Mann oder Mantra? - Janette Paul - E-Book

Mann oder Mantra? E-Book

Janette Paul

4,8
8,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Verpeilte Yogalehrerin trifft charmanten Millionär: Gegensätze ziehen sich an!

Einfach atmen und den Augenblick genießen – beim Sonnengruß ist die junge Yogalehrerin Dee mit der Welt im Reinen. Doch sobald sie auch nur einen Schritt vor die Tür des Yogastudios setzt, herrscht das Chaos: die Rechnungen, die sich auf ihrem Couchtisch stapeln, ihre Mutter, der Dees Lebensstil so gar nicht gefällt, und das Auto, das klappernd durch die Straßen Sydneys hustet. Mehr schlecht als recht steuert Dee so durch ihren Alltag, bis der durchorganisierte Businessmann Ethan auch noch ihr Herz aus dem Takt bringt. Doch wie soll sie im Moment leben, wenn die Liebe eine Zukunft haben soll?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 509

Bewertungen
4,8 (18 Bewertungen)
14
4
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Buch

Yoga-Lehrerin Dee Nichols ist chaotisch und chronisch pleite. Ihr Lebensmotto: Plane nicht voraus, sondern lebe im Moment! Als ihr Mitbewohner jedoch ankündigt, dass er ausziehen will, und auch noch ihr klappriges Auto endgültig seinen Geist aufgibt, muss Dee sich etwas einfallen lassen. Da bekommt sie ein verlockendes Angebot: Sie soll das neue Gesicht einer Werbekampagne für eine Lebensversicherung werden. Für solch ein großes Projekt verpflichtet zu werden lässt sich eigentlich ganz und gar nicht mit ihrem Mantra vereinbaren. Doch als ihre resolute Mutter droht, sich in ihre Finanzen einzumischen, nimmt Dee den Modeljob zähneknirschend an. Und muss sich von nun an in der neuen Welt der Geschäftsgespräche und Partys beweisen, wo sie kaum ein Fettnäpfchen auslässt. Als wäre das nicht schlimm genug, ist ihr Auftraggeber Ethan, seines Zeichens smarter Geschäftsmann und berüchtigter Junggeselle, dabei immer an ihrer Seite. Und bringt Dee gehörig aus dem Takt …

Autorin

Janette Paul ist das Pseudonym der australischen Bestsellerautorin Jaye Ford, die sich mit ihren Thrillern Die Beute und Ich kann dich sehen weltweit einen Namen gemacht hat. Mit der romantischen Komödie Mann oder Mantra ist ihr sehnlichster Wunsch in Erfüllung gegangen: endlich über die große Liebe zu schreiben. Janette Paul lebt mit ihrem Mann am australischen Lake Macquarie.

ROMAN

Aus dem Englischen von Barbara Ostrop

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte dieses E-Book Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung dieses E-Books verweisen.

Die englische Originalausgabe erschien 2013 unter dem Titel »Just Breathe« bei Random House Australia Pty Ltd, Sydney.Besuchen Sie uns auch auf www.facebook.com/blanvaletund www.twitter.com/BlanvaletVerlag.

1. AuflageDeutsche Erstveröffentlichung Februar 2016 bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.Copyright © der Originalausgabe 2013 Janette Paul/Random House Australia Pty Ltd Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2014 by Verlagsgruppe Random House GmbH, MünchenPublished by arrangement with Random House Australia Pty Ltd via Michael Meller Literary Agency GmbH.Umschlaggestaltung: © punchdesignUmschlagmotiv: © Johannes Wiebel | punchdesign, unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.comRedaktion: Ingola LammersBS · Herstellung: samSatz: Uhl + Massopust, AalenISBN: 978-3-641-16539-0V001www.blanvalet.de

Für Nikki

KAPITEL 1

Ein Streicherquartett spielte eine aufgepeppte Version von »Stille Nacht«, und Dee flüchtete vor dem Small Talk in eine dunkle Ecke des einsamen Balkons. Erleichtert sog sie die milde Nachtluft ein und genoss den fantastischen und bestimmt unerschwinglichen Ausblick auf Sydney Harbour. Dann schlüpfte sie aus ihren Stilettos, hob beide Schuhe hoch und schleuderte sie in die Luft.

