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"Medea"ist eine antike griechische Tragödie, die auf dem Mythos von Jason und Medea basiert und wurde erstmals 431 v. Chr. als Teil einer Trilogie aufgeführt wurde; die beiden anderen Stücke sind nicht erhalten geblieben. Im Mittelpunkt der Handlung steht Medea, eine ehemalige Prinzessin des Königreichs Kolchis und Ehefrau Jasons; sie sieht ihre Stellung in der griechischen Welt bedroht, als Jason sie für eine Prinzessin aus Korinth verlässt. Medea rächt sich an ihm, indem sie seine neue Frau und ihre eigenen beiden Söhne ermordet, woraufhin sie nach Athen flieht, um ein neues Leben zu beginnen. Euripides' Stück wurde von Dramatikern in allen Jahrhunderten und auf der ganzen Welt auf vielfältige Weise erforscht und interpretiert und bietet politische, psychoanalytische, feministische und viele andere originelle Lesarten von Medea, Jason und den Kernthemen des Stücks. Dies ist eine deutsche Neuübersetzung, die das Stück in prosaischer Form darstellt.
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Seitenzahl: 70
Medea
Deutsche Neuübersetzung
EURIPIDES
Medea, Euripides
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
86450 Altenmünster, Loschberg 9
Deutschland
Diese neue Prosa-Übersetzung basiert auf der englischen Übersetzung meines Freundes George Theodoridis, die im Original zu finden ist unter https://bacchicstage.wordpress.com/euripides/medea/, und die er mir für dieses Werk zur Verfügung gestellt hat. George, tausend Dank dafür, und möge Zeus dir ewig gewogen sein. Der deutsche Text steht unter der Creative Commons Lizenz Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 International (CC BY-NC-ND 4.0). Was unter dieser Lizenz erlaubt und keineswegs gestattet ist, erfahren Sie unter https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/.
ISBN: 9783849680020
www.jazzybee-verlag.de
Dramatis Personae. 1
Medea. 2
Medea
Jason
Kreon
Aigeus
Die Amme der Medea
Ein Erzieher
Ein Bote
Medeas Kinder
Chor der korinthischen Frauen
Zwei Dienerinnen der Medea (stumm)
Zwei Diener des Kreon (stumm)
Es ist Nacht in Korinth. Im Hintergrund, in dunklen Schatten verborgen, steht das Haus von Jason und Medea. Quälend langsam wird es Tag. Das Haus ist nun deutlich im Hintergrund zu erkennen. Zwei Türen, eine in der Nähe der Mitte, die andere, eine kleinere, auf der linken Bühnenseite. Medea benutzt die mittlere Tür, die Amme und der Erzieher die kleinere.
[Auftritt die Amme. Sie ist erschöpft, da sie eine schlaflose Nacht hinter sich hat, und schüttelt verzweifelt den Kopf].
Amme: Oh, wie ich mir das wünsche! Wie sehr ich es mir wünsche! Wie sehr wünschte ich, das schnelle Schiff Argo wäre auf seinem Weg nach Kolchis an diesen verfluchten, vom Meer umpeitschten Felsen zerborsten! Oh, wie sehr ich es mir wünsche! Die Seeleute hätten ihre Ruder niemals aus den harten Kiefernhölzern machen dürfen, die im Wald von Pelium wachsen! Dann hätten sie es nicht bis nach Kolchis geschafft, um das Goldene Vlies zu rauben, wie Pelias es ihnen befohlen hatte, und auch meine Herrin Medea wäre jetzt nicht hier! Da ihr Herz von der Liebe zu Jason zerrissen war, verließ sie ihre Heimat und segelte mit ihm zu den großen Burgen von Iolkos. Nachdem sie diesen Ort verlassen hatten, kamen sie hierher, nach Korinth, wo sie jetzt mit ihren Kindern leben. Aber zuerst hatte sie Pelias' Töchter überredet, ihn zu ermorden! Ihren eigenen Vater zu töten! Dennoch, als sie hier ankam, liebten die Korinther sie. Sie sahen in ihr die perfekte Frau für Jason –– perfekt in jeder Hinsicht. Sie hat sich nie mit ihm gestritten, war stets kompromissbereit, immer entgegenkommend –– und so verdient sich eine Frau ihre Sicherheit: Sie darf niemals mit ihrem Mann in Streit geraten! Aber das ist Vergangenheit.
