Märchen aus einer Nacht - Sandra Paretti - E-Book

Märchen aus einer Nacht E-Book

Sandra Paretti

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Beschreibung

Man schreibt das Jahr 1858. In einem kleinen Salon von Timafs Teestube versammeln sich die sechs reichsten Kaufleute von Nowgorod, der alten Messe- und Handelsstadt im Zarenreich. Die Überraschung in der Runde ist groß, als ihnen Falangha, der moslemische Mädchenhändler, eröffnet, dass er am darauffolgenden Tag neue Damen aus dem Ausland erwartet – echte Französinnen aus Paris!Falangha ist gewillt, die Damen gerecht aufzuteilen – unter einer Voraussetzung: Wie in den Karawansereien des Orients üblich, muss jedes der Mitglieder des Herrenclubs ein Märchen erzählen...-

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Sandra Paretti

Märchen aus einer Nacht

 

Saga

Märchen aus einer Nacht

 

Copyright © 2022 by Helmut and Anka Schneeberger, represented bei AVA international GmbH, Germany (www.ava-international.de)

Originally published 1985 by Heyne Verlag, München

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 0, 2022 Sandra Paretti und SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788728469484

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

 

www.sagaegmont.com

Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

Der Herrenclub von Nowgorod

Die Männer hatten das Abendessen beendet und machten es sich bequem. Ein Diener, ein schweigsamer Türke, servierte den Mokka, schenkte Likör ein und bot Zigarren an; er kannte die Gewohnheiten und Vorlieben der Gäste auswendig. Sie kamen jeden zweiten Abend hierher, und jeder hatte seinen angestammten Platz in dem kleinen Salon im ersten Stock von Timafs Teestube. Für einen Moment war das Gespräch verstummt, Zigarrenrauch kräuselte sich um die satten Gesichter der Männer, der Samowar summte auf der Anrichte. Aus der Tiefe des Hauses stieg noch ein anderes dunkleres Summen auf, wie von einem riesigen Bienenstock: das waren die Geräusche der großen Gaststube.

Unten, in der großen Gaststube, ging es immer laut zu; an den runden Tischen saßen Pelztierjäger, Schiffer, kleine Beamte, Handwerker, aufgedonnerte Flittchen und ausländische Kaufleute einträchtig nebeneinander, und wenn draußen eine goldverzierte Kutsche vorfuhr und Kavaliere vom Zarenhof absetzte, dann rückten die Pelztierjäger, die Schiffer und die Flittchen einfach enger zusammen, aber ein Aufhebens machte niemand davon, nicht einmal, wenn es der Zar persönlich gewesen wäre.

Nowgorod, die alte Zaren- und Handelsstadt an der Mündung von Oka und Wolga, war nicht die größte Stadt Rußlands, aber es war die bunteste, die weltoffenste, die reichste und die abenteuerlichste. Nowgorod war ein Babylon der Sprachen, der Rassen – und der Frauen. Es war so, wie Timaf, der Teestubenbesitzer, Ausländern, die zum erstenmal zu ihm kamen, gerne sagte: man kannte Rußland nur, wenn man Nowgorod kannte, und man kannte Nowgorod nur, wenn man Timafs Teestube kannte.

So laut es unten zuging, so intim war der Salon, den Timaf im ersten Stock für spezielle Gäste, die unter sich sein wollten, eingerichtet hatte.

Der Raum war klein und angefüllt mit schönen Dingen. Indische Seidenteppiche bedeckten den Boden; die Wände erinnerten an das Innere eines türkischen Serails. Reiche Ornamente in Gold, Perlmutt und Türkis gaben dem Raum eine geheimnisvolle Transparenz. Den Wänden entlang zogen sich üppig gepolsterte Diwans, auf denen sich Berge golddurchwirkter Kissen türmten. Von der Decke hingen an goldenen Ketten goldene arabische Laternen.

