Marktforschung - Heymo Böhler - E-Book

Marktforschung E-Book

Heymo Böhler

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Beschreibung

Das Buch gibt eine systematische und praxisnahe Einführung in Grundlagen der Marktforschung im Zeitalter der Digitalisierung. Aufgabe ist es, dem Marketing-Management relevante Informationen zur Entscheidungsunterstützung bereitzustellen. Diskutiert und eingeordnet werden neben traditionellen auch eine Vielzahl neuer Instrumente zur qualitativen aber auch zur internetbasierten Datenerhebung, -aufbereitung und -analyse. Die vielfältigen Messverfahren zur Dienstleistungsqualität werden übersichtlich dargestellt, die in der Praxis relevanten Verfahren anhand von Beispielen vertieft. Neu sind auch die Hinweise zur Nutzung von R zur Datenauswertung.

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Kohlhammer Edition Marketing

 

Begründet von:

Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Richard Köhler (†)

Universität zu Köln

 

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Heribert Meffert

Universität Münster

 

Fortgeführt von:

Prof. Dr. Dr. h. c. Hermann Diller

Universität Erlangen-Nürnberg

 

Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Richard Köhler (†)

Universität zu Köln

 

Herausgegeben von:

Prof. Dr. Dr. h. c. Hermann Diller

Universität Erlangen-Nürnberg

 

Prof. Dr. Manfred Kirchgeorg

Handelshochschule Leipzig

Heymo Böhler (†), Claas Christian Germelmann, Daniel Baier, Herbert Woratschek

Marktforschung

4., erweiterte und überarbeitete Auflage

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Kontaktadressen der Autoren:

Prof. Dr. Claas Christian Germelmann (Ansprechpartner)

Universität Bayreuth, Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät

Lehrstuhl für Marketing & Konsumentenverhalten

Universitätsstraße 30, 95447 Bayreuth

E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Daniel Baier

Universität Bayreuth, Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät

Lehrstuhl für Marketing & Innovation

Universitätsstraße 30, 95447 Bayreuth

E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Herbert Woratschek

Universität Bayreuth, Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät

Lehrstuhl für Marketing & Dienstleistungsmanagement

Universitätsstraße 30, 95447 Bayreuth

E-Mail: [email protected]

4., erweiterte und überarbeitete Auflage 2022

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-032248-6

E-Book-Formate:

pdf:        ISBN 978-3-17-032249-3

epub:     ISBN 978-3-17-032250-9

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

 

Geleitwort der Herausgeber

 

 

 

Die »Kohlhammer Edition Marketing« stellt eine Buchreihe dar, die in rund 20 Einzelbänden die wichtigsten Teilgebiete des Marketing behandelt. Jeder Band soll eine Übersicht zu den Problemstellungen des jeweiligen Themenbereichs geben und wissenschaftliche sowie praktische Lösungsbeiträge aufzeigen. Als Ganzes bietet die Edition eine Gesamtdarstellung der zentralen Führungsaufgaben des Marketing-Managements. Ebenso wird auf die Bedeutung und Verantwortung des Marketing im sozialen Bezugsrahmen eingegangen.

Als Autoren dieser Reihe konnten namhafte Fachvertreter an den Hochschulen gewonnen werden. Sie gewährleisten eine problemorientierte und anwendungsbezogene Veranschaulichung des Stoffes. Angesprochen sind mit der Kohlhammer Edition Marketing zum einen Studierende an Hochschulen. Ihnen werden die wesentlichen Stoffinhalte des Faches in kompakter und gut verständlicher Form dargeboten. Zum anderen wendet sich die Reihe auch an Institutionen, die mit der Aus- und Weiterbildung von Praktikern auf dem Spezialgebiet des Marketing befasst sind, und nicht zuletzt unmittelbar an Führungskräfte des Marketing, die keine spezielle akademische Marketingausbildung durchlaufen haben. Der Aufbau und die inhaltliche Gestaltung der Edition ermöglichen es ihnen, einen Überblick über die Anwendbarkeit neuer Ergebnisse aus der Forschung sowie über Praxisbeispiele aus anderen Branchen zu gewinnen.

Der vorliegende Band zur Marktforschung behandelt mit der Marktforschung ein ganz zentrales Themengebiet des Marketing, liegt doch dessen grundlegender Anspruch darin, systematische und so weit wie sinnvoll informationsgestützte, absatzgerichtete Entscheidungen zu treffen. Um welche Informationen es hierbei geht, aus welchen Quellen und mit welchen Methoden man sie gewinnen und aufbereiten kann, darum geht es in diesem Buch. Es liegt nun in vierter Auflage vor, wobei nach dem Tode von Heymo Böhler im Jahre 2009 seine drei Bayreuther Kollegen Daniel Baier, Christian Germelmann und Herbert Woratschek dankenswerter Weise die Aufgabe der Neubearbeitung übernommen haben. Beträchtliche Teile des ursprünglichen Textes der Vorauflage konnten dabei übernommen werden, so dass Heymo Böhler zu Recht auch als Autor weitergeführt wird.

Auch die Gliederung des Werkes blieb unverändert, nämlich prozessorientiert, und behandelt Schritt für Schritt die bei einem Marktforschungsprojekt zu leistenden Teilaufgaben. Hinter dieser unveränderten Struktur verbergen sich freilich in der Neuauflage viele theoretische, inhaltliche und methodische Fortschritte. Das beginnt bei einem wissenschaftstheoretisch stärker reflektierten Vorgehen, führt sich fort mit der ausführlicheren Darstellung der heute wiederentdeckten qualitativen Forschungsverfahren sowie von Experimenten und betrifft dann an vielerlei Stellen die Nutzung digitaler Datenquellen und Methoden wie Suchmaschinen oder Clickstream-Analysen bis hin zum »Data Mining« mit Neuronalen Netzen und Deep Learning-Methoden. Anstelle der früher am Beispiel von Imageanalysen dargestellten Einstellungsmessung wird dieses wichtige Thema nunmehr an der Messung der Dienstleistungsqualität behandelt. Besonders rasch ist das Angebot an multivariaten Analyseverfahren, Strukturgleichungsmodellen und Entscheidungsbaumverfahren gestiegen. Sie finden heute nicht mehr nur in der wissenschaftlichen Marketingforschung, sondern auch und sehr intensiv im modernen Online-Marketing Anwendung, etwa beim sog. Profiling von Kunden oder bei der Kundensegmentierung.

Das Buch zeichnet sich in Sprache und Stoffaufbereitung als besonders benutzerorientiert und studierfreundlich aus. Über 100 Abbildungen unterstützen die Verständlichkeit, durchgängige Fallbeispiele mit konkreten Übungsdatensätzen und entsprechenden Berechnungen erleichtern die Nachvollziehbarkeit der immer komplexeren Methoden der Marktforschung. Ein umfassender Datensatz auf der Webseite des Buches (www.innodialog.uni-bayreuth.de/de/Marktforschung/index.html) gibt Gelegenheit zur kontrollierten Einübung des Stoffes an Hand des Softwarepakets R. Dafür werden im Text auch die jeweils notwendigen Eingabebefehle und Optionsmöglichkeiten vorgestellt.

Richard Köhler konnte das Werk wegen seines plötzlichen Todes im September 2020 leider nicht mehr bis zum Erscheinen begleiten, hat aber zuvor die Herausgeberbetreuung dieses Werkes verantwortet. Er hätte sich über dieses Werk aber sicher genauso riesig gefreut, wie ich das als Mitherausgeber tue.

 

Nürnberg und Köln

Hermann Diller

im März 2021

Richard Köhler (†)

 

Vorwort zur vierten Auflage

 

 

 

Der viel zu frühe Tod des geschätzten Kollegen Heymo Böhler hat bei seiner Familie aber auch seinen Kollegen, Freunden, Mitarbeitern und Studierenden eine schmerzende Wunde hinterlassen – hat er doch bei vielen mit seinen Büchern und Beiträgen sowie Vorlesungen und Konferenzvorträgen die Begeisterung für das quantitative Marketing geweckt und immer wieder neu angefacht.

So ist es für uns als seine Kollegen und Nachfolger an der Universität Bayreuth eine Verpflichtung und große Freude zugleich, vor allem aber eine ganz besondere Ehre, in diesem Sinn einer Begeisterung für das datengeleitete Marketing sein bekanntes und beliebtes Buch zur »Marktforschung« fortzuführen. Die vierte Auflage liegt hiermit vor, und wir hoffen auf eine freundliche Aufnahme durch den Markt.

