MATTHEW CORBETT und der maskierte Rächer - Robert McCammon - E-Book
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MATTHEW CORBETT und der maskierte Rächer E-Book

Robert McCammon

4,0

Beschreibung

Robert McCammons einzigartige historische Kriminalreihe um den ›Problemlöser‹ Matthew Corbett im noch jungen Amerika des 17. Jahrhunderts. Wir schreiben das Jahr 1703, und »Problemlöser« Matthew Corbett wird vermisst. Sein Kampfgefährte Hudson Greathouse versucht Matthews letzten bekannten Spuren nachzugehen. Zuerst scheint es, als wäre Matthew Corbett gestorben, doch dann finden sich Hinweise darauf, dass man ihn des Mordes an einer jungen Frau beschuldigte und nach London gebracht hat. Dort ist Matthew im berühmt-berüchtigten Newgate-Gefängnis inhaftiert, wo er die Bekanntschaft eines mysteriösen, maskierten Rächers macht, der für zahlreiche schreckliche Morde verantwortlich sein soll. Greathouse und Matthews Geliebte Berry Grisby begeben sich auf eine lange und beschwerliche Seereise nach England, um ihrem Freund zu Hilfe zu eilen, ohne zu wissen, ob es dafür nicht bereits zu spät ist … Robert McCammons "Matthew Corbett"-Reihe sind nicht nur sprachgewaltige, historisch umfangreich recherchierte Kriminalromane, sondern ein in ihrer Form beispielloses Experiment – versucht Robert McCammon doch mit jeder Erzählung in ein anderes literarisches Genre abzutauchen, von Mystery über Serienmörderhatz, Abenteuerroman und Thriller bis hin zu Elementen des Pulp-Romans. In Kombination mit einem erfrischend unverbrauchten Setting in den noch jungen amerikanischen Kolonien des 17. Jahrhunderts schuf McCammon ein fesselndes und einzigartiges Leseabenteuer, das in den USA Leser wie Kritiker zu beeindrucken wusste und nun endlich auch in deutscher Sprache miterlebt werden kann. ★★★★★ »Fans der Reihe werden diesen dicken Schmöker wieder im Nu verschlingen, um herauszufinden, welche Abenteuer Matthew Corbett dieses Mal bestehen muss.« – Publishers Weekly

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Matthew Corbett und der maskierte Rächer

Robert McCammon

Copyright © 2008 by Robert McCammon Published by Arrangement with THE MCCAMMON CORPORATION

This Work was negotiated through Literary Agency Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover

Impressum

überarbeitete Ausgabe Originaltitel: FREEDOM OF THE MASK Copyright Gesamtausgabe © 2024 LUZIFER Verlag Cyprus Ltd. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert Übersetzung: Nicole Lischewski Lektorat: Manfred Enderle

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2024) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-95835-721-1

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Inhaltsverzeichnis

Matthew Corbett und der maskierte Rächer
Impressum
Erwachen
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Eine wohlgemute Stadt, schwarz wie die Sünde
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Alte und neue Feinde
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Was wir aus Liebe tun
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Das Schöne Grab
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Der Dämoniker
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Über den Autor

Für meine Tochter Skye

TEIL EINS

Kapitel 1

Es war ein besorgter Mann, der das Fallreep des Frachtschiffs Ann Marie hinunterschritt und Fuß auf den Pier von Charles Town setzte.

Hudson Greathouse stand auf den sonnengebleichten Bohlen vor der ummauerten Stadt, deren Gebäude in der staubigen Luft der letzten Augustwoche in den verschiedensten karibisch inspirierten Farbtönen weiß, hellgrün, lavendelfarben und himmelblau schillerten. Hinter ihm wehte der Salzgeruch des Meeres heran, den er in der vergangenen Woche auf seiner Reise von New York zur Genüge eingeatmet hatte, während vor ihm das ölige Aroma des Sumpfes aufstieg, auf dem die prächtige Stadt entstanden war, und dessen Königreich aus Moos und Morast in meilenweitem Umkreis immer noch die Herrschaft hatte.

Er hoffte, dass dieser Sumpf nicht die Leiche von Matthew Corbett an sich gerissen hatte.

Es war eine Gedankenkette, der er während der Reise die Küste entlang immer wieder verfallen war. Der Kapitän der Ann Marie war ein leutseliger Gentleman, der das Schiff mit einem Vorrat an Branntwein versehen hatte und ihn sich gerne mit jemandem teilte, der gutes Seemannsgarn zu spinnen wusste. Hudsons war aus dem starken Stoff der Wahrheit gesponnen; ein Bericht über sein im letzten September beinahe tödlich ausgegangenes Abenteuer im Haus am Ende der Welt, wie er es nannte. Der Branntwein war stark gewesen, aber nicht stark genug, um Hudson daran zweifeln zu lassen, dass seinem jungen, problemlösenden Freund ein Missgeschick – vielleicht, so möge Gott verhüten, ein brutal tödliches – zugestoßen war. Und so ging er mit Fragen an Land, die er sich in Charles Town beantworten lassen wollte.

Im Hafen ging es im Zauber der Morgensonne geschäftig zu. Menschen hatten sich eingefunden, um die Passagiere der Ann Marie zu begrüßen, und wie in New York ihren Tand feilzubieten, ihre Handflächen nach außen zu kehren und zur Melodie eines Geigers zu tanzen. Fischerkähne glitten hinaus aufs Meer. Eine kleine Flotte von Schaluppen, mit quadratischen Segeln ausgestatteten Zweimastern und größeren seetüchtigen Briggs knarrte an den Tauen, mit denen sie festgemacht waren, und hier und da wurde Fracht entladen oder aus den Frachträumen nach oben gebracht. Es war eine lebhafte Szene, doch Hudson hatte keine Zeit, stehen zu bleiben. Er schwang sich die Leinwandtasche mit seinen Habseligkeiten über die Schulter und marschierte mit anscheinend wildentschlossener Zielstrebigkeit los. Die, die ihn kommen sahen, wichen aus, um ihm Platz zu machen, wobei ihn Frauen aller Altersgruppen interessiert und abschätzend taxierten, während die Männer die Maserung der Pierbohlen eingehend studierten oder ihre Pfeifen ein bisschen fester zwischen den Zähnen hielten. So war es immer, wenn Hudson Greathouse daherkam, dessen breiter Rücken und hochgewachsene Gestalt manche durch die intelligenten, gutaussehenden Gesichtszüge eines Degenfechters und Abenteurers faszinierte und andere dagegen warnte. In diesem Moment war sein Gesicht nach Westen gerichtet und er plante, sich die drei Herbergen anzusehen, die ihm der aus Charles Town stammende Kapitän der Ann Marie als Unterkünfte für zahlende Gäste genannt hatte.

In einer davon würde man etwas über Matthew wissen, sagte Hudson sich. Sofern der Junge nicht schon niedergemacht worden war, bevor er Charles Town überhaupt erreicht hatte. Und wenn der verdammte Professor Fell ihn in die Hände bekommen hatte, war Matthew inzwischen ausradiert worden.

»Hör auf damit!«, fuhr er sich selbst an, und zwar so vehement, dass einer der fiedelnden Bettler sofort gehorchte und sich duckte, als könnte ihn selbst der Schatten des sich nähernden Mannes wie ein Panther anspringen. »Der große Mann«, wie Matthew Corbett ihn oft nannte, hatte seine Gedanken wieder mehr oder weniger unter Kontrolle, marschierte an dem armen, bibbernden Tropf vorbei und hätte ihm fast eine Münze in die Blechtasse geworfen. Doch an diesem Tag war ihm nicht sonderlich mildtätig zumute. Sonst eigentlich auch nie.

Mit seinen achtundvierzig Jahren hatte Hudson seine besten Jahre hinter sich, aber er wollte verdammt sein, wenn er das jemanden außer sich selbst merken ließ. Durch die Zeiten, in denen er sich in Schänken geprügelt, mit dem Degen in Gassen gefochten und mit vermummten Auftragsmördern sowie übelgelaunten ehemaligen Gemahlinnen herumgeschlagen hatte, war er zwar müde geworden, aber er war noch lange nicht fertig. Und wenn man den Lobeshymnen der schönen, lebenslustigen Witwe Donovan glauben wollte – die sich jetzt einfach Abby nannte; eine freigeistige Dame, die ihre blonden Haare selbst sonntags nicht hochsteckte –, war er immer noch ein Prachtexemplar seines Geschlechts. Nun, er zog es vor, das zu glauben.

Er war eins-neunzig groß, womit er die meisten Männer weit überragte. Er erinnerte sich noch daran, wie sein Vater ihn als Stier und seine Mutter ihn als Prinz bezeichnet hatten, möge Gott ihre Seelen selig haben. Er hielt sich ein bisschen für beides. Seine dichten, eisengrauen Haare waren mit einem schwarzen Band zu einem Zopf zurückgebunden, und er trug ein cremefarbenes Hemd mit hochgerollten Ärmeln, dunkelblaue Kniehosen, Strümpfe von ähnlicher Farbe wie sein Hemd und ein Paar ungeputzte, praktische schwarze Stiefel. Sein Kinn war markant, seine Augen lagen tief und waren brütend und so dunkel und gefährlich wie Teerpfützen. Eine gezackte Narbe durchschnitt die kohlengraue linke Augenbraue. Seit Kurzem hatte er sich von zwei Dingen getrennt: Dem Bart, den er sich hatte stehen lassen, weil Abby Matthews Bart gefallen hatte, als er im April von Pendulum Island zurückgekehrt war, und dem Stock, auf den Hudson sich gestützt hatte, seit er letzten Oktober von Tyranthus Slaughter fast erstochen worden war. Der Bart war ein kurzer Versuch gewesen, Abby zum »Kribbeln« zu bringen, wie sie es nannte, aber ihn selbst juckte er, und obwohl ihm in jüngeren Jahren das Kribbeln vielleicht wichtiger als das Jucken gewesen wäre, überwog in diesem Jahr der Prinz und nicht der Stier.

