Marketing - Christian Dechêne - E-Book

Marketing E-Book

Christian Dechêne

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Beschreibung

Erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich durch zwei Fähigkeiten aus: Sie verstehen die Bedürfnisse ihrer Kunden und befriedigen diese besser als ihre Wettbewerber es tun. Dies ist das Spielfeld des Marketing. Das vorliegende Lehrbuch bietet seinen Lesern eine Alternative zu den Standardwerken des Marketing. Sämtliche Themenfelder der modernen Marketingwissenschaft werden behandelt - kompakt, zeitgemäß und mit vielen Beispielen bekannter Unternehmen. Zunächst gibt das Lehrbuch seinen Lesern die notwendigen Konzepte und Methoden an die Hand, um Absatzmärkte zu verstehen. Der Schwerpunkt des Buches liegt auf der erfolgreichen Bearbeitung dieser Märkte - vom strategischen Marketing über den Marketing-Mix bis hin zur erfolgreichen Implementierung des Marketing. Dabei geht das Lehrbuch auch auf die Besonderheiten im internationalen sowie im Dienstleistungs- und Business-to-Business-Marketing ein.

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Christian Dechêne

[3]Marketing

Konzepte – Strategien – Maßnahmen

Verlag W. Kohlhammer

[4]Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insb. für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

1. Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-043728-9

E-Book-Formate:

pdf: ISBN 978-3-17-043729-6

epub: ISBN 978-3-17-043730-2

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

[5]Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Teil I

Grundlagen des Marketing

1

Einführung

1.1

Was ist Marketing?

1.2

Welche Aufgaben hat das Marketing?

1.3

Was wird getauscht?

1.4

Wer sind die Spieler?

1.5

Was ist das Spielfeld?

2

Ansätze der Marketingtheorie

Teil II

Absatzmärkte verstehen

3

Konsumentenverhalten

3.1

Fragestellungen und Erklärungsmodelle zum Konsumentenverhalten

3.2

Einflussgrößen des Konsumentenverhaltens

3.2.1

Psychische Einflussfaktoren

3.2.1.1

Aktivierende Prozesse

3.2.1.2

Kognitive Prozesse

3.2.2

Umfeldbezogene Einflussfaktoren

3.3

Kaufentscheidungstypen

3.4

Kaufentscheidungsprozess

4

Marktforschung

4.1

Bedeutung, Aufgaben und Untersuchungsansätze

4.2

Ablauf von Marktforschungsprojekten

4.3

Methoden der Datengewinnung

4.4

Stichprobenauswahl

4.5

Verfahren der Datenanalyse

4.5.1

Univariate Analyseverfahren

4.5.2

Bivariate Analyseverfahren

4.5.3

Multivariate Analyseverfahren

Teil III

Strategische Marketingplanung

5

Situationsanalyse

5.1

Analyse der Marktattraktivität

5.2

Analyse der eigenen Wettbewerbsfähigkeit

5.3

Analyse innovativer Geschäftsmodelle

6

Festlegung von Marketingzielen

6.1

Zielpyramide eines Unternehmens

6.2

Marketingziele

7

Entwicklung einer Marketingstrategie

7.1

Normstrategien auf Basis der Portfolioanalyse

7.2

Kundengerichtete Marketingstrategien

7.2.1

Marktfeldstrategien

7.2.2

Marktstimulierungsstrategien

7.2.3

Marktparzellierungsstrategien

7.2.4

Marktarealstrategien

7.3

Wettbewerbsgerichtete Marketingstrategien

7.4

Handelsgerichtete Marketingstrategien

Teil IV

Operative Marketingplanung

8

Produktpolitik

8.1

Ziele und Entscheidungsfelder der Produktpolitik

8.2

Programmgestaltung

8.3

Produktgestaltung

8.4

Markenpolitik

8.5

Produktinnovation

9

Preispolitik

9.1

Ziele, Besonderheiten und Entscheidungsfelder der Preispolitik

9.2

Bestimmung des optimalen Angebotspreises

9.3

Preisdifferenzierung

9.4

Dynamische Preisstrategien

9.5

Konditionenpolitik

10

Kommunikationspolitik

10.1

Bedeutung, Funktion und Entscheidungsfelder der Kommunikationspolitik

10.2

Kommunikationsziele

10.3

Festlegung der Kommunikationsstrategie

10.4

Festlegung des Kommunikationsbudgets

10.5

Kommunikationsinstrumente

10.5.1

Analoge Kommunikationsinstrumente

10.5.2

Online-Kommunikationsinstrumente

10.6

Mediaplanung

10.7

Gestaltung der Botschaft

10.8

Erfolgsmessung

11

Distributionspolitik

11.1

Ziele und Entscheidungsfelder der Distributionspolitik

11.2

Akquisitorische Distribution

11.2.1

Distributionsorgane

11.2.2

Gestaltung der Distributionswege

11.2.3

Indirekter Vertrieb

11.2.4

Mehrkanalvertrieb

11.2.5

Kooperationsinitiativen: Key Account Management und Efficient Consumer Response

11.2.6

Der persönliche Verkauf

11.3

Marketinglogistik

Teil V

Marketing im speziellen Kontext

12

Institutionelle Besonderheiten des Marketing

12.1

Dienstleistungsmarketing

12.1.1

Grundlagen des Dienstleistungsmarketing

12.1.2

Begriff und Merkmale von Dienstleistungen

12.1.3

Das GAP-Modell der Servicequalität

12.1.4

Messung der Dienstleistungsqualität und -zufriedenheit

12.1.5

Instrumentelle Besonderheiten des Dienstleistungsmarketing

12.2

Handelsmarketing

12.2.1

Grundlagen des Handelsmarketing

12.2.2

Betriebsformen und -typen des stationären Handels

12.2.3

Instrumentelle Besonderheiten des Handelsmarketing

12.2.4

Online-Handel

12.3

Investitionsgütermarketing

12.3.1

Grundlagen des Investitionsgütermarketing

12.3.2

Besonderheiten des Investitionsgütermarketing

12.3.3

Geschäftstypen im Investitionsgütermarketing

12.3.4

Organisationales Kaufverhalten

12.3.5

Instrumentelle Besonderheiten des Investitionsgütermarketing

12.4

Internationales Marketing

12.4.1

Grundlagen des internationalen Marketing

12.4.2

Besonderheiten und Grundorientierungen im internationalen Marketing

12.4.3

Entscheidungsfelder im internationalen Marketing

12.4.4

Instrumentelle Besonderheiten des internationalen Marketing

Teil VI

Implementierung und Steuerung des Marketing

13

Marketingimplementierung

13.1

Bedeutung, Ziele und Aufgaben der Marketingimplementierung

13.2

Durchsetzung der Marketingstrategie

13.3

Umsetzung der Marketingstrategie

13.3.1

Aufbauorganisation

13.3.2

Ablauforganisation

13.3.3

Budgetierung der Marketingaktivitäten

13.3.4

Informationssysteme in Marketing und Vertrieb

14

Marketingcontrolling

14.1

Bedeutung, Ziele und Aufgaben des Marketingcontrollings

14.2

Verfahren des strategischen Marketingcontrollings

14.3

Verfahren des operativen Marketingcontrollings

14.4

Kennzahlen

14.5

Kennzahlensysteme

Literatur

[9]Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

zu kaum einer anderen wirtschaftswissenschaftlichen Disziplin wurden bereits so viele Lehrbücher publiziert wie zum Marketing. Daher drängt sich die Frage auf: Braucht die Welt wirklich noch ein Marketinglehrbuch?

Drei Gründe haben mich angetrieben, der bestehenden Marketingliteratur ein weiteres Lehrbuch hinzuzufügen:

Wer die Standardwerke zum Marketing begutachtet, muss zu dem Schluss kommen, dass eine alle Themenfelder umfassende Einführung unter 700 Seiten nicht möglich ist. Dieses Lehrbuch will zeigen, dass ein schnellerer Einstieg möglich ist, indem an Seitenzahlen, nicht aber an Inhalten gespart wird.

Die Halbwertzeit des Marketingwissens war nie so kurz wie heute. Anbietern stehen insb. durch die digitale Vernetzung des Wirtschaftsgeschehens zahllose neue Kanäle zur Kommunikation und Interaktion mit Kunden zur Verfügung. Die Gestaltung einer stimmigen Customer Journey ist zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor geworden. Vielfach müssen Anbieter heute auf globalen Märkten bestehen und anspruchsvolle Kundenbedürfnisse befriedigen. Kurzum: Die Geschwindigkeit im Marketing hat sich erhöht, ein Marketinglehrbuch muss daher »am Puls der Zeit« sein.

Ein erfolgreiches Lehrbuch sollte seine Leser meiner Einschätzung nach nicht nur zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Theorie motivieren, sondern sie auch zu erfolgreicheren Entscheidungen in der Praxis befähigen. Dieses Lehrbuch vermittelt sämtliche Inhalte daher sehr praxisnah, indem über das ganze Lehrbuch hinweg konsequent Beispiele zum Marketing erfolgreicher Unternehmen gegeben werden. Auf diese Weise soll die Theorie verfangen und Marketing konkret und greifbar werden.

Dieses Lehrbuch richtet sich an zwei Leserkreise: Primär werden Studierende der Wirtschaftswissenschaften in Bachelor- und Masterstudiengängen angesprochen, die einen kompakten Einstieg in das Marketing suchen und sich effizient auf ihre Prüfungen vorbereiten möchten. Angesprochen werden aber auch interessierte Marketingentscheider aus der Praxis, die ihre Entscheidungen theoretisch fundieren und ihre Marketingprozesse systematisch planen und umsetzen möchten. Beiden Leserkreisen soll dieses Lehrbuch einen leicht verständlichen, kompakten und praxisorientierten Einstieg in die Marketingwissenschaft ermöglichen.