Das Buch in seiner vierten Auflage gibt weiterhin eine systematische und praxisnahe Einführung in die Grundlagen der Marktforschung, nun aber mit einer noch stärkeren Berücksichtigung der durch die Digitalisierung bedingten Veränderungen. Aufgabe der betriebsinternen wie -externen Marktforschung ist es zwar weiterhin, dem Marketing-Management relevante Informationen zur Entscheidungsunterstützung bereitzustellen. Es stehen ihr dazu heute aber neben den bewährten traditionellen Verfahren zusätzlich viele neue Instrumente zur Verfügung. Man denke etwa an die heutigen Möglichkeiten zur Sekundärforschung mittels Internet, die vereinfachte Durchführung einer internetbasierten Datenerhebung mittels ausgereifter Befragungs- und Beobachtungssoftware oder auch die vielen neuen Verfahren des Data Mining, des Machine Learning und des Deep Learning zur Auswertung und Nutzung umfassender Datenbestände. So erlauben es letztere heute nicht nur Datenmatrizen mit metrischen Inhalten, sondern zusätzlich auch Audio- und Videosequenzen, Bilder, Clickstreams oder Texte entscheidungsunterstützend, oft auch kontinuierlich und automatisiert, auszuwerten.

Wir tragen mit der neuen Auflage diesen Veränderungen durch aktuelle Überblicke Rechnung und führen zusätzlich in einzelne dieser neuen Verfahren sowie die Nutzung geeigneter Statistik-Programme (vor allem: R) ein. Das Kapitel zur Operationalisierung und Messung von Merkmalen ist ebenfalls an moderne Entwicklungen in der betrieblichen Praxis angepasst worden und enthält nun eine Darstellung der vielfältigen Messverfahren zur Dienstleistungsqualität. Neu sind auch Beispiele sowie eine einführende Darstellung zur qualitativen Datenanalyse und zur Durchführung und Auswertung von (Online-)Experimenten.

Das Stoffgebiet wird jedoch weiterhin – wie in den früheren Auflagen des geschätzten Kollegen Böhler – anhand der Arbeitsschritte vermittelt, die bei der Durchführung eines Marktforschungsprojekts im Studium und in der Unternehmenspraxis zu bewältigen sind:

•  Formulierung des Marktforschungsproblems,

•  Wahl des Forschungsdesigns,

•  Bestimmung der Informationsquellen und der Erhebungsmethoden,

•  Operationalisierung und Messung von Merkmalen am Beispiel der Dienstleistungsqualität,

•  Auswahl von Erhebungseinheiten, Durchführung von Erhebungen, Datenaufbereitung und Datenanalyse sowie

•  Ergebnisinterpretation und Weitergabe der Erkenntnisse.

Die genannten Ergänzungen wurden an den passenden Stellen integriert. Dem Wunsch vieler Leserinnen und Leser sowie dem Zeitgeist der Ko-Kreation in der akademischen Lehre entsprechend wurden alle Berechnungen neu so durchgeführt, dass der oder die Interessierte sie am eigenen Rechner mit R nachvollziehen kann. So sollen die Nutzerinnen und Nutzer dieses Lehrbuchs dazu angeregt und ermutigt werden, selbst eigene Erhebungen und/oder Auswertungen vorzunehmen oder sich vertiefend im Selbststudium mit den einzelnen methodischen und inhaltlichen Schwerpunkten des Buchs zu beschäftigen. Die langjährige Lehr- und Forschungspraxis an der Universität Bayreuth jedenfalls hat gezeigt, dass so für heutige Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Unternehmensvertreter der Lerneffekt besonders groß ist: Eine Überblicksveranstaltung und/oder ein Überblicksbuch führen an ein komplexes Thema ergänzt um erste (auch am Rechner) nachvollziehbare Erhebungen und Auswertungen heran. Dann folgt jedoch eine selbstständige Erprobung und Vertiefung unter Einbeziehung von Kolleginnen und Kollegen sowie des Internet zum Wissensaustausch und zur Rückkoppelung.

Die neue Auflage des Buchs soll eine komprimierte, mit vielen Beispielen angereicherte methodische und inhaltliche Darstellung der modernen Marktforschung bereitstellen. Das Lehrbuch bietet so eine Einführung für Studierende und andere Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, aber auch eine Orientierungshilfe für Praktiker. Vor allem aber wünschen wir uns, dass dieses Buch so zur Begeisterung für die Marktforschung animiert, wie Heymo Böhler dies in seinen Schriften, Vorlesungen und Vorträgen konnte. Den geschätzten Herausgebern dieser Reihe, dem Kollegen Hermann Diller und dem ebenfalls viel zu früh verstorbenen Kollegen Richard Köhler, möchten wir auch auf diesem Wege sehr herzlich für ihre Geduld und Anregungen zur Überarbeitung des Buches danken.

 

Bayreuth, im März 2021

Claas Christian Germelmann,

Daniel Baier und Herbert Woratschek

 

Inhaltsverzeichnis

 

 

 