Inmitten dieser orientalischen Pracht saßen die sechs Männer, die man in Nowgorod den Herrenclub nannte. Man tat es mit Neid und mit Bewunderung. Die sechs waren die reichsten Kaufleute von Nowgorod, und das wollte etwas heißen, denn unter den 300 000 Einwohnern Nowgorods waren viele reiche Kaufleute, und während der Zeit der Großen Messe, die jährlich von August bis Oktober abgehalten wurde, kamen noch einmal 400 000 Händler aus aller Welt nach Nowgorod. Der Reichtum der sechs Männer war das eine, ihre Freundschaft mit dem Zaren das andere. Sie gingen im Kreml ein und aus. Sie spielten mit dem Zaren Billard, sie gingen mit ihm auf die Jagd, sie nahmen ihn mit auf nächtliche Streifzüge durch den Bezirk Nowgorods, der Frauenstadt hieß, weil dort die käuflichen Frauen lebten. Und sie fehlten auf keinem der großen Bälle des Zarenhofs, egal ob in Nowgorod, Petersburg oder Moskau.

Aber wie das so ist, die eigentliche Berühmtheit verdankten sie ihrer Kleidung. In einer Stadt wie Nowgorod, in der ein buntes Völkergemisch von Russen, Tataren, Chinesen und Türken lebte und jeder in der Nationaltracht herumlief, trugen diese sechs Männer englische Maßanzüge und am Abend englische Ausgehkleidung: schwarzer Rock, graue Hose, weiße Weste, weiße Krawatte und Lackstiefel.

Wer waren nun diese sechs Männer eigentlich und womit verdienten sie das viele Geld?

Beginnen wir mit dem jüngsten, mit dem Chinesen Xu Kung: er war knapp dreißig Jahre alt, hochgewachsen und arrogant; er handelte mit Seidenstoffen und machte pro Messe einen Umsatz von 20 Millionen Rubel. Die Geschäfte der anderen fünf bewegten sich ebenfalls in den Millionen. Der Pelzhändler Onnenkow war der typische Kalmücke, mit gedrungener Statur, breiten Schultern und einem Mongolengesicht. Der Kaviarhändler Paulsen, ein rundlicher Mann mit grauer Künstlermähne, stammte aus Hamburg, war aber schon als Kind nach Rußland gekommen. Der Japaner Kenkishi handelte mit Perlen und Korallen; er hatte die feine Haut und das helle Lachen eines Mädchens. Mit Stolz sagte er von sich, daß er unter tausend Perlen die eine, die vollkommen war, mit einem Blick herausfände. Der Südrusse Gregorowitsch machte sein Geld mit Tee. Er war ein Bär von einem Mann, ein Schürzenjäger und immer hungrig.

Die Geschäfte des Levantiners Falangha waren komplizierterer Natur. Auf seinem Geschäftspapier stand Häuserverwalter. Das stimmte. Falangha verwaltete Häuser, genauer gesagt, er verwaltete einen ganzen Stadtteil von Nowgorod, den Bezirk, den man Frauenstadt nannte. In diesem Bezirk lebten die achttausend Frauen, die während der Messe nach Nowgorod kamen, um ihre Liebesdienste zu verkaufen. Die Häuser dieser Frauenstadt gehörten alle Falangha, und als gewissenhafter Hausverwalter hielt er es für das beste, seine Mieterinnen selber auszuwählen. Kurz und gut: er war Mädchenhändler, Falangha war ein Mann um die Fünfzig, der typische Levantiner mit den schweren Augenlidern und der schlaffen Unterlippe eines Kamels. In Nowgorod kursierte das Gerücht, daß er und seine Freunde jede neue Frau ausprobierten, was eine maßlose Übertreibung war. Aber eines stimmte: Zwischen Timafs Teestube und der Frauenstadt lag nur ein Haus, und auch dieses Haus gehörte Falangha. Da die Dachterrassen der Häuser mit einer kleinen eisernen Brücke verbunden waren, konnten die Herren des Herrenclubs in die Frauenstadt spazieren, ohne den Fuß auf die Straße zu setzen.