Der Stock war ausgemustert worden, weil Hudson gemerkt hatte, dass er sich zu viel darauf stützte, und dergleichen konnte er sich nicht erlauben. Ja, manchmal waren seine Beine wackelig und er musste irgendwo nach Halt suchen, aber – Herrgott, Mann, wach auf! – Abby war immer für ihn da. Das Schlimmste an der ganzen Slaughter-Episode war gewesen, dass er sich zum ersten Mal in seinem Leben hilflos gefühlt hatte; er hatte die kalte, gleichzeitig irgendwie beruhigende Hand des Todes an seiner Kehle gespürt, die ein Ende der Schmerzen und einen Weg zur Ruhe versprach. Wären da nicht Matthews Anstrengungen gewesen, hätte er sich vielleicht gehen lassen. Denn Hudson wusste: Hätte der Junge ihn nicht auf den Brunnenrand hochgezogen, wäre er versunken und umgekommen.

Der Junge? Mit seinen vierundzwanzig Jahren – Matthew hatte im Mai mit seinen Freunden im Trot Then Gallop Geburtstag gefeiert – war er definitiv kein Junge, kam Hudson aber immer noch so vor.

Und warum hast du ihn dann alleine in diese Stadt fahren lassen, du Esel?, fragte Hudson sich, während er die Landungsbrücken entlangging und sich zwischen den Stutzern, Dämchen, Händlern, Bettlern und anscheinend so ziemlich allem außer Indianerhäuptlingen hindurchwand. Als er am Ende der Pier auf die aus zerstampften Austernschalen bestehende Straße trat, roch er die in der Sonne bratenden Waren, bevor er sie sehen konnte: eine Wagenladung voller frischer Alligatorenhäute, die von einem zerlumpten Mann und einer Frau zum Verkauf angeboten wurden, die beide zusammen wohl gerade drei Zähne und drei Augen hatten. Und drei Hände; der Mann hatte einen Alligator zu viel angefasst. Dieses Paar hatte sich der Menge angeschlossen, die die Geldbeutel der Passagiere willkommen hieß, und baute gerade ein Zelt über dem Wagen auf, um die Häute vor der Sonne zu schützen, die im Laufe des Tages immer unerbittlicher zu scheinen versprach.

An so ziemlich jedem anderen Tag wäre der Mann aus New York vielleicht versucht gewesen, sich anzuhören, wie diese schuppigen Monster erlegt und gehäutet wurden, aber heute steuerte er wegen seiner dringenden Mission auf das erste Gasthaus zu, das ihm beschrieben worden war – eine Pension, die einem Mr. und Mrs. Carrington gehörte, und nahesten zum Hafen lag.

»Irgendetwas ist Matthew zugestoßen.«

»Was? Wovon redest du? Hudson, komm wieder ins Bett.«

»Ich sagte«, hatte er Abby gegenüber an einem sehr stillen Morgen vor einer Woche ganz leise wiederholt, als ein leichter Regenschauer an die Butzenscheiben klopfte und die Sonne auf der anderen Seite der Erde trotzdem noch schien, »dass Matthew irgendetwas zugestoßen ist, und verdamm mich noch mal, wenn ich ihn nicht aufgestachelt habe, nach Charles Town zu fahren. Nach allem, was ihm zugestoßen ist … hab ich ihn wie ein Idiot auf den Weg geschickt. Ich hab gesagt, dass es gut für ihn wäre, aus New York rauszukommen. Diese Pandora-Priskitt-Geschichte … war für ihn doch nur eine Kleinigkeit … eigentlich Zeitverschwendung. Das wussten wir beide, und Madam Herrald wusste es auch.«

»Hudson … komm wieder ins Bett … beruhige dich.«

»Mich beruhigen? Das ist jetzt die vierte Nacht am Stück, die ich mit dieser Geschichte im Kopf aufwache. Ich hab hier auf diesem Stuhl gesessen und dir zugesehen, wie du geschlafen hast, und mich gefragt, ob mein Freund nicht irgendwo tot liegt. Abby … inzwischen hätte er wieder zurück sein sollen. Der Himmel weiß, dass er nicht so lange wegbleiben würde, ohne dass etwas … nicht stimmt.«

»Aber wie lange ist er nun schon weg? Wirklich schon lange?«

»Mehr als zwei Monate wegen einer Aufgabe, die er an einem Abend hätte erledigen sollen. Zieh noch die Tage für die Hin- und Rückreise in Betracht, gib ihm ein paar Tage, sich in den Kaffeehäusern und Schänken umzusehen – was er wahrscheinlich nicht tun würde – und … siehst du?«

»Ich sehe es, aber die Möglichkeit besteht immer.«

»Was für eine Möglichkeit?«

»Dass – Hudson-Schatz, mit dem Bart musst du dir etwas von deinem Gespür abrasiert haben – er eine junge Dame kennengelernt und sein Herz verloren hat. Oder dass ihm diese Pandora-Priss-Person den Kopf verdreht hat. Jetzt komm wieder ins Bett, ich muss mich an dich schmiegen.«

Hudson war entschlossen gewesen, sich nicht von seinen Überlegungen abbringen zu lassen. Er hatte geantwortet: »Matthew Corbett hat sein Herz an eine einzige Person verloren: an Berry Grigsby. Der kann mir keine müde Sekunde lang was vormachen. Keine Frau kann ihm den Kopf verdrehen, weil er schon fest verliebt ist. Er kann sich nur nicht entscheiden, welchen Weg er nehmen soll. Aber … ich habe die letzten paar Nächte darüber nachgedacht, nichts zu unternehmen. Ich hab mir gedacht … einen Tag warte ich noch. Und dann noch einen und noch einen, aber mehr nicht. Morgen schaue ich bei Berry vorbei und frage sie, ob sie was von ihm gehört hat. Wenn nicht, werde ich im Trot fragen. Und wenn da keiner was gehört hat, nehme ich das nächste Boot nach Charles Town, und wenn ich den Jungen finde, werde ich ihm mit einem Tritt in den Allerwertesten beibringen, wie wichtig das Briefeschreiben ist. Warum bin ich nicht mit ihm mitgefahren, Abby? Warum nicht?«

»Weil Matthew wohl dein Freund und Kollege sein mag«, sagte sie auf ihre Art, die wie eine kühle Limonade in einer schwülen Nacht war, »aber dein Sohn ist er nicht. Und wenn du nicht auf den Gedanken gekommen bist, dass er in Gefahr sein könnte, dann erinnere dich bitte daran, dass Madam Herrald es auch nicht gedacht hat. Matthew ist stolz darauf, ein Fachmann zu sein. Diese Ehre solltest du ihm lassen. Und jetzt komm zurück ins Bett, ich bestehe auf deine Gesellschaft, zumindest eine halbe Kerzenlänge vor dem Morgengrauen lang.«

Ihre Beharrlichkeit hatte gewonnen, das Thema aber nicht beendet. Hudson war bei Sonnenaufgang sofort aufgestanden, hatte sich angezogen und es Abby überlassen, dem stummen Sturm der Missbilligung, der von seiner Vermieterin Mary Belovaire ausging, mit ihrer Frohnatur und erstaunlichen Gleichgültigkeit der öffentlichen Meinung gegenüber zu begegnen. Er verschwand aus der Pension und machte sich auf den Weg zur Queen Street und dem Zuhause von Marmaduke Grigsby, dem Zeitungsherausgeber der Stadt und Großvater von Miss Berry.

Er klopfte mit harter Faust laut genug an die Tür, dass die Hunde anfingen zu bellen. Hinter ihm auf dem Fluss hielt sich ein leichter Nebel, aus dem sich kleine Fischerboote herausschoben, die wie weißverschleierte, alte Witwen auf der Suche nach Verehrern hin- und herkreuzten.

Der Drucker des Zeitungsblatts der Stadt – das diesen Monat Ohrenkneifer hieß, im nächsten aber je nach Lust und Laune seines Besitzers einen anderen Namen tragen konnte – kam mondgesichtig und glupschäugig in seinem blaugestreiften Nachthemd an die Tür. Sein Gesicht mit den seltsamen Proportionen und dem ansehnlichen Brett von einer Stirn war noch vom Schlaf zerknittert. Der ältliche Gentleman ging immer krummer und es hätte Marmaduke keine großen Anstrengungen gekostet, Hudson in die Kniescheibe zu beißen. So wie seine wässrigen Augen unter den schweren weißen Augenbrauen aus ihren Höhlen zu quellen schienen, schätzte er anscheinend die Entfernung ab.

»Herr im Himmel, Greathouse!«, kam die Stimme, die wie seine Artikel tausend Eklats zu verantworten hatte. »Was soll das Gehämmer?« Über seiner Stirn zitterte auf seinem kahlen Kopf eine einsame Haarfluse wie eine weiße Rauchwolke vom Kriegsfeuer der Irokesen.