Geleitwort der Herausgeber

Vorwort zur vierten Auflage

1   Die Aufgaben der Marktforschung im betrieblichen Informations- und Entscheidungssystem

1.1 Begriffliche Abgrenzung der Marktforschung

1.2 Aufgaben der Marktforschung

1.2.1 Einteilung von Marktinformationen nach den Elementen des Marketing-Systems

1.2.2 Einteilung von Marktinformationen nach den Phasen des Marketing-Entscheidungsprozesses

1.2.3 Einteilung von Marktinformationen nach der Kontinuität der Bereitstellung

1.3 Phasen des Marktforschungsprozesses

2   Formulierung des Forschungsproblems und Wahl des Forschungsdesigns

2.1 Formulierung und Beurteilung des Marktforschungsproblems

2.1.1 Marketing-Entscheidung und Marktforschungsproblem

2.1.2 Entdeckung und Präzisierung des Marketing-Entscheidungsproblems

2.1.3 Formulierung des Marktforschungsproblems

2.1.4 Bewertung und Auswahl von Marktforschungsprojekten

2.2 Wahl des Forschungsdesigns

2.2.1 Explorative Forschung

2.2.1.1 Sekundärforschung

2.2.1.2 Expertenbefragung

2.2.1.3 Qualitative Forschung

2.2.2 Deskriptive Forschung

2.2.2.1 Querschnittanalyse

2.2.2.2 Längsschnittanalyse

2.2.3 Experimentelle und quasi-experimentelle Forschung

2.2.3.1 Experimentbegriff

2.2.3.2 Marketing-Maßnahmen als Experimentstimuli

2.2.3.3 Experimentelle Versuchspläne

2.2.3.3.1 Vorher-Nachher-Messung mit Kontrollgruppe

2.2.3.3.2 Nachher-Messung mit Kontrollgruppe

2.2.3.3.3 Solomon-Vier-Gruppen-Design

2.2.3.3.4 Randomisiertes faktorielles Design

2.2.3.4 Quasi-experimentelle Versuchspläne

2.2.3.5 Die Berücksichtigung von Drittvariablen und Erhebungskontext in Experimentaldesigns

2.2.3.6 Markt-, Labor- und Online-Experimente

2.2.4 Beziehungen zwischen den Forschungsdesigns und den Untersuchungsmethoden

3   Bestimmung der Informationsquellen und der Erhebungsmethoden

3.1 Sekundärforschung

3.1.1 Vor- und Nachteile der Sekundärforschung

3.1.2 Interne Datenquellen

3.1.3 Externe Datenquellen

3.2 Standardisierte Marktinformationsdienste

3.2.1 Panels

3.2.1.1 Panelbegriff und Panelarten

3.2.1.1.1 Verbraucherpanels

3.2.1.1.2 Handelspanels

3.2.1.1.3 Spezialpanels

3.2.1.2 Repräsentativität von Panelergebnissen

3.2.1.2.1 Marktabdeckung

3.2.1.2.2 Auswahlverfahren

3.2.1.2.3 Panelsterblichkeit

3.2.1.3 Paneleffekte

3.2.1.4 Auswertungsmöglichkeiten von Paneldaten

3.2.1.4.1 Ergebnisse und Auswertungsmöglichkeiten von Verbraucherpanels

3.2.1.4.2 Ergebnisse und Auswertungsmöglichkeiten von Handelspanels

3.2.2 Werbeträgeranalysen

3.2.3 Statistik-Portale und Marktdatenbanken

3.3 Erhebungsmethoden der Primärforschung

3.3.1 Befragung

3.3.1.1 Befragungsmethoden

3.3.1.1.1 Standardisierungsgrad

3.3.1.1.2 Art der Fragestellung

3.3.1.2 Kommunikationsform

3.3.1.3 Fragebogenaufbau

3.3.1.4 Fragenformulierung und Antwortmöglichkeiten

3.3.1.5 Länge des Fragebogens und Reihenfolge der Fragen

3.3.2 Beobachtung

3.3.2.1 Beobachtungsmethoden

3.3.2.2 Vor- und Nachteile der Beobachtung

4   Operationalisierung und Messung der zu erhebenden Merkmale

4.1 Operationale Definition und Messung

4.1.1 Operationale Definition von Merkmalen

4.1.2 Messung von Merkmalen

4.2 Skalenarten

4.2.1 Nominalskala

4.2.2 Ordinalskala

4.2.3 Intervallskala

4.2.4 Verhältnisskala

4.3 Gütekriterien von Messungen

4.3.1 Begriffsabgrenzungen

4.3.2 Schätzung von Reliabilität und Validität

4.4 Messung der zu erhebenden Merkmale von Dienstleistungsqualität

4.4.1 Ermittlung qualitätsrelevanter Merkmale von Dienstleistungen

4.4.2 Messverfahren der Dienstleistungsqualität aus Sicht der Akteure

4.4.3 Messverfahren aus Kundensicht

4.4.3.1 Simulierte Kundensicht

4.4.3.2 Originäre Kundensicht

4.4.3.2.1 Problemorientierte Verfahren

4.4.3.2.2 Ereignisorientierte Verfahren

4.4.3.2.3 Merkmalsorientierte Verfahren

4.4.4 Messverfahren aus Anbietersicht

4.4.5 Messverfahren aus wettbewerbsorientierter Sicht

5   Auswahl der Erhebungseinheiten und Durchführung der Primärerhebung

5.1 Grundlagen und Grundbegriffe von Teilerhebungen

5.1.1 Vorzüge von Teilerhebungen

5.1.2 Erstellung des Auswahlplans

5.2 Nicht auf dem Zufallsprinzip beruhende Auswahlverfahren

5.2.1 Willkürliche Auswahl

5.2.2 Konzentrationsverfahren

5.2.3 Typische Auswahl

5.2.4 Quotenauswahl

5.3 Auf dem Zufallsprinzip beruhende Auswahlverfahren

5.3.1 Einfache Zufallsauswahl

5.3.1.1 Häufigkeitsverteilung des Stichprobenmittelwerts

5.3.1.2 Schätzung des Mittelwertes der Grundgesamtheit

5.3.1.3 Stichprobenverteilung und Konfidenzintervall für Anteilswerte

5.3.1.4 Bestimmung des notwendigen Stichprobenumfangs

5.3.1.5 Überblick über Konfidenzintervalle und Stichprobenumfänge

5.3.2 Geschichtete Auswahl

5.3.3 Klumpenauswahl

5.3.4 Auswahltechniken zur Gewinnung von Zufallsstichproben

5.3.5 Der Gesamtfehler bei Zufallsauswahlen

5.4 Durchführung und Kontrolle der Primärerhebung

6   Vorbereitung der Datenauswertung

6.1 Prüfung und Redigierung des Datenmaterials

6.2 Digitalisierung inklusive Verschlüsselung

6.3 Übergabe an ein Statistik-Programm

6.4 Hinzufügen neuer Merkmale

6.5 Gewichtung

6.6 Bereitstellung der Datenmatrix

7   Datenanalyse

7.1 Überblick über die Verfahren der Datenanalyse

7.2 Univariate Datenanalyse

7.2.1 Tabellarische und graphische Darstellung

7.2.2 Statistische Kennwerte empirischer Häufigkeitsverteilungen

7.2.2.1 Maße der zentralen Tendenz

7.2.2.2 Dispersionsmaße

7.2.3 Formulierung und Überprüfung von Hypothesen

7.2.3.1 z-Test

7.2.3.2 t-Test

7.2.3.3 χ2-Test

7.3 Bi- und multivariate Analyse von Beziehungen

7.3.1 Dependenzanalyse

7.3.1.1 Überblick

7.3.1.2 Kreuztabellierung und Kontingenzanalyse

7.3.1.2.1 Grundzüge der Kreuztabellierung

7.3.1.2.2 Kreuztabellierung bei einem zusätzlichen Merkmal

7.3.1.2.3 Kontingenzanalyse

7.3.1.3 Varianzanalyse

7.3.1.3.1 Voraussetzungen und Grundlagen der einfaktoriellen Varianzanalyse

7.3.1.3.2 Berechnung der Prüfgröße und Varianztabelle bei einfaktorieller Varianzanalyse

7.3.1.3.3 Zweifaktorielle Varianzanalyse

7.3.1.3.4 Weitere Modelle der Varianzanalyse

7.3.1.4 Regressionsanalyse

7.3.1.4.1 Einfachregression

7.3.1.4.2 Mehrfachregression

7.3.1.4.3 Inferenzstatistische Absicherung

7.3.1.4.4 Nichtlineare Funktionen und Dummy-Merkmale

7.3.1.5 Diskriminanzanalyse

7.3.1.5.1 Grundprinzip der Diskriminanzanalyse

7.3.1.5.2 Rechnerische Durchführung

7.3.1.5.3 Multiple Diskriminanzanalyse

7.3.2 Interdependenzanalyse

7.3.2.1 Grundzüge der Faktorenanalyse

7.3.2.2 Grundzüge der Clusteranalyse

7.3.3 Weitere Verfahren der multivariaten Analyse

8   Erstellung des Forschungsberichts und Präsentation der Ergebnisse

Statistische Tafeln

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

 

1          Die Aufgaben der Marktforschung im betrieblichen Informations- und Entscheidungssystem

 

 

1.1       Begriffliche Abgrenzung der Marktforschung

Geht man von einer marktorientierten Führungskonzeption aus, so ist es Hauptaufgabe der Marktforschung, dem Marketing-Management auf empirischem Wege die Informationsgrundlage für die absatzpolitische Ziel- und Maßnahmenplanung bereitzustellen. Daher wird im Weiteren folgende Marktforschungsdefinition zugrunde gelegt (in Anlehnung an Böhler 1995):

»Marktforschung ist die systematische Sammlung, Aufbereitung, Analyse und Interpretation von Daten über Märkte und Marktbeeinflussungsmöglichkeiten zum Zweck der Informationsgewinnung für Marketing-Entscheidungen.«

Marktforschung ist gekennzeichnet durch den systematischen Einsatz wissenschaftlicher Untersuchungsmethoden. Ziel ist nicht nur die sorgfältige Beschreibung von Märkten, sondern auch die Gewinnung von Aussagen über Ursache-Wirkungsbeziehungen (z. B. »Wie wirkt der Einsatz von Marketing-Maßnahmen auf mögliche Abnehmer?«). Im Extremfall ist »wissenschaftliche« Forschung dadurch zu gewährleisten, dass (Kap. 2.1)

•  ihre Vorgehensweise öffentlich zugänglich und dadurch kritisierbar ist,

•  das Ausmaß an Unsicherheit der Ergebnisse abgeschätzt werden kann und

•  ein anerkannter Forschungsprozess zum Zuge kommt.

Selbstverständlich werden diese Kriterien in der Marketing-Praxis nicht immer vollends erfüllt. Man sollte sich dann aber darüber im Klaren sein, dass Abweichungen vom Regelwerk wissenschaftlicher Forschung die Qualität der Forschungsergebnisse beeinträchtigt. Man denke z. B. an unseriöse »Fernsehzuschauerbefragungen«, bei denen Anrufer über eine Hotline ihre Meinung kundtun, oder an aus dem Internet nach Registrierung kostenlos downloadbare »Marktübersichten« zweifelhafter Qualität, die vor allem der Gewinnung weitergebbarer Werbeadressen dienen.

Verbreitet ist in der Literatur auch eine Abgrenzung zwischen Marktforschung und Marketingforschung (Meffert 1992, S. 16; Köhler 1993, S. 2782; Decker und Wagner 2002, S. 4; Meffert et al. 2019, S. 173). Demnach unterscheiden sich »Marktforschung« und »Marketingforschung« durch ihren jeweiligen Untersuchungsgegenstand:

Durch die oben vorgeschlagene Begriffsdefinition der Marktforschung, in der von Daten über »Märkte« und »Marktbeeinflussungsmöglichkeiten« gesprochen wird, kommt zum Ausdruck, dass Gegenstand der Marktforschung Sachverhalte in den Absatz- und Beschaffungsmärkten und die dort zum Einsatz gelangenden Instrumente sind. Der in den USA weitverbreitete Begriff der Marketingforschung (»marketing research«) war dagegen ursprünglich auf Informationsbereitstellungen für Absatzentscheidungen eingeengt. So heißt es etwa in der Definition der American Marketing Association (AMA) von 1960 bzw. seiner deutschen Übersetzung bei Green und Tull (1982, S. 4):

»Marketing-Forschung ist die systematische Sammlung, Aufbereitung und Analyse von Daten, die sich auf die Probleme des Marketing von Gütern und Dienstleistungen beziehen.«

Im deutschsprachigen Raum wurde daher traditionell synonym zur Marketingforschung auch der Begriff »Absatzforschung« verwendet. Während somit der Begriff »Marketing-« bzw. »Absatzforschung« durch die Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes auf den Absatzmarkt auf der einen Seite enger gefasst ist als der Marktforschungsbegriff, ist er auf der anderen Seite wiederum umfassender, weil er alle zur Absatzgestaltung notwendigen Informationen einbezieht. Hierzu zählen demnach auch Informationen, die sich auf innerbetriebliche Sachverhalte (z. B. Vertriebskosten, Lagerhaltungsprobleme, Kapazitätsprobleme) beziehen. Abbildung 1 verdeutlicht das Verhältnis der Begriffe graphisch (in Anlehnung an Meffert 1992, S. 16, siehe auch Meffert et al. 2019, S. 173 ff.).

