Materialien zur Bauverfügung - Volkert Vorwerk - E-Book

Materialien zur Bauverfügung E-Book

Volkert Vorwerk

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Beschreibung

Das Werk "Materialien zur Bauverfügung" stellt die Bauverfügung Edition 1 sowie die Bauverfügung Edition 2 dar, die von Prof. Dr. Vorwerk im Rahmen der Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht beim Bundesministerium der Justiz konzipiert wurden. Die Bauverfügung soll ein neues beschleunigtes Erkenntnisverfahren zur Entscheidung von Streitigkeiten "auf der Baustelle" schaffen.

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Seitenzahl: 144

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Materialien zur Bauverfügung

Impressum

Materialien zur Bauverfügung Prof. Dr. Volkert Vorwerk Copyright: © 2014 Prof. Dr. Volkert Vorwerk Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de ISBN 978-3-7375-0794-3

Vorwort

Die Zivilprozessordnung kennt nur das Erkenntnisverfahren und als beschleunigtes Verfahren das Verfügungsverfahren, das einer Leistungsverfügung nur unter eng beschränkten Voraussetzungen zugänglich ist. Das FamFG ist einen wesentlichen Schritt voraus. Es kennt mit der einstweiligen Anordnung eine vom Hauptsacheverfahren unabhängige Möglichkeit beschleunigter Durchsetzung des Rechts. Andere Rechtsordnungen, erst jüngst das einheitliche Schweizer Verfahrensrecht und schon seit vielen Jahrzehnten das französische Recht, kennen die Rechtsdurchsetzung in einer Art beschleunigtem Verfahren. Das materielle Recht eröffnet, insbesondere soweit Pflichten aus Verträgen abgeleitet werden, vielerorts nicht die Möglichkeit, treffsicher vorherzusagen, ob die etwa aus Verträgen oder aus als offener Tatbestand formulierten Normen abgeleitete Pflicht zu erfüllen ist. Die Nichterfüllung sanktioniert das geltende Recht mit Schadenersatzpflichten. Sie überbürdet dem Einzelnen damit häufig ein Risiko, das in seinen Auswirkungen unabsehbar ist. Sind die Parteien aufgrund langfristiger Bindung aufeinander angewiesen, darf die Rechtsordnung nicht nur die Möglichkeit der Erfüllung oder der Verweigerung und in der Folge davon die Feststellung der Pflichtverletzung im Rahmen eines ggf. sehr viel später entschiedenen Rechtstreits anbieten. Der moderne Rechtsstaat verlangt deshalb nach einem schnellen Erkenntnisverfahren mit hoher Richtigkeitsgewähr.

Diese Forderung, die auch Inhalt des von mir auf dem 70. Deutschen Juristentag in dessen Prozessrechtlicher Abteilung gehaltenen Referats ist (weitere Informationen auf djt.de), haben mich bewogen, meine Arbeiten zur Ausgestaltung eines beschleunigten Erkenntnisverfahren zusammengefasst zu veröffentlichen. Die Erste Edition zur Bauverfügung war Grundlage der Arbeiten der Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht beim Bundesjustizministerium (ARGE Baurecht), in die mich die Bundesrechtsanwaltskammer als Vorsitzenden des Schuldrechtsausschusses entsandt hatte. Die Zweite Edition der Bauverfügung ist als Vorarbeit im Rahmen einer privaten Arbeitsgruppe entstanden, die sich nach den Vorarbeiten der ARGE Baurecht gebildet hatte, um das Projekt Bauverfügung, wenngleich mit unterschiedlicher Zielrichtung, voranzutreiben. Die Bauverfügung selbst ist insbesondere in ihrer Ausgestaltung, die sie im Abschlussbericht des Bundesministeriums der Justiz erfahren hat, schließlich Gegenstand von Diskussionen auf dem Baugerichtstag 2014 (am 23.05./24.05. in Hamm; weitere Informationen auf baugerichtstag.de) gewesen, auf dem Johannes Keders, Präsident des Oberlandesgerichts Hamm, seine Sicht einer neuen Ausgestaltung der Bauverfügung vorgetragen hat.

Die hiermit vorgelegten Materialien zur Bauverfügung, verstehen sich als Zusammenstellung von Gedanken, die die Wissenschaft und Gesetzgebung aufgreifen sollten, um im Ergebnis weiterer Diskussionen ein beschleunigtes Erkenntnisverfahren Teil unserer Prozessordnung werden zu lassen. Dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz danke ich für die Genehmigung, den Abschlussbericht der ARGE Baurecht, in dem die Bauverfügung, wenngleich in anderer Gestaltung als von mir zunächst in der Ersten Edition gefordert, als Teil eines geschlossenen Rechtssystems eingebettet ist, der interessierten Öffentlichkeit zugänglich machen zu können.