»Ich brauche Auskünfte. Habt Ihr oder Berry in letzter Zeit von Matthew gehört?«

»Von Matthew? Greathouse … nein … heiliger Himmel, haben die Hähne überhaupt schon zu gähnen aufgehört?«

»So früh ist es gar nicht. Jetzt schüttelt Euch den Schlaf aus dem Gehirn – Matthew ist seit über zwei Monaten weg. Ich habe kein einziges Wort von ihm gehört und ich will wissen, ob …«

»Haben wir nicht«, sagte die junge Frau, die im Flur erschienen war und sich hinter ihren Großvater gestellt hatte. »Sollten wir?« Ihre Stimme klang an diesem schwülen Sommermorgen etwas frostig, und Hudson wusste, dass das, was sich zwischen Berry Grigsby und Matthew seit ihrer Rückkehr aus der Gefangenschaft auf Pendulum Island ereignet hatte, nicht gut gewesen war.

»Nein, nehme ich an«, antwortete Hudson nach einer kurzen Pause. »Matthew ist weggefahren, um einen sehr einfachen Auftrag auszuführen. Dazu hätte er nicht so viel Zeit brauchen sollen.«

»Hm«, sagte sie, anscheinend immer noch nicht besorgt, aber sie kam näher an die Tür und das graue Morgenlicht heran.

Hudson hatte keine Ahnung, wie diese liebliche Kreatur der eher unansehnlichen Grigsby-Familie entstammen konnte, falls Marmaduke ein Paradebeispiel war. Sie war groß, von stolzer Haltung und hatte ein offenes Gesicht mit blauen Augen. Ihre schönen, vollen kupferroten Locken hingen ihr über die Schultern. Eine Prise Sommersprossen dekorierte auf angenehmste Weise ihre Wangen und ihren Nasenrücken. Hudson meinte, dass sie vor Kurzem zwanzig geworden war und damit im besten heiratsfähigen Alter war. Soweit er wusste, wurde Ashton McCaggers, der exzentrische Leichenbeschauer der Stadt – der König der Knochen, dessen Werkstatt sich in der Dachkammer des Rathauses befand – oft mit ihr gesehen. Alle Fragen zu Berry Grigsby, die Hudson Matthew gestellt hatte, waren unbeantwortet geblieben, und Hudson interpretierte Matthews grimmiges Schweigen so, dass sie in den letzten Monaten offenbar zu einem Tabuthema geworden war. Obwohl Matthew und Berry dem Tod mehrmals gemeinsam von der Schippe gesprungen waren, sah es aus, als wären sie miteinander fertig. Was eine unangenehme Situation sein musste, überlegte Hudson, da Matthew nur ein paar Schritte von der Haustür der Grigsbys entfernt in einem ehemaligen Kühlhaus lebte.

Gelebt hat, dachte Hudson. Und dann: Hör auf.

»Gibt es sonst noch was?«, fragte Berry und fasste mit einer Hand an ihrem Großvater vorbei nach der Tür.

Hudson wusste nicht, woran es lag, aber immer, wenn er dieser jungen Frau gegenüberstand, dachte er an die Jahreszeit, die man den »Indianersommer« zu nennen begann – eine Kombination von sonniger Wärme und erfrischender Kälte, die kam und ging, während sich das Wetter änderte. Es war bekannt, dass sie augenerschreckende Farben mochte, wie auch ihr mit roten und lila Bändern verziertes grünes Nachthemd bewies, das damit den ersten Anzeichen des Herbsts in den Bäumen von Manhattan Island ähnelte. Ihre Augen erinnerten ihn an den klaren blauen Himmel und – auf etwas traurige Art – an das große Versprechen von Jugend, die er jetzt als eine vorübergehende Zeitspanne begriff, die junge Menschen stets verschwenden würden. In ihrer Stimme und Haltung war jetzt die Kühle zu spüren, die einen nicht so sehr erfrischte, sondern vielmehr versprach, einen fertigzumachen. Sie wollte mit Matthew nichts mehr zu tun haben – das war so offensichtlich, dass sogar ein Esel wie er es schnell begreifen konnte.

»Nichts mehr«, sagte Hudson.

»Dann wünsche ich noch einen angenehmen Tag«, sagte sie zu ihm. Er gestand sich ein, dass bei ihr nicht einmal ein Hauch von Sorge um Matthews Wohlergehen zu sehen war.

Er nickte und wollte sich umdrehen, da sie anfing, die Tür zu schließen, doch sie hielt inne und sagte im selben frostigen Ton: »Wenn Ihr Mr. Corbett findet, könnt Ihr ihm ausrichten, dass Ashton und ich über das Heiraten sprechen.«

»Gut«, antwortete Hudson und drehte sich wieder um, damit sie sein Gesicht sehen konnte, das aussah, als hätte er Zitronen gekaut. »Ich bin sicher, dass Ihr sehr glücklich sein werdet, wenn Ihr da unter all diesen …« Die Tür wurde mit Nachdruck geschlossen.

»Skeletten haust«, sprach Hudson zu Ende.

Das Mädchen würde doch mit Sicherheit nicht glücklich werden, wenn es mit dem Leichenbeschauer verheiratet war, dachte er, während er auf das Trot Then Gallop zu marschierte, um darauf zu warten, dass der Besitzer Felix Sudbury zum morgendlichen Ausfegen erschien. Er hatte keine Ahnung, warum Matthew sie hatte entwischen lassen. Natürlich war Matthews Arbeit … sehr gefährlich, besonders seit dieser Sache mit Professor Fell. Und hier stach ihm die Wahrheit erneut tief ins Herz, weil er Matthew zu dieser verdammten Reise gedrängt hatte. Ihm fiel ein, dass Sally Almonds Schänke eher öffnen wurde, da dort Frühstück serviert wurde, und dass er dort zuerst fragen konnte, ob jemand von Matthew gehört hatte, und dabei gleichzeitig seinen Hunger stillen konnte. Zu schade, dass die Küche keine von Mrs. Lekas scharfgewürzten Würstchen mehr bekommen konnte, aber es war nun mal nichts so beständig wie der Wandel.

An diesem Augustmorgen erreichte Hudson in Charles Town jetzt die Stelle der Front Street, an der die zerdrückten Austernschalen unter seinen Sohlen dem zivilisierteren Muster von weißen und grauen Steinen wichen; ein Anzeichen dafür, dass die Stadt ihre Position unter den Kolonien zu verbessern suchte. Es gab Palmen und Sägepalmen sowie beschnittene Hecken, die willkommenen Schatten warfen, und Kutschen rollten vorbei, doch es lagen nicht zu viele Pferdeäpfel auf der Straße. Hudson sah, dass einige der Geschäfte bereits geöffnet hatten, obwohl es noch früh war, und auf dem Gehweg flanierten gutgekleidete Männer und Frauen mit Sonnenschirmen.

Die weißgestrichene Pension der Carringtons verfügte über zwei Stockwerke, war sehr gepflegt und hatte grüne Fensterläden und Türen. Hudson betrat das Grundstück durch das Tor und stieg die drei Stufen zum Haus hoch, in dem er den Mann und seine Frau bei einer Tasse Tee im Salon vorfand, wo sie Zahlen in einem Rechnungsbuch durchgingen.

Auf die Frage des perücketragenden, schick gekleideten Mr. Carrington, wie sie ihrem Besucher helfen konnten, sagte Hudson: »Ich suche nach einem Freund von mir. Er heißt Matthew Corbett. Er könnte hier vielleicht abgestiegen …«

»Ach ja«, sagte Mrs. Carrington, die in dem ledergebundenen Buch ein paar Seiten zurückblätterte und Hudson Matthews vertraute Unterschrift zeigte. »Er war Ende Juni hier gewesen. Er war auf dem Damoklesschwert-Ball gewesen. Ihr sagt … dass er ein Freund von Euch war?«

»Ja.« Hudson gefiel nicht, wie das Wort war klang.

»Das ist wirklich bedauerlich«, sagte Mr. Carrington. »So jung zu sterben.«

»Sterben«, wiederholte Hudson. Ihm war an diesem fast tropisch heißen Tag plötzlich sehr kalt. »Denkt noch mal zurück«, sagte er mit angespannter Stimme. »Was ist ihm zugestoßen?«

»Er ist in den Mord an Mr. Kincannons Tochter Sarah verwickelt worden«, sagte die Frau. »Auf der Green Sea Plantage. Ach, das war eine schreckliche Geschichte. Alle hatten Sarah so gern.«

»Matthew ist in New York ebenfalls sehr geachtet. Bitte … was ist nun mit Matthew passiert … erzählt doch.«

»Ach ja. Nun ja … es tut mir leid, aber der junge Mann hat sein Leben in den Sümpfen am Solstice River verloren. Aber der Gerechtigkeit wurde Genüge getan, so viel kann ich Euch sagen. Euer junger Freund hat Sarahs wahren Mörder entdeckt und ihn verfolgt – beide dieser Übeltäter verfolgt, sollte ich sagen, auch wenn er dafür mit seinem Leben gezahlt hat.«

Hudson wurde bewusst, dass er auf einem gepolsterten Sessel saß, obwohl er sich nicht erinnern konnte, sich hingesetzt zu haben. Durch ein Fenster konnte er die Schiffe im Hafen sehen, und da die Aussicht nicht verbaut war, konnte er eine Gruppe Bettler an den Landungsbrücken beobachten, die mit einem Salto springenden Affen versuchte, den Gutbetuchten Geld zu entlocken.

