellschaftlich verantwortungsvollen, richtigen und guten Managements. Dies ist deshalb von größter Bedeutung, weil Wirtschaft und Gesellschaft inmitten einer der größten Transformationen stehen, die es geschichtlich je gab. Ich nenne sie seit langem die »Große Transformation 21« und meine damit den globalen Wandel des 21. Jahrhunderts. In gewissen Zügen ist sie vergleichbar mit dem Wandel von der Agrar- zur Industriegesellschaft vor rund 200 Jahren, in ihren atemberaubenden Ausmaßen aber weit größer und tiefgreifender.

Es ist nicht übertrieben, diese Transformation als den Übergang in eine zum Teil noch völlig unbekannte Welt zu verstehen, in der vieles radikal neu und revolutionär sein wird. Die gegenwärtigen Krisen können über bloße Ökonomie hinaus weit besser verstanden werden als die Geburtswehen dieser neuen Welt. Die »Große Transformation 21« stellt die Strukturen aller Gesellschaften und zuvorderst deren Organisationen und ihr Management schon jetzt vor gigantische Herausforderungen.

Über revolutionäre Technologien hinaus ist diesmal richtiges Management, wie es in Mauchers Erfolgen bei Nestlé so eindrucksvoll zu sehen ist, plötzlich der wichtigste Schlüssel für den friedlichen, organischen und humanen Wandel. Die Kraft von richtigem Management wird heute begründet und vielfach verstärkt durch innovative Change-Management-Tools und ganz neue Methoden für das Meistern der großen Herausforderungen.

Dieses Buch gewährt einen einzigartigen Einblick in das Denken und Arbeiten eines der besten und erfolgreichsten Unternehmensführers, die es je gab. Es zeigt, wie Maucher mit seiner Art der Führung innerhalb von nur zwei Jahrzehnten Nestlé aus einer der damaligen Konkurrenz unterlegenen Position zum größten und erfolgreichsten Nahrungsmittelkonzern der Welt machte. Darüber hinaus sorgte er dafür, dass der Konzern auch nach seinem altersbedingten Rücktritt weiterhin erfolgreich und dynamisch geblieben ist, und seinen Erfolg weiterhin noch deutlich ausbauen konnte.

Im Jahr 1981 wird Helmut Maucher Delegierter des Verwaltungsrats und übernimmt die Gesamtleitung. Damit steht erstmals ein Nicht-Schweizer an der Spitze des größten Schweizer Unternehmens, ein Novum in mehrfacher Hinsicht, das nur profunde Kenner der Schweiz in seiner ganzen Bedeutung ermessen können. Nestlé stand 1981 bei einem Umsatz von rund 28 Milliarden Schweizer Franken, machte einen Nettogewinn von knapp 1 Milliarde und beschäftigte 146 000 Personen. Ab 1990 ist Maucher zugleich Delegierter und Präsident des Verwaltungsrats bis 1997. Sein Nachfolger als Delegierter wurde 1997 Peter Brabeck-Lethmate mit einem vorzüglichen Topmanagementteam. Bis 2000 ist Helmut Maucher weiterhin Präsident des Verwaltungsrats, wo ihm Rainer E. Gut als langjähriges Mitglied und Vizepräsident des Nestlé-Verwaltungsrats nachfolgt, während Helmut Maucher seitdem dessen Ehrenpräsident ist.

Als Helmut Maucher an der Generalversammlung 2000 auch vom VR-Präsidium zurücktritt, beträgt der Umsatz für das Geschäftsjahr 1999 rund 75 Milliarden Schweizer Franken, der Nettogewinn steht bei fast 5 Milliarden und das Unternehmen beschäftigt gut 230 000 Menschen.

Mauchers Nachfolger übernahmen kraftvoll von ihm die Stafette und setzten den Erfolg des Unternehmens fugenlos fort. Im jüngsten Geschäftsjahr 2011 erzielt Nestlé bei einem Umsatz von rund 84 Milliarden Schweizer Franken einen Nettogewinn von fast 10 Milliarden und beschäftigt 328 000 Personen. Das Unternehmen betreibt rund 500 Fabriken in über 80 Ländern und ist mit seinen fast 100 internationalen Marken praktisch in allen Ländern der Welt tätig.

In zweifacher Hinsicht dürfen wir zum Teil diesen fortdauernden Erfolg auch Helmut Maucher selbst zuschreiben: Erstens wurden einige der nötigen Voraussetzungen für den anhaltenden Geschäftserfolg schon früh noch in seiner operativen Aktivzeit geschaffen, insbesondere die strategische Ausweitung des Produktportfolios sowie der geografischen Präsenz. Im Gegensatz zu Managern, die primär die Maximierung ihrer Jahresergebnisse anstreben, hatte Maucher die seltene Größe, auf den Ausweis von kurzfristigen Ergebnissen zu verzichten, um dafür langfristig das Unternehmen umso stärker zu machen. Richtschnur war für Maucher dabei die Vorstellung des »gesunden Unternehmens«, die weit über kurzfristige, gar nur finanzielle Ergebnisse hinausreicht.

Zweitens waren da seine Nachfolger, insbesondere der neue CEO, Peter Brabeck-Lethmate, seine früheren langjährigen Mitarbeiter und Schüler, die sich unter seiner Leitung über Jahre auf die erfolgreiche Nachfolge vorbereitet hatten. Dabei haben diese sogar die Fähigkeit erlangt, dort über ihren Vorgänger noch hinauszugehen, wo veränderte Umstände und Chancen dies erforderten. Schüler zu haben, die noch besser als der Meister werden, gehört zu den vornehmsten Erfolgen von Leadership.

Geheimnisse in Helmut Mauchers Management

Geheimnisse im engeren Sinne des Wortes gibt es in Mauchers Management zwar nicht, denn er hat über seine Auffassungen, Prinzipien und die Praxis seines Handelns ganz offen und freizügig gesprochen, wie aus seinen in diesem Buch enthaltenen Reden und Schriften zu ersehen ist. Aber es gibt darin vieles, was den meisten Führungskräften so nicht bekannt ist, weil es in ihrer eigenen Ausbildung nicht vorkam, denn in den herkömmlichen Business Schools wurden seit Beginn der 1990er Jahre weitgehend andere, zum Teil auch ausgesprochen falsche Inhalte als ultimative Wahrheiten gelehrt, die oft das Gegenteil von Mauchers Managementprinzipien sind.

Darin liegt eine große Herausforderung für das Um- und Neulernen von Management. Dieses Buch ist dafür eine unschätzbare Hilfe und ein Wegweiser aus dem Labyrinth von Irrtümern über richtiges Management. Einige der Hauptpositionen von Helmut Mauchers Managementverständnis greife ich für das Folgende heraus, weil mir diese für das Meistern der Zukunft besonders wichtig erscheinen.

Unter anderem lässt sich daran gut erkennen, wie früh schon – und auch wie eindrucksvoll – die Denkweise von Helmut Maucher dem entsprach, was wir heute integrierendes, system-kybernetisches Denken nennen. Es ist ein ganzheitliches Denken in mehrdimensionalen Zusammenhängen, das über die einzelnen Unternehmensbereiche und deren Fachgebiete weit hinausgeht und diese erst zu einem funktionierenden Ganzen verbindet.

Für Maucher ist es, wie man sehen wird, ganz normal und selbstverständlich, die Dinge in ihrer Ganzheit und in ihrem Zusammenwirken zu sehen, in ihren inneren und äußeren Vernetzungen, und so auch ihre Komplexität und Dynamik zu erkennen. Im Vergleich zu vielen Top-Führungskräften ist dies eine seiner herausragenden Stärken.

Multiplizieren der obersten Führungsintelligenz

In meinen Managementforschungen entdeckte ich früh die Bedeutung der kybernetischen Steuerungsintelligenz im Sinne der Selbstregulierung und auch deren praktische Verwirklichung durch Prinzipien, die ich als Master Controls bezeichnete.