Abb. 1: Abgrenzung zwischen Marktforschung und Marketingforschung

Jedoch ist anzumerken, dass seit den 1990er Jahren die Begriffe Markt- und Marketingforschung von vielen Autoren weitgehend synonym verwendet werden (vgl. z. B. Herrmann et al. 2008, S. 5 ff.; Iacobucci und Churchill 2018, S. 3 ff.; Kuß et al. 2018, S. 3; Homburg 2020, S. 292 ff.).

Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die AMA inzwischen ihre Marketing- und Marketingforschungsdefinitionen modifiziert hat (siehe www.ama.org/the-definition-of-marketing-what-is-marketing/). Die 2004 verabschiedete neue, seither gültige und zuletzt 2017 überprüfte Definition betrachtet Marketing- bzw. Absatzforschung heute viel stärker aus einer Prozessperspektive heraus:

»Marketing research is the function which links the consumer, customer, and public to the marketer through information – information used to identify and define marketing opportunities and problems; generate, refine, and evaluate marketing actions; monitor marketing performance; and improve understanding of marketing as a process. Marketing research specifies the information required to address these issues; designs the method for collecting information; manages and implements the data collection process; analyzes the results; and communicates the findings and their implication«.

Aufgabe dieses Buches ist es vor dem Hintergrund dieser Definitionen und Entwicklungen, einen Überblick über die Aufgaben der Marktforschung im Sinne einer Absatzforschung zu geben. Es geht also vorrangig um die Erforschung von Sachverhalten, die vor allem den Absatzmarkt betreffen. Dieser Absatzmarkt ist allerdings kein homogenes Konstrukt, sondern bietet eine Vielzahl von unterschiedlichen Ansatzpunkten für die Marktforschung: Die CustomerJourney beschreibt beispielsweise vielfältige Interaktionen mit einem Anbieter über verschiedene Kanäle und Zeitpunkte hinweg, wobei jeder einzelne dieser Kontakte (Touch Points) ebenso wie ihre Verbindung im Zeitablauf Bedeutung für das Kundenerlebnis und damit die Kundenzufriedenheit haben (Lemon und Verhoef 2016) und Gegenstand der ereignisorientierten Dienstleistungsqualitätsforschung werden kann (Kap. 4.4.3.2.2). In deutlich geringerem Maße werden in diesem Buch hingegen Sachverhalte behandelt, die (ausschließlich) die Erforschung von Beschaffungsmärkten betreffen. Diese Schwerpunktsetzung beruht darauf, dass Absatzmärkte in der Wirtschaftspraxis zumeist die drängenderen Engpassbereiche darstellen – eine Situation, die angesichts eines sich verschärfenden globalen Wettbewerbs noch geraume Zeit andauern wird. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang aber, dass gerade auf Plattformen und Marktplätzen wie YouTube, Ebay oder Couchsurfing Konsumentinnen und Konsumenten auch die Rolle von Anbietern übernehmen: Durch diesen »Doppelcharakter« der Akteure als Anbietende und Nachfragende verschmelzen quasi Absatz- und Beschaffungsmarktforschung, wenn beispielsweise Marktforschung zur Untersuchung der Interpretation dieser Rollen und zu den Gründen für ein Pendeln von Akteure zwischen Anbieter- und Nachfragermarkt betrieben werden soll (vgl. Geiger et al. 2018).

Allerdings sollte diese bewusste Schwerpunktsetzung in diesem Lehrbuch nicht mit einer Verengung der Sicht auf die Dyade Anbieter-Abnehmer verwechselt werden: Folgt man der Service-Dominant Logic, wird deutlich, dass im Marketing auch auf der Absatzseite typischerweise mehrere Akteure Werte durch Integration ihrer Ressourcen ko-kreieren, und dass diese Ko-Kreation durch von den Akteuren geschaffene Institutionen koordiniert wird (Vargo und Lusch 2017). Die Marktforschung muss daher alle an der Ko-Kreation Beteiligten in den Blick nehmen, um umfassende Informationen zum Geschehen auf Märkten zu erlangen.

Es soll bereits hier auch darauf hingewiesen werden, dass angesichts der rasanten Fortschritte bei den Möglichkeiten, wie heute die Unternehmensführung kontinuierlich, zeitnah und effektiv mit Marktinformationen unterstützt werden kann, immer mehr Autoren statt von Marktforschung auch von »Marketing Intelligence« im Sinne einer permanenten innerbetrieblichen Frühaufklärung, Generierung und Auswahl von Handlungsalternativen sowie Wirkungskontrolle sprechen (vgl. z. B. Diller et al. 2011, S. 152 ff.; Iacobucci und Churchill 2018, S. 15 ff.; Meffert et al. 2019, S. 174; Theobald 2019).

1.2       Aufgaben der Marktforschung

Um die Aufgaben der Marktforschung zu umreißen, hat es an Kategorisierungsversuchen nicht gefehlt. Aus der älteren Literatur ist die Einteilung von Schäfer und Knoblich (1978, S. 21 ff.) erwähnenswert, die von drei Hauptarbeitsgebieten ausgehen, nämlich

•  der Bedarfsforschung,

•  der Konkurrenzforschung sowie

•  der Erforschung derAbsatzwege.

Dagegen hat nach Behrens (1966, S. 14 ff.) die Marktforschung vor allem die folgenden zwei Arbeitsgebiete zum Gegenstand:

•  die demoskopische Marktforschung, die sich um die Erforschung der äußeren (z. B. Alter, Geschlecht, Beruf) und inneren (d. h. psychischen) Merkmale (z. B. Motive, Einstellungen) von Marktteilnehmern bemüht sowie

•  die ökoskopische Marktforschung, die der Erforschung objektiv gegebener Handlungsresultate der Marktteilnehmer, im Sinne ökonomischer Größen wie Marktanteile, Umsätze, Preise u. a.m. dient.

Weder die Einteilung von Schäfer und Knoblich noch die von Behrens ist im konkreten Fall als Orientierungshilfe für die Informationsbeschaffungsaufgaben der Marktforschung ausreichend. Stattdessen werden im Folgenden einige wichtige Gliederungsgesichtspunkte herangezogen und erläutert, die stärker auf die Informationsbereitstellung für Marketing-Entscheidungen abheben. Das Buch folgt traditionell der Einteilung von Heinzelbecker (2003, S. 38 ff.) und kennzeichnet die für die Marktforschung relevanten Marktinformationen im Hinblick auf

•  die Elemente des Marketing-Systems und

•  die Phasen des Marketing-Entscheidungsprozesses.

Ergänzt werden diese beiden Einteilungen noch um eine Einteilung nach

•  der Kontinuität der Bereitstellung.

Man unterscheidet hier zwischen einer einmaligen Bereitstellung spezieller Marktinformationen im Sinne eines Ad-hoc-Marktforschungsprojekts und einer kontinuierlichen und oft auch automatisierten Bereitstellung von Marktinformationen im Sinne eines Marketing-Informations-Systems. Im digitalen Zeitalter hat innerbetrieblich gerade die zuletzt angesprochene kontinuierliche, oft auch automatisierte Bereitstellung erheblich an Bedeutung gewonnen.

1.2.1     Einteilung von Marktinformationen nach den Elementen des Marketing-Systems

Jedes Marketing-System besteht aus vier Elementen, zu denen die Marktforschung Informationen liefern kann (Abb. 2). Es sind dies

•  die Marketing-Ziele und möglichen Handlungsalternativen,

•  die möglichen Umweltzustände,

•  die möglichen Marktreaktionen sowie

•  die möglichen Erfolgsgrößen.

Abb. 2: Marktinformationen für die Elemente des Marketing-Systems

Die Marktforschung unterstützt zunächst einmal eine von den Marktgegebenheiten her realistische Festlegung der anzuvisierenden Marketing-Ziele und so auch das Finden von Handlungsalternativen. So kann z. B. die Information, dass im nächsten Jahr ein Umsatzrückgang zu erwarten ist, zu einer entsprechenden Zurücknahme der Umsatzziele führen. Sie kann aber auch die Findung von Handlungsalternativen unterstützen, sowohl auf Gesamtunternehmensebene (z. B. Definition des Unternehmenszwecks, Portfolio-Management) als auch auf der Ebene der Strategischen Geschäftsfelder (SGF), d. h. für die Planung und Realisation von Maßnahmen im Bereich der Produkt- und Sortimentspolitik, der Kommunikationspolitik, der Preis- und Konditionenpolitik sowie der Distributionspolitik. Des Weiteren werden Informationen über die zu erwartende Umweltzustände und deren Eintrittswahrscheinlichkeit benötigt. Hierbei handelt es sich zum einen um die Analyse und Prognose von Absatz- und Beschaffungsmärkten (z. B. hinsichtlich Marktvolumen, -wachstum oder Wettbewerbsintensität). Zum anderen ist aber auch die globale Umwelt zu beachten, womit vor allem die Entwicklung des ökonomischen, sozialen, ökologischen oder rechtlich-politischen Rahmens wie auch der Infrastruktur gemeint ist.