»Möchtet Ihr einen halben Pfannkuchen?«, bot Mrs. Carrington an. »Ich befürchte, mehr haben wir heute Morgen nicht zu bieten. Wir haben die letzten Tage volles Haus gehabt.«

»Nein«, sagte Hudson, über dem Erschöpfung wie die gewaltigste Welle des Meeres zusammenschlug. »Danke«, fügte er hinzu. Er hatte das Gefühl, dass er hier sitzen bleiben konnte, bis es Zeit zum nächsten Frühstück war, aber die bloße Vorstellung, eine Nacht in der Pension zu verbringen, die Matthews letzte Unterkunft auf dieser Erde gewesen war … nein. Denk nach!, mahnte er sich. Irgendwas entgeht mir hier. Denk nach, verdammt noch mal! Aber sein Gehirn war wie eine Höhle voller Brei. Schließlich konnte er seinen Verstand und Mund irgendwie zur Zusammenarbeit bewegen und fragte leise: »Wo liegt er begraben?«

»Ich bitte tausendmal um Verzeihung, denn wir sind hier alle Christen, und wir möchten Euch unser tiefstes Beileid aussprechen«, sagte der Hausherr. »Aber Mr. Corbett ist nicht begraben worden, da seine Leiche leider nie gefunden wurde.«

»Nie gefunden wurde?« Hudson setzte sich auf seinem Sessel ein bisschen gerader hin. »Wie könnt Ihr Euch dann sicher sein, dass er tot ist?«

»Nun ja, Sir, er ist aus dem Sumpf am Solstice River nicht mehr zurückgekehrt. Er hat sein Mietpferd nicht zurück in den Stall gebracht und seine Rechnung bei uns auch nicht bezahlt. Mr. Magnus Muldoon hat sich um all das gekümmert. Von ihm haben wir vom bedauernswerten Ableben des jungen Mannes erfahren.«

Hudson stand auf; wenn eine dringende Reise bevorstand, brauchte er keinen Sessel mehr. »Dieser Muldoon-Geselle – wo kann ich den finden?«

Und so kam es, dass Hudsons große abgewetzten Stiefel ihn fast bis ans Ende der Front Street trugen, zu einem kleinen Laden, dessen Schaufenster von der Kundgabe: Interessante Utensilien, Magnus Muldoon, Glasbläser, geziert wurde. Im Fenster standen mehrere geschickt geformte, vielfarbige Flaschen zur Schau, sowie etwas, das wie kleine Glasfiguren aussah – ein Pferd mit Reiter, ein filigranes Segelschiff, ein Baum, der so geformt war, als würde er von einem rastlosen Wind gerüttelt. Hudson war von sogenanntem künstlerischem Talent nicht sonderlich beeindruckt, denn er glaubte, dass es nur die Ausgeburt eines schwächlichen Verstands sein konnte. Durch das Fenster konnte er niemanden in dem Laden entdecken und nahm an, dass dieser Muldoon eine Schwuchtel sein musste. Er wollte gerade den Türknauf der Ladentür drehen, als er hinter sich Geflüster hörte. Er drehte sich um und sah zwei äußerst hübsche, junge Geschöpfe, eins in Rosa, das andere in Violett gekleidet, die unter ihren mit Spitze verzierten Sonnenschirmen standen. Miss Pink wisperte hinter vorgehaltener Hand Miss Violet zu, die mit aufgeregten Augen in Hudsons Richtung starrte.

Selbst an einem so schrecklichen Tag wie diesem erwachte ein Teil des unzüchtigen Gockels zum Leben, und obwohl Hudson für diese Spielereien keine Zeit hatte, freute es ihn doch, zu merken, dass er immer noch …

Aber die beiden jungen Frauen näherten sich und spähten durch das Fenster, als wäre der große Mann selbst aus Glas gemacht und für ihre Aufmerksamkeiten ohne jegliche Bedeutung. »Siehst du ihn? Ist er da?«, fragte Miss Violet Miss Pink.

»Nein«, sagte Miss Pink. »Ich kann ihn nicht sehen. Ich wage es nicht, hineinzugehen, ich zittere am ganzen Leibe. Lass es uns später versuchen, Fran.« Und ohne noch einen zweiten – oder überhaupt ersten – Blick auf den Besucher aus New York zu werfen, flanierte das schwatzende Paar Charles Town-Mädchen kichernd von dannen. Hudson dachte sich, wie oberflächlich diese neue Generation von Weibern doch war und dankte Gott, dass er viel zu alt war, um ihr Interesse zu erregen.

Hudson betrat den Laden. Bei seinem Eintreten läutete eine über der Tür befestigte Glocke, und es war kein zartes, hohes, feminines Klingeln – die Glocke über seinem Kopf war fast so groß wie sein Kopf und gab ein kupfernes Läuten von sich, von dem er annahm, dass es die Carringtons am anderen Ende der Straße über seine Ankunft am Ziel in Kenntnis setzte.

Es dauerte keine zehn Sekunden, bis sich der Vorhang hinter dem Tresen bewegte und ein Mann hervortrat, den Hudson definitiv als größer als sich selbst wahrnahm – nicht, was den Leibesumfang betraf, sondern seinen Wuchs und die Schulterbreite. Verdammt – die Schwuchtel war ein Riese. Er hatte eine dichte, aber ordentlich gekämmte Mähne von schwarzen Haaren, eine scharfe Nase und ein eckiges Kinn, das so stabil wie der Bug eines Kriegsschiffes wirkte. Hudson schätzte ihn auf fünfundzwanzig oder sechsundzwanzig Jahre; mit Sicherheit jünger als dreißig. Er war ein gutaussehendes Exemplar, das war gewiss, und mit seinem zierlosen weißen Hemd und dunkelblauen Kniehosen einfach gekleidet.

»Kann ich Euch helfen?« Die tiefe und nicht gebildet klingende Stimme war höflich, aber unpersönlich.

»Ihr seid Muldoon?«

»Ja.« Die eisengrauen Augen des Mannes blitzten neugierig. »Und wer seid Ihr?«

»Mein Name ist Hudson Greathouse. Ich war … bin ein Freund von Matthew Corbett.« Er sah, wie sich Muldoons Miene verdunkelte. Es sah aus, als wäre der Glasbläser bei der Erwähnung von Matthews Namen ein bisschen zusammengezuckt. Hudson bereitete sich auf Ärger vor, versuchte schon zu entscheiden, wo er den Mann am besten schlagen sollte, um ihn außer Gefecht zu setzen, falls das nötig sein sollte. Nicht aufs Kinn jedenfalls, wenn er sich nicht die Faust brechen wollte. »Ich komme aus New York und reise hier nicht ab, bis ich nicht jedes einzelne Wort über das gehört habe, was passiert hat … lasst Euch besser was einfallen.«

Einige Sekunden verstrichen, ohne dass Muldoon antwortete. Er starrte Hudson in die Augen, als wollte er den anderen Mann einschätzen, und sah dann auf seine eigenen Hände hinunter, mit denen er sich an die Kante des Tresens klammerte. »Aha«, sagte er schließlich leise. »Hab mir doch gedacht, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis wer nach ihm suchen kommt.« Er hob den Blick, bis er Hudson in die Augen sah. »Wer hat Euch geschickt? Der Mietstallbesitzer oder die Carringtons?«

»Die Carringtons.«

»Ja, ich hab Matthews Rechnung bei ihnen beglichen. Arbeitet Ihr das Gleiche wie er auch?«

»Was für Arbeit soll das sein?«

Muldoons Mund verzog sich nur ein kleines bisschen zu einem Lächeln. »Eure Nase in Sachen reinzustecken, die Euch nichts angehen. Oh, ich hab da nichts dagegen, Mister. Ich weiß, dass Matthew wegen mir mit der pampigen Pandora Prisskitt auf den Ball gegangen ist. Aber dann … hat er mich besucht, um aus mir – könnt Ihr das glauben? – einen Gentleman zu machen. So einen wie er war, und er war ein echter Gentleman. Na ja, ich hab noch einen langen Weg vor mir, aber er hat mir den Weg gezeigt.« Muldoon sah sich dankbar in seinem Laden voller bunter, interessanter Utensilien um. »Ich verdiene jetzt gutes Geld. Mein Pa hätte das niemals für möglich gehalten, nicht in dieser Stadt.«

»Ich habe keine Ahnung, wovon Ihr redet«, sagte Hudson, »aber ich nehme an, dass Ihr früher oder später darauf zur Sprache kommen werdet, was Matthew zugestoßen ist. Ich will es jetzt hören.«

Der Riese nickte. Sein Lächeln war verflogen, seine Augen traurig. »Also gut. Nehmt Euch einen Stuhl.« Er deutete auf die andere Seite des Tresens. »Es wird ein Weilchen dauern, bis ich alles erzählt habe. Wie Matthew gestorben ist, meine ich.«

Hudson überlegte kurz, stehenzubleiben, aber dann wurde ihm klar, dass er für diese Tragödie besser saß, um nicht über den Erzähler herzufallen. Er zog einen Stuhl heran und ließ sich darauf nieder. Mit schwerem Herzen und Qualen, die irgendwo hinter seinem Gewissen saßen, wartete er darauf, dass Muldoon die schlimme Geschichte ausbuchstabierte. Falls der Mann aus irgendeinem Grund lügen sollte, würde er es schon bald wissen, und ob er nun ein Riese war oder nicht – dann würde es heute in diesem verdammten Laden Scherben und kaputte Knochen geben.