[10]In diesem Lehrbuch werden alle Themenfelder vorgestellt, die auch in den Standardwerken des Marketing zu finden sind. Um den Lesern einen roten Faden an die Hand zu geben, folgt die Struktur dieses Buches konsequent dem Marketingmanagementprozess. Nach einer Vorstellung der Bedeutung, Ziele und Aufgaben des Marketing und einer Vorstellung wichtiger Marketingtheorien werden zunächst die konzeptionellen Grundlagen geschaffen, um Absatzmärkte zu verstehen. Hierzu werden das Konsumentenverhalten und die Marktforschung vorgestellt. Anschließend steht die strategische Marketingplanung im Vordergrund: Es wird aufgezeigt, wie auf der Grundlage einer internen und externen Situationsanalyse Marketingziele und -strategien formuliert werden können. Die operative Umsetzung der Marketingstrategie ist Aufgabe der Marketinginstrumente, deren Ziele, Entscheidungsfelder und Interdependenzen ausführlich vorgestellt werden. Hierbei wird auch auf die Besonderheiten im Marketing von Dienstleistern, Handelsunternehmen und Investitionsgüteranbietern sowie die Herausforderungen und Entscheidungsfelder im internationalen Marketing eingegangen. Im letzten Teil des Buches werden die Marketingimplementierung und das Marketingcontrolling vorgestellt, die das Marketing im Unternehmen verankern und die Effektivität und Effizienz der Marketingmaßnahmen sicherstellen und verbessern sollen.

Ein solches Buchprojekt kann nicht ohne Unterstützung gelingen. Die Inspiration zu diesem Lehrbuch und zahlreiche inhaltliche Verbesserungsvorschläge verdanke ich meinem Doktorvater, Mentor und Freund Prof. Dr. Hartwig Steffenhagen. Er hat mich mit seinem Lehrbuch »Marketing – Eine Einführung«, ebenfalls erschienen im Kohlhammer-Verlag, 1997 für die Marketingwissenschaft begeistert und meinen beruflichen Weg damit entscheidend geprägt und gefördert. Hartwig Steffenhagen ist dieses Lehrbuch gewidmet. Dem Kohlhammer Verlag und dem Lektor Dr. Uwe Fliegauf danke ich sehr herzlich für die erstklassige Betreuung während des Erstellungsprozesses dieses Lehrbuchs und die professionelle Überarbeitung seiner Inhalte. Schließlich gilt mein großer Dank dem Präsidium und der Geschäftsführung der CBS International Business School sowie vielen Kolleginnen und Kollegen, die mir als wertvolle Sparringspartner gedient haben. Ohne die mir großzügig und unbürokratisch gewährten Freiräume während der Erstellung dieses Buches wäre es mir sicherlich nicht gelungen, ein so zeitintensives Unterfangen anzugehen und abzuschließen.

Nun wünsche ich Ihnen viel Freude bei der Lektüre und viele neue Erkenntnisse!

Aachen, im Juni 2024Christian Dechêne

[11]Teil IGrundlagen des Marketing

[13]1Einführung

1.1Was ist Marketing?

Märkte sind die Arena des Marketing. Unter einem Markt ist das Aufeinandertreffen von Anbietern und Nachfragern von Gütern zu verstehen, die sich von einem Austausch Vorteile versprechen (vgl. Steffenhagen 2008, S. 17). Sie müssen dafür nicht an einem physischen Ort zusammentreffen (z. B. im Supermarkt), sondern können ihre Transaktion auch auf Distanz abwickeln (z. B. durch eine Bestellung bei AMAZON). Durch die starke und die gesamte Gesellschaft betreffende Ausbreitung des Internets haben sich Käufe in den letzten beiden Jahrzehnten zunehmend ins Internet verlagert.

Es gibt drei Voraussetzungen für einen Austausch zwischen Anbietern und Nachfragern:

Der Nachfrager muss vom Tauschobjekt erfahren, d. h. es muss ein Informationsaustausch zwischen den Austauschpartnern stattfinden. Auf vielen Märkten geht die Kommunikation vom Anbieter aus (z. B. über TV-Werbung oder bezahlte Influencer), ein Nachfrager kann aber auch selbst initiativ werden und sich bspw. durch eine Internetrecherche über Produkte informieren.

Beide Parteien müssen einen Anreiz (Gratifikation) zum Tausch haben. Ein Nachfrager wird bspw. nur dann einen Geldbetrag für ein neues Smartphone opfern, wenn er davon ausgeht, ein hochwertiges Gerät mit einer starken Marke zu einem akzeptablen Preis zu erwerben. Der Anbieter wiederum wird dem Nachfrager das Smartphone nur überlassen, wenn er durch den Verkauf seine Kosten decken und Gewinn erzielen kann. Diese Austauschbedingung wird als Gratifikationsprinzip bezeichnet.

Beide Parteien müssen über die notwendigen Ressourcen verfügen, die Transaktion auch durchzuführen zu können. Einem Nachfrager steht nur ein begrenztes Einkommen zur Verfügung, zudem muss er die Zeit aufbringen können, sich über das Produkt zu informieren und es zu kaufen. Dem Anbieter stehen nur begrenzte Produktionskapazitäten und eine beschränkte Zahl an Mitarbeitern zur Verfügung, um das Produkt herzustellen und zu vermarkten. Diese Bedingung für einen Austausch wird als Kapazitätsprinzip bezeichnet.

Darstellung 1 verdeutlicht das Grundmodell eines Austauschs.

Dar. 1:Grundmodell eines Austauschs im Markt (vgl. Meffert et al. 2024, S. 3) [zurück]

Märkte haben sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. Ein Zitat des Automobilproduzenten Henry Ford steht sinnbildlich für das Kräfteverhältnis zwischen Anbietern und Nachfragern nach dem Zweiten Weltkrieg. Er soll gesagt haben, dass jeder Kunde sein Auto in seiner Lieblingsfarbe erhalten kann – solange seine Lieblingsfarbe schwarz ist. Eine solche Situation, in der ein Unternehmen die Austauschbedingungen dominiert, wird als Verkäufermarkt bezeichnet. Ein Verkäufermarkt ist dadurch gekennzeichnet, dass die Nachfrage nach einem Produkt größer ist als das Produktangebot. In einer solchen Situation besteht für die Anbieter keine Notwendigkeit, sich intensiv mit Kundenbedürfnissen auseinanderzusetzen, da der Absatz der Produkte keinen Engpass darstellt. Stattdessen wird ein Unternehmen seine Anstrengungen darauf richten, die Beschaffungs- und Produktionskapazitäten auszuweiten, um mehr Produkte herstellen und verkaufen zu können (vgl. Bruhn 2019, S. 16).

In der heutigen Wohlstandsgesellschaft ist der Bedarf an vielen Gütern weitgehend gesättigt (z. B. Kleidung, TV-Geräte oder Smartphones). Da auf vielen Märkten das Angebot die Nachfrage übersteigt, können die Nachfrager wählen, bei welchem Anbieter sie ihre Produkte kaufen möchten, welchen Preis sie akzeptieren und über welchen Vertriebskanal (z. B. im stationären Handel oder online) sie das Produkt beziehen möchten. Diese Situation wird als Käufermarkt bezeichnet (vgl. Steffenhagen 2008, S. 32). Auf einem Käufermarkt stehen die Anbieter im Wettbewerb um die Gunst der Nachfrager, sodass sie sich zwangsläufig mit den Kundenbedürfnissen auseinandersetzen müssen, um wettbewerbsfähig zu sein. Der Anbieter, der die Bedürfnisse der Kunden z. B. durch Marktforschung am besten einschätzt, kann seine Angebote auch am stärksten auf die Kundenwünsche ausrichten, seinen Preissetzungsspielraum am besten einschätzen und diejenigen Kommunikations- und Vertriebskanäle nutzen, über die Käufer am besten erreicht werden können.

[15]Ein Beispiel soll den Wandel vieler Absatzmärkte von Verkäufer- zu Käufermärkten verdeutlichen: Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg bot VOLKSWAGEN einige Jahre lediglich den VW Käfer an, ein Auto für den Massenmarkt. Bis 1972 verkaufte sich der Käfer über 15 Mio. Mal und wurde zwischenzeitlich zum meistgekauften Auto der Welt. Heute spricht Volkswagen mit seinen Konzernmarken VW, AUDI, PORSCHE, ŠKODA, SEAT, CUPRA u. a. Käufer fast aller sozialen Schichten an, die aus hunderten Modellen in den unterschiedlichsten Qualitäts- und Preislagen auswählen können.

Unternehmen, die auf Käufermärkten erfolgreich sein wollen, zeichnen sich also durch eine starke Kundenorientierung aus. Als IKEA feststellte, dass es einen großen ungedeckten Bedarf an bezahlbaren Möbeln gibt, entwickelte man dort Möbel zum Zusammenbauen, die für fast jedermann erschwinglich sind. APPLE, das Unternehmen mit dem derzeit mit großem Abstand höchsten Markenwert der Welt, steht für innovative Produkte, die weltweit für ihr formschönes Design, ihre hochwertige Verarbeitung und ihre Benutzerfreundlichkeit geschätzt und bewundert werden.

Die Notwendigkeit, kundenorientiert zu handeln, wird durch das strategische Dreieck des Marketing betont (► Dar. 2). Kundenorientierung wird hier verstanden als kontinuierliche Ermittlung und Analyse der individuellen Kundenerwartungen und die Erfüllung dieser Erwartungen durch entsprechende Leistungsangebote. Ziel der Kundenorientierung ist es nicht nur, Kunden einmalig zum Kauf zu bewegen, sondern langfristig stabile und rentable Kundenbeziehungen aufzubauen (vgl. Bruhn 2016, S. 15).

Dar. 2:Das strategische Dreieck des Marketing (vgl. Homburg 2020, S. 24) [zurück]

Das strategische Dreieck betont neben der Kundenorientierung auch die hohe Bedeutung des Wettbewerbs. Auf Käufermärkten reicht es allein nicht aus, eine Leistung anzubieten, die Kundenbedürfnisse befriedigt. Vielmehr muss das Angebot aus Sicht der Käufer attraktiver sein als das der Konkurrenten. Eine Aufgabe des Managements besteht daher darin, strategische Wettbewerbsvorteile aufzubauen [16]und zu verteidigen (vgl. Steffenhagen 2008, S. 53; Backhaus/Voeth 2014, S. 13). Ein Wettbewerbsvorteil liegt insb. dann vor, wenn drei Anforderungen erfüllt sind (vgl. Foscht et al. 2017, S. 4):

Der Leistungsvorteil wird vom Kunden wahrgenommen,

er ist für den Kunden wichtig und

er ist dauerhaft, kann also von der Konkurrenz kurzfristig nicht aufgeholt werden.