Diese Master Controls sind funktionell vergleichbar mit Naturgesetzen wie dem genetischen Code in der Biologie, den Gesetzen der Harmonie in der Musik, oder den Prinzipien der Bionik, woraus ich sie unter anderem für die Zwecke von richtigem Management ableitete. So ergaben sich Naturgesetze des Funktionierens, über die ich vielfach publizierte, damit deren Kraft für das Topmanagement nutzbar wird.

Helmut Maucher beherrscht wie nur wenige andere die hohe Kunst der Anwendung dieser kybernetischen Steuerungsintelligenz. Was bedeutet das?

Maucher ist ein Mann der Grundsätze und des ganz langfristigen und großräumigen Denkens. Schon lange bevor der etwas unscharfe Begriff »nachhaltig« erst als Reaktion auf die dominierende Kurzfristigkeit aufgekommen ist, hat er mit durchdachten, klaren Prinzipien geführt – und zwar sich selbst sowie das gesamte Unternehmen. Darin ist Helmut Maucher einer der seltenen Großmeister.

Für Nestlé hat er jene Prinzipien ersonnen, die ein konzernweites Handeln in offenen Zeithorizonten ermöglichten, was weit über bloße Langfristigkeit hinausgeht, die unter den heutigen Komplexitätsbedingungen längst nicht mehr genügt. Damit gab er dem Unternehmen und seinen Menschen Orientierung und Richtung bis in die äußersten Kapillaren der Organisation, die damit selbstständig nach Mauchers eigener Führungsintelligenz handeln konnten.

Wenn Firmen zum Beispiel nicht genügend wachsen, obwohl ihre Märkte dies möglich machen würden, so liegt dies meistens daran, dass ihre Manager nicht gelernt haben, mit Grundsätzen, Prinzipien und Policies zu führen, und deshalb das Wachstum ihrer Firmen vorzeitig und unnötig limitieren.

So verstandene Master Controls ermöglichen das Multiplizieren der Führungsintelligenz der obersten Spitze mit der Anzahl sämtlicher Führungskräfte, welche die Master Controls in der Organisation anwenden. Dadurch verbreiten sie die Intelligenz der Spitze bis an die äußersten Grenzen der Organisationsreichweite und machen sie dort in ihrem Handeln wirksam. Die intelligentesten Master Controls umfassen vorsorglich auch Regeln für das Abweichen von Regeln, also für das Eingehen von klugen Kompromissen, und sie enthalten selbst Regeln für das Ändern von Regeln.

Einzig solche Grundsätze oder Regeln dieser allgemeinen Art ermöglichen in einem Unternehmen die zuverlässig funktionierende Dezentralität, und somit weitgehende kybernetische Selbstregulierung und Selbstorganisation, die wiederum unverzichtbare Fähigkeiten in komplexen und dynamischen Verhältnissen sind.

Mehr als bloß langfristig

Der Begriff »langfristig« allein genügt also für diese enorme Wirkung bei Weitem nicht. Hier gelingt Helmut Maucher etwas noch viel wichtigeres: Er bringt so das unternehmerische Analogon zum Kategorischen Imperativ von Immanuel Kant, dem großen Philosophen der Ethik, bei Nestlé zur weltweiten Wirkung, denn er prüft seine Entscheidungen an der Leitfrage: Wie muss ich jetzt entscheiden, damit mein Handeln vom Prinzip her auf unbegrenzte Zeit richtig sein kann? Praktisch heißt das: So lange richtig, bis erste Anzeichen für sich grundlegend ändernde Umstände ein Überdenken von Politiken und Strategien nötig machen und unter Umständen auch neue Entscheidungen erfordern.

In der Fassung von Kant lautet der Imperativ: Handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetz werden sollte.

Im Kontext der Unternehmensführung heißt das »Konzerngesetz« statt »Naturgesetz«. Genau dies ist die Wirkung richtiger Policies.

30 Jahre bevor die allgemeine Ethik-Mode unter anderem aufgrund der Managerbonus-Exzesse ausbricht, und allenthalben versucht wird, Ethik im Nachhinein künstlich aufzupfropfen, gelingt es Maucher so, die richtige Ethik fugenlos in das Konzerngeschehen zu integrieren und sie mit diesem in organischer Harmonie zu verschmelzen.

Immun gegen Moden durch die bessere Governance Logik

Damit enthüllt sich auch ein anderes »Geheimnis« Mauchers. Unter anderem weil er die Kraft solcher Prinzipien nutzte, hatte er gegenüber anderen Unternehmensführern den großen Vorteil, völlig immun zu sein gegen die ständig wechselnden Moden im Management sowie auch gegen die finanzwirtschaftlichen Verlockungen des Zeitgeistes – der in den Boomperioden eher ein Zeit-Ungeist war. Dieser forderte aber in der aktiven Zeit von Mauchers Gesamtführung in fast jeder Dimension das Gegenteil von dem, was er selbst als CEO für richtig hielt. Diesen Versuchungen bot er gerade in den wichtigsten Fragen erfolgreich und souverän die Stirn, wie ich später noch zeige.

Maucher denkt ganz natürlich in großen Zukunftsbögen. Das Wort »Vision« verwendet er dafür allerdings selten, unter anderem weil er keine Konzessionen an die Sprachwolken machen will, die mit den Hypes des Börsenbooms auf kamen.

Die großen Bögen wiederum zeigen sich in seinem umfassenden Verständnis für die ganzheitlichen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Zusammenhänge – und vor allem auch für die gesamtgesellschaftliche Verantwortung eines Unternehmens. Folgen dessen sind seine weitreichenden unternehmenspolitischen und strategischen Entscheidungen, die er ganzheitlich sieht und in denen er deswegen auch immer die gesamten Dimensionen einer Herausforderung berücksichtigen kann.

Dies wiederum stand konträr zur neoliberalen Doktrin des Shareholder Values, die Maucher gelegentlich ironisch auch als Share-Fetischismus bezeichnete. Denn dass Konzerne primär Gewinnerzielungsmaschinen für die Aktionäre seien, entsprach nicht Mauchers Verständnis eines funktionierenden Unternehmens. Vielmehr verstand er das Funktionieren des Unternehmens konsequent vom Markt und vom Kunden her.

Damit konnte er zwei der ehernen Fixpunkte fest im Auge behalten, die eine richtige Corporate Governance überhaupt ermöglichen. Die Gründe dafür stehen in meinen Büchern, wo ich sie als die »Polarsterne« der Führungsnavigation bezeichne. Dies sind die Zwillinge »Customer Value« und »Konkurrenzfähigkeit«, die einzigen nicht manipulierbaren Orientierungsgrößen in der Wirtschaft. Im Gegensatz dazu entsprechen »Shareholder Value« und »Wertsteigerung« bildlich gesprochen den ständig wechselnden »Planetenpositionen«. Sie sind den Launen der Börsen unterworfen und ihrem weitgehenden Unverständnis für die realwirtschaftliche Führungslogik. Daher sind sie auch leicht manipulierbar, wie die Skandalfälle um Enron, Worldcom und viele andere beweisen.

Richtige Führung anhand der »Fixsterne« Customer Value und Konkurrenzfähigkeit zielt zuallererst auf das Schaffen der Wirtschaftsleistung und erst als dessen Folge auf deren Verteilung – dann selbstverständlich auch an die Aktionäre. Gerade weil Maucher genau dieses Verständnis des Wirtschaftens hatte, machte Nestlé unter seiner Leitung die noch weit größeren Gewinne und schuf mehr Shareholder Value, als jene CEOs, die sich allzu häufig liebedienerisch dem Diktat des Shareholder Values und seiner Apostel direkt unterwarfen.

Auf diesen Grundlagen praktizierte Maucher, wie später noch zu sehen ist, eine beispielgebend gut funktionierende Corporate Governance, die den damals auf kommenden Corporate-Governance-Codes weit voraus und überlegen war.

Profunde Sachkenntnisse des Geschäftes

Als letztes der »Geheimnisse« von Mauchers Erfolg greife ich etwas heraus, worüber in Managementbüchern kaum je zu lesen ist, und das – weil unverstanden – häufig mit Bauchgefühl und Intuition verwechselt wird.