»Es hat mit einem Duell auf dem Ball angefangen«, begann Muldoon, »und in einem Boot im Solstice River-Sumpf geendet. Zwischen diesen beiden Dingen … da liegt die ganze Hölle.«

Hudson sagte nichts. Er hatte beschlossen, dem Mann die Zeit zu geben, sich diesen Abstieg in die Unterwelt ins Gedächtnis zurückzurufen … oder vielleicht wollte er es so lange wie möglich hinauszögern, die Details – die er wissen musste – über den Tod eines jungen Mannes zu hören, den er zu anderer Zeit und an einem anderen Ort gerne und mit Stolz seinen Sohn genannt hätte.

Kapitel 2

»Ich kann immer noch nicht glauben«, sagte Hudson, während er sich einen Schwarm Mücken aus dem Gesicht wegwedelte, »dass Ihr nicht in ihr Haus gegangen seid. Wie konntet Ihr einem irren Mädchen Glauben schenken?«

»Wie ich jetzt schon fünf oder sechs Mal gesagt habe«, gab Muldoon mit eindeutig irritierter Stimme zurück, »sie hat mich hineingebeten, aber ich hab’s für besser gehalten, sie in ihrer Trauer nicht zu stören. Ich hatte keinen Grund zu glauben, dass Matthew im Haus war. Warum sollte ich? Und wenn er drin war – warum ist er dann drinnengeblieben? Wenn sie mich doch reingebeten hat, kann sie nicht versucht haben, was zu verstecken. Das ergibt doch keinerlei Sinn.«

Hudson schnaubte und konzentrierte sich darauf, sein im Mietstall geliehenes Pferd Helios den tückischen Pfad entlang zu lenken, der am Rande der Solstice-River-Sümpfe als Straße diente. Er würde nicht noch Öl auf das schwelende Feuer gießen, indem er unterstrich, dass genau dies der Unterschied zwischen einem Glasbläser und einem professionellen Problemlöser war: Der Glasbläser mochte vielleicht hübsche Flaschen fabrizieren und dumme Gänse in sein Schaufenster linsen sehen, aber der Fachmann betrachtete ein Problem von allen Seiten und erkannte das, was für andere keinen Sinn ergab, als das Sinnvollste. Dieses verrückte Mädchen namens Quinn Tate, das in dem Sumpfdorf Rotbottom lebte, war Muldoon zufolge der letzte Mensch gewesen, der Matthew lebendig gesehen hatte. In ihrer Verrücktheit glaubte sie, dass Matthew ihr wiederauferstandener, toter Ehemann Daniel war – auch dies dem jungen Riesen zufolge. Man brauchte nicht den Verstand eines Riesen, um zu vermuten, dass da etwas nicht stimmte … so ein Schwachsinn, diese Vorstellung, dass Matthew in den Fluss gefallen und von Alligatoren in Stücke gerissen worden war. So ein Schwachsinn!

Andererseits hatte Muldoon auch recht. Falls Matthew sich tatsächlich in Quinn Tates Haus befunden hatte – warum war er dann dort geblieben?

Tja … das würden sie schon bald herausfinden.

Die Hitze des Nachmittags hatte inzwischen ihren drückenden Höhepunkt erreicht. Bevor sie von Charles Town auf die Reise aufgebrochen waren, auf der sie den Solstice mit einer Fähre überqueren mussten, um diese Hinterwäldlerstraße zu erreichen, war Hudson so geistesgegenwärtig gewesen, sich einen Strohhut mit breiter Krempe zu kaufen; einen ähnlichen wie den, den Muldoon trug, damit sein Gehirn nicht gekocht wurde. Er konnte das stinkende, grüne und die Nase angreifende Aroma des Sumpfes riechen. Wie jemand hier draußen mit der Nase und dem Arsch direkt an diesem gigantischen dampfenden Haufen von Gottes Qual leben konnte, war ihm schleierhaft. Allerdings fiel ihm wieder das Lumpenpack ein – »sich bietende Gelegenheiten nutzende Individuen«, hätte Matthew ihn vielleicht korrigiert –, das im Hafen die Alligatorenhäute verkauft hatte. Irgendjemand musste hier draußen sein, der die Viecher erlegte, um ein bisschen Profit zu machen. Noch war kein Alligator über den Pfad gekrochen, aber Hudson hatte mehrere braune und schwarze Schlangen an Ästen hängen oder zusammengerollt auf Steinen liegen sehen, wo sie ihr Blut wärmten, und entschieden, dass eine Strafe anstand, wenn er den Jungen fand – dafür, dass er ihn zwang, hier durchzureisen. Einen Monat lang seine Wäsche zu waschen, könnte reichen … ja, das würde seinen Zweck tun … saubere Wäsche im Gegenzug für diese dreckige Arbeit, Matthew aus dem Loch herauszuholen, in dem er feststeckte; welches auch immer das wohl sein mochte.

Muldoon, der voranritt, warf einen Blick zurück auf Hudson. »Ich bin ein paar Mal an Rotbottom vorbeigerudert und hab versucht zu finden, wo …« Er stockte, wägte seine Worte ab. »… vielleicht noch irgendwas liegt«, sagte er. »Ich wollte nicht glauben, dass er tot ist. Genau wie Ihr es jetzt nicht glauben wollt.«

»Zeigt mir die Leiche«, kam die knappe Antwort. »Sobald ich die sehe, habe ich Gewissheit.«

»Die Alligatoren hier sind groß. Die lassen nicht viel übrig, das einem …«

»Reitet einfach weiter voran«, unterbrach Hudson ihn und musste sich wieder einen irritierenden Schwarm Mücken vom Gesicht wegwedeln. Er hoffte, Gott beschützte ihn, dass er hier wieder herauskam, ohne von Fieber bettlägerig zu werden. Vielleicht wären zwei Monate Wäsche waschen gerechter.

Jeder in seine eigenen Gedanken versunken, ritten die zwei Männer im brennenden Sonnenschein dahin. Nach einer weiteren Stunde und unzähligen weiteren Mückenschwärmen waren die ersten heruntergekommenen Schuppen von Rotbottom zu sehen; außerdem trieb der Geruch von in der Sonne trocknenden Alligatorenhäuten in der Luft. Hudson kamen die von Pferdeäpfeln getüpfelten Straßen von New York jetzt geradezu paradiesisch parfümiert vor.

Magnus erinnerte sich noch, welches Haus Quinn Tate gehörte, und führte sie in diese Richtung. Es stand neben anderen ähnlichen Behausungen auf sumpfigen Boden, wobei er noch wusste, dass es sich durch seinen vergleichsweise sauberen und ordentlichen Zustand von den anderen abgehoben hatte. Das Tate-Mädchen mochte im Kopf vielleicht nicht ganz richtig sein, aber auf ihr Haus war sie anscheinend stolz. Als er und Hudson sich dem Haus auf ihren Pferden näherten, zogen sie die Aufmerksamkeit von ein paar verwahrlosten Einwohnern auf sich, die Netze flickten, Holz hackten, Fische ausnahmen und ähnliche wichtige Arbeiten verrichteten. Eine verschrumpelte, alte weißhaarige Frau, die mit einer aus dem Strunk eines Maiskolbens gefertigten Tabakpfeife zwischen den Zähnen und einer kleinen braunen Karaffe in der Hand auf ihrer Veranda saß, grölte ihnen mit einer Stimme wie ein Ochsenfrosch eine Begrüßung zu. Als Magnus ihr zur Antwort zunickte, hob sie ihre Karaffe und schlürfte daraus, als hätte sie auf einen Grund gewartet, an einem Tag, der so heiß war, dass die Bäume fast in Flammen standen, ihr Feuerwasser zu trinken.

Hunde, deren Gebell wie kleine Pistolenschüsse klang, kamen herangelaufen und machten die Pferde scheu, bis ein dürrer Mann mit einem grauen Bart, der ihm bis an den Bauchnabel reichte, die Köter mit üblen Worten und Stichen einer hölzernen Mistgabel verscheuchte. Hudson war schon in anderen verarmten Dörfern gewesen, aber dieses war das ärmste. Er fand, dass selbst die paar Überbleibsel von Farbe, die sich noch an die Holzwände klammerten, traurig wirkten, und die Kleidungsstücke, die zum Trocknen an der Leine hingen, bestanden mehr aus Flicken als aus Kleidungsstoff. Ein paar Pferde schlichen auf der Suche nach Gras auf dem zertrampelten Erdboden herum. Hühner liefen durch die Gärten, Schweine lagen in benommenem Schlaf, ein paar Ziegen stießen sich wegen irgendeiner Beleidigung mit den Köpfen, und überall hing der Geruch von Alligatorenkadavern in der Luft wie schwerer Rauch. Hudson begann zu begreifen, was Muldoon ihm gesagt hatte: Warum in aller Welt würde Matthew in einem solchen Dorf bleiben, falls er überhaupt noch lebte?

Es war ein Rätsel, aber er konnte sich nicht erlauben, seine Gedanken in diese Richtung abdriften zu lassen. Wenn Quinn Tate die letzte Person gewesen war, die Matthew lebendig gesehen hatte, dann hatte sie Fragen zu beantworten. Und bei Gott, Hudson würde nichts unversucht lassen, beziehungsweise hier in Rotbottom allen verrotteten Fährten folgen.