Während sie im hohen Bogen nach unten in den Garten flogen, legte sie die Hände trichterförmig an den Mund und rief: »Folterwerkzeug!«

Hinter ihr ertönte ein leises Lachen.

Okay, vielleicht war der Balkon doch nicht so einsam. Sie drehte sich um und erblickte Ethan Roxburgh, der in das Licht trat, das der Weihnachtsbaum im Fenster hinter ihm verströmte.

Hoppla, er sah genauso aus wie auf den Zeitungsfotos, nur dass er jetzt gerade nicht irgendeinem Vertreter der Machtelite die Hand schüttelte und auch nicht Arm in Arm mit einer bezaubernden Frau unterwegs war. Er hatte seine Krawatte gelockert, und sein kurz geschnittenes Haar war ein bisschen verstrubbelt, als wäre er mit den Fingern hindurchgefahren.

Er prostete mit seinem halb gefüllten Weinglas in Richtung Balkongeländer. »Guter Wurf.« Er zog eine Augenbraue hoch. »Interessante Aktion.«

»Offensichtlich haben Sie noch nie Stilettos getragen.«

»Nur, wenn ich ganz allein in meinem Schlafzimmer bin.«

»Ach, dann verstehen Sie es ja doch. Mir ist nur nicht klar, wieso das Gesundheitsamt da nicht einschreitet.«

»Ganz eindeutig eine Verschwörung der Chiropraktiker.« Er lächelte verschmitzt, und Dee spürte ein Lachen in sich aufsteigen.

Es überraschte sie, dass er allein war, und sie beobachtete, wie er zum Balkongeländer schlenderte. Glaubte man den Klatschkolumnen, tauchte Ethan Roxburgh niemals ohne ein »Roxburgh-Girl« auf – so nannte man die unfehlbar schönen, gut gekleideten, kultivierten Damen, die an seinem Arm erschienen. Er lehnte sich mit einem Ellbogen aufs Geländer, trank einen Schluck Wein und betrachtete sie über den Rand seines Glases hinweg.

Dee stand ihm barfuß gegenüber und musterte ihn ihrerseits: Braun gebrannt, wie er war, wirkte er fit, wenn auch vielleicht ein bisschen ernst. Wahrscheinlich fühlte er sich im Anzug am wohlsten. Ein Mann zum Schwärmen, wenn man auf Anzugtypen stand. Nicht ihr Fall. Aber die gelockerte Krawatte wirkte angenehm lässig, und seine Augen zeugten von Persönlichkeit – erste Fältchen und eine glänzende, tief schokoladenbraune Iris. Seinen verspannten Schultern könnten allerdings ein paar Lockerungsübungen nicht schaden.

»M, nicht wahr?«, fragte er.

»Entschuldigung?«

»Dann also L?«

»Pardon?«

»Nein, tut mir leid. Ich habe vorhin gehört, wie Lucy Sie vorgestellt hat. Aber ich habe Ihren Namen vergessen.«

Oh, er meinte Em und Elle. »Nein, D. Ich bin Dee.«

»Sorry, Dee. Freut mich, Sie kennenzulernen.« Er streckte die Hand aus, und sie ergriff sie fest.

»Macht nichts, Nathan. Das kann schnell passieren.«

Seine Augenbrauen zuckten, und dann lächelte er amüsiert. Vermutlich war Ethan Roxburgh nicht an Respektlosigkeit gewöhnt. Er betrachtete sie mit erneutem Interesse, und um seinen Mund, der nun schon weniger ernst wirkte, spielte ein Lächeln.

»Wofür steht Dee denn? Für Deanne?«

»Oh, nein.«

»Deirdre?«

Sie sah ihn entsetzt an.

»Desdemona?«

Dee lachte. »Himmel hilf, nein. Es kommt von Trudy, aber jetzt, nachdem Sie das wissen, muss ich Sie vom Balkon schmeißen, hinter meinen Schuhen her.«

Sein Blick zuckte zu ihren muskulösen Oberarmen, »Ich habe keinen Zweifel, dass Sie das schaffen würden.«

Sie lehnte sich ans Geländer und warf ihr langes Haar über die Schultern nach vorn. Sie hatte Amanda doch gesagt, dass das Kleid ihren Bizeps zu sehr betonen würde.