Schließlich ist es Aufgabe der Marktforschung, Informationen über die zu erwartenden Marktreaktionen bei Kunden und bei Wettbewerbern auf Handlungsalternativen sowie Ergebnisse zu liefern. Diese können sich auf individuelle Erfolgsgrößen bei den anvisierten Abnehmern beziehen als auch auf ökonomische Kriterien. Inzwischen sind im Sinne einer nachhaltigen Unternehmensführung aber auch immer mehr soziale und ökologische Ergebnisse vorherzusagen. Erst mit Hilfe von Marktinformationen zu diesen verschiedenen Elementen des Marketing-Systems ist eine zielorientierte Auswahl der besten Alternative möglich.

1.2.2     Einteilung von Marktinformationen nach den Phasen des Marketing-Entscheidungsprozesses

Ein Marketing-Entscheidungsprozess lässt sich gedanklich wie in Abbildung 3 in Phasen einteilen (vgl. auch Witte 1972).

Abb. 3: Phasen des Entscheidungsprozesses

In der ersten Phase besteht die Aufgabe der Marktforschung in einer planvollen und systematischen Überwachung der Unternehmensumwelt. Dies erfolgt zum einen durch laufende Soll-Ist-Vergleiche der erreichten Marktposition und der finanziellen Ergebnisse mit den Marketing-Zielen der vorangegangenen Planperiode. Eine systematische Entdeckung von Gefahren und Chancen für die Zielerreichung erfordert neben diesen Kontrollinformationen auch die Beschaffung von Prognoseinformationen über die voraussichtliche Marktentwicklung. Zudem sind Analysen und Prognosen der globalen Unternehmensumwelt durchzuführen.

Weisen akute Zielabweichungen oder Umweltentwicklungen auf ein Entscheidungsproblem hin, so ist häufig eine Klärung der Ursachen notwendig. Z.B. ist bei einem Marktanteilsrückgang nicht immer sofort ersichtlich, welche Gründe hierfür in Frage kommen. Die Marktforschung kann in diesem Falle zusätzliche Anhaltspunkte liefern, so dass die verantwortlichen Entscheidungsträger zu einer möglichst präzisen Formulierung des Marketing-Entscheidungsproblems gelangen können. So kann im obigen Beispiel eine mangelnde Förderung des Produkts im Handel für den Marktanteilsrückgang verantwortlich sein. Das Marketing-Entscheidungsprogramm besteht dann darin, durch entsprechende Maßnahmen den Handel zu einer verstärkten Unterstützung zu bewegen.

In der zweiten Phase des Marketing-Entscheidungsprozesses sind Informationen hinsichtlich der schon oben skizzierten Elemente »Handlungsalternativen«, »Ergebnisse von Handlungsalternativen« sowie »Umweltsituationen« zu liefern. Für die Suche nach Handlungsalternativen kommen als Informationsquellen Endabnehmer, Absatzmittler, Konkurrenzanalysen und Experten in Betracht. Der Schwerpunkt der Informationsgewinnung für die Alternativensuche liegt allerdings außerhalb des Aufgabenbereichs der Marktforschung. Hier ist insbesondere auf die kreativen Methoden der Ideenfindung hinzuweisen, mit deren Hilfe das Marketing-Management neue Marketing-Maßnahmen entwickeln kann. Zum Schwerpunkt der Marktforschungsarbeit zählt in der zweiten Phase des Entscheidungsprozesses jedoch die Ermittlung der Konsequenzen von Marketing-Maßnahmen. Hierzu sind oftmals umfassende Wirkungsprognosen notwendig. Daher wird häufig der testweise Einsatz der geplanten Maßnahmen im Rahmen von Labor- und/oder Feldexperimenten, inzwischen auch immer mehr von Online-Experimenten vorgenommen.

Darüber hinaus sind Prognoseinformationen darüber zu liefern, welche Umweltsituationen zum Zeitpunkt der Realisierung von Maßnahmen auftreten können. Hierbei interessiert vor allem, ob und inwieweit sich die Ergebnisse der Handlungsalternativen bei unterschiedlichen Umweltsituationen unterscheiden und mit welcher Umweltsituation am ehesten zu rechnen ist.

In der dritten Phase werden nun die Marketing-Maßnahmen im Hinblick auf ihre Zielerreichung vom Entscheidungsträger bewertet. Das Entscheidungsproblem ist gelöst, wenn eine Marketing-Maßnahme hinsichtlich des Ausmaßes der Zielerreichung von keiner anderen übertroffen wird.

In der letzten Phase kommt es zur Durchführung der Marketing-Maßnahmen. Die Marktforschung liefert nun die Kontrollinformationen, die einen Soll-Ist-Vergleich ermöglichen. Bei Abweichungen wird wiederum ein neuer Entscheidungsprozess ausgelöst.

Wie man sieht, variiert der Bedarf an Marktinformationen je nachdem, welches Element und welche Phase eines strategischen oder operativen Marketing-Entscheidungsproblems betrachtet wird. In einer konkreten Entscheidungssituation sind die hier isoliert aufgeführten Betrachtungsebenen soweit möglich miteinander zu verknüpfen, um den jeweiligen Bedarf an Marktinformationen hinreichend zu charakterisieren. So ist es beispielsweise denkbar, dass für ein strategisches Marketing-Entscheidungsproblem in der zweiten Phase des Entscheidungsprozesses Informationen über die Elemente »Handlungsalternativen« und deren »Konsequenzen« zu liefern sind. Ein ganz anderer Fall liegt vor, wenn im Rahmen der operativen Marketing-Kontrolle routinemäßig Daten über die Absatzmengen oder die Wirkung einzelner Marketing-Maßnahmen im Rahmen von Vorher-Nachher-Tests erhoben werden. Hier sind die Gesichtspunkte »operatives Entscheidungsproblem«, »Kontrollphase« und »realisierte Handlungskonsequenzen« miteinander verknüpft. Die Zusammenhänge sowie die Rolle weiterer Informationsgrundlagen neben der Marktforschung verdeutlicht Abbildung 4.

Abb. 4: Marktforschung im Marketing-Managementprozess

1.2.3     Einteilung von Marktinformationen nach der Kontinuität der Bereitstellung

Hinsichtlich der Kontinuität der Bereitstellung unterscheidet man vor allem

•  Marktinformationen, die Ergebnis eines einmaligen auf einen speziellen Untersuchungszweck ausgerichteten sog. Ad hoc-Marktforschungsprojekts sind,

•  Marktinformationen, die den Entscheidungsträgern kontinuierlich, oft auch automatisiert, bereitgestellt werden und jederzeit abrufbar sind, etwa über ein Marketing-Informationssystem (siehe z. B. Iacobucci und Churchill 2018, S. 13 ff.). Naturgemäß ergänzen sich diese beiden unterschiedlichen Ansätze einer Informationsversorgung insofern, dass die kontinuierliche Bereitstellung wichtiger Marktinformationen (z. B. über Kennzahlen wie Marktanteile, Absätze, Umsätze und Stammkundenanteile einzelner Produkte oder Umsätze einzelner Kunden bzw. Kundensegmente) mehr der Frühaufklärung und Kontrolle des Marktgeschehens dient, während konkrete Marktforschungsprojekte dann angestoßen werden, wenn die verfügbaren Informationen aus dem Marketing-Informationssystem nicht detailliert genug sind.

In beiden Fällen, der einmaligen wie auch der kontinuierlichen Informationsversorgung, hat in den letzten Jahren die immer weiter greifende Digitalisierung zu enormen Veränderungen geführt. So weisen z. B. Müller-Peters und Lübbert (2019) in ihrem Ein- und Ausblick zur Zukunft der Marktforschung darauf hin, dass diese bereits heute

•  aufgrund sich immer schneller bewegender Märkte unter einem immer höheren Zeitdruck steht,

•  immer standardisierter und ergebnisorientierter stattfindet,

•  vor allem die immer umfangreicher werdenden unternehmensintern erhebbaren oder bereits verfügbaren Daten nutzt,

•  eine Schwerpunktverlagerung von der Generierung neuer (Marktforschungs-)Daten zur Nutzung bereits vorhandener (Unternehmens-)Daten erlebt und

dass diese Entwicklung angesichts der Vielfalt neu entstehender digitaler Erhebungs- und Auswertungsmethoden sicherlich erst am Anfang steht. Man denke etwa an den sich zunehmend professionalisierenden Umgang mit »Big Data« in der Marktforschung (Wedel und Kannan 2016; Iacobucci und Churchill 2018, S. 18 ff.): Sowohl bei Ad hoc-Marktforschungsprojekten wie auch bei der kontinuierlichen Informationsbereitstellung mittels Marketing-Informations-Systemen sind heute bereits die Nutzung von Audio-, Bild-, Clickstream-, Text- oder Video-Daten verbreitet. Traditionelle Anbieter von Marktinformationen wie die großen (z. B. Nielsen, GfK, IQVIA, Ipsos und Kantar) aber auch die mehr als 200 kleineren Marktforschungsinstitute in Deutschland (Kap. 3.1.3) werden zu diesem Thema vielfältig herausgefordert: Einerseits sind viele ihrer traditionellen Kunden, die Unternehmen, immer weniger auf ihre Angebote angewiesen. Andererseits treten auch immer mehr Tech-Konzerne (z. B. Alphabet/Google, Amazon, Apple, eBay, Facebook) und kleine digitale StartUps als Anbieter von Marktinformationen mit innovativen Erhebungs- und Auswertungsmethoden auf.