Karlsruhe, im September 2014

Arbeitspapier BauverfügungEdition 2 (2014)

© 2014 Prof. Dr. Volkert Vorwerk (Stand 22.04.2014)

A

I. Vorbemerkung

1

Die Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht beim Bundesministerium der Justiz (ARGE BauVR) hatte in den Eckpunkten zur Ausgestaltung eines „einseitigen Anordnungsrechts des Bestellers“ vorgeschlagen, bei Neugestaltung des Bauvertragsrechts (BauVG) ein einseitiges Anordnungsrecht des Bestellers vorzusehen. Die ARGE BauVR verwies in diesem Zusammenhang auf § 1 Abs. 1 und 3 VOB/B … „sowie auf den Umstand, dass jene Vorschriften „in der Praxis immer wieder zu Problemen, insbesondere hinsichtlich der Preisanpassung“ führen würden.[1] Das Arbeitspapier „Bauverfügung“ (Stand 22.09.2011) hatte sich zum Ziel gesetzt, ein neues verfahrensrechtliches Instrument („Bauverfügung“) zu entwickeln, das in der Lage ist, jene Probleme durch vorläufige, die Parteien verpflichtende, richterliche Entscheidung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) in der Weise zu lösen, daß der entstandene Streit das Fortschreiten der Arbeiten am Bau nur über einen möglichst kurzen Zeitraum behindert.[2] Im Arbeitspapier „Bauverfügung“ (Stand 22.09.2011) war das neue verfahrensrechtliche Instrument so ausgestaltet, daß es als beschleunigtes Erkenntnisverfahren in der Lage ist, über das einseitige Anordnungsrecht des Bestellers hinausgehende Streitigkeiten zwischen den Parteien des Bauwerkvertrages durch richterliche Entscheidung innerhalb eines möglichst kurzen Zeitraums zu lösen.[3]

2

Die ARGE BauVR hat im Abschlußbericht vom 18.06.2013 die im Arbeitspapier „Bauverfügung“ (Stand 22.09.2011) niedergelegten Vorschläge aufgegriffen und damit anerkannt, daß

– bei Fehlen eines vertraglich vereinbarten Adjudikationsverfahrens –

mit Schaffung eines einseitigen Anordnungsrechts des Bestellers ein schnelles gerichtliches Verfahren einzuführen ist, das in der Lage ist, die sich aus dem einseitigen Anordnungsrecht des Bestellers ergebenden Probleme zu lösen.[4] Der Anwendungsbereich des von der ARGE BauVR vorgeschlagenen „Bauverfügung“ hat die ARGE BauVR auf folgende Streitigkeiten beschränkt; wobei sich der Inhalt der Beschränkung daraus ergibt, daß sich die von der ARGE BauVR vorgeschlagene „Bauverfügung“ nur auf die Streitigkeiten beschränken soll, die sich aus dem einseitigen Anordnungsrecht des Bestellers im Rahmen des neu zu gestaltenden Bauvertragsrechts ergeben.[5]

3
Bei einer Vertragsänderung durch den Bestellers besteht Uneinigkeit über die Zumutbarkeit der einseitigen Anordnung des Bestellers;die Parteien streiten darüber, ob Anordnungen des Bestellers zur Art der Ausführung der Bauleistung und zur Bauzeit durch besonders schwerwiegende Gründe gerechtfertigt sind;der Besteller und der Unternehme können sich nicht die Mehr- oder Mindervergütung einigen, die sich aus der Wahrnehmung des einseitigen Anordnungsrechts des Bestellers ergibt.
4

Das von der ARGE BauVR für die „Bauverfügung“ vorgeschlagene Verfahren soll sich „überwiegend an dem Verfahren der einstweiligen Verfügung (§§ 935 ff ZPO) orientieren, ergänzt um einzelne Spezialvorschriften, die teilweise an das Verfahren der einstweiligen Anordnung im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§§ 49 ff FamFG) angelehnt sind; wobei folgende zentrale Verfahrensvorschriften Geltung haben sollen[6]:

5
Der Antragsteller muß die Eilbedürftigkeit der geforderten Entscheidung (Verfügungsgrund) glaubhaft machen. Ist die Bautätigkeit begonnen worden, wird die Eilbedürftigkeit vermutet.Als Beweismaß soll die Glaubhaftmachung ausreichen. Das Gericht kann sich nicht nur der strengen Beweismittel, sondern auch des Freibeweises bedienen; anders als im Verfahren der einstweiligen Verfügung sollen nicht nur präsente Beweismittel zugelassen sein.Über den Antrag auf Erlaß einer Bauverfügung ist grundsätzlich mündlich zu verhandeln. Das Gericht kann hiervon Ausnahmen machen. Der Termin soll binnen zwei Wochen ab Antragseingang stattfinden.Das Gericht soll bereits zum ersten Termin einen Sachverständigen beiziehen. Im Hinblick auf die schnelle Terminierung soll ggf. auch die Möglichkeit eröffnet werden, daß ein Gutachten im Termin zunächst mündlich vorgetragen und erst danach schriftlich vorgelegt wird.Mit der Anordnung eines schriftlichen Gutachtens setzt das Gericht gleichzeitig eine Frist, innerhalb der das Gutachten zu erstellen ist. Die Bauverfügung unterliegt keiner weiteren Überprüfung im Rechtsmittelzug.
6

Darüber hinaus hat die Arbeitsgruppe BauVR vorgeschlagen, entsprechend dem Vorbild von § 1032 ZPO vorzusehen, daß eine wirksame Vereinbarung über ein außergerichtliches Streitbeilegungsverfahren zwischen den Parteien des Bauwerkvertrages Vorrang hat und dem Erlaß einer Bauverfügung entgegensteht.[7]

7

Die Vorschläge der Arbeitsgruppe BauVR zur Ausgestaltung der von ihr vorgesehenen „Bauverfügung“ sind zu begrüßen; die Konzeption der von der Arbeitsgruppe BauVR vorgesehenen „Bauverfügung“ werden, soweit derzeit absehrbar, in der Lage sein, die durch das im neuen Bauvertragsrecht vorgesehene einseitige Anordnungsrecht entstehenden Streitigkeiten einer schnellen gerichtlichen Entscheidung zuzuführen. Die von der ARGE BauVR vorgeschlagene „Bauverfügung“ löst jedoch nicht die sich aus der Zivilprozeßordnung in ihrer herkömmlichen Ausgestaltung für den Bauprozeß ergebenden Probleme

wobei der Begriff Bauprozeß hier als synonym für Streitigkeiten aus komplexen bauwerkvertraglichen Rechtsbeziehungen verwandt wird.

8

Die Ursachen der Probleme sind komplex und nicht nur auf das durch die Zivilprozeßordnung vorgeschriebene Verfahren zurückzuführen. Mit der hier vorgelegten Zweiten Edition des Arbeitspapiers „Bauverfügung“ wird deshalb der Versuch unternommen, die Idee der Einführung eines beschleunigten Erkenntnisverfahrens für Streitigkeiten aus dem Bauvertragsrecht neu zu beleben. Die Zweite Edition des Arbeitspapiers „Bauverfügung“ (nachfolgend: 2. Ed. Bauverfügung) integriert die Gedanken, die im Arbeitspapier „Bauverfügung“ (Stand 22.09.2011) niedergelegt sind und verweist zugleich auf das als Anlage beigefügte „Arbeitspapier für die Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht; hier: Anordnungsrecht des Bestellers vor Abnahme des Bauwerks im Falle mangelhafter Leistung des Unternehmers“ vom 31.08.2012, das als Diskussionspapier Gegenstand der Erörterung in der Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht gewesen ist.[8]

9

Der Begriff „Bauverfügung“ geht auf die entsprechende Begriffsprägung durch das Arbeitspapier „Bauverfügung“ (Stand 22.09.2011) zurück. Als Schlagwort ist es den an der Diskussion über die Neugestaltung des BauVR Beteiligten bekannt. Auch wenn die Arbeitsgruppe BauVR für die „Bauverfügung“ nur einen sehr begrenzten Anwendungsbereich vorsieht, und sich damit die Notwendigkeit ergeben könnte, ein im Anwendungsbereich umfangreicher ausgestaltetes verfahrensrechtliches Instrument begrifflich anders zu benennen, wird der Begriff „Bauverfügung“ für das im Rahmen der Zweiten Edition des Arbeitspapiers „Bauverfügung“ diskutierte verfahrensrechtliche Instrument weiterhin den Begriff „Bauverfügung“ tragen. Der Prozeß der Entwicklung des verfahrensrechtlichen Instrumentes, das geeignet ist, im Rahmen eines beschleunigten Erkenntnisverfahrens die Probleme aufzulösen, die sich im Rahmen des herkömmlichen Zivilprozesses ergeben haben, ist bisher nicht abgeschlossen. Die von der Arbeitsgruppe BauVR vorgeschlagene „Bauverfügung“ steht daher nicht außerhalb des beschleunigten Erkenntnisverfahrens, das Gegenstand der Diskussion im Rahmen der Zweiten Edition des Arbeitspapiers „Bauverfügung“ ist. Erst wenn in der Diskussion über jenes beschleunigte Erkenntnisverfahren ein Zwischenergebnis gezogen werden kann, läßt sich daher darüber nachdenken, ob durch andere Begriffsbildung das eine verfahrensrechtliche Instrument vom anderen begrifflich abzugrenzen ist.