Dieses »Geheimnis« sind seine exquisiten, geradezu perfekten Sachkenntnisseüber das eigentliche Geschäft von Nestlé. Maucher kannte Nestlé inund auswendig, so profund, wie kaum ein anderer. Mit diesem Geschäft war er aufgewachsen und groß geworden und hatte selbst vieles bis in die Details hinein mitgestaltet. Daher wusste er bestens Bescheid über die zahllosen Dinge, die ein Geschäft ausmachen – über Produkte, Märkte, Endverbraucher, Marken, Marketing, Werbung und Verpackung, auch über Rohstoffe, Qualität, Preise, Kosten und Herstellverfahren, über den Handel, Lieferanten und Banken, über Finanzen, Risiken, Börse und Aktionäre, über die Medien, lokale und internationale Politik – und zuvorderst über die Menschen.

Intime Sachkenntnisse des Geschäfts machen exzellentes Management überhaupt erst möglich. Selbst noch so gute Manager können nicht ohne Weiteres jedes beliebige Unternehmen führen, wie man so häufig annimmt – ganz zu schweigen von anderen Organisationsarten. Sinngemäß kann man sagen: Um Pferde richtig zu führen, muss man sehr viel von Pferden verstehen.

Daher sollte man auch dem erfolgreichsten Stahlmanager nicht die Führung einer Bank auf bürden, und andererseits tun sich auch hervorragende Bankenmanager mit dem Verstehen von produzierenden Unternehmen eher schwer.

Die frühe Einsicht in solche Tatsachen machte es mir möglich, in meine eigene Managementlehre gerade jene Elemente richtigen und guten Managements aufzunehmen, die unabhängig vom Organisationstyp universell nötig sind. Erst dadurch wurde es mir auch möglich, Management zu einem Beruf mit seiner eigenen Handwerklichkeit zu machen, mit seinen typischen allgemeingültigen Grundsätzen, Aufgaben und Werkzeugen, der deswegen in höherem Grade erlernbar ist, als die meisten heute noch glauben. Nachdem es auch noch gelungen war, diese Ergebnisse in leicht zu erlernende Modelle für richtiges Management zu fassen, konnten neue und zum Teil revolutionär wirksame Formen der fortgeschrittenen Management- , Leadership- und Governance-Education entwickelt werden.

Je besser man gerade als CEO das Geschäft versteht, desto besser kann man seine Managementfähigkeiten ausspielen und in Kundennutzen und Konkurrenzvorteile umwandeln. Man versteht die Dinge schneller und besser als andere. Man braucht keine langen Analysen, man erfasst Zusammenhänge oft mit einem einzigen Blick, wo andere erst lange Berichte studieren müssen, und man kann daher – gewissermaßen aus der Hüfte schießend – blitzschnell, treffsicher und richtig entscheiden und handeln. Was Laien oft vorschnell als Bauchgefühl und Intuition verstehen, hat seine Quelle weit öfter in gründlichen Geschäftskenntnissen.

Ohne Beherrschung von professionellem Management stößt man besonders in komplexen Geschäften schnell an Grenzen; ohne Kenntnis des Geschäftes jedoch hat es sich bald ausgemanagt. Daher braucht es beides, in flexibler Balance, die je nach Lage rasch und unvorhersehbar ändern kann.

Seine immense Sachkenntnis synergetisch kombiniert mit hervorragenden Managementfähigkeiten waren maßgebliche Gründe, weswegen Helmut Maucher ein so kraftvoller, in wesentlichen Punkten auch genialer CEO war, und darüber hinaus auch ein Unternehmer im besten Sinne.

Wider den Mainstream, und deshalb erfolgreicher

Für dieses Buch ist wichtig, dass Helmut Maucher seinen so außergewöhnlichen unternehmerischen Erfolg auf eine Weise erzielte, die dem seit Beginn der 1990er Jahre und bis heute vorherrschenden Managementverständnis in fast allen wichtigen Punkten beinahe diametral entgegengesetzt ist. Heute wird nun durch Finanz-, Schulden- und Wirtschaftskrise immer deutlicher, wie gigantisch die Fehlsteuerungen durch den Mainstream waren.

Ab der Hälfte der Aktivzeit Mauchers begann in Managementlehre und Managementpraxis mit Wucht eine Periode der größten Irrtümer und Irrlehren, die es geschichtlich je gab. Ab etwa 1992 begannen Realwirtschaft und Finanzwirtschaft auseinanderzudriften, zuerst unmerklich, dann immer stärker, bis daraus buchstäblich zwei verschiedene Welten wurden.

Die unverzichtbaren Größen der unternehmerischen Navigation wurden verdrängt durch rein finanzwirtschaftliche, kurzfristig orientierte Kenngrößen. Entscheidungen wurden immer stärker an den Börsenbewegungen und den Bewertungen der Finanzanalysten ausgerichtet, statt an Kundennutzen und Konkurrenzfähigkeit. Die Meinungen der Finanzmedien zählten mehr als die Kaufentscheidungen der Kunden. Shareholder Value wurde wichtiger als Technologie-Innovation und Real-Investition. Die Maximierung der Eigenkapitalrendite wurde höher gewertet als gesunde Finanzierung und Liquiditätsreserven. Die Beachtung von sozialverträglichen Vorgehensweisen bei großen Restrukturierungen und von sozialer Verantwortung wurde häufig arrogant als »romantische oder linke Spinnereien« abgetan.

Es begann die systematische Fehlallokation von finanziellen und gesellschaftlichen Ressourcen von der Realwirtschaft in das Finanzsystem. Kapital floss bis zum 100-fachen geleveragt in die Finanzmärkte, und die besten Köpfe gingen in die Wallstreet-Industrien, statt in Unternehmen mit Fabriken.

Seinen einzigartigen Erfolg hat Helmut Maucher also mit gerade der grundlegend gegenteiligen Art von Management geschaffen, als es für Generationen von Studenten an vielen Universitäten und besonders an den zahlreichen Business Schools gelehrt wurde. Ein guter Teil dieser Business Administration ist direkt kausal für die Entstehung der heutigen Finanzkrise, für die steigende Arbeitslosigkeit insbesondere bei Jugendlichen und für die sich verschärfenden sozialen Spannungen. Die Verstärkermechanismen der einschlägigen Consulting-Industrien, darunter auch Corporate Governance Consulting, Executive Search und Executive Compensation, haben die Irrtümer tausendfach verstärkt und dadurch in der Wirtschaft wirksam gemacht. Bis heute wurde deren Verantwortung noch nicht einmal thematisiert.

Mit der breiten Anwendung von Mauchers Führungswissen hätte hingegen eine Finanz-, Schulden- und Sozialkrise vom heutigen Typ gar nicht entstehen können. Im Gegenteil hätten wir dann bis ins Mark hinein gesunde Unternehmen und somit auch eine gesunde, starke Real- und auch Finanzwirtschaft.

In dieser gesellschaftlich vielleicht bedrohlichsten Lage seit den 1920er Jahren mit ihrer noch überhaupt nicht richtig wahrgenommenen Deflationsgefahr, ist das Beispiel Helmut Mauchers eine große Hoffnung, denn es geht über exzellentes Management noch hinaus. In dieser Dimension steht Maucher für echte Leadership im besten Wortsinn, die weit über die Wirtschaft hinaus beispielgebend für andere Gesellschaftsbereiche ist.

Deshalb ist dieses Buch auch außerhalb der Wirtschaft wichtig. Für die obersten Entscheidungsebenen in den zahlreichen öffentlichen Organisationen, in der Politik und ebenso in der breiten Öffentlichkeit wird es viele Missverständnisse über das Wirtschaften und Managen auf klären und beseitigen. Bonusexzesse, Großbankrotte, Banken- und Börsenskandale und insgesamt die Krisen im Finanzsystem wären bei richtigem Management nicht entstanden.

Durch dieses Buch wird auch überzeugend sichtbar, dass die Wirtschaft nicht pauschal den vielen medialen Klischees entspricht, sondern dass es hervorragend funktionierende Unternehmen gibt, darunter auch internationale Konzerne wie Nestlé, die es verstehen, sowohl geschäftlich erfolgreich zu agieren, als auch ihre sozialen und ökologischen Verantwortungen zu erfüllen, ja dort sogar beispielgebend initiativ sind. Dadurch können weit aufgerissene Gräben zwischen Wirtschaft und Bevölkerung überbrückt und teilweise wieder zugeschüttet werden.