 

Falangha saß in der Ecke des Diwans, auf dem Knie ein blaßrotes Seidenkissen, das er mit seinen geschmeidigen Händen knetete und streichelte, als wollte er eine Frau daraus formen. Mit halbgeschlossenen Lidern folgte er der Diskussion seiner Freunde über das amerikanische Projekt einer Eisenbahnstrecke quer durch Rußland. Die Nowgoroder Zeitung, der Merkur Bote, hatte dem Thema eine ganze Seite gewidmet.

Der Teehändler Gregorowitsch las vor: »Von Moskau über den Amur zum Stillen Ozean . . . Stellt euch vor, man steigt am Montag in Moskau in den Zug und ist Mittwoch nacht am Stillen Ozean. Heute braucht man drei Wochen, wenn man Glück hat.«

Falangha seufzte gedankenvoll. »Was nützt eine Bahnlinie zum Stillen Ozean. Wir sitzen in Nowgorod. Wir sollten unseren Einfluß geltend machen, daß man eine Bahnstrecke von Moskau nach Nowgorod baut.« Er betrachtete sorgenvoll die manikürten Fingernägel. »Mein Problem ist es seit Jahren, wie bringe ich europäische Frauen nach Nowgorod. Die Reise ist eine Strapaze, die Straßen sind schlecht, die Kutschen sind schlecht, die Schiffe sind überfüllt, und es gibt keine Kajüten. Für eine verwöhnte Frau ist die Reise eine Zumutung – selbst auf der Lotsman, dem besten Schiff, das wir haben.«

Etwas in Falanghas Stimme machte die anderen Männer hellhörig. Sie wechselten bedeutungsvolle Blicke, und Xu Kung meinte mit arrogantem Lächeln: »Zum Glück sind die Frauen, die nach Nowgorod kommen, nicht allzu verwöhnt.«

Falangha überhörte die Bemerkung und sagte: »Das Gute an der Lotsman ist Kapitän Joblinski. Bei ihm bin ich wenigstens sicher, daß die Frauen, die auf seinem Schiff reisen, nicht von Tataren geraubt werden. Joblinski und seine Männer sind bis an die Zähne bewaffnet. Obendrein sind sie pünktlich.«

Der Schürzenjäger Gregorowitsch schnalzte mit der Zunge. »Willst du damit andeuten, Joblinski hat Frauen an Bord?«

Falangha zog die Uhr aus der Westentasche. »Joblinski hat mir sein Wort gegeben, daß die Lotsman morgen früh Punkt neun am Sibirischen Kai anlegt...« Er steckte die Uhr ein und räusperte sich. »Auf Joblinski ist Verlaß, wir sollten also auch Punkt neun am Sibirischen Kai sein... um die Damen in Empfang zu nehmen.«

Damen. Hatte er Damen gesagt. Das Wort genügte, und alle Eisenbahnen der Zukunft waren vergessen. Erwartungsvoll hingen die Blicke an Falangha, der seine Freunde befriedigt über die Wirkung seiner Worte anlächelte.

»Ihr habt richtig gehört, ich habe Damen gesagt.«

Sie wollten ihn mit Fragen bestürmen, doch Timaf, der Teestubenbesitzer, betrat den Raum und brachte die Lichter, wie jeden Abend kurz vor zehn Uhr. Es war eine alte Sitte in Nowgorod, daß Punkt zehn Uhr abends alle Bewohner ins Freie traten und ein Licht anzündeten, eine Kerze, eine Fackel, ein Schwefelholz, was man eben hatte. Es war jeden Abend ein großer Moment, den niemand versäumen wollte, wenn auf einen Schlag 300 000 Lichter aufflammten und Nowgorod sich in ein Lichtermeer verwandelte. Timaf öffnete die Tür zu der Dachterrasse und ging voraus, die Männer folgten ihm. Es war eine klare windstille Augustnacht, und die Lichter brannten mit ruhiger Flamme. Falangha trat auf die kleine Brücke, die zur Dachterrasse des Nachbarhauses führte. Das Haus gehörte ihm, dort würde er die Damen, die morgen früh in Nowgorod eintrafen, unterbringen. Alles war vorbereitet für ihre Ankunft; er hatte die Räume luxuriös ausgestattet, er hatte Personal engagiert. In seiner Vorfreude war er versucht, die Freunde schon jetzt einzuweihen und mit ihnen einen Rundgang durch das Haus zu machen und ihnen die Boudoirs der Damen zu zeigen. Doch er bezwang sich. Ruhig bleiben, nichts überstürzen, sagte er sich. Alles der Reihe nach. Das Haus muß noch warten. Bevor ich meinen Freunden das Haus zeige, muß ich sie erst richtig neugierig machen auf die Damen...