Zwei Beispiele sollen verdeutlichen, dass ein Wettbewerbsvorteil sowohl über niedrige Kosten, die einen attraktiven Preis ermöglichen, als auch über eine aus Kundensicht überlegene Leistung, die einen hohen Verkaufspreis rechtfertigt, erreicht werden kann:

Der Wettbewerbsvorteil der Fluglinie RYANAIR besteht darin, Flüge zu Niedrigstpreisen profitabel anbieten zu können. Dafür setzt das Unternehmen auf Kosteneffizienz in allen Bereichen. Durch eine einheitliche Flotte, niedrige Flughafengebühren und eingeschränkten Service an Bord erzielt RYANAIR Kostensenkungen, die es in Form von Niedrigstpreisen an seine Kunden weitergeben kann.

Der Wettbewerbsvorteil des Luxusuhrenherstellers ROLEX besteht nicht einfach darin, hochwertige Uhren herzustellen. Vielmehr verleiht die Marke ihren Trägern das Gefühl von Exklusivität und Status. Zwar bedient ROLEX damit nur einen Nischenmarkt, kann dort aufgrund der hohen Zahlungsbereitschaft der Käufer aber hohe Erträge erzielen.

Was verbirgt sich nun hinter dem Begriff Marketing? Eine sehr prägnante Definition liefern Kotler et al. (2022, S. 42). Sie verstehen »Marketing als ein Konzept zur Befriedigung von Kundenwünschen«. Diese Definition ist jedoch aus zwei Gründen stark verkürzt: Erstens werden Wettbewerber nicht in die Definition eingeschlossen, was der Bedeutung von Wettbewerbsvorteilen nicht gerecht wird. Zweitens lässt die Definition offen, was zu tun ist, um Kundenwünsche zu erfüllen. Daher wird hier ein etwas umfassendere Begriffsverständnis gewählt, das Marketing als ein duales Führungskonzept versteht (vgl. Steffenhagen 2008, S. 49 ff.; Bruhn 2019, S. 13 f.; Meffert et al. 2024, S. 12): Zum einen als Leitkonzept der Unternehmensführung, zum anderen als Unternehmensfunktion, die zahlreiche marktbezogene Aufgaben zu erfüllen hat (► Dar. 3).

Marketing als Leitkonzept der Unternehmensführung bedeutet, dass alle betrieblichen Funktionsbereiche (z. B. neben Marketing auch Beschaffung, Produktion und Finanzierung) auf das Verhalten aller Marktbeteiligten (insb. Kunden und Wettbewerber) auszurichten sind. Alle Mitarbeiter sollen ein Bewusstsein für ihre Verantwortung für den Kundennutzen und zum Auf- und Ausbau von [17]Wettbewerbsvorteilen leisten. Marketing kann damit als eine Unternehmensphilosophie verstanden werden.

Darüber hinaus wird Marketing als eine Unternehmensfunktion verstanden, die neben anderen betrieblichen Grundfunktionen wie Produktion oder Finanzierung steht und bestimmte marktbezogene Aufgaben zu erfüllen hat. Dazu gehören die Informationsgewinnung über Absatzmärkte (Marktforschung), die Auswahl der vielversprechendsten Absatzmärkte und die Beeinflussung von Marktteilnehmern durch die Marketinginstrumente (vgl. Steffenhagen 2008, S. 50).

Dar. 3:Marketing als duales Führungskonzept (vgl. Meffert et al. 2024, S. 13) [zurück]

Wird im Folgenden von Marketing gesprochen, wird der Begriff ausschließlich auf Absatzmärkte bezogen. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass der Begriff auch im Kontext anderer Unternehmensfunktionen verwendet wird (u. a. Beschaffungs-, Personal- und Finanzmarketing).

1.2Welche Aufgaben hat das Marketing?

Die Vielzahl der Aufgaben, die Marketingverantwortliche zu bewältigen haben, werden durch den Marketingmanagementprozess strukturiert und zusammengefasst. Der Aufbau dieses Lehrbuchs orientiert sich an den Schritten des Marketingmanagementprozesses, daher werden diese hier ausführlich und mit Verweis auf die entsprechenden Kapitel vorgestellt.

Um Absatzmärkte erfolgreich bearbeiten zu können, muss ein Unternehmen die Bedürfnisse seiner aktuellen und zukünftigen Kunden zunächst verstehen. Das [18]dritte Kapitel dieses Lehrbuchs führt den Leser daher zunächst in die Konsumentenverhaltensforschung ein. Ihr Ziel ist es, das Verhalten von Konsumenten vor, während und nach dem Kauf zu verstehen, um sie mithilfe der Marketinginstrumente erfolgreich gewinnen und an das Unternehmen binden zu können. Auf das Marketing gegenüber Organisationen (insb. Unternehmen), das sich vom Konsumentenverhalten stark unterscheidet, wird an späterer Stelle eingegangen (► Kap. 12.3).

Um Märkte und Marktteilnehmer beschreiben und verstehen zu können, benötigt ein Unternehmen Informationen über seine Absatzmärkte. Diese Informationen werden von der Marktforschung produziert, aufbereitet und den Entscheidungsträgern bereitgestellt. Das vierte Kapitel dieses Buches stellt daher die Methoden der Marktforschung vor. Es wird u. a. dargelegt, wie Marktforschungsuntersuchungen zu strukturieren sind, welche Methoden der Datengewinnung zur Verfügung stehen und anhand welcher Methoden die gewonnenen Informationen ausgewertet und dokumentiert werden können.

Der Marketingmanagementprozess umfasst sechs Schritte, die nacheinander durchlaufen werden, jedoch durch Rückkopplungsschleifen miteinander verbunden sind (vgl. Meffert et al. 2024, S. 21-24). Die Situationsanalyse bildet den Ausgangspunkt des Marketingmanagement. Ihre Aufgabe besteht darin, den Entscheidungsträgern anhand der Methoden der Marktforschung die für Marketingentscheidungen benötigten Informationen bereitzustellen. Im Kern geht es um zwei Fragen:

Ist ein Absatzmarkt so attraktiv, dass es sich lohnt, ihn zu bearbeiten?

Kann sich das Unternehmen auf diesem Markt behaupten und Wettbewerbsvorteile aufbauen und verteidigen?

Erst durch die integrierte Betrachtung der Marktattraktivität und der eigenen Wettbewerbsposition kann ein Anbieter einschätzen, auf welchen Märkten er erfolgreich bestehen kann. Mit der Situationsanalyse beschäftigt sich das fünfte Kapitel dieses Buches.

Im Anschluss an die Situationsanalyse sind Marketingziele zu formulieren. Sie sind die für den Marketingbereich festgelegten Vorzugszustände (»Wo wollen wir hin?«, z. B. Qualitäts- oder Preisführerschaft in einem Marktsegment) und sind Ausgangspunkt für die Formulierung einer Marketingstrategie. Marketingziele werden dabei nicht autonom gesetzt, vielmehr werden sie aus den übergeordneten Unternehmenszielen (v. a. Gewinnerzielung) abgeleitet. Neben ökonomischen, beobachtbaren Marketingzielen wie dem Umsatz oder Marktanteil sind dem beobachtbaren Kaufverhalten vorgelagerte psychografische, d. h. nicht beobachtbare (innere) Ziele wie Markenbekanntheit oder Einstellungen festzulegen. An dieser Stelle sei bereits angemerkt, dass die Überordnung von Marketingzielen gegenüber dem folgenden Schritt der Strategieformulierung stark vereinfachend ist, denn auch im Rahmen der Strategieformulierung sind Ziele zu formulieren, um der Marketingstrategie eine Stoßrichtung vorzugeben (vgl. Steffenhagen 2002). Mit der Formulierung von Marketingzielen setzt sich Kapitel 6 auseinander.

[19]Sind die Marketingziele festgelegt, kann eine auf deren Erreichung ausgelegte Marketingstrategie entwickelt werden. Eine Marketingstrategie ist ein mittel- bis langfristig ausgelegter Verhaltensplan, um die Marketingziele zu erreichen. Im Zentrum einer Marketingstrategie stehen:

Kunden: Es muss entschieden werden, mit welchen Produkten welche Kunden angesprochen werden sollen. Je nachdem, ob sich das Unternehmen eher auf etablierte oder neue Produkte bzw. auf bestehende oder neue Kunden konzentrieren möchte, ergeben sich unterschiedliche Strategiemuster.

Wettbewerber: Es muss festgelegt werden, wie sich das Unternehmen im Wettbewerb behaupten möchte. Hier ist zwischen einer Strategie der Differenzierung, die auf bessere Leistungen als die der Wettbewerber abzielt bzw. einer Kostenführerschaft zu wählen.

Händler: Konsumgüter werden i. d. R. über den Handel vertrieben. Daher müssen v. a. im Konsumgütermarketing Strategien entwickelt werden, wie der Handel bestmöglich in die Vermarktungskette eines Herstellers integriert werden kann (sog. vertikales Marketing).

Der Entwicklung von Marketingstrategien widmet sich Kapitel 7.

Um die Marketingstrategie umzusetzen, sind Marketinginstrumente auf die Zielgruppen des Unternehmens auszurichten und zu einem sog. Marketing-Mix zu integrieren. Marketinginstrumente sind Werkzeuge, mit denen Absatzmärkte bearbeitet und Marktteilnehmer beeinflusst werden können (vgl. Steffenhagen 2000, S. 145 ff.). Zur Systematisierung dieser Instrumente wird in Wissenschaft und Praxis häufig auf die auf McCarthy zurückgehende Systematisierung der »4P« zurückgegriffen (vgl. McCarthy 1960). Diese Instrumente sind:

Product: Produktpolitik (► Kap. 8)

Price: Preispolitik (► Kap. 9)

Promotion: Kommunikationspolitik (► Kap. 10)

Place: Distributionspolitik (► Kap. 11)

Das Marketing von Sachgütern und von Dienstleistungen unterscheidet sich stark. Da bei vielen Dienstleistungen Anbieter und Nachfrager unmittelbar aufeinandertreffen (z. B. in einem Beratungsgespräch in einer Bank), üben das Personal und die Räumlichkeiten des Dienstleisters eine starke Beeinflussungsfunktion aus. Auch die Wertschöpfungsprozesse eines Dienstleisters werden für den Kunden oft transparent. Daher werden die klassischen vier P im Dienstleistungsmarketing um folgende drei Instrumente ergänzt:

People: Personalpolitik

Processes: Prozesspolitik

Physical Facilities: Ausstattungspolitik

[20]Das zwölfte Kapitel setzt sich mit institutionellen Besonderheiten des Marketing, d. h. wirtschaftssektorenspezifische Besonderheiten auseinander. Hier werden das Dienstleistungsmarketing (► Kap. 12.1), das Handelsmarketing (► Kap. 12.2), das Investitionsgütermarketing (► Kap. 12.3) und das internationale Marketing (► Kap. 12.4) näher vorgestellt.