Begegnungen

Schon bei unserer ersten Begegnung ist mir aufgefallen, dass Maucher grundlegend anders als die Mehrheiten dachte und handelte, und dass seine Grundsätze und Leitlinien von fundamental anderer Art waren, als sie im Allgemeinen vertreten wurden. Um das zu sehen, muss man freilich wissen, worauf man achten muss, um richtiges von falschem und gutes von schlechtem Management zu unterscheiden.

Persönlich haben Maucher und ich uns nur selten getroffen. Bis zur Entstehung der Idee zu diesem Buch waren es nur drei Begegnungen.

Ein erstes Mal trafen wir uns im Herbst 1998 bei einer Veranstaltung für geladene Gäste, wo es unter anderem auch um das damals dominierende Modethema des Shareholder Values ging. Ein Jahr zuvor war die erste Auflage meines Buches Die Richtige Corporate Governance erschienen, in dem ich darlegte, dass der aus den USA kommende Shareholder Value Approach eine Fehlentwicklung ist und auf Missverständnissen über richtige Unternehmensführung beruhte, aber ebenso auch auf Missverständnissen über die amerikanische Wirtschaft und ihre nur scheinbaren Stärken und Erfolge, die keineswegs eine Folge von besonders beispielgebendem Management waren, wie man damals allgemein unkritisch angenommen hatte.

In diesem Buch zeigte ich, dass mit diesem Ansatz fundamentale Führungsfehler unvermeidbar programmiert waren und langfristig auch die bereits erwähnten massiven Fehlallokationen von wirtschaftlichen und auch menschlichen Ressourcen die Folge sein würden. Zu diesem Thema hatte ich bereits jahrelang publiziert und zahlreiche Vorträge und Seminare gegeben. Meine damaligen Erfahrungen sind in dem erwähnten Buch zusammengefasst.

Es war die Zeit, als der New-Economy-Boom seinem Höhepunkt zustrebte, ein Großteil der Wirtschaftswelt um die »Goldenen Kälber des Internets« tanzte, und das neue perverse Erfolgsmerkmal die sogenannte »Money Burn Rate« war. Der Shareholder Value, Finanzkennziffern sowie überhaupt angelsächsisches Management galten als die neuen Wahrheiten für die Unternehmensführung, und deren Akzeptanz hatte sich bereits global verbreitet.

An mich gerichtet meinte Helmut Maucher in seinem Referat unter anderem sinngemäß: »Da bin ich bei Ihnen. Bei Nestlé machen wir zur Zeit wegen des Shareholder Values einen Riesenspagat. Denn am Morgen muss ich zur Finanzwelt das sagen, was diese gerne hören möchte, und am Nachmittag muss ich in der Firma dafür sorgen, dass wir das Gegenteil davon tun, ohne dass die Finanzwelt es merkt.«

Noch nie hatte es jemand vorher so klar und eindeutig formuliert. Damals allerdings verstanden nur wenige Gäste die Pointe, denn mental war die Mehrzahl zu dieser Zeit so einseitig auf den Shareholder Value fixiert, dass man sich Alternativen dazu kaum vorstellen konnte. Maucher allerdings gehörte zu jenen wenigen CEOs, die die Auseinandersetzung mit der Finanzwelt nicht scheuten und dieser seine oft diametral unterschiedlichen Auffassungen ungeschminkt mitteilte, zum Beispiel wenn es um den Preis von Akquisitionen ging, von denen er einfach um ein Vielfaches mehr verstand, als junge Aktienanalysten.

Das zweite Mal begegneten wir uns 2006 anlässlich eines Abendessens, das ein bedeutender süddeutscher Unternehmer gab. Maucher und ich saßen uns am Tisch gegenüber, und kamen im Gespräch auch auf die Kraft von Marken sowie auf Markenstrategie und Marketing zu sprechen. Zu meiner Überraschung stellte sich heraus, dass Helmut Maucher, der Architekt des weltgrößten Nahrungsmittelkonzerns, sich zu seiner Aktivzeit um diese Fragen persönlich und höchst detailliert gekümmert hatte. In der Mehrzahl der Fälle überlassen CEOs solche Fragen ihren Fachleuten und den einschlägigen Agenturen. Nicht so Helmut Maucher.

Mit Schalk in den Augen erzählte er mir, seine Leute hätten das Ur-Logo des Unternehmens aus Modernisierungsgründen abschaffen wollen. Das Nestlé-Logo ist ein kleines Vogelnest, in dem eine fürsorgliche Vogelmutter ihre drei Jungvögelchen füttert. Es leitet sich aus dem Namen des Firmengründers, Henri Nestle, ab, der schwäbischer Herkunft war, wo Nestle »kleines Nest« bedeutet. Gegen diese Absicht habe er jedoch entschieden sein Veto eingelegt, denn dieses Logo sei ein konstitutionelles Identitätselement des Konzerns. Jedoch habe er aus Designgründen auf eines der drei Vögelchen verzichtet, damit auch bei kleinen Schriftgrößen die Proportionen des Logos noch besser zum Ausdruck kommen. In diesem hochinteressanten Gespräch kam hervor, mit welcher Sorgfalt und auch mit welchem Sachverstand der CEO von Nestlé sich um Kernfragen des Geschäfts kümmerte. Dies ist, wie ich erwähnte, eines der charakteristischen Merkmale seiner Art der Unternehmensführung.

Die Idee zum vorliegenden Buch entstand dann bei der dritten Begegnung, als wir von Dr. Farsam Farschtschian, einem meiner Doktoranden, aus Anlass seiner Promotion zu einem gemeinsamen Abendessen eingeladen waren. Ich hatte das Thema der Dissertation vorgeschlagen, und diese gemeinsam mit Prof. Hilb betreut. Die Hauptperson in der Forschungsarbeit ist Helmut Maucher, denn es ging um seine beeindruckenden Akquisitionserfolge, und in diesem Zusammenhang vor allem auch um seinen so überaus professionellen Umgang mit dem Verwaltungsrat.

Dynamik und Wachstum durch erfolgreiche Akquisition

Der Titel der Doktorarbeit von Farsam Farschtschian lautet: The Secret of Successful Acquisitions – Abandoning the Myth of Board Influence. Sie gehört zu den besten meiner akademischen Tätigkeit.

Ihr Thema ist, warum Nestlé mit seiner langjährigen Akquisitionsstrategie so enorm und auch so nachhaltig erfolgreich war, während die damalige Swissair mit genau derselben Strategie so kläglich scheiterte und schließlich unterging, und vor allem, welche Rolle die Verwaltungsräte in diesen Firmen dabei spielten.

Der Grund, weswegen ich für die Dissertation genau dieses Thema vorgeschlagen hatte, war die Besonderheit, dass dafür eine Sternstunde genutzt werden konnte, die den Vergleich der beiden Unternehmen einzigartig machte, weil dafür beinahe kontrollierte Laboratoriumsbedingungen herrschten, wie in den Naturwissenschaften. Denn beide Firmen operierten weitgehend unter denselben Rahmenbedingungen, waren derselben Rechtsordnung unterstellt, agierten global, waren demselben Zeitgeist und denselben Moden ausgesetzt, hatten ihre Hauptsitze im selben Land mit denselben Medien, und beide hatten Boards, die mit hochrangigen Persönlichkeiten exquisit besetzt waren.

Der entscheidende Unterschied war die Qualität ihres Managements. Es war die Professionalität von Maucher als CEO von Nestlé und dessen souveränes Zusammenwirken mit dem Verwaltungsrat. Erneut ist daran zu erinnern, dass nur richtiges Management die Dinge zum Funktionieren bringt.

Bei seinen Akquisitionen hat Maucher nach seinem strategischen Grundsatz »Be first, be daring, be different« beispielgebend gelebt. Akquisition ist jene Strategie, die am häufigsten von allen Strategien scheitert und dies meistens dramatisch. Unter Fachleuten gilt sie daher als die schwierigste aller Strategien. Helmut Maucher hat die Herausforderungen der Akquisitionsstrategie aber so glänzend gemeistert, dass dabei nicht ein einziger Misserfolg zu verzeichnen war.