B

Vorschläge für die weitere Ausgestaltung des beschleunigten Erkenntnisverfahrens

10

Die nachfolgenden Vorschläge für die weitere Ausgestaltung des „Beschleunigten Erkenntnisverfahrens“ konzentrieren sich auf die Möglichkeit der Straffung des Vortrags der Parteien, auf die Erhöhung der Sach- und Entscheidungskompetenz des Richters, der das Urteil im „Beschleunigten Erkenntnisverfahren“ fällen soll, sowie auf die Ausgestaltung der Entscheidung selbst, also das Urteil, das am Ende „Beschleunigten Erkenntnisverfahren“ steht. Die Vorschläge verwerten die empirische Erfahrung aus weit mehr als 10.000 selbst geführten Prozessen; sie sind auch als Anregung gedacht, den herkömmlichen Zivilprozeß zu reformieren, können daher auch für die Reform des herkömmlichen Verfahrens Vorbild sein.

I. Vorbereitende Schriftsätze

11

Die im Buch 1 Abschnitt 3 der Zivilprozeßordnung enthaltenden Regelungen sind

– abgesehen von den Regelungen zur Zustellung, zur Ladung, Termin- und Fristbestimmung und Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand –

auf die mündliche Verhandlung ausgerichtet. Daß die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze vorbereitet wird bestimmt die Regelung des § 129 ZPO; den Inhalt Schriftsätze regelt § 130 ZPO nur rudimentär. Jenen historischen Hintergrund beschreibt Gottwald[9] wie folgt:

Die Zivilprozeßordnung von 1877 ist wesentlich durch den französischen Prozeß beeinflußt, wie er in Hannover bereits 1850 rezipiert wurde. In ihrer ursprünglichen Fassung war sie ganz von der liberalen Staatsauffassung geprägt. Die ZPO sollte den Ablauf eines Streits selbstverantwortlicher Parteien regeln, das Gericht diesem Streit in passiver Zurückhaltung gegenüberstehen und ihn als neutraler Dritter entscheiden. Diese Grundauffassung hat sich in der Praxis nicht bewährt. Mangelnde Konzentration des Verfahrens und ein schleppender Verfahrensgang waren die Folgen. Seit der österreichischen Zivilprozeßordnung von 1895 stehen die deutschen Reformen stärker unter der Idee, daß effektiver Rechtsschutz auch in Zivilsachen eine Gemeinschaftsaufgabe ist und der Richter Mitverantwortung für einen sachgerechten Prozeßausgang trägt. Als Folge dieser Ideen wurde die Dispositionsfreiheit der Parteien über den Prozeßablauf eingeschränkt, die Prozeßleitung des Gerichts verstärkt, der Verfahrensablauf konzentriert und … die Wahrheitspflicht der Parteien statuiert, die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstärkt und der Parteieid durch Parteivernehmung ersetzt.