Aufgabe der Marketingimplementierung ist es, im Unternehmen die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Marketingstrategie umzusetzen und durchzusetzen. Hier wird über die Marketingorganisation entschieden, bei der Verantwortlichkeiten und Informationsflüsse geregelt werden. Auch wird hier über die Budgetierung des Marketing entschieden. Ein leistungsfähiges Informationssystem bereitzustellen, das die entscheidungsrelevanten Daten tagesaktuell zur Verfügung stellt, gehört ebenfalls zu den Aufgaben der Marketingimplementierung. Mit der Marketingimplementierung setzt sich Kapitel 13 auseinander.

Den Abschluss des Marketingmanagementprozesses bildet das Marketingcontrolling, dessen Aufgabe es ist, die Effektivität und Effizienz des Marketings sowie Zielerreichungsgrade und Abweichungen festzustellen und – falls erforderlich – Anpassungen in allen vorangegangenen Schritten des Marketingmanagementprozesses anzustoßen. Darüber hinaus sollen die Ursachen der Abweichungen festgestellt werden, um Prozesse und Strukturen im Marketing zu verbessern. Das Marketingcontrolling wird in Kapitel 14 näher vorgestellt.

Darstellung 4 zeigt den Marketingmanagementprozess im Überblick.

Dar. 4:Aufgaben des Marketing als Managementprozess (vgl. Meffert et al. 2024, S. 20) [zurück]

[21]1.3Was wird getauscht?

Zwischen Anbietern und Nachfragern werden sehr unterschiedliche Objekte ausgetauscht. Diese Objekte lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen. Als Tauschobjekte kommen grundsätzlich Sachgüter, Dienstleistungen, Informationen (z. B. Marktforschungsergebnisse), Geld (z. B. Kredite) und Rechte (z. B. Softwarelizenzen) in Betracht (vgl. Steffenhagen 2008, S. 17; Runia et al. 2019, S. 187 f.). Im Zuge der flächendeckenden Verbreitung des Internets ist noch eine weitere Güterart entstanden, die als digitale Güter bezeichnet werden (vgl. Homburg 2020, S. 600). Im Vordergrund dieses Buches stehen Sachgüter, Dienstleistungen und digitale Güter, daher werden diese hier näher vorgestellt. Darstellung 5 zeigt überblicksartig, was sich hinter diesen Kategorien verbirgt.

Dar. 5:Grundlegende Typologisierung von Produkten (vgl. Walsh et al. 2020, S. 283) [zurück]

Sachgüter sind materielle Güter und lassen sich je nach Verwendungszweck in Konsumgüter und Investitionsgüter unterteilen. Konsumgüter sind Leistungen, die von Endverbrauchern (synonym: Konsumenten, private Haushalte) erworben werden. Sie lassen sich anhand folgender Kriterien untergliedern:

Nach ihrer Nutzungsdauer lassen sich Konsumgüter in Verbrauchsgüter und Gebrauchsgüter unterteilen (vgl. Runia et al. 2019, S. 189 f.). Verbrauchsgüter (sog. Fast Moving Consumer Goods, FMCG) gehen unmittelbar im Nutzungsprozess unter und haben meist kurze Wiederkaufzyklen (z. B. Lebensmittel, Körperpflegeprodukte). Gebrauchsgüter überdauern im Regelfall viele Verwendungseinsätze (z. B. Fernsehgeräte, Kühlschränke) und erfordern oft einen höheren Service- sowie Beratungsaufwand, weswegen sie häufig über ausgewählte Fachhandelsgeschäfte mit hoher Beratungskompetenz vertrieben werden.

[22]Nach der Bedarfssituation des Käufers lassen sich Güter des regelmäßigen Bedarfs (z. B. Brot, Milchprodukte) und Güter des aperiodischen Bedarfs (z. B. Medikamente) unterscheiden. Aus der Sicht der Produzenten ist die Nachfrage nach regelmäßig konsumierten Sachgütern besser planbar.

Nach der Kaufgewohnheit lassen sich Convenience Goods, Shopping Goods und Specialty Goods unterscheiden (vgl. Runia et al. 2019, S. 190). Convenience Goods sind Waren des täglichen Bedarfs, die ohne größere Planung und mit minimalem Vergleichs- und Einkaufsaufwand oftmals impulsiv erworben werden (z. B. Softdrinks, Backwaren). Hier ist das Risiko eines Fehlkaufs sehr gering. Shopping Goods sind Gebrauchsgüter, vor deren Kauf Menschen umfangreiche Such-, Vergleichs- und Auswahlprozesse vornehmen, um zu einem fundierten Urteil zu kommen (z. B. Schuhe, Smartphones). Specialty Goods sind Güter, für die ein hoher finanzieller Aufwand betrieben werden muss (z. B. Eigentumswohnungen, Designermöbel). Da sie einen hohen Kaufpreis haben und selten gekauft werden, investiert ein Käufer viel Zeit in die Kaufentscheidung. Zum Vergleich werden Merkmale wie Qualität, Preis, Design und Funktionalität herangezogen.

Produkte werden als Investitionsgüter (häufig wird der Begriff Industriegüter synonym verwendet) bezeichnet, wenn sie von Organisationen (z. B. Unternehmen, Staat) beschafft werden, um mit ihrem Einsatz weitere Güter zu erstellen oder sie im sog. Produktionsverbindungshandel (z. B. Stahl, Schrauben) weiterzuverkaufen (vgl. Engelhardt/Günter 1981, S. 24). Am Kauf von Investitionsgütern sind häufig mehrere Personen beteiligt (sog. Buying Center), weshalb Kaufprozesse oft wesentlich zeitintensiver als bei Konsumgütern ausfallen. Auf die Besonderheiten im Investitionsgütermarketing geht Kapitel 12.3 genauer ein.

Wirtschaftlich hochentwickelte Volkswirtschaften wie Deutschland, die USA oder Japan werden auch als Dienstleistungsgesellschaften bezeichnet, da Dienstleistungen (Services) mit fast 70 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) den größten Anteil an der deutschen Wertschöpfung ausmachen. Die Definition des Begriffs Dienstleistung fällt nicht leicht, da es die unterschiedlichsten Dienstleistungen gibt. Hierzu gehört eine ärztliche Behandlung genauso wie ein Kinobesuch oder die Reparatur eines Autos. Daher werden an dieser Stelle die typischen Merkmale von Dienstleistungen vorgestellt (vgl. Hilke 1989; Meyer 1996; Meffert et al. 2024, S. 29 f.):

Dienstleistungen sind immateriell, d. h. der Käufer kann sie vor dem Kauf nicht sehen, hören oder anfassen. Das empfundene Risiko eines Fehlkaufs ist daher tendenziell höher als bei Sachgütern, die vor dem Kauf häufig ausprobiert werden können. Aus diesem Grunde spielen die Reputation des Anbieters, eine starke Marke und Bewertungsportale hier eine große Rolle.

Die Erbringung und Nutzung einer Dienstleistung fallen zeitlich zusammen. Dienstleistungen können daher im Unterschied zu Sachgütern nicht gelagert und nicht transportiert werden.

[23]Der Nachfrager oder ein von ihm bereitgestelltes Objekt wird in die Dienstleistungserstellung integriert. Bei einem Arztbesuch muss der Patient dem Arzt seine Schmerzen beschreiben, eine Autoreparatur kann nur durchgeführt werden, wenn der Kunde der Werkstatt das Auto zeitweilig überlässt.

Durch die Integration des Kunden in den Wertschöpfungsprozess sind Qualitätsschwankungen höher als bei Sachgütern, an deren Produktion der Käufer nicht beteiligt ist.

Nicht alle Dienstleistungen werden von Endverbrauchern gekauft, auch Unternehmen fragen Dienstleistungen nach. Zum Beispiel beauftragen Unternehmen spezialisierte Anbieter, ihre Gebäude zu reinigen, den Fuhrpark zu verwalten oder das Top-Management zu beraten. Das Dienstleistungsmarketing wird in Kapitel 12.1 noch vertiefend behandelt.

Vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung gewinnen digitale Güter im Marketing stark an Bedeutung (vgl. Walsh et al. 2020, S. 286). Wie auch Dienstleistungen sind sie immaterieller Natur. Digitale Güter wie z. B. Software, Online-Zeitungen, E-Books oder Streamingdienste werden anhand elektronischer Infrastruktur (Hardware, Internet) entwickelt, vertrieben und genutzt (vgl. Luxem 2001, S. 24, Subramani/Walden 2001, S. 139 f.; Loebbecke 2002, S. 635). Im Gegensatz zu Dienstleistungen, die grundsätzlich unabhängig von anderen Gütern erbracht werden können (z. B. eine Rechtsberatung), sind digitale Güter nur mithilfe dieser technischen Infrastruktur nutzbar. Sie weisen einige charakteristische Eigenschaften auf:

Die Produktion digitaler Güter verursacht im Regelfall hohe Fixkosten (first-copy-costs) und geringe variable Kosten der Vervielfältigung (vgl. Bhattacharjee et al. 2011; Jacob 2015, S. 75).

Die Nutzung eines digitalen Gutes durch einen Nachfrager schließt die gleichzeitige Nutzung durch andere Nachfrager grundsätzlich nicht aus (vgl. Rayna 2008, S. 17 f.), d. h. es besteht keine Rivalität im Konsum. Während bspw. ein gedrucktes Buch nur von einer Person gelesen werden kann, ist ein E-Book grundsätzlich von einer beliebigen Zahl an Lesern gleichzeitig nutzbar.

Digitale Güter unterliegen im Gegensatz zu Sachgütern keiner Abnutzung durch ihren Gebrauch, sondern weisen eine konstant hohe Qualität auf.

Da digitale Güter eine Systemtechnologie voraussetzen, steigt ihr Nutzen i. d. R. mit zunehmender Nutzerzahl (Netzwerkeffekt), wie etwa die Beispiele NETFLIX (Streaminganbieter) und AUDIBLE (Hörbuchanbieter) zeigen.

Der Begriff Produkt wird in diesem Lehrbuch sehr weit definiert: Er umfasst neben Sachgütern auch Dienstleistungen und digitale Güter.