Eine Frau fegte die Veranda des Hauses, auf das sie zuhielten. Bei dieser Arbeit war ihnen ihr Rücken zugekehrt, und ihre Haare waren mit einem schweißfleckigen blauen Tuch umwickelt. Sie war eine kleine, zierliche Frau, aber sie arbeitete mit einer solch feurigen Besessenheit, als hätte sie nur noch bis Sonnenuntergang zu leben. Hudson musste sich beherrschen, ihr nicht zuzurufen, nicht mit seiner Frage herauszuplatzen: Wo ist mein Freund Matthew. Doch sie musste plötzlich das Knirschen der Pferdehufe auf der Erde gehört oder gemerkt haben, dass sie gemustert wurde, denn sie drehte sich zu den beiden Neuankömmlingen um und nutzte die Gelegenheit, sich einen Moment lang auf ihren Besen zu stützen und ihr Näherkommen zu beobachten.

»Ist sie das?«, fragte Hudson.

»Nein«, sagte Magnus. »Ist sie nicht.« Dies verwunderte ihn. Dann wunderte er sich über noch etwas: Das eine Mal, wo er hier gewesen war, waren alle Fensterläden des Hauses fest geschlossen gewesen. Jetzt waren sie das nicht.

Ein kahlköpfiger, korpulenter Mann mit einem rotbraunen Bart trat aus dem Haus heraus, entweder, um mit der Frau zu sprechen, oder weil er die Reiter aus dem Fenster gesehen hatte. Er stemmte seine Hände auf seine breiten Hüften und rief den beiden Männern zu, als sie sich näherten. »Zum Gruße! Wollt Ihr Häute kaufen? Ich gerbe grade ein paar schön feinkörnige, die feste Stiefel für Gentlemen wie Euch hergeben.«

»Deshalb sind wir nicht hier«, sagte Hudson und zügelte sein Pferd kurz vor der Verandatreppe. Er richtete seinen Blick auf die Frau, die ein Kinn wie eine Streitaxt hatte und Augen, die ihn an einen wütenden Hund erinnerten, der die Muskeln anspannte, um jemandem im nächsten Moment an die Kehle zu springen. »Ich suche nach Quinn Tate.«

»Die ist nicht mehr hier«, sagte die Frau, die kaum den Mund bewegte, als sie die Worte abbiss.

»Wo kann ich sie finden?«

»Reitet zur Straße zurück«, mischte der Mann sich ein. »Biegt links ab und reitet noch um die 20 Meter weit. Ihr könnt den Friedhof nicht verpassen, der ist von einer Steinmauer umgeben, damit die Alligatoren nicht reinkommen.«

»Den Friedhof?« Hudson runzelte die Stirn, was ausreichte, um jeden Mann um sein Leben fürchten zu lassen. »Das ist ein schlechter Witz, Sir, und mir steht nicht der Sinn danach.«

»Das ist kein Witz«, sagte die Frau. »Ich und Clem hatten schon lange nach ’nem richtigen Haus Ausschau gehalten. Wie wir eins kriegen konnten, war uns egal, solange es uns ein Dach überm Kopf für unsern kleinen Wurm schenkt. Traurig, dass die Frau sich hat ermorden lassen, aber das Schicksal war ihr sicher.«

»Ermordet?« Jetzt war Magnus an der Reihe, bestürzt zu sein. »Wann? Und von wem?«

»Was führt Ihr Männer im Sinn, dass Ihr einen Aufruhr um Quinn Tate macht?« Die Froschstimme der alten weißhaarigen Frau schallte herüber, die mit der Pfeife im Mund und der Karaffe in der Hand von ihrer Veranda gestiegen war, um den Besuchern auf ihrem Weg zu dieser Kate zu folgen. Sie zog die Pfeife zwischen ihren Zähnen heraus und brüllte fast. »Lasst das Kind in seinem Grab ruhen und macht Euch weg von hier!«

»Ich habe etwas mit ihr zu erledigen«, sagte Hudson, der trotz seines Strohhuts von der Hitze benommen war und das Gefühl hatte, als wäre sein Kopf versengt.

»Niemand hat mit dem Kind noch was zu erledigen! Hört jetzt – mich hat’s vor fünfzehn Jahren hierher verschlagen und ich hab alles gesehen, was ein Menschenauge fassen kann. Das Traurigste von allem war zu sehen, wie das arme Mädchen den Verstand verloren hat, als Daniel gestorben ist. Ihr Ehemann, den der Seelenschreier umgebracht hat. Aaach, Ihr Charles-Town-Dummerchens habt keine Ahnung von nichts!« Sie winkte angeekelt ab. Ihre Hand hatte zwei Finger und einen Daumen.

»Dann klärt uns auf«, beharrte Hudson. Er merkte, dass die Stimme der Frau andere Bewohner von Rotbottom anzog, die sich herandrängten. Männer, Frauen und Kinder allen Alters sprossen wie verschmutzte Geister aus der Erde, und einige von ihnen sahen so dünn und gebrechlich aus, als würden sie jeden Moment dahinscheiden.

»Oh, ich werde Euch aufklären, Sir!«, sagte die Frau mit einer übertriebenen Verbeugung, die zu einem Stolpern wurde. Sie trank noch einen Schluck flüssige Kraft, um das Gleichgewicht zu behalten. »Als Quinn mit diesem Kerl zurückkam, von dem sie behauptet hat, dass er Daniel ist, da hat keiner was gesagt. Deshalb haben wir da alle mitgemischt! Ja, haben wir!« Sie warf wilde Blicke auf die verlumpte Versammlung. »Oh, natürlich haben wir untereinander getuschelt, aber keiner von uns hat den Mumm gehabt, dem Mädel zu sagen, dass sie verrückt ist, dass sie den Kerl aus ihrem Haus rauskriegen muss, bevor … tja … was Schlimmes passiert! Und das ist es! Heiliger Augapfel, das ist es!«

»Beruhigt Euch, Mütterchen!«, empfahl Hudson ihr. »Ich bin hergekommen, um herauszufinden, welchen Sinn es …«

»Da gibt’s keinerlei Sinn dahinter!« Die alte Frau, die wie ein sehniger Hautbeutel voller Falten aussah, wirkte, als könnte sie Furien der Hölle heraufbeschwören, falls sie sie brauchen sollte. »Ich bin die Mutter von drei Söhnen und einer Tochter gewesen – allesamt zu früh gestorben –, und ich bin das Eheweib von zwei Männern gewesen, die von den Alligatoren geschnappt worden sind und die keinen Grabstein haben, und manches hab ich richtig gemacht und manches falsch gemacht, aber, Mister …. Das Falscheste, was ich je gemacht hab, war den Mund zu halten, als das Kind den Kerl mitgebracht hat und gesagt hat, der ist Daniel und will das Haus und Bett mit ihr teilen! Und keiiiiner von uns feinen Leuten hat auch nur ein einziges Wort gesagt! Klar, der Kerl war selbst verrückt, sonst hätte er ja nie Daniels Namen angenommen! Und dann bringt er sie einfach um, mit einem Messer an der Kehle, schlägt ihr fast den Kopf vom Hals!« Sie legte eine Pause ein, um ihr Nebelhorn anzufeuchten. Ihre Augen waren zu bodenlosen schwarzen Löchern geworden. »Dienstag vor einer Woche haben wir sie unter die Erde gebracht. Ihr könnt Euch das Kreuz ansehen, das ich für ihr Grab gemacht hab. Von all den Leuten, die denken, dass Gott keinerlei Verstand und keinen Hauch von Herz mehr hat, ausgerechnet ich. Na ja. Sie ist unter der Erde und ihr Mörder ist weg. Das ist also die Geschichte. Geht nur und erledigt das, was Ihr mit ihr zu tun habt, Jungchen! Geht nur und sagt ihr, Mütterchen Katty hat Euch geschickt, ihre Knochen nicht in Frieden ruhen zu lassen!«

Diese Neuigkeiten hämmerten auf Hudson und Magnus wie Steinhagel ein. Hudson befürchtete, dass seine von Tyranthus Slaughter stammenden Wunden ihn immer noch schwächten, denn er fühlte sich, als würde er jeden Moment aus dem Sattel rutschen und zu einem Häufchen hautfarbenem Matsch zusammensinken.

»Ihr … Mörder ist weg?«, brachte Magnus heraus.