Den glitzernden, trägerlosen Fummel und die Stilettos hatte sie sich von ihrer modenärrischen Schwester geliehen, die ihr versichert hatte, so werde sie in der hochkarätigen Gästeschar des heutigen Abends nicht auffallen. »Wenn du dich unter Vollblutpferde mischst, zieh dich nicht an wie ein Esel«, hatte Amanda gesagt. Das war nicht gerade ein Kompliment für Dees Vorliebe für Flohmarktkleider, aber sie verstand, was ihre Schwester meinte.

Und nun hatten zwei Stunden Balanceakt auf zehn Zentimeter hohen Absätzen so ziemlich alles kaputt gemacht, was sie in einem Jahrzehnt Yoga für ihren lädierten Rücken getan hatte.

»Woher kennen Sie Lucy denn?«, fragte Ethan.

Dee dachte über ihre Antwort nach. Sie könnte ihm erzählen, dass seine Schwester dreimal wöchentlich eine Yogastunde bei ihr nahm – letzten Monat, als Lucy es endlich in die Lotusposition geschafft hatte, war Dee enorm stolz auf sie gewesen –, aber dann hätte sie sich ganz umsonst in das Kleid und die Schuhe gezwängt. Nicht nur wegen ihrer Kleidung fühlte sie sich auf den Weihnachtspartys, zu denen ihre Schülerinnen sie jedes Jahr einluden, immer hoffnungslos fehl am Platz. Ihr Beruf schien auch unweigerlich unangenehme Fragen zu provozieren. Was sie bereits alles geantwortet hatte: Ja, sie könne den Fuß hinters Ohr legen; nein, Yoga sei mehr als nur herumzuliegen und zu meditieren; und nein, ausgeschlossen, sie sei keinesfalls bereit, irgendeine Männerfantasie über Sex mit einer extrem gelenkigen Frau auszuleben.

Sie entschied sich für ein Ablenkungsmanöver. »Wir haben uns beruflich kennengelernt. Aber heute ist doch Heiligabend. Wer will da über die Arbeit reden?« Scheinbar gleichgültig warf sie ihre Haare über die Schulter.

Ethan musterte sie kurz, als wäre er innerlich einen Schritt zurückgetreten, um eine bessere Perspektive zu haben. »Ja, da haben Sie recht. Lassen wir das mit der Arbeit. Ich bin hier rausgekommen, um dem Gefasel über Geldanlagen zu entgehen.«

»Dasselbe gilt für mich. Sollte mein Erspartes einmal für mehr als einen Becher Kaffee reichen, würde ich den Aktienmarkt wahrscheinlich einfach auslassen und noch ein Muffin dazu bestellen.«

Er lachte leise, als hätte sie einen Scherz gemacht. Sie wünschte, es wäre so. Er nahm seine Krawatte ab, legte sie ordentlich zusammen und steckte sie in die Hosentasche. Ohne sah er besser aus. »Nun, Dee, wie steht es mit Weihnachten? Haben Sie schon etwas zum Feiertagsfonds der Einzelhändler beigesteuert?«

Ein lautes Poltern, gefolgt von Applaus, veranlasste beide, sich zur Tür umzudrehen. Ethan hielt Dee mit erhobener Hand zurück, durchmaß den Balkon mit ein paar langen Schritten und streckte verstohlen den Kopf durch die Tür.

Als er zurückkam, fragte Dee: »Was war los?«

»Eigentlich gar nichts. Nur versuche ich gerade, mich vor Lucy zu verstecken. Sie möchte mich ihrer Yogalehrerin vorstellen.«

»Oh.« Au Backe. Dee krümmte sich innerlich und begriff, dass sie die Antwort auf die Frage, die ihr fast wider Willen herausrutschte, wahrscheinlich gar nicht hören wollte. »Und warum wollen Sie Lucys Yogalehrerin nicht kennenlernen?«

»Weil Lucy immer wieder mit einem neuen Fimmel ankommt und dann will, dass jeder mit ihr auf ihre jüngste Marotte abfährt.« Er verdrehte die Augen. »Die Lehrerin ist bestimmt sehr nett, wenn man auf so was steht, aber mich interessiert das einfach nicht.«

Dee bewahrte ihr aufgesetztes Lächeln, während ihr Gesicht tiefrot anlief. Was genau meinte er mit so was? »Vielleicht ist sie ein ganz normaler Typ und unterrichtet eben einfach nur zufällig Yoga.«

»Meinen Sie?« Er schnaubte lachend. »Wenn sie in Lucys Midlifecrisis mitmischt, ist sie wahrscheinlich so eine Art Hippie, die einen endlos über Selbstfindung und die Vorzüge veganer Ernährung volllabert.«

»Oh«, wiederholte Dee. Was sollte sie auch sonst sagen? Sie lächelte verlegen, unsicher, wie sie das Gespräch fortsetzen sollte. Vielleicht könnte sie ja ihren Schuhen in den Garten hinterherhechten.