[24]1.4Wer sind die Spieler?

Am Zustandekommen von Austauschprozessen sind meist mehr Akteure beteiligt als lediglich ein Anbieter und ein Nachfrager. Diese Akteure übernehmen unterschiedliche Funktionen im Markt und verfolgen unterschiedliche Zielsetzungen. Folgende Marktteilnehmer können an Austauschbeziehungen beteiligt sein (vgl. hierzu Steffenhagen 2008, S. 25 ff.; Meffert et al. 2024, S. 55 f.):

Zu den Nachfragern zählen Konsumenten, Haushalte, Unternehmen, öffentliche (z. B. Behörden) und andere Institutionen (z. B. Vereine, Verbände). Auch der Staat kann Nachfrager sein, etwa beim Kauf von Rüstungsgütern. Dabei muss der Nachfrager nicht gleichzeitig der Nutzer einer Leistung sein, z. B. wenn Eltern für ihre Kinder ein Geschenk kaufen oder ein professioneller Einkäufer für eine Fachabteilung Büromaterial bestellt. Neben den aktuellen Nachfragern gibt es die potenziellen Nachfrager, die ein Bedürfnis haben, das Produkt zu kaufen, jedoch oftmals nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügen (z. B. Kauf eines PORSCHE).

Aktuelle Anbieter (Konkurrenten, Wettbewerber) stellen bestimmte Leistungen her und bieten sie am Markt an. Hierunter fallen insb. Produzenten von Sachgütern, Dienstleistungen und digitalen Gütern. Diese Anbieter stehen zueinander im Wettbewerb und bieten häufig ähnliche Leistungen an. Wer zu den Wettbewerbern eines Unternehmens gehört, hängt ebenfalls von der Abgrenzung des Marktes ab. Es gibt sowohl Massenmärkte (z. B. für Erfrischungsgetränke) mit einer Vielzahl an Anbietern und Nachfragern als auch Nischenmärkte, in denen wenige Anbieter einer kleinen Zahl an Nachfragern gegenüberstehen (z. B. Rüstungsgüter). Neben den aktuellen Anbietern gibt es auch potenzielle Anbieter. Durch die Globalisierung sind viele potenzielle Anbieter aus dem Ausland zu aktuellen Anbietern geworden. So sind viele asiatische Automobilehersteller (z. B. TOYOTA, HONDA) in den 1970er-Jahren in den deutschen Markt eingestiegen und sind seitdem Wettbewerber der heimischen Automobilproduzenten.

In der Regel werden Sachgüter nicht direkt von der Industrie an Konsumenten verkauft, sondern es sind Absatzmittler (Händler) involviert. Dies sind Unternehmen, die Waren einkaufen und sie ohne nennenswerte Veränderung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung mit Gewinnabsicht weiterverkaufen (vgl. Homburg 2020, S. 1096). Absatzmittler lassen sich in Großhändler und Einzelhändler unterscheiden. Während Großhändler (z. B. METRO) ihre Waren ausschließlich an den Einzelhandel (z. B. Supermärkte) und professionelle Verwender weiterveräußern, verkaufen Einzelhändler (z. B. EDEKA, FOOT LOCKER) ihre Waren in gewöhnlich kleinen Mengen vorrangig an Konsumenten. Absatzmittler können im Markt verschiedene Funktionen übernehmen: Sie stellen ein Sortiment zusammen, beraten Kunden, können Transport und Lagerhaltung übernehmen und bewerben ihr Sortiment und damit auch die Produkte der Hersteller (vgl. Homburg 2020, S. 952). Auf die Marketinganstrengungen des Handels gegenüber den Konsumenten wird in Kapitel 12.2 noch eingegangen.

Absatzhelfer (Service-Anbieter) sind rechtlich selbstständige Marktakteure, die bei dem Zustandekommen von Austauschprozessen unterstützend tätig sind. [25]Im Gegensatz zu Absatzmittlern erwerben sie kein Eigentum am Austauschobjekt. Unter die Rubrik der Service-Anbieter fallen u. a. sog. Influencer, Logistikdienstleister und Lieferdienste, Banken, Handelsvertreter, Makler und Vertriebsagenturen (vgl. Meffert et al. 2024, S. 56 f.; Homburg 2020, S. 946).

Beispiele:

Bezahlte Influencer bewerben Produkte und fördern so den Absatz von Anbietern.

Der Küchengerätehersteller VORWERK setzt beim Vertrieb seiner Produkte begeisterte Produktnutzer ein, welche die Produkte (z. B. den Thermomix) im Bekanntenkreis vorstellen. Erfolgt ein Kaufabschluss, werden sie über eine Provision vergütet.

Paketdienste fungieren oft als Bindeglied z. B. zwischen Online-Händlern und Konsumenten.

Investmentbanken stellen Unternehmen oft hohe Kreditsummen zur Verfügung, die diese zur Finanzierung teurer Investitionsgüter verwenden.

Beeinflusser sind Marktteilnehmer, die einen Beitrag zur Markttransparenz und Verbraucheraufklärung übernehmen. Hierfür müssen sie keine vertragliche Beziehung zu Anbietern und Nachfragern unterhalten. Zu den Beeinflussern gehören u. a. Warentestinstitute (z. B. STIFTUNG WARENTEST), Verbraucherberatungen (z. B. VERBRAUCHERZENTRALE), Internetportale (z. B. CHECK24), Freunde, Bekannte und Blogger. Mittels eigener Informationsmedien (z. B. Internet, Zeitschriften und Broschüren) oder Mundpropaganda beeinflussen sie das Zustandekommen von Austauschprozessen (vgl. Meffert et al. 2024, S. 57).

Darstellung 6 verdeutlicht die Beziehungen zwischen diesen Marktakteuren aus der Perspektive eines Herstellers (z. B. dem Lebensmittelhersteller NESTLÉ).

Dar. 6:Marktbeteiligte in Absatzmärkten (vgl. Steffenhagen 2008, S. 28) [zurück]

[26]Der Staat greift – nicht nur als Nachfrager – auf unterschiedliche Weise in das Marktgeschehen ein. Er kann auch Anbieter von Leistungen für Konsumenten und Unternehmen sein. Dazu gehört beispielweise die DEUTSCHE BAHN im Personenverkehr. Darüber hinaus greift der Staat u. a. über Gebote (z. B. Ladenöffnungszeiten) und Verbote (z. B. Kartellverbot) sowie durch die Erhebung von Steuern (z. B. Mehrwertsteuer) und Zöllen regulierend in das Wirtschaftsgeschehen ein. Auch Konsumenten können auf Märkten als Anbieter auftreten, etwa indem sie gebrauchte Produkte im Internet (z. B. auf EBAY) oder einem Flohmarkt anbieten.

Zwischen den vorgestellten Marktakteuren bestehen vielfältige Beziehungen (vgl. Steffenhagen 2008, S. 29 ff.). Hierzu gehören:

Kommunikationsbeziehungen: Durch Kommunikation versuchen Anbieter und Nachfrager sich ein möglichst aussagekräftiges Bild von der jeweils anderen Marktseite zu verschaffen und diese zu beeinflussen. Seitens der Anbieter kann dies durch unpersönliche TV- oder Online-Werbung oder persönliche Kommunikation (z. B. im Rahmen eines Beratungsgesprächs) erreicht werden. Die Kommunikation kann auch vom Nachfrager ausgehen, indem er sich z. B. über eine Internetrecherche oder direkt beim Anbieter über Produkte informiert. Auch auf derselben Marktstufe bestehen Kommunikationsbeziehungen: Anbieter können sich z. B. auf Messen oder in Branchenverbänden über neue Marktentwicklungen austauschen, Konsumenten sprechen mit Freunden und Bekannten über ihre Erfahrungen mit Produkten oder orientieren sich bei der Auswahl an Produktbewertungen im Internet.

Marktteilnehmer stehen nicht nur im Wettbewerb zueinander, häufig ergeben sich auch Kooperationsbeziehungen, wenn die Akteure ähnliche Interessen verfolgen. Dies kann bspw. durch gemeinsame Werbung oder im Rahmen von Konsortien erfolgen, bei denen Anbieter gemeinsam Leistungen erbringen, wie es bei komplexen Investitionsgütern (z. B. Berliner Flughafen BER) geschieht. Auch Konsumenten können miteinander kooperieren, indem sie Sammelbestellungen aufgeben, um Mengenrabatte zu erzielen.

Gewöhnlich sind die Beziehungen zwischen den Anbietern in einem Markt eher von Wettbewerb als von Kooperation geprägt. Zwischen ihnen liegt eine Wettbewerbsbeziehung vor, wenn sich die Ziele beider Parteien ähneln (z. B. Erzielung hoher Gewinne), jede Partei ihr Ziel jedoch nur erreichen kann, indem sie die andere Partei an der Zielerreichung hindert. Der Wettbewerb ist gewöhnlich umso stärker, je größer die Angebotsmenge und je kleiner die Nachfrage in einem Markt ist (Käufermärkte). Aber auch Nachfrager können sich in einer Wettbewerbssituation befinden, wenn bspw. mehrere Nachfrager um eine attraktive Immobilie oder Spielekonsolen (z. B. PLAYSTATION) konkurrieren.

Wenn Marktteilnehmer andere Akteure zu Maßnahmen veranlassen können, die diese sonst nicht ergriffen hätten, liegt eine Machtbeziehung vor. Wenn ein Hersteller bspw. bei den Konsumenten starke Präferenzen für seine Marke aufbaut, setzt er den Handel unter Druck, diese Marke ins Sortiment aufzunehmen. So musste der Discounter ALDI die Marke COCA-COLA ins Sortiment [27]aufnehmen, um keine Kunden an den Wettbewerb zu verlieren. Umgekehrt können viele Lebensmitteleinzelhändler ihre Lieferanten dazu bewegen, exklusiv für diesen Händler eine Marke zu produzieren.

1.5Was ist das Spielfeld?