1.3       Phasen des Marktforschungsprozesses

Jeder Forschungsprozess, und damit auch ein Marktforschungsprojekt, lässt sich als Abfolge von Arbeitsschritten darstellen. In Abbildung 5 werden sieben Phasen unterschieden (vgl. zu ähnlichen Phasenschemata Herrmann et al. 2008, S. 8; Iacobucci und Churchill 2018, S. 23; Homburg 2020, S. 275).

Abb. 5: Phasen des Marktforschungsprozesses

Bei den hier aufgeführten Arbeitsschritten handelt es sich nicht um eine logische Anordnung, die in einer strengen Reihenfolge zu durchlaufen ist. Vielmehr stellt das Schema lediglich eine Orientierungshilfe dar, die schon zu Beginn eines Marktforschungsprojektes aufzeigt, welche Aspekte in systematischer Weise zu berücksichtigen sind. Das Schema geht davon aus, dass der Informationsbedarf aus dem jeweiligen Marketing-Entscheidungsproblem abzuleiten ist. Bei geringem Kenntnisstand über das zu lösende Entscheidungsproblem ist ein möglichst flexibler Marktforschungsprozess in die Wege zu leiten (explorative Forschung), während bei genauer Kenntnis ein detaillierter Marktforschungsplan erstellt werden kann, in dem festgehalten wird, welche Daten auf welchem Wege zu erheben und auszuwerten sind. Als Forschungsdesigns kommen hierbei die deskriptive oder die experimentelle Forschung in Frage.

Durch die Wahl des Forschungsdesigns werden die weiteren Forschungsschritte wesentlich geprägt. Während bei explorativer Forschung der Schwerpunkt auf der Analyse bereits vorliegender interner und externer Informationsquellen liegt (Sekundärforschung), stehen bei deskriptiven und experimentellen Designs Methoden der Beobachtung und Befragung im Vordergrund (Primärforschung).

Methoden der Primärforschung sind Bestandteil von Messvorgängen, bei denen den in der quantitativen Forschung interessierenden Merkmale der Messobjekte (z. B. Verbraucher, Einzelhandelsgeschäfte etc.) Symbole (meist Zahlen) zugeordnet werden. Dies setzt eine operative Definition der zu erhebenden Merkmale und die präzise Angabe der Maßnahmen zu ihrer Messung voraus. In der qualitativen Forschung werden typischerweise nicht-numerische Daten (reich detaillierte und mit ihrem jeweiligen Kontext erfasste visuelle und verbale Informationen) erhoben. Dabei müssen vorab das zu untersuchende empirische Phänomen und die Forschungsfragen, die Forschungstradition (z. B. Hermeneutik, Semiotik oder Neopositivismus) und die zur Forschungstradition passenden Verfahren der Datenanalyse festgelegt werden (Belk et al. 2013, S. 16 ff.). Anschließend müssen die Erhebungsinstrumente (Interviewleitfäden, Fragebögen, Data Collection Plans) erstellt werden, und es sind die zu befragenden bzw. zu beobachtenden Objekte zu bestimmen, die Interviewer zu schulen sowie schließlich die Daten zu erheben.

Nach der Aufbereitung und Übertragung der Daten auf den Computer schließt sich die Datenanalyse an, bei der heute normalerweise softwaregestützte Analysetools wie SPSS, SAS, R, JASP, Atlas.ti, MAXQDA, NVivo etc. verwendet werden. Schließlich findet das Projekt mit der Ergebnispräsentation seinen Abschluss.

Daneben ist es denkbar, dass der Marktforschungsprozess zur Befriedigung des vorhandenen Informationsbedarfs mehrfach zu durchlaufen ist, wenn z. B. zunächst eine Vorstudie erste Erkenntnisse liefern soll, um anschließend eine Hauptuntersuchung folgen zu lassen. Die nachfolgenden Ausführungen sind der ausführlichen Behandlung der einzelnen Phasen des Marktforschungsprozesses gewidmet.

 

2          Formulierung des Forschungsproblems und Wahl des Forschungsdesigns

 

 

 

Der erste Schritt des Marktforschungsprozesses beinhaltet eine möglichst präzise Beschreibung des Marktforschungsproblems. Anschließend ist zu überprüfen, ob und durch welches Forschungsdesign der so beschriebene Informationsbedarf zu befriedigen ist.

2.1       Formulierung und Beurteilung des Marktforschungsproblems

2.1.1     Marketing-Entscheidung und Marktforschungsproblem

Der Wissensstand der Entscheider kann im Hinblick auf das Entscheidungsproblem beträchtlich variieren. Seine Bandbreite reicht vom bloßen Gefühl einer möglichen Bedrohung bis hin zu ganz konkreten Vorstellungen hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen, den in Frage kommenden Umweltsituationen und den Konsequenzen der Alternativen. Die an das Marketing-Entscheidungsproblem anknüpfende Formulierung des Marktforschungsproblems, d. h. die Fixierung der Marktforschungsziele und die Angabe der gewünschten Informationen, ist mit der wichtigste Arbeitsschritt im gesamten Forschungsprozess. Fehler, die hier gemacht werden, lassen sich auch nicht durch eine noch so gewissenhaft betriebene Datenerhebung und -auswertung beheben.

Häufig ist jedoch festzustellen, dass trotz vager Vorstellungen hinsichtlich der zu lösenden Entscheidungen voreilig aufwendige Marktforschungsprojekte in die Wege geleitet werden. Dabei besteht die Gefahr, dass irrelevante Forschungsziele anvisiert und unbrauchbare Informationen geliefert werden.

2.1.2     Entdeckung und Präzisierung des Marketing-Entscheidungsproblems

Lange Zeit wurde die Entdeckung von Marketing-Entscheidungsproblemen lediglich als Kontrollproblem verstanden, denn Veränderungen in der Unternehmensumwelt schlagen sich früher oder später in routinemäßig erfassten Daten des Rechnungswesens und der Absatzstatistik nieder.

Diese Denkhaltung birgt zwei Gefahren: Zum einen verkürzt sich durch die recht späte Problementdeckung die verbleibende Reaktionszeit zur Abwehr einer sich anbahnenden Krise. Zum anderen werden auf diesem Wege oft nur Bedrohungen für das Unternehmen erkannt. Günstige Marktgegebenheiten, deren Ausnutzung zu einer höheren Zielerreichung als vorgesehen führen können, werden auf diese Weise kaum erfasst.

Man denke etwa an Online-Händler wie z. B. Amazon, Baur, Otto oder Zalando, die nicht erst dann aktiv werden, wenn Besuchshäufigkeiten oder Bestellvolumina zurückgehen. Stattdessen sind sie permanent mittels branchenübergreifendem Technologie- und Marktscouting, Wettbewerbsanalysen sowie Musterkennung auf der Suche nach Alternativen zur Verbesserung ihres Angebots. Die so entwickelten Alternativen werden dann mittels Kundenbefragungen und -beobachtungen sowie Online-Experimenten in mehrstufigen Prüf- und Auswahlprozessen präzisiert, ausgewählt und implementiert (siehe z. B. Baier und Rese 2020b für eine beispielhafte Umsetzung bei Zalando). Abbildung 6 (in Anlehnung an Baier et al. 2019, S. 63) visualiert diese Entdeckung und Präzisierung von Marketing-Entscheidungsproblemen sowie deren Überführung in Marktforschungsaktivitäten in einem mehrstufigen (hier: siebenstufigen) sog. Site Engineering-Prozess am Beispiel des Baur-Versands in Burgkunstadt, eines Teils der Otto-Gruppe. In der Abbildung sind Marktforschungsaktivitäten zur Abgrenzung grau hinterlegt.