»Da bist du ja!«, ertönte plötzlich Lucys Stimme von der Balkontür her.

Dee zuckte zusammen. Lucy war hochgewachsen, bezaubernd, selbstbewusst und ehrgeizig – so ziemlich das Gegenteil von Dee. Sie war die dynamische Chefin und Besitzerin einer Werbeagentur, und im Moment war ihr Timing wirklich schlecht.

Sie trat mit einem Gast im Schlepptau auf den Balkon. »Ich hatte das Gefühl, dass du mir aus dem Weg gehst, Ethan. Aber wie ich sehe, hast du meine Yogalehrerin schon selbst gefunden.«

Ethans Kopf fuhr zu Dee herum. »Sie sind die Yogalehrerin.«

»Tja, sieht so aus.«

Er riss erstaunt die Augen auf und nahm sich gut eine halbe Minute Zeit, sie noch einmal gründlich zu mustern: ihre bloßen Füße, ihr Glitzerkleid und das lange, ungebändigte Haar. Dann huschte nach einem kurzen, verwirrten Stirnrunzeln ein verwundertes Lächeln über sein Gesicht. »Dee, die Yogalehrerin.«

Sie biss die Zähne zusammen.

»Meinen Bruder kennst du ja nun offensichtlich schon.« Lucy lenkte Dees Aufmerksamkeit auf den Mann an ihrer Seite. Er war hager und hielt sich ein wenig krumm. »Das hier ist Adam Velor, Creative Director von Roxburgh Advertising. Adam, darf ich dir meine Yogalehrerin vorstellen?«

Adam reichte Dee die Hand, und sie schüttelte sie, bemüht, Ethans prüfenden Blick, der noch immer auf ihr lag, zu übersehen.

»Ja, du hast recht«, sagte Adam zu Lucy, die Augen auf Dee gerichtet. »Sie hat einen alternativen Schick.«

Lucy nickte lächelnd.

»Einen was?«, fragte Dee.

Lucy richtete den Blick auf ihren Bruder. »Ethan.« Er war noch immer auf Dee konzentriert, und so schnippte sie mit den Fingern. »Ethan!«

Er blinzelte. »Was denn?«

»Ich denke an Leonard Frost. Ich denke an Gesundheit und Leben. Ich denke an«, sie malte mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft, »selbst wenn Sie gesund sind.« Sie schaute fragend, ob er sie verstand, und sein Blick heftete sich erneut für eine weitere lange Musterung auf Dee.

»Was denn?« Dee blickte wieder zu Lucy. »Was ist denn?«

»Es geht um meine brillante Idee«, verkündete Lucy. »Als du hier hereinkamst, wusste ich sofort, dass du genau die Richtige bist. Du strahlst wirklich natürliche, alternative Eleganz aus. Du solltest dich immer so anziehen. Es ist perfekt.«

»Perfekt wofür?«

»Für unsere neueste Werbekampagne im Auftrag der Versicherung Gesundheit und Leben. Du wirst ihr Star sein.«

Die drei sahen sie erwartungsvoll an.

Dee spürte mit einem vertrauten Rumoren im Bauch, wie sie nervös wurde. Das Kleid sollte doch gerade dafür sorgen, dass sie nicht auffiel. Jetzt aber passierte genau das Gegenteil. »Du willst, dass ich auf einem Werbefoto erscheine?«

»Nicht einfach nur ein Werbefoto, eine ganze Kampagne«, berichtigte Lucy. »Du wärest das Gesicht des neuen Werbefeldzugs der Versicherung Gesundheit und Leben. Du würdest ein paar Yogaübungen vorführen und meditativ, schick und gesund aussehen. Es geht um Fernsehen und Presse, eben alles. Du wirst toll sein.«

Dee zwang sich, nicht das Gesicht zu verziehen. Das war keine brillante Idee. Sondern einfach nur blöd. »Ich glaube, dafür braucht man ein Minimum an Talent, sich selbst in Szene zu setzen. Und das schließt mich aus.«

Adam Velor schaute vollkommen verdattert drein.