Neben den Marktbeteiligten ist von Interesse, welche Arten von Märkten für das Marketing von Bedeutung sind. Märkte lassen sich dabei anhand verschiedener Kriterien abgrenzen (vgl. Meffert et al. 2024, S. 58; Homburg 2020, S. 3 f.):

Je nach der Anzahl der Anbieter und Nachfrager auf einem Markt wird zwischen den Marktformen Monopol, Oligopol und Polypol unterschieden. Bietet lediglich ein Anbieter Produkte an, wird von einem Monopol gesprochen (z. B. DEUTSCHE BAHN im Personenverkehr). Wird der Markt von einer kleinen Zahl an Anbietern bearbeitet, liegt ein Oligopol vor (z. B. Rüstungsunternehmen). Bieten auf einem Markt viele Anbieter vergleichbare Produkte an, spricht man von einem Polypol. Je geringer die Anzahl der Akteure auf einer Marktseite ist, desto stärker kann ein einzelner Marktteilnehmer die Austauschbedingungen i. d. R. zu seinen Gunsten beeinflussen. So kann ein Monopolist höhere Preise durchsetzen als ein Anbieter, der sich auf einem Markt mit vielen Wettbewerbern befindet (vgl. Olbrich/Battenfeld 2014, S. 43).

Nach der Richtung der Transaktion wird zwischen Beschaffungs- und Absatzmärkten differenziert. Aus der Sicht des Nachfragers umfasst ein Beschaffungsmarkt alle Anbieter eines Beschaffungsobjektes sowie alle Nachfrager, mit denen der Nachfrager um die Beschaffungsobjekte konkurriert.

Nach den getauschten Gütern kann – wie oben bereits erläutert – zwischen Konsumgütern (Kunden sind Endverbraucher) und Investitionsgütern (Kunden sind Organisationen) unterschieden werden. Darüber hinaus werden Dienstleistungen getauscht, die ebenfalls an Endverbraucher (konsumtive Dienstleistungen) bzw. Organisationen (investive Dienstleistungen) verkauft werden.

Nach regionaler Ausdehnung werden regionale Märkte, Ländermärkte, internationale Märkte und globale Märkte unterschieden. Während Dienstleister häufig regionale Märkte bearbeiten (sie können ihre Leistungen nicht transportieren), bearbeiten viele Industrieunternehmen globale Märkte (z. B. COCA-COLA, HEINEKEN). Die Besonderheiten des internationalen Marketing werden in Kapitel 12.4 vorgestellt.

Nach der Transaktionsart lassen sich stationäre und (elektronische) Distanzmärkte unterscheiden. In der Vergangenheit war es üblich, dass sich Anbieter und Nachfrager zu einem Austausch an einem Ort zusammenfinden. Durch das Internet oder im Versandhandel (z. B. OTTO) lassen sich Transaktionen auch auf Distanz abwickeln.

Nach der Machtverteilung lassen sich – wie oben bereits erläutert – Verkäufer- und Käufermärkte unterscheiden.

[28]Aus Sicht eines Anbieters sind insb. die Absatzmärkte von Bedeutung, auf denen das Unternehmen auf Kunden und Wettbewerber trifft. Hier stellt sich die Frage, wer die relevanten Akteure in seinem Markt sind. Die Beantwortung dieser Frage wird als Marktabgrenzung bezeichnet (vgl. Homburg 2020, S. 4; Steffenhagen 2008, S. 37). Sie umfasst die Strukturierung eines Marktes und die Eingrenzung auf relevante Marktbereiche. Als relevanter Markt eines Anbieters wird derjenige Markt bezeichnet, auf dem ein Anbieter seine Leistungen anbieten möchte. Zur Abgrenzung des relevanten Markts können verschiedene Kriterien herangezogen werden (vgl. Steffenhagen 2008, S. 40; Backhaus/Schneider 2009, S. 55 ff.; Homburg 2020, S. 4 f.; Meffert et al. 2024, S. 60):

Die sachliche Marktabgrenzung orientiert sich an der Art der Leistungen, die das Unternehmen anbietet. Dies ist problematisch, wenn Käufer ihr Bedürfnis durch unterschiedliche Technologien befriedigen können. Ein Berufspendler kann bspw. per Auto, Bahn oder Fahrrad zur Arbeit fahren.

Bei der bedürfnisbezogenen Marktabgrenzung sind alle Anbieter Wettbewerber, die das Bedürfnis eines Kunden lösen können. Will ein Konsument bspw. seinen Nachmittag unterhaltsam gestalten, wären ein Freizeitpark und ein Kino direkte Wettbewerber.

Bei der räumlichen Marktabgrenzung wird der Markt örtlich definiert, d. h. alle Anbieter sind als Wettbewerber anzusehen, die in einem räumlich definierten Umfeld tätig sind (z. B. alle Lieferdienste für Fast Food in Aachen).

Bei einer zeitlichen Marktabgrenzung geht es um die Frage, ob ein Markt zeitlich begrenzt ist oder nicht. Dies ist v. a. bei Saisonprodukten (z. B. Karnevalsartikel, Osterhasen) der Fall.

Nachdem ein Anbieter seine relevanten Märkte abgegrenzt und seine Tätigkeitsfelder festgelegt hat, muss er im nächsten Schritt entscheiden, welche Zielgruppen er auf diesen Märkten ansprechen möchte. Diese Entscheidung wird auf der Grundlage einer Marktsegmentierung getroffen. Unter einer Marktsegmentierung ist die Aufteilung eines heterogenen Gesamtmarktes in homogene Teilmärkte (Segmente) zu verstehen (vgl. Bauer 1977, S. 59 ff.; Freter 1983, S. 18; Steffenhagen 2008, S. 37 ff.; Homburg 2020, S. 519). Die Käufer innerhalb eines Segmentes weisen viele Gemeinsamkeiten z. B. bezüglich ihrer Kaufkraft, Bedürfnisse oder Reaktion auf Marketingmaßnahmen auf, unterscheiden sich jedoch stark von den Käufern anderer Marktsegmente. Eine Marktsegmentierung hat zwei Komponenten (vgl. Meffert et al. 2024, S. 215 f.; Scharf et al. 2022, S. 314): Gegenstand der Markterfassung ist die Gewinnung von Erkenntnissen über die einzelnen Marktsegmente. Dies erfordert einerseits Erklärungsmodelle zum Konsumentenverhalten (► Kap. 3), zum anderen die Erhebung und Auswertung von Informationen über die Konsumenten und ihre Reaktion auf Marketingmaßnahmen (Marktsegmentierung im engeren Sinne). Die zweite Komponente der Marktbearbeitung betrifft die Auswahl der Zielsegmente, die Strategien der Segmentabdeckung und Bearbeitung dieser Segmente anhand des Marketing-Mix. Darstellung 7 fasst beide Komponenten zusammen.

Dar. 7:Komponenten einer Marktsegmentierung (vgl. Meffert et al. 2024, S. 216 in Anlehnung an Freter 2008) [zurück]

Die Bildung der Marktsegmente erfolgt anhand von Abgrenzungskriterien. Die Vielzahl denkbarer Segmentierungskriterien lässt sich drei Kategorien zuordnen (► Dar. 8): soziodemografische, psychografische und kaufverhaltensorientierte Kriterien (vgl. Kotler et al. 2022; Steffenhagen 2008, S. 42):

Dar. 8:Kriterien der Marktsegmentierung (vgl. Kreutzer 2017, S. 189) [zurück]

Soziodemografische Kriterien beschreiben die Kunden u. a. anhand ihres Alters, Geschlechts, Einkommens oder ihrer Schulbildung. Soziodemografische Daten sind recht einfach zu messen, daher werden sie in der Praxis häufig zur Segmentierung genutzt.

Psychografische Kriterien beziehen sich auf nicht beobachtbare Merkmale »im Kopf« eines Konsumenten. Hierzu gehören u. a. Persönlichkeitsmerkmale, Lebens[30]stil und Einstellungen. Sie bestimmen maßgeblich das Handeln von Kunden und ihre Reaktion auf Marketingmaßnahmen. Ihre Messung stellt allerdings erhebliche Anforderungen an die Marktforschung.

Kaufverhaltensorientierte Kriterien beziehen sich auf beobachtbares Kaufverhalten. Anders als bei soziodemografischen und bei psychografischen Kriterien handelt es sich nicht um Variablen, die das Kaufverhalten erklären, sondern um Ergebnisse von Kaufentscheidungsprozessen. Hierzu gehören etwa die Wahl bestimmter Produkte und ihrer Kaufhäufigkeit oder die Nutzung bestimmter Kommunikationskanäle (z. B. Social Media).

An eine Marktsegmentierung sind verschiedene Anforderungen zu stellen (vgl. Homburg 2020, S. 519; Becker 2019, S. 248 ff.; Kotler 2022, S. 361):

Kaufverhaltensrelevanz: Die Segmente unterscheiden sich hinsichtlich des Kaufverhaltens ihrer Mitglieder deutlich voneinander.

Aussagekraft für Marketinginstrumente: Es muss möglich sein, die Mitglieder der einzelnen Segmente durch Marketingaktivitäten zu erreichen bzw. zu bearbeiten.

Messbarkeit: Segmentierungskriterien sollten mit vertretbarem Aufwand messbar sein. Dies ist – wie oben angesprochen – bei psychografischen Kriterien oft problematisch.

Erreichbarkeit: Die Segmente müssen mit geeigneten Marketingmaßnahmen erreichbar sein.

Zeitliche Stabilität: Struktur (Art und Anzahl) der Segmente und Zugehörigkeit von Personen zu den Segmenten sollten über längere Zeit stabil sein.

Wirtschaftlichkeit: Die Segmente sollten mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand erfassbar und bearbeitbar sein.

Ein Beispiel für eine Marktsegmentierung mit dem Schwerpunkt auf verhaltensorientierten Merkmalen soll illustrieren, was das Ergebnis einer solchen Segmentierung sein könnte (Kotler et al. 2017, S. 325 f.): »Constellation Brands, ein Unternehmen, das alkoholische Getränke herstellt und vertreibt, arbeitete sechs unterschiedliche Käufersegmente im oberen Weinmarkt der USA (ab 5 Euro pro Flasche) heraus.

Enthusiasten (12 Prozent des Markts): Weibliche Konsumenten sind stärker vertreten, sie verfügen über ein durchschnittliches Jahreseinkommen von umgerechnet etwa 70.000 Euro. Ungefähr drei Prozent zählen zu den »Luxusenthusiasten«, wobei es mehr Männer mit einem höheren Einkommen gibt.

Imagesucher (20 Prozent): Das einzige Segment, bei dem es mehr männliche Verbraucher gibt, die im Durchschnitt 35 Jahre alt sind. Sie trinken Wein hauptsächlich, um zu zeigen, wer sie sind und sind deshalb auch bereit, mehr auszugeben, um sicherzugehen, dass sie die richtige Flasche Wein erwerben.