Die 300 000 Lichter, die Nowgorod für Minuten in eine Märchenstadt verwandelt hatten, erloschen nach und nach. Die Männer kehrten zurück in die Teestube, und Falangha bat Timaf – ihn hatte er als einzigen eingeweiht –, sich zu ihnen zu setzen.

»Die Damen«, begann Xu Kung, der seine Neugier nicht länger bezähmen konnte, »kommen sie aus Moskau?« Falangha lachte trocken. »Damen aus Moskau haben wir schon genug hier, das wäre kein Grund für einen besonderen Empfang.«

»Willst du sagen, die Damen kommen aus dem Ausland?«

Falangha verzog keine Miene. »Die Damen haben eine weite Reise hinter sieh«, sagte er trocken. »Sie kommen aus Frankreich.«

»Französinnen!« riefen alle durcheinander. »Richtige Französinnen?«

Man muß wissen, daß im Jahr 1858 jede russische Stadt, die auf sich hielt, ihre Französinnen hatte, aber das waren eben nur russische Französinnen.

»Französinnen aus Paris«, wiederholte Falangha mit Genugtuung. Die Männer verstummten, und Falangha glaubte zu hören, wie ihnen der Atem stockte. In die Stille hinein sagte er im Ton der größten Selbstverständlichkeit: »Nicht zu vergessen, sie sind von Adel. Adelige Waisen, in einem Kloster erzogen.« Er pausierte, ließ die Worte wirken, dann fuhr er fort. »Die jungen Damen beherrschen neben ihrer Muttersprache Italienisch und Englisch. Sie spielen Klavier, sie singen... Soviel zu den Nebensächlichkeiten. Fragt mich nicht nach ihren Namen, fragt mich nicht nach Haarfarbe, Augenfarbe und so fort, ich würde euch auf jede eurer Fragen die gleiche Antwort geben: sie sind Engel!«

Die Männer schluckten. Falangha, der nüchterne Falangha, der Frauen sonst mit dem unbestechlichen Blick eines Pferdehändlers beurteilte, nannte diese Französinnen Engel. Den Männern stieg das Wort zu Kopf. Engel in der Gestalt käuflicher Frauen, das versprach die Erfüllung aller unerfüllten Wünsche. Trotzdem blieben sie Kaufleute und dachten in Kaufmannskategorien. Sie hätten zu gerne gewußt: wie alt sind diese Französinnen, haben wir die Garantie, daß sie gesund sind, wie lange bleiben sie und schließlich, was ist der Preis, was haben sie Falangha gekostet, was werden sie uns kosten.

Damen, Französinnen, Engel – der Preis würde astronomisch sein. Den Männern wurde es heiß. Der Teehändler Gregorowitsch lockerte als erster die weiße Krawatte. Paulsen, der Kaviarhändler, folgte dem Beispiel. Die beiden Exoten des Herrenclubs, der Chinese Xu Kung und der Japaner Kenkishi, steckten die Köpfe zusammen. Onnenkow, der Pelzhändler, richtete die Zigarre wie den Lauf einer Pistole auf Falangha. »Darf man wissen, wie viele Damen es sind?«

Falangha, der kein Raucher war, fächelte den Qualm von Onnenkows Zigarre zur Seite. »Da jede der Damen eine Zofe mitbringt, sind es alles in allem vierzehn.«

Onnenkow nickte wie betäubt und murmelte: »Jede hat eine Zofe... alles in allem vierzehn mit den Zofen...«

Die Sache wurde immer unglaublicher. Und als Falangha den Freunden dann auch noch verriet, daß die Französinnen mit ihren Zofen in dem Haus neben der Teestube wohnen würden, kannte die Begeisterung keine Grenzen mehr.