Ethan schob mit neugierigem Blick die Hände in die Hosentaschen.

Lucy grinste, als hätte ihr jemand einen Fehdehandschuh hingeworfen. »Das ist nicht die Antwort, die wir hören wollen. Mir scheint, darüber solltest du noch einmal nachdenken.«

Dee überlegte kurz. Sie hatte ein sicheres Plätzchen gefunden. Ihr Rücken tat kaum noch weh, sie hatte genug Geld, um über die Runden zu kommen, wenn auch nur so eben, und sie war glücklich – oder jedenfalls zufrieden. Und es war für ihre Psyche wirklich verdammt harte Arbeit gewesen, um zumindest diesen fragilen Zustand zu erreichen. Wollte sie ihr Gleichgewicht etwa durch unbekannte und bestimmt unangenehme Erfahrungen gefährden? »Nein, darüber muss ich gar nicht erst nachdenken. Ich bin wirklich nicht der Typ dafür.«

Lucy zog eine Augenbraue hoch. »Das werden wir noch sehen.« Sie richtete ihren Blick wieder auf die anderen. »Überlasst das mal mir, Jungs.«

»Hier.« Adam Velor streckte Dee eine Visitenkarte hin. »Hoffentlich ändern Sie Ihre Meinung noch. Sie könnten eine tolle Zukunft in der Werbebranche haben.«

Na, damit war die Sache entschieden. Sie hatte schon einmal eine Zukunft gehabt. Es hatte schrecklich wehgetan, sie zu verlieren. So etwas brauchte sie nicht noch einmal.

Dee steckte seine Karte in das Abendtäschchen ihrer Schwester. Sie müsste schon verdammt verzweifelt sein, um ihre Meinung noch einmal zu ändern. Im Moment war sie nur verzweifelt darauf aus, von hier wegzukommen. Sie wollte nicht in einem Werbespot auftreten oder sich von Lucy dazu beschwatzen lassen. Und dass sie hier so auffiel, machte sie nervös.

Sie verabschiedete sich hastig und schob sich zwischen den Gästen hindurch, die in Lucys feudalem Haus herumschlenderten. Sie suchte den Weg in den Garten – Amanda würde einen Anfall bekommen, wenn Dee die Schuhe zurückließ. Das Handy in ihrem Abendtäschchen vibrierte und meldete eine SMS. Sie schlüpfte in ein Gästezimmer und lehnte sich gegen die Tür.

Hi, Esel. Wie geht’s?

Es war Leon, ihr bester Freund, WG-Partner und das Überdruckventil für ihre ewigen Sorgen und Ängste. Er hatte sich vor Lachen gekringelt, als sie ihm von Amandas Bonmot über die Vollblutpferde und den Esel erzählt hatte.

Gekleidet wie ein Vollblutpferd. Fühle mich wie ein Zebra!, simste sie zurück.

Gerade hatte ihr Handy gemeldet, dass die Nachricht verschickt war, da klingelte es auch schon.

»Streifen sind dieses Jahr total cool.« Leons Stimme klang quietschig und erregt.

Sie war sich ziemlich sicher, dass ihre Bemerkung über sich selbst als Zebra nicht dermaßen witzig gewesen sein konnte. »Was ist denn los?«

»Ich bin so aufgeregt. Robert hat mich gebeten, bei ihm einzuziehen.«

Dee bekam weiche Knie. Sie trat tiefer ins Zimmer und setzte sich auf den Rand eines edlen Doppelbetts. »Was hast du ihm geantwortet?«

»Ich sagte, ich brauche ein halbes Jahr Bedenkzeit und eine Vorbehaltsklausel, falls ich im letzten Augenblick die Panik kriege.«

»Gute Idee.«

»Ach was, ich habe Ja gesagt, du Dummkopf! Du bist die Einzige, die Zeit für Angstanfälle einfordern würde.«

Während Leon weiterredete, zog sich Dees Magen vor Schreck zusammen.