[31]Clevere Shopper (15 Prozent): Diese Gruppe geht gerne einkaufen und findet, dass sie für eine gute Flasche Wein nicht viel Geld ausgeben muss. Sie bedient sich gerne an Angebotstischen.

Traditionalisten (16 Prozent): Sie pflegen traditionelle Werte und greifen gerne zu Marken, von denen sie bereits gehört haben, und kaufen von Winzern, die schon länger am Markt sind. Sie sind im Durchschnitt 50 Jahre alt und zu 68 Prozent weiblich.

Zufriedene Gelegenheitstrinker (14 Prozent): Sie wissen nicht viel über Wein und tendieren dazu, immer dieselben Marken zu kaufen. Der von ihnen konsumierte Wein ist zur Hälfte weißer Zinfandel.

Überforderte (23 Prozent): Ein potenziell attraktiver Zielmarkt, Personen dieser Gruppe finden den Einkauf von Wein jedoch verwirrend.«

[32]2Ansätze der Marketingtheorie

Im Zuge des Bedeutungsgewinns des Marketing wurden in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Marketingtheorien entwickelt, die das komplexe Marktgeschehen analysieren, erklären und systematisieren. In diesem Kapitel werden die wichtigsten Ansätze der Marketingtheorie kompakt dargestellt. Darstellung 9 bietet einen Überblick über die verschiedenen Theorieansätze.

Dar. 9:Systematisierung von Marketingtheorien (vgl. Esch et al. 2017, S. 17) [zurück]

Zu den ältesten Ansätzen der Marketingwissenschaft gehört der institutionenorientierte Ansatz (vgl. Meffert et al. 2024, S. 34). Er beschreibt, klassifiziert und erklärt das Verhalten von Institutionen. Zu diesen Instituten können Wirtschaftsstufen (u. a. produzierender Sektor, also Industrie und Baugewerbe, Dienstleistungssektor, Branchen, z. B. Chemie- und Pharmaindustrie oder Größenklassifikationen, d. h. kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bzw. Großunternehmen) [33]gezählt werden. Besondere Berücksichtigung im Rahmen dieser Ansätze hat der Handel erfahren, der sich in den letzten Jahrzehnten vom »Erfüllungsgehilfen« der Industrie (Warenverteilung) zu einem einflussreichen Marktakteur mit eigenständigen Zielen und Beeinflussungsinstrumenten entwickelt hat.

Im Zentrum des warenorientierten Ansatzes stehen Produkte bzw. Produkttypologien und deren Besonderheiten. Der Ansatz unterstellt, dass sich je nach Produkttypologie unterschiedliche Kaufentscheidungstypen ergeben, die ein differenziertes Vorgehen in der Vermarktung erfordern. In den 1970er-Jahren hat sich die Unterteilung in Konsumgüter, Investitionsgüter und Dienstleistungen etabliert. Den Besonderheiten in der Vermarktung dieser Produkttypologien widmet sich Kapitel 12 dieses Buches.

Funktionenorientierte Ansätze setzen bei den Aufgaben des Marketing an. Im Zentrum steht das Austauschobjekt zwischen dessen Herstellung und Verwendungen räumliche (Notwendigkeit des Transports der Produkte) und zeitliche Spannungen (Notwendigkeit der Lagerhaltung) bestehen, die durch die Distributionspolitik zu überbrücken sind. Besondere Beachtung innerhalb dieser Ansätze fand die Funktionsaufteilung zwischen Industrie und Handel, die sich im Zuge des Bedeutungsgewinns des Handels grundlegend verändert hat. Auf die Aufgabenteilung zwischen Industrie und Handel und typische Konfliktfelder sowie Initiativen zur Zusammenarbeit geht Kapitel 11 näher ein.

Der verhaltenswissenschaftliche Ansatz zielt darauf ab, Erkenntnisse über das Verhalten von Nachfragern und Organisationen bereitzustellen (vgl. Meffert et al. 2024, S. 35). Verhaltenswissenschaftliche Erklärungsmodelle sollen Kaufentscheidungsprozesse einerseits erklären, andererseits Anhaltspunkte dafür liefern, wie das Kaufverhalten durch den Einsatz der Marketinginstrumente im Sinne der Marketingziele beeinflusst werden kann. Im Zentrum dieser Ansätze stehen Kaufentscheidungstypologien. Je nachdem, wer die Kaufentscheidung trifft (Konsument oder Organisation) bzw. wie viele Personen an der Kaufentscheidung beteiligt sind (individuelle oder kollektive Kaufentscheidungen), ergeben sich unterschiedliche Vermarktungssituationen, die ein differenzierte Marketingmanagement erfordern (► Kap. 3.3 und 3.4).

Entscheidungsorientierte Ansätze betrachten Marketingentscheidungen als Entscheidungsprozesse, die sich durch Ziele, Alternativen, Umweltzustände und Ergebnisse beschreiben lassen. Der bereits vorgestellte Marketingmanagementprozess, der ausgehend von einer Situationsanalyse die Formulierung von Marketingzielen und -strategien, die Konzeption eines Marketing-Mix und die Umsetzung und Kontrolle der Maßnahmen umfasst, strukturiert diesen Entscheidungsprozess aus Sicht eines Anbieters.

Systemorientierte Ansätze zielen darauf ab, komplexe Marketingsysteme zu erfassen und zu beschreiben, um spezifische Verhaltensweisen der innerhalb dieser Systeme Handelnden zu erklären (vgl. Meffert et al. 2024, S. 36 f.). Im Mittelpunkt dieser Systeme stehen die Modellierung und die Erklärung der zwischen den Beteiligten stattfindenden Austauschbeziehungen. Hieraus sollen Gestaltungsempfehlungen für die Bearbeitung von Absatzmärkten abgeleitet werden. Insbesondere [34]im Rahmen der Situations- und Marktanalyse spielen systemorientierte Ansätze eine zentrale Rolle, um das komplexe Geflecht von Marktakteuren und deren Beziehungen zu verstehen und abzubilden.

Der situative Ansatz stellt kontextbezogene, d. h. sich aus dem Umfeld des Unternehmens ergebende Anpassungsnotwendigkeiten in den Fokus der Betrachtung (vgl. Meffert et al. 2024, S. 37). Das Ziel dieses Ansatzes besteht darin, situationsgerechte Handlungsempfehlungen abzuleiten. Dieser Ansatz fand bspw. im Kontext des Produktlebenszyklusmodells intensive Berücksichtigung, das für unterschiedliche Lebenszyklusphasen eines Marktes unterschiedliche Marketingmaßnahmen empfiehlt (► Kap. 5.1).

Neben den bereits dargestellten Ansätzen der Marketingtheorie sind – auch wegen deren Unzulänglichkeiten – weitere Theorieansätze entwickelt worden, die hier ebenfalls kurz skizziert werden sollen.

Informationsökonomische Ansätze des Marketing betrachten Informationsasymmetrien zwischen den Austauschpartnern und daraus resultierende Verhaltensunsicherheiten. Eine wesentliche Informationsasymmetrie betrifft die Qualität der Austauschobjekte. Je nachdem, wie gut ein Käufer die Qualität vor, während und nach dem Kauf beurteilen kann, lassen sich drei Produkteigenschaften unterscheiden (vgl. Steffenhagen 2008, S. 24; Homburg 2020, S. 61 ff.):

Sucheigenschaften sind solche Produkteigenschaften, die bereits vor dem Kauf durch einfache Inspektion des Austauschobjekts überprüft werden können. Beispielsweise handelt es sich bei der Farbe und dem Gewicht eines Apfels um typische Sucheigenschaften.

Erfahrungseigenschaften können hingegen erst nach dem Kauf beurteilt werden. Eigene oder fremde Erfahrungen sind also für eine Beurteilung dieser Produkteigenschaften vor dem Kauf erforderlich. Beispielsweise handelt es sich bei dem Geschmack eines Apfels um eine Erfahrungseigenschaft, da dieser erst nach dem Konsum beurteilt werden kann.

Bei Vertrauenseigenschaften handelt es sich um Eigenschaften eines Produktes, die weder vor noch nach dem Kauf durch den Käufer beurteilt werden können. Käufer müssen einem Anbieter bezüglich dieser Produkteigenschaft also vertrauen. Beispielsweise wäre das Merkmal ökologischer Anbau bei einem Apfel eine Vertrauenseigenschaft, das auch nach dem Konsum des Apfels nicht überprüft werden kann.

Wie Darstellung 10 verdeutlicht, weisen Sachgüter aufgrund ihrer Materialität vorwiegend Sucheigenschaften auf, sodass die Bewertung ihrer Qualität vor dem Kauf zumeist einfach möglich ist. Anders bei Dienstleistungen: Hier dominieren aufgrund ihrer Immaterialität häufig Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften, sodass ihre Qualität für den Käufer sowohl vor als auch nach dem Kauf deutlich schwieriger zu beurteilen ist.

Dar. 10:Beispiele zur Positionierung von Leistungen anhand von Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften (vgl. Homburg 2020, S. 62 in Anlehnung an Weiber/Adler 1995, S. 100) [zurück]

Zur Reduktion der Qualitätsunsicherheit stehen grundsätzlich zwei Maßnahmentypen zur Verfügung, je nachdem, ob diese vom Nachfrager oder Anbieter ergriffen werden (vgl. Homburg 2020, S. 62 f.):

Beim Screening sucht ein Nachfrager aktiv nach Qualitätssignalen. Dies gestaltet sich bei Sucheigenschaften (z. B. Preis, Produktdesgin) vergleichsweise einfach. Handelt es sich um Erfahrungs- oder Vertrauenseigenschaften kann ein Nachfrager sich am Leistungsversprechen, der Marke oder Reputation des Anbieters orientieren. Auch Produktbewertungen durch andere Käufer (z. B. Rezensionen bei AMAZON) können die Unsicherheit des Nachfragers reduzieren.

Beim Signaling ergreift ein Anbieter Maßnahmen, um die Qualität seiner Produkte zu verdeutlichen. Dies kann etwa durch Qualitäts- oder Kundenzufriedenheitsgarantien oder durch den Aufbau von Unternehmensreputation geschehen. Auch die Werbung mit positiven Testergebnissen oder zufriedenen Kunden gehört in diese Kategorie.