»Hat sich verpisst, gleich nachdem’s passiert ist.« Mütterchen Katty paffte an ihrer Pfeife und goss sich noch einen hinter die Binde. »Er ist gesehen worden, wie er auf dem Wagen mit diesem Gentleman aus dem Ausland davonfuhr; mit diesem gemeinen Kerl, der was mit Annabelle Simms hatte und sie so schlimm durchgewalkt hat. Ich hab sie selbst gefragt, warum sie sich mit dem zusammengetan hat … sie meinte, der hätte blaues Blut, wäre ein Graf oder so. Das muss ihm wohl ein besonderes Recht gegeben haben, ihr die Nase und den Arm zu brechen. Ach, Herr im Himmel, was diese Kinder sich alles vormachen!«

»Ein Graf«, wiederholte Hudson, nachdem er zwischen seinem Gehirn und Mund mit übermenschlicher Anstrengung wieder eine Verbindung schaffen konnte. »Wie war sein Name?«

»Kann ich mich auf den Tod nicht dran erinnern.«

»Ich weiß ihn noch«, sagte ein junger, sonnengebräunter Mann, der aus der Menge heraustrat. »Dahlgren hieß er. Der schuldet mir noch Geld von einer Kartenpartie. Sein Englisch war nicht sonderlich gut, aber er hat gesagt, dass er mir statt den Schillingen Unterricht im Fechten geben würde. Darauf hab ich mich nicht eingelassen.«

»Er war also ein Degenfechter.«

»Er hat sich für einen gehalten, aber sein linkes Handgelenk war verkrüppelt. Er meinte, dadurch hätte er kein Gleichgewicht mehr.«

Hudson erinnerte sich an den letzten Oktober, an Matthews Untersuchung, in der es um die sogenannte »Königin der Verdammten« gegangen war. Ein angeblicher preußischer Graf, der tatsächlich ein gefährlicher Fechter war, hatte den Jungen im Herrenhaus des Verbrechers Simon Chapel fast in Scheiben geschnitten. Chapel arbeitete mit Professor Fell zusammen. Hudson rief sich ins Gedächtnis zurück, wie Matthew ihm gesagt hatte, dass Dahlgren sich bei ihrem Kampf das linke Handgelenk gebrochen hatte. Und auch – wie schade, dass all die Energie verschwendet und das Leben umsonst verteidigt worden war –, dass der Mann irgendwie aus dem Herrenhaus entkommen war, als es von den Rettern gestürmt wurde, die der damalige Hauptwachtmeister von New York, Gardner Lillehorne, angeführt hatte. Lillehorne war mit seiner zänkischen Gattin »Princess« im Mai nach London abgereist, um dort eine Position als Assistent des Hauptwachtmeisters anzunehmen. Ein zusätzlicher Bonus seiner Abreise war, dass Lillehorne den kleinen, rotgesichtigen Tyrannen Dippen Nack mitgenommen hatte, der wiederum als sein Assistent dienen sollte.

Hudson war von dem, was Mütterchen Katty ihm erzählt hatte, immer noch wie vor den Kopf geschlagen. Und jetzt das mit Graf Dahlgren … war es möglich, dass Dahlgren dieses heruntergekommene Dorf als Versteck benutzt hatte? Matthews haarsträubenden Geschichten nach zu urteilen, nahm der Professor das Versagen seiner Pläne und Schergen nicht gerade auf die leichte Schulter. Von daher mochte Dahlgren sich tatsächlich einen Ort gesucht haben, an dem er von der Erde, vor dem langen Arm des Gesetzes und – hoffentlich – den mörderischen Händen des Professors verschwinden konnte.

Aber vorerst … was sollte er davon halten, dass Quinn Tate ermordet worden war und dass Matthew Rotbottom auf einem Wagen zusammen mit Graf Dahlgren verlassen hatte?

»Nur damit ich weiß, dass wir dieselbe Person meinen«, sagte Hudson zu der alten Frau. »Könnt Ihr mir den Mann beschreiben, den Quinn Tate Daniel genannt hat? Falls es dieselbe Person ist, dann ist sein richtiger Name Matthew Corbett.«

»Beschreibt Ihr ihn. Ich sag Euch, ob es zutrifft.«

Als Hudson fertig war, meinte Mütterchen Katty: »Er hatte einen schwarzen Bart und sah sehr dünn und verhärmt aus, aber das war er. Die Narbe auf seiner Stirn war genauso deutlich zu sehen, wie ich Euch jetzt sehe. Das war er. Er ist vor etwas mehr als einer Woche mit diesem ausländischen Hundsfott verschwunden.«

Magnus konnte sich nicht länger beherrschen. »Ich glaube das keine Sekunde lang! Matthew war – ich meine, Matthew ist – kein Mörder!«

»Kommt und seht Euch meine Dielen an«, sagte die neue Hausbesitzerin mit bitterer Miene. »Die Blutflecken kriegt man mit keiner Wurzelbürste mehr weg. Als dieser mörderische Mondsüchtige von der Leiche weg ist, muss sie fast so bleich wie der Hintern der Queen im Winter gewesen sein.«

»Verdammt«, war alles, das Hudson dazu als Kommentar einfiel, denn obwohl er unbeschreiblich erleichtert war, dass Matthew nicht tot war – oder zumindest nicht tot gewesen war, als er das Dorf verlassen hatte –, war ihm immer noch das Herz schwer und er hatte viele unbeantwortete Fragen, von denen die wichtigste war: »Habt Ihr eine Ahnung, wohin sie gefahren sind?« Als die alte Frau den Kopf schüttelte, stellte Hudson der versammelten Menge dieselbe Frage, doch niemand hatte eine Antwort.

»Jungchen, Ihr schaut aus, als könntet Ihr einen kräftigen Schluck vertragen«, sagte Mütterchen Katty und machte ein paar Schritte auf Hudson zu, um ihm ihre Karaffe anzubieten.

Er nahm sie. Der Maisbranntwein war nicht der stärkste, den er je getrunken hatte, aber stark genug, dass er das Gefühl bekam, ein Irrsinniger hätte ihn an der Kehle gepackt. Vor seinen Augen wirbelten dunkle Flecken. Nichtsdestotrotz war es genau das, was er brauchte, um einen klaren Kopf zu bekommen.

»Ihr auch, wenn Ihr mögt«, bot Mütterchen Katty Magnus an, der nicht zögerte. Er nahm Hudson den Krug aus der Hand und trank einen kräftigen Schluck Feuerwasser auf die Erkenntnis, wie viele Tage es dauern würde, bis er verdaut hatte, dass er von dem Haus weggegangen war, in dem Matthew hinter den geschlossenen Fensterläden gesessen hatte. Feuerwasser konnte keine Krankheiten heilen, aber im Moment konnte es seinen Fehler ertragbar machen, dass er das Haus auf die Einladung des Mädchens hin nicht betreten hatte. Andererseits … wie hätte er wissen können, dass Matthew dort gewesen war? Sie hatte sich vermutlich selbst in ihrer Verrücktheit gesagt, dass er ihre Einladung ablehnen und ihm Matthews Anwesenheit deshalb entgehen würde.

Aber sicherlich …

Noch bevor Magnus es denken konnte, sprach Hudson es aus: »Irgendetwas kann mit dem Jungen nicht gestimmt haben. Was, weiß ich nicht … ich kann es mir nicht erklären … aber angesichts des Lebens, dass Matthew in New York hatte … warum ist er hier geblieben?«

Magnus gab Mütterchen Katty, die mit zusammengekniffenen Augen durch die herabhängenden Äste der Eichen zum brennend heißen Himmel hochspähte, die Karaffe zurück. »Da kann man genauso gut die Sonne fragen, warum sie brennt und den Wind, warum er weht. Fragt die Schlangen, warum sie sich auf Steinen zusammenrollen und die Alligatoren, warum sie im Schlamm schlafen. Manche Dinge werdet Ihr nie wissen, und am Ende sind sie auch nicht wichtig. Die Dinge sind einfach so, wie sie sind.«

»Nein«, sagte Hudson.

»Was?«, fragte sie.

»Wenn mein Freund noch lebt, dann werde ich ihn finden – egal, wohin er verschleppt worden ist. Ich werde herausfinden, was genau sich hier zugetragen hat, wer das Mädchen ermordet hat und warum. Also, danke vielmals, dass Ihr Euch Zeit für uns genommen habt, danke für die Auskünfte und den Branntwein. Wir machen uns jetzt wieder auf den Weg.«

»Wenn Ihr Quinns Mörder findet, solltet Ihr ihn einem Wachtmeister übergeben«, sagte eine andere Frau in der Menge, die mehrere Jahrzehnte jünger als Mütterchen Katty war, aber genauso verkommen aussah. »Für Mord sollte er hängen.«

Hudson nickte Magnus zu, dass sie wieder losreiten wollten. Magnus wendete sein Pferd, und sie nahmen denselben Weg durch das Dorf zurück zur Straße. Innerhalb von Minuten waren sie wieder vom schwülen Wald umgeben, von den schrillen Rufen der Vögel in den Bäumen, dem Gesumme und Gesurre einer Armee von Insekten und fliegenden Wolken von Mücken.

»Ich bin …«, begann Magnus.

»Haltet den Mund«, unterbrach Hudson ihn. »Ich muss nachdenken.« Er warf einen Blick auf den anderen Mann, der den Kopf gesenkt hatte, als wäre er geschlagen worden, und dachte noch einmal über seine harten Worte nach. »Wir sind quitt«, sagte Hudson leise. »Wie hättet Ihr wissen sollen, dass Matthew noch am Leben war, wenn das Mädchen gesagt hat, sie hätte ihn in den Fluss fallen gesehen? Ich meine … ich hätte es vielleicht infrage gestellt, aber wieso hättet Ihr das sollen? Ich bin ein Fachmann in diesen Dingen, daraus besteht meine Arbeit. Ich glaube so gut wie nie etwas, das man mir sagt, bis ich es nicht mit eigenen Augen sehe. Das jetzt kann ich immer noch kaum glauben, aber … das mit dem ausländischen Grafen … und dass Matthew mit ihm auf einem Wagen weggefahren ist … Herrgott, das gefällt mir nicht!«

Magnus war noch eine Weile lang still. »Was werdet Ihr jetzt machen?«, fragte er dann.