»Es kommt ein bisschen früher als erwartet, aber er passt einfach perfekt zu mir. Findest du nicht?«

Doch, verdammt noch mal, das stimmte. »Ja. Ich glaube, dass ihr sehr glücklich miteinander werdet. Ich gratuliere.« Sie lächelte und hoffte, dass Leon übers Handy nur dieses Gefühl mitbekam und nicht merkte, dass ihr vor Entsetzen fast schlecht wurde.

»Er hat ein Bändchen um den Schlüssel zu seiner Wohnung gebunden, wie ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk. Das war total süß.« Er senkte die Stimme. »Aber es wird ein superkomisches Gefühl sein, aus unserer gemeinsamen Wohnung auszuziehen. Ich habe es mal durchgerechnet. Ist dir klar, dass wir fast schon fünf Jahre darin leben?«

Dee hatte die Zeit mit Leon in ihrer verwinkelten, alten Wohnung sehr genossen. »Ja.«

»Und wenn wir unsere Zeit in Indien mit einrechnen, sind wir jetzt fast seit sieben Jahren zusammen.«

Dee hatte einen Kloß im Hals. Sie stützte den Ellbogen aufs Knie und legte das Kinn in die Hand. »Stimmt.«

Beide schwiegen eine ganze Weile. Sie wusste nicht, was Leon dachte, aber sie war jetzt wieder im Aschram in Indien, spürte die Hitze und den Regen und sah sein lächelndes Gesicht vor sich. Er war als Rucksackreisender unterwegs gewesen. Sie hatte damals gelernt, im Augenblick zu leben, und versucht, die Vergangenheit zu vergessen und mit den Schmerzen im Rücken klarzukommen. Sie wollte nicht, dass Leon auszog.

»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte er.

Sie bemühte sich, so zu klingen, als ob sie lächelte. »Ja, alles bestens. Ich bin einfach nur verblüfft. Aber ich freu mich total für dich.«

»Danke, du bist ein Schatz. Das musste ich hören. Und mach dir keine Sorgen wegen der Miete. Ich habe schon beschlossen, die nächsten Monate noch zu zahlen. Dann hast du ein bisschen Zeit, dir einen neuen WG-Partner zu suchen.«

Wieder schwappte eine Woge der Sorge über Dee zusammen. Sie wollte keinen neuen WG-Partner.

»Mir sind schon ein paar Leute eingefallen, die vielleicht Interesse haben könnten«, sagte er.

»Vielleicht könnte ich die Miete ja allein zusammenbekommen.«

»Vielleicht könntest du ja auch im Lotto gewinnen.«

Sie lachte ein bisschen. Das half doch, wenn einem zum Heulen zumute war, nicht wahr? »Oder vielleicht hörst du auch mal mit Frotzeln auf und legst auf. Dann kann ich meine Zebrastreifen noch ein bisschen herumzeigen.«

Dee steckte das Handy ein und blieb eine Weile auf dem Bett sitzen. Vermutlich würde es Lucy nichts ausmachen, wenn ihre Yogalehrerin sich ein bisschen im Gästezimmer aufhielt. Insbesondere, wenn das verhinderte, dass sie wie betäubt zwischen den Gästen herumtappte. Ihr war schwindelig, und ihr Rücken war völlig verkrampft und tat weh. Mühsam stand sie auf, zupfte ihr Kleid höher und ging in eine Vorwärtsbeuge. Ihre Hände hingen locker auf den Boden hinunter, ihr Haar fiel über ihre bloßen Füße, und so atmete sie tief und erfrischend durch. Als sie sich ein bisschen besser fühlte, richtete sie sich auf, schüttelte ihr Haar zurecht und machte sich auf die Suche nach ihren Schuhen.

Im Garten war es nahezu vollkommen dunkel, nur etwas Licht drang vom Balkon herunter. Dee blickte dort hinauf und überlegte, welche Flugbahn die Stilettos wohl eingeschlagen hatten.

»Ich glaube, einer ist gegen die Umzäunung des Pools geflogen.« Es war Ethan Roxburghs Stimme.

Sie brauchte einen Augenblick, um ihn im Dunkeln auszumachen, wo er vor ein paar Stufen stand, die zum Rand eines Schwimmbeckens führten. »Da unten«, sagte er und ging voran.

Als sie beim Pool ankam, hatte er den Schuh schon gefunden und hielt ihn ihr auf der flachen Hand entgegen.