Mit zunehmendem Wettbewerbsdruck (u. a. durch die Internationalisierung vieler Absatzmärkte) beschäftigte sich die Marketingwissenschaft seit den 1980er-Jahren stärker mit Wettbewerbsvorteilen und der Wettbewerbspositionierung von Unternehmen. Mit zunehmender Wettbewerbsintensität rückten auch die Kundenbe[36]dürfnisse noch stärker in den Mittelpunkt. Im Vordergrund vieler Unternehmen standen dabei einzelne Transaktionen, weniger der Aufbau langfristiger Kundenbeziehungen. Vor diesem Hintergrund lässt sich diese Unternehmensausrichtung auch als Transaktionsmarketing bezeichnen.

Seit den 1990er-Jahren ist die langfristige Beziehung zu Kunden noch stärker in den Fokus vieler Unternehmen gerückt. Diese Ausrichtung wird auch als Relationship Marketing oder Beziehungsmarketing bezeichnet (vgl. Bruhn 2016). Relationship Marketing zielt auf den Aufbau, die Intensivierung und Pflege stabiler Kundenbeziehungen ab, damit Kunden nicht nur einmalig kaufen, sondern nach dem Kauf an das Unternehmen gebunden werden und Folgekäufe tätigen. Vergleichbar dem Produktlebenszyklus steht hier der Kundenbeziehungslebenszyklus im Zentrum der Betrachtung (► Dar. 11). Je nach Phase der Kundenbeziehung – von der Kundengewinnung bis zur Kundenrückgewinnung – stehen unterschiedliche Ziele und Maßnahmen im Vordergrund. Vor allem die Kundenzufriedenheit und Kundenbindung haben im Rahmen des Relationship Marketing einen erheblichen Bedeutungsgewinn erfahren. In Wissenschaft und Praxis wird die zielorientierte Gestaltung und Pflege der Kundenbeziehungen auch als Customer Relationship Management bezeichnet (vgl. Walsh et al. 2020, S. 247), wobei dieser Begriff auch für die Schaffung entsprechender informationstechnischer Voraussetzung zur Entscheidungsunterstützung verwendet wird (► Kap. 13.3.4).

Dar. 11:Merkmale des Kundenlebenszyklus (vgl. Bruhn 2016, S. 68) [zurück]

Phase

Anbahnung

Sozialisation

Wachstum

Reife

Gefährdung

Auflösung

Abstinenz

Kundenbezogene Merkmale

Ziele des Kunden

Information bezüglich Problemlösungen

Nutzung, Eingewöhnung, Abbau kognitiver Dissonanzen

All-in-one-Lösungen

Nutzung, Bequemlichkeit

Variety Seeking, bessere Lösungen

bessere Lösungen

wie Sozialisationsphase, Wachstum, Reife

Psychologische Merkmale

Interesse, Aufmerksamkeit, Qualitätsimage

Qualitätswahrnehmung

Zufriedenheit

Zufriedenheit

Unzufriedenheit

Loslösung, Indifferenz z. B. Rezensionen

wie Sozialisationsphase, Wachstum, Reife

Verhalten des Kunden

Informationssuche, Erstkauf

Beurteilung, Wiederkauf

Wiederkauf, Cross Buying

Wiederkauf, Mund-zu-Mund-Propaganda

Beurteilung, Alternativensuche

Erstkauf anderer Anbieter

Wiederkauf anderer Anbieter

[37]Ökonomische Merkmale

Kosten

Kosten, erste Gewinne

steigende Gewinne

Gewinne auf hohem Niveau

abnehmende Gewinne

Kosten

Kosten

Unternehmensbezogene Merkmale

Oberziele

Kundengewinnung

Kundeneingewöhnung

Kundenbindung

Kundenbindung

mentale Kundenrückgewinnung

taktische Kundenrückgewinnung

Faktische Kundenrückgewinnung

Aufgaben

Information, Überzeugung, Stimulierung

Information, Informationsgenerierung

Cross Selling, Individualisierung

Wechselbarrieren schaffen, Standardisierung

Fehlerverbesserung

Stimulierung, Überzeugung

Stimulierung, Überzeugung

Zielgruppe

Potenzielle Kunden

Neukunden

Stammkunden

Stammkunden

Gefährdungskunden

Gefährdungskunden

abgewanderte Kunden

Kundenbearbeitung

Markt

Einzelkunde

Kundengruppe

Kundengruppe

Einzelkunde

Einzelkunde

Einzelkunde bzw. Markt

Berücksichtigung des Wettbewerbs

stark

eher schwach

schwach

schwach

wieder stärker

stark

stark

[39]Teil IIAbsatzmärkte verstehen

[41]3Konsumentenverhalten

3.1Fragestellungen und Erklärungsmodelle zum Konsumentenverhalten

Unter dem Begriff Konsumentenverhalten werden alle Handlungen von Individuen im Zusammenhang mit dem Kauf und dem Konsum von Produkten betrachtet. Das primäre Ziel der Konsumentenverhaltensforschung besteht darin, Empfehlungen für den Einsatz der Marketinginstrumente zu entwickeln (vgl. Homburg 2020, S. 26; Zerres/Zerres 2006, S. 52). Gegenstand der Konsumentenverhaltensforschung sind nicht nur beobachtbare Verhaltensweisen (z. B. Auswahl einer Einkaufsstätte oder eines Produktes), sondern auch nicht-beobachtbares (inneres) Verhalten (z. B. Markenbekanntheit, Einstellung eines Konsumenten zu einem Produkt). Dabei bedient sich die Konsumentenverhaltensforschung vieler Erkenntnisse der Psychologie (z. B. Erklärung von Bedürfnissen), der Soziologie (z. B. Einflüsse des sozialen Umfelds) sowie der Biologie (Neuromarketing, vgl. Kroeber-Riel/Gröppel-Klein 2019, S. 4, S. 10 ff.). Bei der Erforschung des Konsumentenverhaltens stehen folgende Fragen im Vordergrund (vgl. Meffert et al. 2024, S. 95):

Wer kauft? (→ Kaufakteure)

was? (→ Kaufobjekte)

warum? (→ Kaufmotive)

wie? (→ Kaufentscheidungsprozesse und -praktiken)

wie viel (→ Kaufmenge)

wann? (→ Kaufzeitpunkt, -häufigkeit)

wo bzw. bei wem? (→ Einkaufsstätten- bzw. Lieferantenauswahl)

Zur Erklärung des Konsumentenverhaltens haben sich zwei grundlegende Modelle herausgebildet, die als S-R-Modelle (behavioristische Forschungsansätze) und S-O-R-Modelle (echte Verhaltensmodelle) bezeichnet werden (vgl. Meffert et al. 2024, S. 96). Echte Verhaltensmodelle können wiederum in neobehavioristische und kognitive Modelle unterteilt werden (► Dar. 12).

Behavioristische Erklärungsansätze (S-R-Modelle) berücksichtigen ausschließlich beobachtbare Einflussgrößen bzw. beobachtbares Verhalten. Ihre Grundannahme ist, dass psychische Prozesse des Nachfragers nicht beobachtbar sind und daher auch nicht berücksichtigt werden sollten (vgl. Skinner 1938). Daher werden

Dar. 12:Grundlegende Modelle der Konsumentenverhaltensforschung (vgl. Meffert et al. 2024, S. 96) [zurück]

S-R-Modelle auch als Black-Box-Modelle bezeichnet. Das Konsumentenverhalten wird als Reaktion (R für Response) auf beobachtbare Stimuli (S für Stimulus) interpretiert. Zu den Stimuli zählen sämtliche Sinnesreize und damit auch alle auf den Konsumenten ausgerichteten Marketingmaßnahmen (z. B. Produkte, Preise, Kommunikationsaktivitäten). So kann die attraktive Gestaltung einer Produktverpackung (Stimulus) zu einem Impulskauf (Reaktion) führen. Nicht berücksichtigt werden dabei alle nicht-beobachtbaren Prozesse (z. B. Einstellungen), die im Konsumenten vor und während des Kaufes ablaufen. Black-Box-Modelle können das Konsumentenverhalten daher nicht erklären. Sie können insb. nicht beantworten, warum ein Konsument ein Produkt zu einem bestimmten Preis kauft und ein anderer nicht.

Neobehavioristische Erklärungsansätze berücksichtigen im Gegensatz zu S-R-Modellen auch intervenierende Variablen (vgl. Kroeber-Riel/Gröppel-Klein 2019, S. 41 ff.). Diese Ansätze ziehen auch die im Organismus (O) ablaufenden Prozesse zur Erklärung des Konsumentenverhaltens heran, die sich der unmittelbaren Beobachtung entziehen. Daher werden diese Modelle als S-O-R-Modelle (echte Verhaltensmodelle) bezeichnet. So kann die Wirkung eines Werbespots (S für Stimulus) durch die Einstellung des Konsumenten (O für Organism) positiv oder negativ verstärkt werden, was dazu führt, dass der Konsument das beworbene Produkt kauft oder nicht (R für Response). Neobehavioristische Modelle berücksichtigen die psychischen Konstrukte Aktiviertheit, Involvement, Emotionen, Motive und Einstellungen (mehr dazu später), jedoch keine kognitiven Prozesse. Kognitive Erklärungsansätze hingegen berücksichtigen auch Informationsverarbeitungsprozesse im Lang- und Kurzzeitgedächtnis wie »Lernen«, »Denken« und »Wissen«. In Darstellung 13 wird ein S-O-R-Modell gezeigt, das zusätzlich zu den bereits genannten psychischen Konstrukten auch Umfeldfaktoren (Einflüsse von Bezugsgruppen und der Kultur des Konsumenten) berücksichtigt.

Dar. 13:SOR-Modell (vgl. Foscht et al. 2017, S. 30) [zurück]

3.2Einflussgrößen des Konsumentenverhaltens

Wie oben dargestellt, lassen sich die intervenierenden Variablen in psychische (intrapersonale) sowie umfeldbezogene (interpersonale) Einflussfaktoren untergliedern (vgl. Foscht et al. 2017, S. 33 f.; Trommsdorff/Teichert 2011, S. 31). Diese werden im Folgenden vorgestellt.

3.2.1Psychische Einflussfaktoren

Aktivierende Prozesse sind mit inneren Erregungen und Spannungen verbunden und treiben den Menschen an. Dazu zählen Emotionen, Motivationen und Einstellungen. Kognitive Prozesse