Einer der Gründe dafür ist, dass Maucher nicht nur das Management des Akquirierens selbst beherrschte – was andere mit vollen Kassen oder großen Krediten auch tun können –, sondern zusätzlich beherrschte er brillant auch das Management des Integrierens der neuen Firmen in die komplexe Marken- und Organisationsstruktur von Nestlé, und dabei vor allem das Zusammenführen der Unternehmenskulturen, die bei seinen Akquisitionen großteils unterschiedlicher kaum hätten sein können.

A fast moving company

Nestlé ist im Geschäft für »fast moving consumer goods«. Durch Maucher wurde Nestlé aber auch und vor allem eine »fast moving company«.

Denn einer der Erfolgstreiber des Unternehmens war eben Mauchers kühne Akquisitionsstrategie, die er zwischen 1980 und 2000 betrieben hat. Insgesamt wurden in seiner Zeit bestehende Geschäfte für 9 Milliarden Schweizer Franken verkauft und neue für 40 Milliarden erworben. Wie schon erwähnt, war es insgesamt die enorme Zahl von 250 Unternehmen. Das entspricht rund 13 Unternehmen pro Jahr – eine gewaltige Herausforderung für das Nestlé-Management.

Darunter waren einige der zu seiner Zeit größten und spektakulärsten Akquisitionen, wobei es nach damaligen Maßstäben um enorme Summen ging. Zum Beispiel kam 1985 die amerikanische Carnation für 3 Milliarden Dollar zu Nestlé – bis dahin eine der größten Übernahmen, die es je gab. Kurz darauf, bereits 1988, wurde die englische Rowntree akquiriert, die 4 Milliarden Dollar kostete. Es war die größte Übernahme einer UK-Firma durch Ausländer. Im selben Jahr kam die italienische Buitoni, und später dann auch die französische Perrier hinzu – um nur einige der bekannteren Marken zu nennen.

Damit hat Helmut Maucher unter anderem die einseitige Abhängigkeit von Nescafé stark reduziert und mit hohem Tempo den Eintritt in neue Produkte, wie Eiscreme, Schoko-Riegel, Teigwaren, Tierfutter und Wasser vollzogen. Außerdem war diese Strategie ein maßgeblicher Hebel für die erweiterte geografische Präsenz unter anderem in den USA und in dem ehemals kommunistischen Osten.

Bei all der Verschiedenartigkeit der Produkte und dem Tempo der Akquisitionen verlor Nestlé niemals seine Identität. Diese wurde im Gegenteil ständig gestärkt, weil Maucher die Kunst beherrschte, eine funktionelle Grundlogik zu schaffen. Er gab Nestlé die Gesetze, die das Unternehmen im Innersten zusammenhalten, was man in der Biologie den Genetischen Code nennt. Hier könnten wir es den Maucher-Code nennen, eines der universellsten und wichtigsten Master Controls.

Beim Abendessen, das der soeben gekürte Doktor der Wirtschaftswissenschaften anlässlich seiner Promotion gab, hatten Helmut Maucher und ich erstmals Zeit, vor dem Hintergrund der ergebnisreichen Dissertation ausführlich über seine Führungsphilosophie und Führungspraxis zu sprechen, deren Ergebnisse in dieser Forschungsarbeit für seine Strategie und seine Zusammenarbeit mit dem Board so beeindruckend dargestellt sind.

Der Plan für dieses Buch

Als ich Maucher an diesem Abend dann spontan das Projekt des vorliegenden Buches vorschlug, winkte er zunächst ab. Er habe schon alles geschrieben und gesagt, und erst kürzlich sei auch sein Management-Brevier erschienen, indem er noch einmal das Wichtigste zusammengefasst habe.

Maucher ist in solchen Dingen überaus bescheiden. So hat er zum Beispiel auch nie daran gedacht, die Mode nachzuahmen, seine Biografie zu schreiben oder schreiben zu lassen. In Zeiten, in denen viele schon mit 50 glauben, dass ihre Biografie jemanden interessieren könnte, ist das eine beispielgebende Ausnahme.

Das Management-Brevier von Maucher hatte ich bereits mit Gewinn gelesen, und gerade deshalb war mir klar, dass er noch viel mehr zu sagen hatte. Für mich war das leicht zu erkennen, denn nicht nur hatte ich ein geschärftes Auge für Mauchers Einzigartigkeit aufgrund meiner Wissenschaft, sondern auch wegen meiner fast 40-jährigen Zusammenarbeit mit vielen Hunderten von Top-Führungskräften sowie meiner aktiven Tätigkeit als Mitglied und Vorsitzender in Corporate-Governance-Gremien. Nicht zuletzt half mir auch meine Führungserfahrung mit meiner eigenen Organisation, die seit 1984 an der vordersten Linie mit bahnbrechenden Managementinnovationen wegweisend ist.

CEO, Verwaltungsrat und richtige Governance

Helmut Maucher war ein außergewöhnlich starker CEO. Auf die dazugehörigen Freiräume und Vollmachten legte er größten Wert. Wie erwähnt, war er für lange Zeit Delegierter und Präsident des Verwaltungsrats zugleich, was nach Schweizer Gesellschaftsrecht zulässig ist, nach deutschem Recht jedoch nicht möglich wäre.

Beinahe kompromisslos hat Maucher die Figur des CEO, den starken Mann an der Spitze, als einziges funktionierendes Führungsprinzip für das Topmanagement vertreten. Gelegentlich konnte das auch etwas dogmatisch wirken.

CEO und Alleinherrschaft

Dies ist eines der wenigen Themen, bei dem er und ich vordergründig gesehen unterschiedliche Meinungen hatten. Ich selbst vertrete zwar auch ein starkes CEO-Prinzip, wie ich es nenne. Praktisch heißt das: Es muss jederzeit zuverlässig gesichert die uneingeschränkte Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit des Unternehmens gegeben sein. Dafür gibt es aber nicht nur die Lösung der unlimitierten Alleinherrschaft durch eine einzelne Person, wie es so oft verstanden wird.

Die Lösung der Ein-Mann-Alleinherrschaft findet dort ihre Grenze, wo ein mehr oder weniger alleinherrschender CEO sich, egal aus welchem Grund, schlichtweg als Fehlbesetzung erweist.

So war es zum Beispiel beginnend mit den frühen 1990er Jahren gängige Praxis, dass oft durch Executive Searcher Quereinsteiger als CEOs in die Firma gebracht wurden. Mit zwangsläufig oft nur geringer Geschäfts- und Firmenkenntnis können solche CEOs bereits in sehr kurzer Zeit irreparable Fehlentscheidungen für das Unternehmen treffen.

Andererseits decken sich die Meinungen von Maucher und mir, dass dort, wo tatsächlich ein starker, verlässlicher und vor allem kompetenter Mann an der Spitze des Unternehmens steht, die Erfolge unübertroffen sein können. Viele der wirtschaftlichen Imperien sind aufgrund dieser Konstellation entstanden und konnten auch nur so entstehen.

Schaut man nun genauer hin, tritt auch klar hervor, dass Maucher seine formal ausgesprochen starke CEO-Stellung weit souveräner praktizierte, als es der herrschenden Meinung, dem Lehrbuch und dem in vielen Medien kolportierten Bild des CEOs entspricht. Vor allem handelte er als CEO ganz anders, als viele seiner Zeitgenossen in obersten Führungspositionen es damals taten, und damit oft auch der Versuchung erlagen, ihrer eigenen Egomanie freien Lauf zu lassen. Die höchst lehrreiche, spezielle Praxis von Maucher als CEO haben wir in unserem Gespräch behandelt, das als Transkript in diesem Buch enthalten ist.

Mit seiner prinzipiell fast uneingeschränkten Macht und Alleinstellung ging Maucher viel klüger und daher weit wirksamer um, als es der Praxis in vielen Top-Etagen entspricht. Weil er wusste, dass Macht korrumpiert und absolute Macht bekanntlich absolut korrumpiert, hatte er die Größe, seine uneingeschränkte Macht freiwillig einzuschränken.