»Danke.«

»Entschuldigen Sie meine Bemerkung von vorhin, Sie wissen schon, über die Yogalehrerin.« Seine Stimme klang in dem stillen Garten übermäßig laut. »Für die Werbung ist dieser alternative Stil genau richtig, aber ich steh halt nicht so drauf.«

Sie zuckte zusammen und hoffte, dass er das in der Dunkelheit nicht bemerkte. »Hey, das ist doch kein Problem. Die Leitung Millionen Dollar schwerer Unternehmen ist auch nicht gerade mein Ding.« Er wirkte ein bisschen verblüfft, und sie drehte sich um und ging wieder die Stufen hinauf.

»Den anderen habe ich im Rosenbeet gefunden«, sagte er hinter ihr. Der Pumps lag jetzt auf dem Grill, als würde Aschenputtels Schuh dort zur Schau gestellt.

Sie sah Ethan mit schiefgelegtem Kopf an. »Sie sind extra nach draußen gekommen, um sie zu suchen?«

»Eigentlich bin ich hinausgegangen, um die Aussicht zu genießen, und habe mich dann gefragt, wohin sie wohl gefallen sind.«

»Oh.« Das hatte sie nicht erwartet.

Sie standen einfach so da. Es war ein etwas peinlicher Moment, sie wusste nicht, worüber sie sich unterhalten oder wohin das Ganze führen sollte. Er schien netter zu sein als der etwas übertrieben professionelle Typ in der Zeitung. Aber andererseits hatte er diese Bemerkung über so was gemacht. Und sie hatte sich geschworen, sich nie wieder in einen Anzugträger zu vergucken. Ganz zu schweigen davon, dass Leons Anruf sie vollkommen aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Weiteres Geplauder kam ihr in etwa so attraktiv vor, wie mit einem Mund voll Murmeln Chinesisch zu lernen. Sie sagte sich, dass sie nach Hause fahren, alles für den Weihnachtskampftag ihrer Mutter vorbereiten und die letzten beiden Geschenke einpacken sollte. Und dabei versuchen musste, nicht daran zu denken, wie leer die Wohnung ohne Leon sein würde.

Außerdem konnte Ethan Roxburgh es wahrscheinlich kaum abwarten, wieder im Haus zu verschwinden, wo ja vielleicht ein annehmbares Roxburgh-Girl aufzutreiben war. Hier draußen gab es nur Zebras und Esel.

»Also, ich bin jetzt weg«, sagte Dee. »Hat mich gefreut, Sie kennenzulernen.«

»Wie kommen Sie nach Hause?«

»Ich bin mit dem Auto hier. Na ja, eigentlich mit dem Auto meines WG-Partners.« Inzwischen Ex-WG-Partner. »Mein eigener Wagen mag keine Berge. Oder Regen. Oder auch Kälte. Er ist ziemlich launisch.«

»Dann begleite ich Sie die Zufahrt hinunter. Hier hinter dem Haus ist das Gelände ziemlich holperig. In der Dunkelheit kann das gefährlich sein.«

»Oh.« Auch das kam unerwartet.

Eigentlich wäre sie lieber allein gegangen und hätte noch ein bisschen kühle Nachtluft ein- und ein bisschen Anspannung ausgeatmet, aber Ethan marschierte schon auf dem unbeleuchteten Weg neben ihr her. Am Ende der Zufahrt brachte er sie noch ganz bis zu Leons Wagen. Zum Glück überließ er jedwede weitere Diskussion über den Werbefeldzug Lucy. Dee hoffte nur, dass er nicht stehen blieb, um ihr beim Losfahren zuzusehen. Leons Auto war ein Monstrum, und hier am Hang würde sie den Motor beim Berganfahren wahnsinnig hochjagen müssen.

Sie warf Amandas Schuhe auf den Rücksitz. »Gute Nacht«, rief sie und setzte sich hinters Steuer. Als sie die Scheinwerfer einschaltete, bemerkte sie ein verdutztes Lächeln in Ethans Gesicht, der am Straßenrand wartete. In diesem riesigen Geländewagen musste sie winzig aussehen. In der stillen Straße dröhnte der Motor grauenhaft laut. Sie hantierte mit dem Schaltknüppel und zuckte zusammen, als das Getriebe knirschte. Da stimmte wohl was nicht. Der erste Gang und der Rückwärtsgang lagen bei dieser verdammten Karre so schrecklich dicht beieinander. Sie versuchte es noch einmal. Das hier musste der erste sein. Sie trat kräftig aufs Gas, ließ die Kupplung kommen und schoss rückwärts los. Den Straßenrand entlang und direkt gegen einen Telefonmasten.