Gregorowitsch, der Teehändler, sprang auf und rief laut, als befände er sich auf einer öffentlichen Versteigerung: »Ist eine Rothaarige dabei? Ich biete 6000 Rubel für die erste Nacht mit der Rothaarigen, 6000 Rubel! Ich biete 6000 Rubel!«

Das war das erlösende Signal. Endlich konnten die Männer ihren Kaufmannsinstinkten die Zügel schießen lassen. Gregorowitsch bot 8000, Paulsen, der Kaviarhändler, übertrumpfte ihn mit einem schneidend hingeworfenen: »10000 Rubel!«

Falangha saß auf dem Diwan, eingebettet in Kissen, die in seiner Nähe alle auf geheimnisvolle Weise die Formen von üppigen Frauen annahmen, und wehrte mit erhobenen Händen ab. »Ihr seid Barbaren. Ich rede von Damen, Französinnen, Engeln – und ihr Barbaren denkt an Geld. Vergeßt das Geld!«

Die Freunde hielten Falanghas Protest für eine geschickte Taktik. Er wollte sie höher treiben. Na schön, sein gutes Recht. Xu Kung reagierte seiner ruhigen aristokratischen Natur gemäß; er stand auf, machte eine leichte Verbeugung zu Falangha hin und meinte: »Wenn ich Euch richtig verstehe, verehrter Meister, nehmt Ihr nur schriftliche Gebote entgegen.«

Onnenkow prustete los und knallte die prall gefüllte Brieftasche auf den Tisch. »Dummes Zeug, Weiber sind Weiber, und Geld ist Geld. Aber weil es du bist, Falangha, ich biete alles, was in der Brieftasche ist. . .«

Eine Weile ging das Geplänkel weiter, hin und wieder gewürzt durch einen obszönen Scherz.

Paulsen, der Kaviarhändler, wollte wissen, wo die Französinnen diese Nacht verbrachten. Falanghas Antwort ›in Jaroslaw‹ löste eine Flut von Anzüglichkeiten aus. Jaroslaw galt als heimliches Sündenbabel, seit einem Skandal, in den das Gymnasium von Jaroslaw verwickelt war. Die Männer ergingen sich in schlüpfrigen Andeutungen, und Falanghas entrüstetes Kopfschütteln feuerte sie nur noch mehr an.

Schließlich wurde Falangha energisch: »Keine Schweinereien! Wenn ich bitten darf, keine Schweinereien!«

Gregorowitsch spielte das Echo. »Habt ihr gehört: keine Schweinereien!«

Falangha verschaffte sich mit einer Geste Ruhe. »Es scheint, ihr habt mich mißverstanden. Die Französinnen kommen als meine persönlichen Gäste nach Nowgorod. Wie ich euch sagte, werden sie in dem Haus neben Timafs Teestube wohnen, und wie ihr wißt, gehört das Haus mir.«

»Du willst alle für dich allein?« unterbrach ihn Onnenkow. »Alle vierzehn! Übernimmst du dich nicht? Vierzehn Frauen, das ist ja ein Harem…«

Falangha blickte ernst. »Ich bin ein Moslem, und zum Leben eines Moslems gehört ein Harem. Ich bin ein Mädchenhändler, nur ein kleiner Mädchenhändler verglichen mit Allah, der die Frauen erschaffen hat, damit sie uns erfreuen. Der Prophet mahnt uns, wir sollen es Allah gleich tun, das Beste, was wir haben, mit unseren Freunden teilen, also habe ich beschlossen, meinen Harem mit euch zu teilen.«

Die Männer waren jetzt so still, daß man nur die leisen Geräusche des Dieners aus dem Nebenraum hörte.