Abb. 6: Entdeckung und Präzisierung von Marketing-Entscheidungsproblemen

Auch bei Herstellern der Konsum- und Industriegüterindustrie sind derartige iterative Entdeckungs- und Präzisierungs- sowie Prüf- und Auswahlprozesse weit verbreitet und werden dort etwa im Rahmen der Neuproduktentwicklung als Stage-Gate-Prozesse, neuerdings auch als Agile Stage-Gate-Prozesse genutzt (Cooper 1990; Cooper und Sommer 2016): Ausgangspunkt ist die systematische Suche nach möglichst vielen erfolgversprechenden neuen Produkt- und/oder Vermarktungsalternativen. Deren iterative Konkretisierung, Prüfung und Auswahl wird dann iterativ durch Marktforschungsaktivitäten unterstützt (siehe z. B. Ulrich et al. 2020 für einen umfassenden Überblick).

Wie bereits angedeutet, kommen im Zusammenhang mit der Konkretisierung von Alternativen neben traditionellen Ansätzen zur Markt- und Absatzprognose auch Instrumente der Frühaufklärung zum Einsatz, die in der Marktforschungsliteratur schon länger diskutiert werden (vgl. Ansoff 1976, Müller-Merbach 1977, Kühn und Walliser 1978, Hahn und Krystek 1979, Rieser 1980; Böhler 1983, Ulrich et al. 2020, S. 35-54). Sie sollten im Idealfall schon auf mögliche Alternativen hinweisen (z. B. Einführung von Sprachassistenten im Kundendialog oder nicht, Alternativen für ein neues Produkt oder eine neue Vermarktungsstrategie), da der Entscheidungsträger aufgrund seines geringen Informationsstandes oft nicht in der Lage ist, die Entscheidungsaufgabe selbst zu konkretisieren. Die Marktforschung hat deshalb die Aufgabe, durch explorative Forschung mittels Sekundärforschung und/oder Expertengesprächen die Hintergründe aufzudecken bzw. Hinweise für die Abwehr der Bedrohung oder für die Chancennutzung zu liefern.

Hilfreich ist in dieser Situation heute aber vor allem auch die Analyse der umfassend vorliegenden internen Datenbestände (z. B. Kundenbeschreibungen, Kaufhistorien, Clickstreams, Kommentare und Beschwerden) mittels immer ausgereifterer Verfahren der Datenanalyse (Kap. 3 und 7) sowie Auswertungen weiterer, vor allem über das Internet zugänglicher Informationen (u. a. branchenübergreifende Studien, Vergleiche, Berichte, Nachrichten, Patente und andere Veröffentlichungen, Kundenbewertungen des eigenen Angebots und des Angebots der Konkurrenz in sozialen Netzwerken oder in Online-Shops). Man spricht heute angesichts der vielfach datengetriebenen Möglichkeiten, so eine Aufklärung umzusetzen, je nach Schwerpunkt auch von »Data Mining«, »Knowledge Discovery in Databases«, »Marketing Analytics« oder auch »Marketing Intelligence« (siehe z. B. Wedel und Kannan 2016 für einen einführenden Überblick sowie Kap. 6 und 7). Aufgabe ist es jedenfalls oft, das Marketing-Entscheidungsproblem hinsichtlich möglicher Alternativen zu konkretisieren und daraus ein (Markt-)Forschungsziel und einen Informationsbedarf abzuleiten.

2.1.3     Formulierung des Marktforschungsproblems

Das Marktforschungsproblem ist hinreichend formuliert, wenn das Forschungsziel und der Informationsbedarf nach »Art, Qualität und Ausmaß« (Hammann und Erichson 2006, S. 53 ff.) festgelegt sind. Oft handelt es sich dabei um eine bloße Wiederholung des Marketing-Entscheidungsproblems. Besteht z. B. das Entscheidungsproblem in der Wahl zwischen zwei Neuproduktvorschlägen, so lautet das Marktforschungsproblem »Bewertung alternativer Neuproduktvorschläge«. Nicht selten liegen aber komplexere Entscheidungsprobleme vor. Wurde z. B. innerhalb der Problementdeckung und -präzisierung festgestellt, dass das alte Produkt sich in der Degenerationsphase seines Lebenszyklus befindet, so können mehrere Forschungsziele und umfangreiche Informationsbedürfnisse in die Formulierung des Marktforschungsproblems aufgenommen werden.

Die Liste der Forschungsziele beginnt z. B. mit dem Ziel, Marktnischen aufzuspüren, deren Aufnahmefähigkeit festzustellen sowie Anregungen für die Produktgestaltung zu liefern, und endet damit, dass Neuproduktalternativen sowie Werbekampagnen und verschiedene Preishöhen zu bewerten sind.

Die soeben skizzierte Aufgabe, dass am Anfang eines Marktforschungsprozesses eine präzise Formulierung des Marketing-Entscheidungs- und des Marktforschungsproblems zu erstellen sei, wird in der Wissenschaftstheorie unter dem Begriff der Hypothesenformulierung diskutiert. Da die dort aufgestellten Prinzipien zur Hypothesenformulierung von höchster Bedeutung für die Definition von Marktforschungsproblemen sind, ist in aller Kürze darauf einzugehen.

Hypothesen lassen sich gewissermaßen als Forschungsziele betrachten, die in die Form einer Behauptung gekleidet sind. Ein typisches Beispiel sind »Wenn-Dann-Aussagen« der Art »Wenn das Werbebudget um 10 % erhöht wird, dann steigt im gleichen Zeitraum der Marktanteil um 1 %«.

Die Wissenschaftstheorie stellt nun inhaltliche und formale Anforderungen an die Hypothesenformulierung und -überprüfung, die sicherstellen sollen, dass die aufgestellten Behauptungen in intersubjektiv befriedigender Weise nachgeprüft werden können. Was die Hypotheseninhalte anbelangt, so trifft man immer wieder die Forderung, dass »Wenn-Dann-Aussagen« aufzustellen sind, da nur hierdurch die Erklärung, Prognose und damit die Unterstützung von Entscheidungen möglich ist. Letztlich wird also die Formulierung und Überprüfung von Hypothesen über Ursache-Wirkungsverhältnisse gefordert. Zwischen diesen Forderungen der Wissenschaftstheorie und der Realität der Forschungspraxis klafft jedoch eine erhebliche Lücke:

Die verfügbaren Mittel, die Beschaffenheit der Daten und die technische Ausstattung des Forschers erlauben nicht immer die Aufstellung und experimentelle Überprüfung von Kausalhypothesen. Oftmals sind diese Behauptungen nur durch deskriptive Designs, d. h. durch die statistische Analyse von korrelativen Beziehungen überprüfbar. Daneben interessieren in der Marktforschungspraxis nicht nur Beziehungen zwischen Merkmalen. Recht häufig werden auch »deskriptive Hypothesen« formuliert, die sich auf die Ausprägungen eines einzelnen oder auch mehrerer Merkmale beziehen. Dies ist z. B. der Fall, wenn es um die Beschreibung von Markttatbeständen geht, etwa wenn die demographischen, sozioökonomischen und psychologischen Merkmalsausprägungen von Käufern zu erheben sind, oder wenn die Höhe des Marktvolumens ermittelt werden soll.

Noch weiter vom wissenschaftstheoretischen Forschungsideal des kritischen Rationalismus entfernt befindet man sich, wenn das Entscheidungsproblem nur sehr vage bekannt ist. Hier dient die explorative Forschung ja erst dem Zweck der Hypothesenfindung. Was vom wissenschaftstheoretischen Forschungsideal für die Formulierung des Marktforschungsproblems übrig bleibt, ist somit die Forderung, dass nach Abschluss der explorativen Phase von deskriptiven oder kausalen Hypothesen auszugehen ist. Denn unpräzise oder fehlende Hypothesen verhindern nicht nur die angemessene statistische Überprüfung der Ergebnisse, sie ermöglichen zugleich jedwede Manipulation durch den Forscher. Dies ist insbesondere der Fall, wenn zuerst alle möglichen Analysen durchgeführt werden, bis man halbwegs »plausible« und »signifikante« Ergebnisse gefunden hat. Für diese Ergebnisse werden dann nur noch die bereits »bestätigten« Hypothesen gesucht. Diese Vorgehensweise wird in der Forschung als HARKing bezeichnet (hypothesizing after results are known). Dabei führen vor allem das Cherry-Picking (die gezielte Auswahl von Datensätzen und Messinstrumenten, die besonders vielversprechend für die Bestätigung einer Hypothese erscheinen) und das QuestionTrolling (die Suche in den Daten nach Konstrukten, Messinstrumenten und Zusammenhängen, aus denen sich bestätigbare und möglicherweise publizierbare Hypothesen ableiten lassen) zu besonders starken Verzerrungen der Glaubwürdigkeit von Forschungsergebnissen (Murphy und Aguinis 2019).

Sind das Marktforschungsproblem und die damit einhergehenden Hypothesen formuliert, so ist nun zu entscheiden, ob und in welchem Umfang der festgestellte Informationsbedarf durch die Marktforschung zu befriedigen ist.