Gleich darauf riss Ethan die Fahrertür auf. »Alles in Ordnung?«

Sie umklammerte das Lenkrad, als wären ihre Hände Schraubstöcke. Atmen, Dee, tief durchatmen. Sie tastete ihren Körper in Gedanken ab. Beine, Rücken, Rippen und Hals. Kein Schmerz. Gut. Das war gut. Durchatmen. Sie nahm eine Hand vom Lenkrad, suchte die schmale Narbe in ihrem Haaransatz und fuhr den Konturen ihres Gesichts nach. Kein Blut. Das war ebenfalls gut.

»Dee?«

»Alles in Ordnung, glaube ich.« Sie ließ den Kopf kreisen, öffnete die Augen und schlug die Hände vors Gesicht. »Leon bringt mich um.«

Ethan griff in den Wagen und stellte den Motor aus. »Was ist denn passiert?«

»Ich hab die Gänge verwechselt.«

»Oka-ay.«

»So was kann vorkommen.« Dee stieg vorsichtig aus und drehte den Rücken nach links und rechts, um sicherzugehen, dass auch wirklich alles in Ordnung war. »Ich fürchte mich davor nachzuschauen.«

»Vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm.«

»Soll das ein Scherz sein? Haben Sie den Rums gehört?«

»Ja, ich weiß. Ich wollte nur optimistisch klingen.«

Sie gingen Seite an Seite zum Heck des Wagens.

»Oh, Shit«, sagte Dee. »Das wird ein Vermögen kosten.«

Und jetzt hatte sie ihr eigenes verfrühtes Weihnachtsgeschenk.

Schulden.

KAPITEL 2

Dee tauchte ihre Hände ins schaumige Spülwasser, schloss die Augen und wiederholte stumm ihr Weihnachtstagmantra. »Ich bin den ganzen Tag ruhig und gelassen.« Sie hob den Kopf und sah aus dem Fenster auf die Steinplatten, wo die Luft vor Hitze flimmerte. »Der ganze Tag« zog sich allmählich ziemlich in die Länge.

Amanda stellte den nächsten Stapel Servierplatten auf die Spüle. »Ich glaube, das war’s.«

»Gott sei Dank.« Dee stellte eine Auflaufform ins Abtropfgitter. »Mehr Geschirr mit Weihnachtsdesign als Mum hat wahrscheinlich niemand auf der ganzen Welt.«

Amanda holte ein Geschirrtuch aus einer Schublade und trocknete eine tannenbaumförmige Servierplatte ab. »Meinst du, sie hat deine Unzulänglichkeiten allmählich mal durch?«

»Mal sehen. Bisher bin ich zu mager, zu muskulös und schrecklicherweise Vegetarierin. Sie findet meine Kleider und meine Frisur fürchterlich, und ich habe den falschen Beruf und nutze mein Universitätsdiplom nicht.«

Am Weihnachtstag war Dees Mutter immer wie eine Perfektionistin auf Crack. Val wollte, dass alles vollkommen war: die Geschenke, das Essen, die Konversation – und ihre Töchter. An Amanda hatte sie nichts auszusetzen. Sie war bereits die Verkörperung aller mütterlichen Träume – ein Master in Betriebswirtschaft, eine bestens bezahlte Stelle, zwei Autos, ein gut aussehender Mann und zwei niedliche kleine Töchter.

Dee dagegen hatte ihrer Mutter zehn Jahre lang eine Enttäuschung nach der anderen bereitet. Dee fragte sich, ob es wohl anders wäre, wenn ihr Vater noch lebte. Vielleicht würde Val Dees Entscheidungen dann nicht als eine Art Zeugnisnote begreifen, die festhielt, wie gut sie ihre Sache als alleinerziehende Mutter gemacht hatte. Eigentlich war es ein Glück, dass Dees Stiefvater Ken sein Leben gerne von Val organisieren ließ, sonst hätte die Mutter vielleicht noch mehr Zeit gehabt, ihrer Jüngsten gute Ratschläge zu erteilen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!