Falangha fuhr fort: »Ich kann nicht garantieren, daß es den Damen in Nowgorod gefällt. Vielleicht packen sie nach zwei Wochen die Koffer und reisen wieder ab. Es wird von uns abhängen, ob sie bleiben. Damit meine ich nicht die materiellen Dinge, die wir den Damen bieten können. Also, ich sage euch nochmals, vergeßt euer Geld. Ich sehe euch an, daß ihr mich nicht versteht. Ihr denkt, jede Frau ist mit Geld zu kaufen, die eine für ein paar Kopeken, die andere für zehntausend Rubel. Diese Art Frauen kennen wir zur Genüge. Aber es gibt andere. Ihr Preis ist unvergleichlich höher. In Paris lebt eine Frau, der ein Mann sein gesamtes Vermögen überschrieb. Er hat nichts anderes dafür erbeten, als daß sie dieses Geschenk annahm, ohne sich irgendwie verpflichtet zu fühlen. Er hätte sich alle hübschen Frauen von Paris leisten können, doch er war vernarrt in die eine. Er hat sie nie bedrängt, er hat geduldig gewartet, bis sie von sich aus geneigt war, seine Herrin zu sein. Jetzt ist er der glücklichste Mann, denn sie liebt ihn. Die Frauen, die morgen ankommen, sind ähnlicher Art. Diese Frauen gehn nur nach ihrem Herzen... Es ist wie in der Lotterie. Wenn wir Glück haben, ziehen wir das Große Los.«

Nach dieser kleinen Rede ließ Falangha Krimsekt servieren. Beim Anprosten machte Gregorowitsch einen derben Witz und, ermuntert vom Gelächter der Freunde, wollte er gleich einen zweiten, noch derberen Witz anbringen.

Doch Falangha brachte ihn zum Schweigen. »Keine Schweinereien, du weißt, ich hasse Schweinereien.«

»Was hast du nur, eine kleine Anzüglichkeit ist doch kein Verbrechen«, meinte Gregorowitsch halb gutmütig, halb störrisch.

Falangha blieb hart. »Behalte deine schmutzigen Witze für dich, oder erzähle sie unten in der Gaststube, dort passen sie hin. Aber nicht hier, sonst fliegst du raus.«

Gregorowitsch versuchte einzulenken. »Ich hab’s nicht bös gemeint, ich dachte nur, die Nacht ist lang. Wenn wir bis morgen früh wach bleiben wollen, müssen wir uns irgendwie unterhalten. Wir könnten uns Witze erzählen, das hält munter.«

Falangha verzog angewidert das Gesicht. »Am besten, ich schicke euch alle heim.«

Dagegen erhoben die Männer einstimmig Protest, Falangha schmunzelte innerlich; es lief nach Wunsch, er hatte die Freunde so weit, daß sie nicht mehr daran dachten, nach Hause und zu Bett zu gehen.

Er drehte das Glas in den Händen. »Wie ihr wißt, bin ich Moslem. Ich schlage vor, wir machen es wie die Männer in den Karawansereien des Orients, wenn sie nachts Wache halten, wir erzählen uns Märchen.«

»Märchen erzählen?« kam das überraschte Echo von den Männern.

»Ja, Märchen erzählen«, bestätigte Falangha. »Jeder von euch kennt doch ein Märchen. Kommt mir nicht mit Ausreden.«

Gregorowitsch brummte: »Du lieber Gott, diese Moslems mit ihren Märchen!«

»Das ist meine Bedingung, nur wer ein Märchen erzählt, darf morgen früh mit mir zum Sibirischen Kai und die Damen begrüßen«, sagte Falangha.

Kenkishi rief mit seiner hellen Mädchenstimme: »Darf es ein erotisches Märchen sein?« und Gregorowitsch prustete vor Lachen.

Falangha verschaffte sich mit einer Handbewegung Ruhe. »Daß wir uns richtig verstehen. Märchen habe ich gesagt, und Märchen meine ich, keine anzüglichen Anekdoten. Ich dulde nicht, daß die Damen, die morgen hier ankommen, heute schon von euch beleidigt werden. Ist das klar!«

Paulsen, der deutsche Kaviarhändler, schüttelte den Kopf. »Ihr Moslems seid komische Leute. Ihr haltet die Frauen in Harems, zwanzig Stück, wenn’s geht, und wenn ein Christ mal einen schlüpfrigen Witz macht, seht ihr rot.«