2.1.4     Bewertung und Auswahl von Marktforschungsprojekten

Marktforschungsprojekte, die nicht ausschließlich auf bereits vorliegende Daten zurückgreifen können, verursachen hohe Kosten. Es liegt daher nahe, Projektanträge einer formalen Bewertung zu unterziehen, bei denen Wert und Kosten der Marktforschung einander gegenübergestellt werden. Während die Kosten der Informationsbeschaffung relativ einfach zu berechnen sind, lässt sich der Wert der durch Marktforschung zu liefernden Informationen nur durch eine Reihe restriktiver Annahmen abschätzen.

Eine Möglichkeit zur Bestimmung des Informationswertes von Marktforschungsprojekten bietet die nach dem englischen Pfarrer Thomas Bayes benannte Bayes-Analyse, deren Verbreitung in der wirtschaftswissenschaftlichen Fachwelt vor allem auf Schlaifer (1959) und speziell im Marketing auf Green und Frank (1966) zurückgeht (vgl. u. a. Green und Tull 1988, Decker und Wagner 2002, Hammann und Erichson 2006).

Um den Informationswert mit Hilfe der Bayes-Analyse abschätzen zu können, werden hohe Anforderungen an die Formulierung des Marketing-Entscheidungsproblems gestellt: Es müssen die in Frage kommenden Handlungsalternativen, die Umweltsituationen und deren Eintrittswahrscheinlichkeiten sowie die in Geld bewerteten Ergebnisse der Handlungsalternativen bei verschiedenen Umweltsituationen angegeben werden. Ohne Durchführung eines Marktforschungsprojekts wird jene Handlungsalternative gewählt, die den höchsten Erwartungswert von risikoneutralen Entscheidern aufweist (Laux et al. 2018, S. 341-389). Wird zur Verbesserung des Informationsstandes ein Marktforschungsprojekt erwogen, so kann mit Hilfe des Bayes-Ansatzes der Erwartungswertzuwachs ermittelt werden, den die zusätzlichen Informationen erbringen. Ist dieser Wert der Informationen höher als die Kosten ihrer Beschaffung, so lohnt sich die Realisierung des Marktforschungsvorhabens. Auf die Darstellung des Formelapparates wird hier verzichtet und stattdessen auf die hierzu bereits zitierte Literatur verwiesen.

Praktisch scheitert die Anwendung der Bayes-Analyse häufig daran, dass die Entscheider nicht in der Lage oder nicht bereit sind, Handlungsalternativen, Umweltsituationen, Konsequenzen und Wahrscheinlichkeiten zu schätzen. Des Weiteren ist das Instrumentarium nur für eine ganz bestimmte Klasse von Marktforschungsproblemen anwendbar; sollen z. B. Informationen über Zielgruppen oder Kontrollinformationen eingeholt werden, so entfällt diese Möglichkeit der Informationsbewertung. Letztlich ist das Konzept der Bayes-Analyse mit seiner Erwartungswertberechnung bei wohldefinierten Entscheidungsproblemen zu restriktiv. Tatsächlich liefern die zu beschaffenden Marktforschungsinformationen zumeist auch Hinweise auf neue Handlungsalternativen und bislang noch nicht berücksichtigte Umweltsituationen; damit verändert sich jedoch die ursprüngliche Definition des Entscheidungsproblems (vgl. zu diesen Problemen Uebele 1981 oder Decker und Wagner 2002).

Somit beschränkt sich der Wert des Bayes-Ansatzes hauptsächlich darauf, dass er Entscheider und Marktforscher zwingt, sich systematischere und logisch weniger widersprüchliche Gedanken über das zu lösende Marketing-Entscheidungsproblem und das geplante Marktforschungsprojekt zu machen als sie es üblicherweise gewohnt sind. In diesem Sinne ist u.U. die Anwendung der Bayes-Analyse bei Entscheidungen mit weitreichenden Konsequenzen zu empfehlen. Wenn nun wie in den meisten Fällen der Informationswert von Marktforschungsprojekten nicht in Geldeinheiten bewertet werden kann, so sind Ersatzkriterien heranzuziehen. Hierzu bieten sich Checklisten an, die sich aus wichtigen Bewertungskriterien zusammensetzen, wie

•  der Klarheit der Marketing-Problemformulierung,

•  der Wichtigkeit des Marketing-Problems,

•  der Formulierung der Forschungsziele und des Informationsbedarfs,

•  dem Forschungsdesign,

•  den Erhebungsmethoden,

•  den Auswertungsmethoden,

•  den Kosten und der Zeitdauer sowie

•  der Wichtigkeit der Informationen für das Unternehmen.

Diese Kriterien können entweder auf einer von »sehr gut« bis »sehr schlecht« reichenden Skala eingestuft werden, oder man zieht Punktbewertungsmodelle heran, bei denen für jedes Kriterium ein Punktwert vergeben wird. Der Gesamtpunktwert ergibt sich dann durch Addition der Einzelpunktwerte, wobei zuvor auch noch eine Gewichtung der einzelnen Kriterien vorgenommen werden kann.

2.2       Wahl des Forschungsdesigns

Jedes Forschungsvorhaben ist durch die Forschungsziele und die herangezogenen Untersuchungsmethoden charakterisiert. Trotz der großen Vielfalt lassen sich drei typische Forschungsansätze unterscheiden:

•  die explorative Forschung,

•  die deskriptive Forschung sowie

•  die experimentelle bzw. quasi-experimentelle Forschung.

2.2.1     Explorative Forschung

Die explorative Forschung wird bei geringem Kenntnisstand zur Gewinnung zusätzlicher Einsichten zum Forschungsproblem herangezogen. Im Wesentlichen werden mit ihr folgende Forschungsziele angestrebt:

•  Präzisierung von Marketing-Entscheidungs- und Marktforschungsproblemen (Hypothesenfindung),

•  Prioritätensetzung für die Projektauswahl sowie

•  Anhaltspunkte für die Projektabwicklung.

Obwohl in dieser »vorwissenschaftlichen Erkundungsphase« ein hohes Maß an Flexibilität und Kreativität der Marktforscher erforderlich ist, haben sich die Sekundärforschung, die Expertenbefragung und die qualitativen Marktforschungsmethoden für die explorative Marktforschung bewährt. Auf die heutige Bedeutung datengetriebener Forschung wurde bereits hin- und auf die entsprechenden zusätzlichen Ausführungen in Kapitel 3 und 7 verwiesen.

2.2.1.1    Sekundärforschung

Hilfreich ist zunächst die Sichtung bereits vorliegender Forschungsergebnisse zu früheren ähnlichen Problemfeldern sowie die Auswertung von internen und externen Datenquellen (Außendienstberichte, Datenbanken, Statistiken etc.).

Das Literaturstudium sowie die Analyse bereits vorliegender interner und externer Daten sollten stets den ersten Untersuchungsschritt eines Forschungsvorhabens bilden. Hierdurch lassen sich schnell und mit geringen Kosten zusätzliche Einsichten hinsichtlich der Ursachen des Problems, der in Frage kommenden Handlungsalternativen und für die weitere Projektgestaltung gewinnen.

Mitunter ist auch die Analyse einzelner Fälle hilfreich. Hierzu zählt z. B. die Sichtung von Berichten über sehr erfolgreiche Marketing-Aktionen in der Praxis, oder, was noch aufschlussreicher sein kann, das Studium aufsehenerregender Misserfolge.

Hinweise lassen sich zudem im eigenen Unternehmen durch Vergleich von erfolgreichen und weniger erfolgreichen Marketing-Maßnahmen in der Vergangenheit erarbeiten.

2.2.1.2    Expertenbefragung

Bei bedeutenden Forschungsvorhaben oder relativ neuartigen Problemstellungen genügt die Sichtung vorhandenen Materials nicht. Wertvolle Anregungen lassen sich dann durch die Expertenbefragung gewinnen. Als Auskunftspersonen kommen Mitglieder des Unternehmens, Vertreter des Handels und auch Personen in Frage, die selbst auf demselben oder einem verwandten Gebiet forschen. Bei der Auswahl sollte darauf geachtet werden, dass eine eventuell bestehende Meinungsvielfalt hinreichend erfasst wird. Unter Umständen sind auch »Außenseiter« zu befragen, deren Ansichten nicht in das etablierte Weltbild passen, da gerade hierdurch neue Einsichten gewonnen werden können. Als Befragungsstrategie empfiehlt sich das unstrukturierte persönliche (»Tiefen-«)Interview, weil dabei die Auskunftspersonen auf Gesichtspunkte eingehen können, die der Forscher nicht von vorneherein in Erwägung gezogen hatte.

Tiefeninterviews gehören zu den Schlüsselmethoden der qualitativen Marktforschung (Belk et al. 2013, S. 31), auf deren Bedeutung in Rahmen von explorativen Forschungsdesigns im folgenden Abschnitt vertieft eingegangen wird.

2.2.1.3    Qualitative Forschung