Die Sachkenntnisse über das Nestlé-Geschäft hatte er selbst. Und daher war es nur konsequent, dass er das meiste auch selbst und ohne Verwaltungsrat entschied.

Aber er holte Persönlichkeiten in den Verwaltungsrat, die andere Qualitäten hatten, die stark, fähig und unabhängig genug waren, um ihn vor den Gefahren der Machtfülle zu schützen, falls es nötig gewesen wäre. So etablierte er unter anderem auch ein Verwaltungsratskomitee, das bei großen Investitionen ein Vetorecht gehabt hätte.

Mauchers Governance-Prinzipien gingen weit über die damals auf kommenden Governance-Codes hinaus. Zu diesen stand Mauchers Praxis in wichtigen Punkten sogar in Opposition und war viel besser, als die Empfehlungen der gebräuchlichen Codes. So ist er unter anderem ein entschiedener Gegner der damals üblich gewordenen überhöhten Managereinkommen, insbesondere wenn diese auch noch mit Personalabbaumaßnahmen in Zusammenhang stehen oder gebracht werden können. Auch für die Honorierung des Verwaltungsrats geht er andere als die üblichen Wege und bevorzugt ein fixes Honorar anstelle von variablen erfolgsabhängigen Tantiemen, die immer das Risiko bergen, im Interesse des eigenen Einkommens für kurzfristige Ergebnisverbesserung zu entscheiden.

Seine formale Machtstellung brauchte Maucher gar nicht einzusetzen, denn er hatte eine hohe natürliche Autorität aufgrund seiner anhaltenden Erfolge durch sein richtiges Management und aufgrund seiner so profunden Geschäftskenntnisse. Hinzu kam sein wertschätzender Umgang mit den Mitgliedern des Verwaltungsrats. Er genoss hohen Respekt und man vertraute ihm als Spitzenmann des Unternehmens und auch als Mensch.

Spitze mit Team statt Team als Spitze

Einer von Mauchers ehernen Grundsätzen ist Spitze mit Team – und nicht, wie es viele lieber sehen, Team als Spitze. Dies ist ein universell gültiger Grundsatz für die Organisation des Topmanagements, denn kaum etwas lähmt ein Unternehmen mehr als die potenzielle Unentschlossenheit von Teams, ihre häufige Selbstblockade und auch ihre Mediokrität.

Wie erwähnt, hat Maucher viele der lange Zeit dominierenden »Grundfesten« der angelsächsischen Coporate Governance abgelehnt oder nur der Form halber vertreten, wie Shareholder Value, kurzfristige Börsenwertsteigerung, und die Führung mit rein finanzwirtschaftlichen Kennziffern oder mit Quartalabschlüssen. Denn diese Elemente sah er für richtige Führung als objektiv hinderlich an, wie im bereits verwendeten Zitat zum Shareholder Value schön zum Ausdruck kommt.

Gerade deshalb hat aber sein Verwaltungsrat so exzellent funktioniert, und deshalb hatte er auch dessen uneingeschränktes Vertrauen, was Farsam Farschtischan in seiner Dissertation eindrucksvoll darstellt.

So durften die Mitglieder des Verwaltungsrats sich darauf verlassen, dass Maucher sie jederzeit offen, uneingeschränkt und tatsachengetreu über alles informierte, sei es positiv oder negativ. Wenn es um große Investitionen ging, wie die erwähnten Akquisitionen, so erhielten die Verwaltungsräte von Maucher dazu rechtzeitig ein knappes, aber umfassendes Exposé, das der CEO höchstpersönlich verfasst hatte. Länger als zehn bis zwölf Seiten war es kaum. Hierin stand alles, was auf der obersten Ebene entscheidungsrelevant war. Keine langatmigen Diskussionen und keine Folien-Orgien, sondern glasklare Führungsinformation, weshalb Entscheidungen im Nestlé-Verwaltungsrat professionell und auch schnell getroffen werden konnten.

Des öfteren betonte Maucher im Gespräch, dass der Verwaltungsrat wusste, dass er zurückgetreten wäre, wenn das Gremium Grund gehabt hätte, zwei oder dreimal seine Anträge abzulehnen. Ein höheres Maß an persönlicher Integrität kann es kaum geben, als sein eigenes Schicksal mit einer obersten Führungsentscheidung zu verknüpfen.

Wahrheit und Offenheit als Werte der Unternehmenskultur und einer geradlinigen Moral waren Maucher gerade in der Zusammenarbeit mit den Nestlé-Verwaltungsräten besonders wichtig. Auch Aktionären gegenüber betonte er die Bedeutung von Werten für eine richtige Corporate Governance. So pflegte er ihnen zu sagen: »I hope we share more value than just share value …«

Eine Besonderheit der Nestlé-Corporate-Governance ist auch, dass Maucher selbst keinen Dienstvertrag hatte. Man stelle sich vor, der CEO des größten Nahrungsmittelkonzerns der Welt arbeitet ohne Vertrag … Wenn man die kunstvollen und hochkomplexen Vertragswerke kennt, die auf obersten Ebenen zumeist als unverzichtbar gelten, dann ist das schwer zu glauben und man fragt sich, welchen Sinn das hat.

Maucher wurde jedes Jahr neu bestellt, und daher hätte man sich auch jedes Jahr formfrei und problemlos von ihm trennen können, falls es Gründe dafür gegeben hätte. Damit dies auch praktisch möglich war, aber auch für den Fall, dass ihm etwas zugestoßen wäre, teilte er jährlich dem Verwaltungsrat mit, welche Personen er für seine Nachfolge empfahl. Seine große Machtfülle drückte sich auch in der fast zehn Jahre praktizierten Doppelfunktion als Delegierter und gleichzeitig als Präsident des Verwaltungsrats aus. Solange man sich aber jedes Jahr vom CEO trennen kann und gleichzeitig die Nachfolge jederzeit geregelt ist, verliert die Machtfülle viel von ihrer befürchteten negativen Seite. Es bleibt aber der Vorteil eines starken CEOs, der das Unternehmen und das Geschäft bis ins Detail kennt, der die Entscheidungsvollmachten hat, und dem der Verwaltungsrat vertraut.

Menschen und Unternehmenskultur

Ganz anders als die meisten Lehrbücher es wollen, sind auch Mauchers Prinzipien der Personalpolitik, der Förderung des Managernachwuchses, der Aus- und Weiterbildung sowie des Management Developments.

Schon sein eigener Karriereweg war beinahe das Gegenteil dessen, was heute von Personalfachleuten und Executive-Search-Experten als zwingend angesehen wird, denn zeitlebens war Helmut Maucher »nur« bei Nestlé. Ab 1964 hatte er verschiedene Positionen in der Direktion in Frankfurt inne, bis er 1975 Generaldirektor der Nestlé-Gruppe Deutschland wurde. Am 1. Oktober 1980 wurde er Generaldirektor und Mitglied des Exekutiv-Komitees der Nestlé AG Schweiz, und 1981 Delegierter des Verwaltungsrats. Von 1990 bis 1997 war er gleichzeitig Präsident und Delegierter des Verwaltungsrats. Nach seinem Rücktritt als Delegierter blieb er weiterhin Präsident des Verwaltungsrats bis 2000, als er zum Ehrenpräsidenten ernannt wurde.

Nach diesem Prinzip hat er auch die Schlüsselpositionen des Konzerns vorzugsweise mit Personen desselben Karrierewegs besetzt. Für seine eigene Nachfolge hat er Persönlichkeiten in Position gebracht, die immer »nur« bei Nestlé waren. So hatte auch sein direkter Nachfolger, Peter Brabeck-Lethmate, bei seiner Bestellung mehr als 30 Jahre Nestlé-Erfahrung, wo er als Produktspezialist begonnen hatte. Durchwegs waren diese Führungskräfte aber gerade deshalb so hocherfolgreich. Nach 30 Jahren Nestlé, getestet und bewährt durch immer größere und anspruchsvollere Aufgaben, kennt der Mann die Firma und die Firma kennt den Mann. Als Maucher die Führung an Peter Brabeck-Lethmate übergibt, verlässt er die Zentrale in Vevey und geht zurück nach Frankfurt. Der Nachfolger müsse sich freischwimmen können, sagt Maucher …

Personalauswahl

Auch in anderen Belangen der Personalpolitik hat Maucher grundlegend andere Prinzipien im Vergleich zur herkömmlichen Human-Resources-Praxis und -Lehre. Als Richtlinie für seine Personalauswahl sagt Maucher: »Look more in the eyes than in the files …« Das ist nur eine der zahlreichen, so treffenden Formulierungen, für die Maucher bekannt ist.