12

Begreift man effektiven Rechtsschutz auch in Zivilsachen als Gemeinschaftsaufgabe, muß die Prozeßordnung dafür Sorge tragen, daß die Ausgestaltung des Verfahrens den schonenden Umgang mit den Ressourcen der Justiz impliziert. Trägt der Richter Mitverantwortung für einen sachgerechten Prozeßausgang, muß er verfahrensleitend eingreifen können, wenn der Prozeßvortrag auszuufern droht. Er muß sich zudem frühzeitig den Sachverstand heranziehen können, um tatsächliches Vorbringen der Parteien durchdringen und im Anschluß daran die rechtliche Abschichtung des Prozeßstoffs vornehmen zu können. Historische Gegebenheiten haben die Parteien gehindert, den Prozeßstoff aufzublähen: Bei Inkrafttreten der Zivilprozeßordnung[10] mußten die Schriftsätze handschriftlich verfaßt werden; die Schreibmaschine hat sich erst ab Beginn des 20. Jahrhunderts durchgesetzt.[11] Über den Inhalt und den Aufgabe der die mündliche Verhandlung vorbereitenden Schriftsätze mußte die Zivilprozeßordnung im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens daher, wie in § 130 ZPO geschehen, kaum etwas regeln. Das gilt ebenfalls für in das Verfahrens einzuführende Urkunden: Die Fotografie stand bei Inkrafttreten der Zivilprozeßordnung an ihren Anfängen;[12] weite Verbreitung hat das Fotokopiergerät erst in den 1960er Jahren erfahren.[13] Bei Inkrafttreten konnte sich die Zivilprozeßordnung daher in § 131 Abs. 1 ZPO darauf beschränken anzuordnen, daß Urkunden, auf die Bezug genommen wird, in Urschrift oder Abschrift dem vorbereitenden Schriftsatz beizufügen sind; oder: anzuordnen, einen Auszug der Urkunde dem vorbereiteten Schriftsatz beizufügen, wenn nur einzelne Teile einer Urkunde für das Streitverhältnis von Bedeutung sind.

13

Ob der Fortschritt elektronischer Datenverarbeitung oder gar Umstellungen im Vergütungssystem der Prozeßbevollmächtigten[14]

– von der tarifmäßig gebundenen Regelvergütung auf Honorarstundensätze –

oder das Noven-Verbot im Berufungsverfahren[15] Grund für die Zunahme des Umfangs des Parteivortrags insbesondere in Bauprozessen ist, kann dahinstehen. Tatsache ist, daß die den Rechtsstreit einleitende Klage gerade in Bauprozessen einen Umfang erreicht, der das zuständige Gericht zu „erschlagen“ geeignet ist. Hinzukommt, daß mit der Klage

– sei es zur Beweisführung oder Substantiierung des Vortrags –

zahlreiche, umfangreiche Ordner mit Urkunden vorgelegt werden, die den Prozeßstoff nach Eingang der Klage häufig kaum durchdringbar erscheinen lassen. Die die Beklagten zugestellte Klage dieses Umfangs veranlaßt den Beklagten durchweg „Gleiches mit Gleichem zu vergelten“.

14

Jedenfalls für das beschleunigte Erkenntnisverfahren der Bauverfügung wird deshalb vorgeschlagen:

15
Klagebegründung (konkret: die Begründung der gestellten Klageanträge) darf einen Umfang von yyy-Zeichen (Vorschlag: umgerechnet 30 Seiten der Größe DIN A 4 bei einem Zeilenabstand von 1,5 und der Schriftgröße 12 unter Berücksichtigung angemessener Schreibränder) nicht überschreiten. Das gilt entsprechend für die Klageerwiderung. Anstelle von Anlagen sind der Klage und der Klageerwiderung in einem Anlagenverzeichnis die Teile der jeweiligen Urkunde komprimiert inhaltlich wiederzugeben, auf die sich der Kläger oder der Beklagte im Rahmen der Klage oder Klageerwiderung beziehen will (vgl. insoweit § 131 Abs. 2 ZPO).
16
Das zuständige Gericht zieht nach eigenem Ermessen, ggfs. zur Beschleunigung des Verfahrens schon nach Zustellung der Klage an den Beklagten, einen Sachverständigen hinzu, um sich im Hinblick auf den gehaltenen tatsächlichen Vortrag sachkundig zu machen. Über die Hinzuziehung des Sachverständigen werden die Parteien lediglich unterrichtet; an der Auswahl des Sachverständigen sind sie, jedenfalls in diesem Stadium des Verfahrens, nicht beteiligt.
17
Über die angeordnete Begrenzung, gemessen an der Zahl der erlaubten Zeichen, hinausgehender Vortrag ist unbeachtlich. Anlagenverzeichnisse, die den Vorgaben nicht entsprechen, sind ebenfalls unbeachtlich. Betrifft der Streit zwischen den Parteien mehrere Streitgegenstände, führt die Beschränkung zum Umfang des möglichen Vortrags dazu, daß ggfs. mehrere Klagen einzureichen sind. Dadurch bleibt der jeweilige Prozeßstoff übersichtlich. Das Gericht kann jedoch nach eigenem Ermessen Verfahren miteinander verbinden, wenn dadurch die Übersichtlichkeit des Prozeßstoffes nicht gefährdet wird. Die Entscheidung des Gerichts über die Verbindung eines Verfahrens mit einem anderen Verfahren ist unanfechtbar.
18
Nach Vorlage der Klageerwiderung erteilt das Gericht Hinweise über das beabsichtigte weitere Vorgehen im Verfahren; wobei es offenlegt, inwieweit diese Hinweise auf der Beratung durch den hinzugezogenen Sachverständigen beruhen. Im Hinweisbeschluß ordnet das Gericht an, zu welchen in der rechtlichen Abschichtung relevanten Fragen ggfs. noch ergänzender Vortrag erwartet wird und zu welchen tatsächlichen Fragen die Erhebung von Beweisen beabsichtigt ist. Es ordnet auf der Grundlage des Inhalts des Anlagenverzeichnisses an, welche Urkunden vorzulegen sind.
19
Im Rahmen der Beweiserhebung sind alle Beweismittel, einschließlich der des Freibeweises, zulässig. Das Gericht ist zur Amtsvermittlung befugt; und zwar in dem Umfang, in dem nach herkömmlicher Verfahrensordnung im Bereich der Zulässigkeit der Klage oder des Rechtsmittels Amtsermittlung geboten ist.[16] Als Beweismaß reicht die Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit des Vortrags der beweisbelasteten Partei. Ist für die Überzeugungsgewinn des Gerichts der Einblick in örtliche Gegebenheiten von Bedeutung, soll das Gericht die örtliche Gegebenheit von Amts wegen in Augenschein nehmen. Der Zeitpunkt der beabsichtigten Inaugenscheinnahme ist den Parteien mitzuteilen; einen Anspruch auf Verlegung des Termins haben die Parteien nicht, wenn eine Ladungsfrist von einer Woche eingehalten ist. Erkenntnisse aus anderen Verfahren kann das Gericht von Amts wegen in das Verfahren einführen.
20
Es ist mündlich zu verhandeln, sofern die Parteien nicht übereinstimmend auf eine mündliche Verhandlung verzichten.Ladungs- und Schriftsatzfristen sind kurz zu bemessen, dürfen jedoch eine Woche nicht unterschreiten. Die das Verfahren abschließende Entscheidung soll innerhalb einer Frist von yy-Wochen nach Zustellung der Klage verkündet werden.

II. Streitverkündung

21

In der Diskussion über die „Bauverfügung“ innerhalb der Arbeitsgruppe BauVR ist deutlich geworden, daß die Zahl der Beteiligten am Verfahren erhebliche Auswirkungen auf die Dauer des Verfahrens hat. Vielfach ist daher die Möglichkeit einer Streitverkündung im Verfahren der „Bauverfügung“ widersprochen worden.[17]

22

Die Streitverkündung will sich widersprechende Entscheidungen in den Fällen ausschließen, in denen dieselben Tatsachen- oder Rechtsfragen auch für das Rechtsverhältnis zum Rückgriffsschuldner von Bedeutung sind.

23

Die Zahl der am Bau beschäftigten Subunternehmer führt regelmäßig dazu, daß im Bauprozeß von der Streitverkündung Gebrauch gemacht und die Zahl der am Bauprozeß Beteiligten dadurch erheblich steigt; zumal die Streitverkündungsgegner ihrerseits wiederum Streitverkündungen ausbringen können.[18]

Die Argumente, die gegen die Möglichkeit der Streitverkündung im beschleunigten Erkenntnisverfahren sprechen, haben daher Gewicht; allerdings nur soweit es die Frage der Ausweitung der Zahl der am Prozeß Beteiligten angeht. Soweit es die materielle Wirkung der zulässigen Streitverkündung betrifft, besteht für sie angesichts kurzer Verjährungsfristen (vgl. etwa § 13 Abs. 4 VOB/B) aus hiesiger Sicht ein Bedürfnis. Die Streitverkündung im beschleunigten Erkenntnisverfahren sollte daher lediglich mit der materiell-rechtlichen Wirkung der Verjährungshemmung (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB) ausgestattet sein; für den Streitverkündungsgegner ist der Beitritt zum beschleunigten Erkenntnisverfahren ausgeschlossen; er kann ungeachtet dessen seinerseits weitere Streitverkündungen ausbringen.

III. Örtliche Zuständigkeit

24

Folgt man der im Arbeitspapier „Bauverfügung“ (Stand 22.09.2011) niedergelegten Erwägung[19]