»Ich nehme an, dass es in Charles Town einen Drucker gibt?«

»Ja.«

»Einen verlässlichen Mann, der schnell arbeiten kann?«

»Ja. Ich habe ihn ein paar Aushänge drucken lassen.«

»Genau das will ich von ihm – Plakate mit Matthews Namen und einer Beschreibung von ihm. Und eine Belohnung für jegliche Art von Auskünften soll darauf erwähnt werden. Die will ich in der Stadt aufhängen und sehen, ob sich daraufhin jemand meldet.«

»Ich werde Euch helfen, sie aufzuhängen«, sagte Magnus. »Mir scheint, das ist das Mindeste, was ich tun kann.«

»Danke.« Dann verfiel Hudson wieder in Schweigen, denn diese Geschichte mit Graf Dahlgren machte ihm sehr zu schaffen. Aber warum … warum … war Matthew mit dem Mann überhaupt mitgefahren? Und das ermordete Mädchen … nun, er konnte sich das im Moment nicht alles erklären. Es würde sich mit der Zeit zeigen müssen.

Als sie Charles Town erreichten, trennte Hudson sich sofort von Magnus und nahm sich im Brevard House in der Broad Street ein Zimmer, eilte dann weiter zur Werkstatt des Druckers und erwischte den Mann gerade beim Abschließen. Mithilfe seiner Willenskraft und einer Goldmünze konnte er noch zwanzig Plakate bestellen, die mit Matthews Namen und Beschreibung bedruckt werden sollten, sowie dem Versprechen einer Belohnung von einer Guinee für alle verlässlichen Auskünfte – den Umständen entsprechend zu entscheidend – und zwei Guineen, wenn sich dadurch der Aufenthaltsort des jungen Mannes herausfinden ließ. Er wünschte sich, er hätte mehr Münzen dabei, um die Sache schmackhafter zu machen, aber da er alles andere als ein reicher Mann war, konnte er sich mehr als diese Belohnungen sowie das Zimmer und die Arbeit des Druckers nicht leisten. Und zuletzt würden auf dem Plakat noch Hudsons Name und Adresse im Brevard House stehen. Nachdem der Drucker geschworen hatte, seine Arbeit innerhalb von zwei Tagen zu erledigen, blieb Hudson nur noch übrig, etwas zum Abendessen zu finden, sich ein oder zwei starke Getränke zu genehmigen und sich vielleicht am Gesang und der Musik einer holden Maid zu erfreuen, die Laute spielend zwischen den Schanktischen umherwanderte. Irgendetwas, dass ihn eine Weile lang vergessen lassen konnte, wie viel Angst er hatte – trotz seiner großen Freude über die Tatsache, dass Matthew zumindest vor zwei Wochen noch am Leben gewesen war. Er hatte Angst, weil er wusste, dass der Junge vielleicht dem Feind in die Hände gefallen war.

Zwei Tage später nagelten Hudson und Magnus die zwanzig Plakate in allen Bezirken der Stadt an. Danach konnte der Mann aus New York nur noch warten und hoffen.

Am Nachmittag des zweiten Tages, nachdem die Plakate aufgehängt worden waren, klopfte Mrs. Brevard an Hudsons Tür, um ihm naserümpfend mitzuteilen, dass er Besuch hatte. Im Salon unterhielt er sich ein paar sehr knappe Minuten lang mit einem streitsüchtigen Betrunkenen, der darauf beharrte, Sir Matthew Corbett an diesem Morgen nicht nur gesehen zu haben, sondern dass Sir Matthew Corbett sein seit Langem verschollener Sohn war, den die Indianer zusammen mit seiner Frau im Sommer ’89 entführt hatten. Ja, in der Tat … der junge Mann war unter den Bettlern am Smith’s Quay gesehen worden und erkannte seinen eigenen Vater nicht wieder – so groß waren die Qualen, denen sein Verstand ausgesetzt worden war. Also … würde der werte Gentleman ihm eine Guinee zuteilwerden lassen, oder besser noch zwei, damit ein leidender Vater einer Christenseele helfen konnte, die von heidnischem Bösem dahingerafft worden war?

»Nein«, sagte Hudson. »Aber ich kann Euch meine widerstrebende Bewunderung für Eure einfallsreichen Bemühungen zuteilwerden lassen. Und nun geht und nehmt Euren Körpergeruch mit Euch, bevor ich Euch mit dem Stiefel zur Tür raus befördere.«

Woraufhin der Betrunkene einen Moment lang bewegungslos da saß. Dann, als ihm aus seinen gelblichen Augen langsam Tränen über die schuppigen Wangen zu rinnen begannen, erhob er sich und verließ Brevard House mit der Contenance eines schweigenden Staatsmannes.

Dies würde nicht leicht werden, dachte sich Hudson.

Am Tag danach krachte Donner und ein leichter Regen fiel vom Morgen bis zur Abenddämmerung. Dampf stieg von den Straßen und den Dächern auf, und Hudson machte es sich im Salon von Brevard House bequem, wo er zum Zeitvertreib mit einem anderen Reisenden aus Baltimore Dame spielte. Der Stoffhändler war nach Charles Town gekommen, um Farbstoffe zu kaufen – insbesondere Indigo –, die in den Kolonien so beliebt waren. Niemand kam mit Auskünften. Hudsons Münzen brannten ihm ein Loch in die Tasche, und er wurde mit jeder verstreichenden Stunde unruhiger und gereizter, doch es ließ sich nichts daran ändern.

Am Abend aß er mit den Brevards ein aus Felchen, Kochkartoffeln, Maisfladen, Lauchsuppe und einer bemerkenswert schmackhaften gefüllten Pastete bestehendes Mahl. Nicht lange nach dem Essen wurde Hudson von der Dame des Hauses erneut in den Salon gerufen, da ein neuer Besucher gekommen war.

Dieser Gentleman war hochgewachsen und mager, hatte einen graumelierten braunen Ziegenbart und Schnurrbart. Seine braune Löwenmähne von Haaren hing von den Geheimratsecken herunter. Er trug moderne Kleidung und einen weinroten Umhang. In einer Hand hatte er eins der Plakate und in der anderen einen braunen Spazierstock mit einem großen knorrigen Griff. Als Hudson das Zimmer betrat, musterte der Gentleman ihn von Kopf bis Fuß und nochmals bis zum Kopf.

»Herrschaftszeiten!«, sagte er. »Ihr seid aber groß geraten!«

»Habt Ihr Hinweise für mich?«, drängte Hudson ihn.

»Ähm … äh … ich war …«

»Habt Ihr Auskünfte oder nicht?« Er griff in seine Tasche und zeigte dem Gentleman eine glänzende Guinee-Münze. Die Augen des Mannes wurden fiebrig. Hudson war aufgefallen, dass der Mann an fast jedem Finger einen Ring trug, was er als ein verabscheuungswürdiges Zeichen von Eitelkeit empfand.

Der Gentleman zögerte, aber sein Blick blieb an das Goldstück geheftet. »Ich … denke schon.«

»Dann lasst hören.«

Seine Geschichte war: Der auf dem Plakat beschriebene junge Mann saß in diesem Moment keine zwei Straßen weiter in der Pinte Fünf fahren tief. Der junge Corbett wurde dort oft gesehen, war stets angeheitert, hörte allerdings auf den Namen Timothy.

»Führt mich hin«, sagte Hudson.

»Ähm … was ich sagen wollte … und das ist vielleicht unhöflich … aber ich bin von den Stammgästen des Fünf fahren tief auserwählt worden, hierherzukommen, und die würden es mir schwer übel nehmen, wenn ich nicht vorschlagen würde, dass sie vielleicht auch eine Belohnung bekommen könnten.«

»Ich zahle überhaupt nichts, ehe ich den Jungen nicht gesehen habe.«

»Ja, natürlich, ich wollte nur vorschlagen, dass Ihr genügend Münzen mitnehmt, um mich und die sechs anderen zu belohnen.«

»Ich habe genug dabei.« Hudson berührte eine andere Tasche, in der ein kleines Säckchen voller Münzen steckte. Dies würde ihn so gut wie pleite machen, aber falls es sich wirklich um Matthew handelte, war es nicht zu viel bezahlt. Er konnte sich später überlegen, wie er die Schiffsreise nach Hause bezahlen konnte. Für den Fall, dass jemand nach ihm fragen sollte, sagte er Mrs. Brevard Bescheid, wohin er unterwegs war und wandte sich dann an den Gentleman. »Gehen wir.«

Auf den noch regennassen Straßen war alles still. In vielen der Fenster, an denen sie vorbeikamen, war Kerzenlicht zu sehen. Irgendwo wurde wild Akkordeon gespielt und raues männliches und weibliches Gelächter war zu hören, aber der Gentleman im Umhang führte Hudson vom Lärm des Festes weg.

Als der Mann in eine schmale Gasse abbog und sagte: »Hier entlang, Sir, das ist schneller«, roch Hudson den Braten und wusste, was gespielt wurde.

Die zwei Männer, die im Dunkeln vor einem Geschäft auf der Lauer gelegen hatten, stürzten sich mit erhobenen Schlagstöcken auf Hudson. Ein dritter Mann, das vierte Mitglied der Diebesbande, schien es sich noch einmal zu überlegen, sich mit jemandem von Hudsons Größe anzulegen, und hielt sich im Hintergrund. Er tat, als hätte er plötzlich einen Stein in seinem Stiefel.