Er legt großes Gewicht auch auf die Ausbildung der Führungskräfte, was sich unter anderem in seinem persönlichen Engagement für das unternehmenseigene, internationale Nestlé-Trainingszentrum Rive Reine mit seinen wegweisend innovativen Management-Entwicklungsprogrammen ausdrückt, und sich auch in seinem Einsatz für die Spitzenstellung des International Institute for Management Development (IMD) in Lausanne zeigt.

Noch mehr Gewicht legt Maucher allerdings auf die Auswahl der richtigen Menschen. Von Assessments, die im Mainstream weithin als unverzichtbare Methode für die Personalauswahl gelten, hält Maucher allerdings wenig. Desto mehr ist er um ein verlässliches Urteil bemüht. In die Augen schauen kann man den Menschen aber nur, wenn sie lange genug im Unternehmen sind, denn sonst ist man auf die Files angewiesen.

Entscheidend sind für Maucher Persönlichkeit und Charakter. Wie kann man diese aber bei Neulingen beurteilen? Im Grunde gar nicht. Erfolge von quereinsteigenden Kandidaten in vorherigen anderen Unternehmen können zwar gewisse Hinweise geben. Durch nichts kann man aber die Zuverlässigkeit des Urteils ersetzen, das sich auf eine lange Zugehörigkeit von Führungskräften zum Unternehmen stützt und auf die Ergebnisse, die ein Mitarbeiter erzielt, der über Jahre und Jahrzehnte immer wieder größere Aufgaben und Verantwortung erhalten hat.

Unternehmenskultur der Glaubwürdigkeit und des Vertrauens

Mehr als vielleicht alles andere begünstigte diese Personalpolitik die starke Unternehmenskultur des Vertrauens und der Glaubwürdigkeit, die unter Maucher bei Nestlé wuchs, sowie auch der Wahrheit und der Offenheit. Denn Menschen, die befördert werden, weil sie sich bewährt haben, und nicht weil sie von außen kommen, brauchen niemandem etwas vorzumachen. Sie sind authentisch. Die Kulturwerte Vertrauen, Glaubwürdigkeit, Wahrheit und Offenheit sind ihr Autoritätskapital.

Mit Vertrauen ging Maucher besonders sorgfältig und behutsam um. Von Peter Drucker, dem Doyen der Managementlehre des 20. Jahrhunderts, übernimmt er die Maxime: »Man kann Vertrauen in einer Minute verlieren, aber es dauert zehn Jahre, bis man es wieder aufgebaut hat.«

Über die Unternehmenskultur im engeren Sinne hinaus misst Maucher übergreifenden soziokulturellen Werten eine hohe Bedeutung zu, die dem Unternehmen ebenfalls als Master Controls langfristige und grundlegende Orientierung geben. Zu diesen wichtigsten Werten gehören für ihn Freiheit, Gleichheit, Effizienz und Solidarität.

Führungseigenschaften

Wiederholt erwähnt Maucher in seinen Vorträgen auch jene Eigenschaften, die man nach seiner Auffassung zum Führen braucht. Hier wird er sehr konkret. Je nach Vortragszweck nennt er eine verschieden große Anzahl von wichtigen Eigenschaften: mal sind es elf, mal können es auch fünfzehn sein. Die Zahl hängt davon ab, wie er die Eigenschaften je nach Vortragsthema und rhetorischen Gesichtspunkten zusammenfasst.

Zu solchen Eigenschaften gehören Mut, Nerven und Gelassenheit, Lernfähigkeit, Vorstellungskraft, das Denken in Zusammenhängen, Glaubwürdigkeit, Entscheidungsfreude, Verantwortungsbewusstsein, Bescheidenheit mit Stil, aber auch gutes Benehmen und beispielgebendes Auftreten.

Kenner meiner eigenen Schriften werden hier einen gewissen Widerspruch zwischen Mauchers und meinen eigenen Auffassungen insofern zu entdecken glauben, als ich weniger auf die Eigenschaften, als viel mehr auf das Handeln von Führungskräften abstelle.

Allerdings ist der Widerspruch eher oberflächlich und resultiert eher aus dem unterschiedlichen Gebrauch von Begriffen als aus der Sache selbst. Insoweit jemand Eigenschaften, aber auch Begabungen tatsächlich hat, tut er sich fraglos leichter, als jemand, dem diese fehlen.

Für jene Menschen, die man zu führen hat, kommen Eigenschaften weitgehend in der Art des Handelns ihres Chefs zum Ausdruck. Daher ist meine Aufmerksamkeit stärker auf das Handeln von Managern gerichtet, und auf die Prinzipien, die sie dabei beachten, als auf die Eigenschaften selbst, denn diese hat man oder man hat sie nicht. Jedoch kann man eine bestimmte Art des Handelns bis zu einem gewissen Grad erlernen, wodurch – innerhalb von Grenzen – auch schwach ausgeprägte oder sogar fehlende Eigenschaften kompensiert werden können.

Charisma

Hatte Helmut Maucher das viel geforderte Charisma? Es kommt darauf an, was man darunter versteht und wie man Charisma definiert. Ob er »die göttliche Gnadengabe« hatte, als welche der Begriff »Charisma« in religiöser Sicht definiert wird, oder ob er die »außeralltägliche revolutionäre Macht« hatte, wie Max Weber die charismatische Herrschaft unter anderem sieht, und ob solches Helmut Maucher gar angeboren war, mag offen bleiben. Jedoch handelte Helmut Maucher über Jahrzehnte hinweg in einer Weise, die von vielen anderen Menschen als charismatisch empfunden wird und auf diese so wirkt. Peter Drucker sagte: »A leader is someone who has followers.« In diesem Sinne war Maucher, wie schon erwähnt, ein Leader. Aber das genügt noch nicht, denn es kann viele Gründe geben, warum Menschen jemandem folgen, zumindest eine Zeitlang – Neugier, Show, Geld, Macht und mehr. Helmut Maucher folgten die Menschen, weil ihm eine natürliche und sympathische Art von Leadership gegeben war, und vor allem weil sie ihm vertrauten und ihn respektierten, und weil er sie zu den richten Ergebnissen führte. In diesem Sinne war er ein echter Führer, im Gegensatz zu den vielen Ver-Führern.

Ungewöhnlich auch in der Arbeitsweise

Wie man gesehen hat, waren unter der Führung von Helmut Maucher die Geschäftserfolge von Nestlé in praktisch allen Dimensionen anhaltend hervorragend. Wie aber hat Maucher selbst konkret gearbeitet, um diese Erfolge herbeizuführen? Wie war seine persönliche Arbeitsmethodik? Oder anders gefragt: Was tut so ein Mann, wenn er morgens ins Büro kommt?

Stäbe habe er wenige gebraucht, sagt Maucher im Gespräch, auch kaum Consultants, außer für Spezialaufgaben. Maucher hatte auch keine persönlichen Assistenten, eine Sekretärin hat ihm genügt, aber er betont: eine langjährige und sehr gute. Er könne gut mit dem Diktiergerät umgehen. Geführt habe er über die Linie, denn dort seien das Know-how und die Infrastruktur.

Für diese direkte Führung sei er viel unterwegs gewesen, draußen in den Märkten. Wieviel? Etwa 60 Prozent seiner Zeit. Dort habe er mit den örtlichen Geschäftsführern, zum Teil auch gemeinsam mit deren wichtigsten Mitarbeitern, das Geschäft besprochen, speziell die lokalen Besonderheiten der Märkte und Produkte, denn zwar sei Nestlé ein Weltunternehmen mit globalen Marken, das Geschäft hingegen sei weitgehend lokal.

Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen habe Nestlé keine eigenen Firmenflugzeuge unterhalten, obwohl das Unternehmen in praktisch allen Ländern der Welt präsent ist und in über 80 Ländern fast 500 eigene Fabriken betreibt. Und obwohl er die erwähnten 60 Prozent seiner Zeit in den Märkten gewesen sei, habe man das eigentlich nicht gebraucht, sondern er sei mit der Linie geflogen, und wenn das nicht möglich gewesen sei, dann habe man ja jederzeit eine Maschine chartern können. Bei Nestlé sei man bescheiden – dies aber mit Stil …

Beispielgebend und ebenfalls in der Arbeitsweise ungewöhnlich, ist auch Mauchers Vorbereitung des Markteintrittes von Nestlé in China. Sechsmal habe er höchstpersönlich China besucht, bevor Nestlé dort die erste Fabrik errichtete. Dafür sei diese aber vom Start weg profitabel gewesen und geblieben. En passant und mit einem Lächeln vergleicht er dies mit anderen Vorstandsvorsitzenden, die im Anfangsstadium nicht selbst vor Ort gingen, sondern ihre zweite Garde hinschickten. Folgerichtig kam diese in China dann auch nur mit den dortigen zweiten Garden zusammen. Selten kommt dabei das heraus, was man braucht, schon gar nicht das nötige robuste Vertrauen der höchsten Stellen und teilweise sogar dauerhafte Freundschaften, wie sie Maucher bis in obersten Regierungskreise und zu chinesischen Ministerpräsidenten hatte.

Bei meinen eigenen schon seit den 1990er Jahren zahlreichen Besuchen in China habe ich auf höchsten Ebenen den Namen Nestlé oft gehört. Noch öfter aber den Namen von Maucher … Und mit großem Respekt wurde jeweils hinzugefügt, der CEO von Nestlé, Helmut Maucher, sei ein wahrer Freund Chinas. Für die Chinesen war auch zunehmend wichtig, dass Mauchers Auftreten und Management ganz anders war, als das der meisten CEOs. Da ich selbst in all den Jahren den Chinesen in Wirtschaft und Politik, und auch mehrfach in der zentralen Parteischule geraten hatte, sich nicht einseitig auf den angelsächsischen Management Approach einzulassen, wurde ich oft gefragt, wie ich als Experte Helmut Mauchers Management einstufte.

Keine großen Worte, aber große Unterscheidungen

Helmut Maucher ist ein scharfer Denker, der den Dingen intellektuell auf den Grund geht. Noch stärker fällt mir jedoch auf, dass er auch ein Meister der Kommunikation ist.

Er hat eine klare, eindeutige und kraftvolle Sprache, bereichert mit ausdrucksstarken Sprachbildern, treffenden Bonmots und köstlichem, auch ironischem Witz. Eine Auswahl von Aphorismen ist dem Buch am Schluss beigefügt. Wohltuend fehlend in der Sprache Mauchers hingegen die für Management so typischen Wortwolken und Modewörter.

In den Medien-Interviews, die im Buch abgedruckt sind, fällt auf, wie souverän, klug und geschickt Helmut Maucher mit den so typischen sprachlichen Polaritätsfallen umgeht, in die die meisten Führungskräfte fast regelmäßig hineintappen. Die von Journalisten gern gestellten Entweder-Oder-Fragen beantwortet Maucher nicht mit dem üblichen, meistens inhaltlosen »Goldenen Mittelweg«, und auch nicht mit spaltender Parteinahme für eine der sich gegenseitig ausschließenden Alternativen, sondern mit geschickter Synthese auf einer höheren Integrationsebene. So hören wir etwa von ihm, Firmen bräuchten zwar Banken-Know-how, aber keine Bankenmentalität; ein gutes Arbeitsklima Ja, friedliche Idylle hingegen Nein. Querdenker Ja, Querköpfe aber Nein …

Besonders klar und inhaltlich bedeutsam tritt das hervor, wenn er von Journalisten etwa mit Fragen zu den Zielen des Personalabbaus konfrontiert wird, so etwa im Interview mit dem Spiegel, das auch im Buch enthalten ist. Jobabbau für mehr Rendite? Nein; Jobabbau hingegen Ja, aber für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Nicht um mehr Geld zu verdienen also, sondern um durch die Verbesserung der Marktposition noch nachhaltiger Geschäfte zu machen, was für Maucher eben gerade nicht dasselbe ist, auch wenn so viele andere es nur so sehen können, weil sie die feinen Nuancen von Management auf Mauchers hohem Niveau nicht kennen, erkennen oder nicht verstehen.

Menschenverstand, Pragmatismus, Weisheit

Mauchers Art der Führung, seine langfristige Orientierung und sein an unternehmenspolitischen Grundsätzen ausgerichtetes Entscheiden und Handeln finden ihre Fundamente in seiner Herkunft und Familie, seinem umfassenden Weltbild, in seiner klaren Wertestruktur, in bemerkenswert guten Kenntnissen der Geschichte und auch in seiner Liebe zur Musik.

Maucher ist belesen, wie wenige oberste Führungskräfte. Schon eine kleine Auswahl von Autoren, die Maucher wie selbstverständlich zu zitieren pflegt, umfasst so bedeutende Denker wie den Soziologen Max Weber, den wichtigsten Managementdenker des 20. Jahrhunderts Peter F. Drucker, den Kanzler der sozialen Marktwirtschaft Ludwig Erhard; die Denker der Freiburger Schule des Ordoliberalismus sowie antike Denker wie Epiktet und Aristoteles. Dazu gehört auch der vielleicht bedeutendste Erkenntnis-Philosoph des 20. Jahrhunderts, Karl R. Popper, ebenso Schopenhauer, Descartes, Cicero, Thomas Hobbes, Goethe, Eduard Mörike und viele andere.

Er hat ein unter Top-Führungskräften ungewöhnlich gutes Verständnis für gesamtwirtschaftliche und gesamtgesellschaftliche Fragen. So ist er ein außergewöhnlich guter Kenner der ordoliberalen Wirtschaftsordnung, kennt die Vor- und Nachteile der Marktwirtschaft und ihres Funktionierens besser als mancher Ökonomieprofessor, und er weiß fundiert Bescheid auch in komplexesten wirtschaftspolitischen Fragen. Dies gehört auch zu den Grundlagen seiner Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft als Unternehmensführer. Schon nach wenigen Sätzen weiß man, dass hier jemand spricht, der sich auskennt, der großzügig und ganzheitlich denkt und deshalb von einer höheren Stufe der Einsicht und Weisheit aus handelt.

So gab es überzeugende, ja zwingende Gründe, Helmut Maucher zur maßgeblichen und leitenden Mitwirkung in allerhöchsten Gremien einzuladen, wie im Anhang detailliert ausgeführt ist. Beispielgebend engagiert sich Helmut Maucher für Gesellschaft und Politik, unter anderem durch sein Engagement in Verbänden und auf höchsten Ebenen für die Politik, was auch Thema des Schlusskapitels über Verbesserungen unserer demokratischen Verfassungen ist, das Maucher eigens für dieses Buch geschriebenen hat. Unter anderem wirkte er als Präsident der Internationalen Handelskammer (ICC, Paris) sowie als Leiter des European Round Table, eines Gremiums von etwa 50 Spitzenmanagern, die den Sachverstand aus den Top-Etagen der Wirtschaft in den Integrationsprozess der Europäischen Union einbringen.

Aber er engagiert sich nicht nur für die ganz großen Fragen, sondern beispielgebend für auch scheinbar kleinere, und doch oft ebenso wichtige Aufgaben, wie zum Beispiel für die Chancen Oberschwabens und für die Erziehung der Jugend in einem Vortrag vor Lehrern des Wirtschaftsgymnasiums in Wangen im Allgäu – der Gegend, wo Helmut Maucher im kleinen Dorf Eisenharz im Westallgäu geboren und aufgewachsen ist. Dort wurde er durch Elternhaus und Großfamilie, durch Dorfleben, Schule und auch durch seine frühe Arbeit in der später von Nestlé übernommenen lokalen Molkerei geprägt, geformt und gebildet.