Mittlerweile gibt es nur noch Streit und Hass, selbst die Luft ist vergiftet. Jason verriet seine Kinder und betrog seine Frau, heiratete die Prinzessin Glauke, die Tochter des Königs Kreon, und schläft nun in einem königlichen Bett. Währenddessen zetert und brüllt meine Herrin Medea, die sich von den Parzen völlig verlassen und zurückgewiesen fühlt, und ermahnt ihn, sich an seine Versprechen ihr gegenüber zu erinnern, an die mächtigen Eide, die er für sie geschworen hat. Sie ruft die Götter an, damit diese Zeuge werden, auf welch schreckliche Weise Jason sie für ihren Gehorsam und ihre Eingeständnisse und für all das Entgegenkommen, das sie ihm erwiesen hat, und für all die Liebe, die sie ihm entgegengebracht hat, belohnt. Den ganzen Tag bleibt sie in ihrem Bett. Seit sie vom Ehebruch ihres Mannes erfahren hat, liegt sie da, das arme Geschöpf, unfähig, einen Bissen zu sich zu nehmen. Sie hat sich völlig ihrem Schmerz überlassen. Ihre Tränen verschleiern ihren Blick und ihre Augen und ihr Gesicht sind ständig auf den Boden gerichtet. Die gütigen Stimmen ihrer Freunde, die sie einer nach dem anderen zu ihr kommen und versuchen, ihr Ratschläge zu erteilen, sie zu trösten, all diese freundlichen Stimmen, klingen für sie wie Meeresstürme, die wütend gegen die Felsen tosen. Ab und zu wendet die arme Frau ihr bleiches Gesicht ab und trauert allein und schwer um ihren geliebten Vater, um das Land und das Haus, das sie verlassen hat, um mit einem Mann zusammen zu sein, der sie nun verraten hat. Erst jetzt wurde der armen Frau bewusst, wie schrecklich es ist, seine Heimat zu verlassen. Ihr furchtbares Schicksal hat sie diese bittere Lektion gelehrt. Sie kümmert sich kaum noch um ihre Kinder. Nein, sie machen ihr keine Freude mehr. Ich befürchte sogar, dass sie sie hasst! Ich habe solche Angst! Ich habe Angst, dass böse Gedanken von ihr Besitz ergreifen. Sie hat so etwas Unberechenbares in ihrem Gesicht! Oh, ich habe solche Angst! Ich habe Angst, dass sie etwas Schreckliches tun könnte. Ich glaube nicht, dass sie irgendwann mit dieser Ungerechtigkeit umgehen kann. Glauben Sie mir, ich kenne meine Herrin gut und ich fürchte sie. Ich fürchte, dass ihr Verstand eine grässliche Gewalttat aushecken und ihr ein scharfes Schwert in ihr Herz stoßen könnte. Und ich fürchte, sie ist fähig, in den Palast einzudringen, die Gemächer des Königs zu betreten und die Prinzessin und Jason, ihren Bräutigam, zu ermorden! Mit einem scharfen Messer könnte sie tief in ihre Körper stoßen und Jasons Tat furchtbar belohnen. Ich habe solche Angst! Ich habe Angst vor ihrer Brutalität. Ich fürchte mich, weil diejenigen, die sich mit ihr streiten, nie gewinnen. [Auftritt der Erzieher mit Medeas zwei Jungen]. Ach! Hier kommen ihre kleinen Jungen! Keine Lust mehr zu spielen, meine Lieblinge? Wie wenig Kinder sich doch für Sorgen und Ängste interessieren! Wie wenig sie von den Ängsten ihrer Mutter wissen! Kinder mögen keine schrecklichen Gedanken.
Erzieher: Alte Frau, du bist die Dienerin meiner Herrin, warum stehst du hier draußen ganz allein vor den Toren und beklagst dein Leid? Wie kommt Medea ohne dich zurecht?
Amme: Alter Mann, du bist der Erzieher von Jasons Kindern und solltest wissen, dass die Sorgen der Herrin auch die ihrer Diener sind –– wenn sie gute Diener sind! Ihre Seelen empfinden dieselben Schmerzen wie die der Herrin. Ich stehe hier draußen, alter Mann, weil mein Herz mich dazu drängte, der Erde und dem Himmel Medeas Probleme zu offenbaren.
Erzieher: Die arme Frau hat also immer noch nicht aufgehört zu weinen?
Amme: Wenn das alles wäre! Wie ich dich um deine Ahnungslosigkeit beneide, alter Mann! Ihr Kummer hat gerade erst begonnen, hat noch nicht einmal die Hälfte seines Ausmaßes erreicht.
Erzieher: Sie ist ein so törichtes Weib –– wenn ich mir erlauben darf, solche Worte über meine Herrin zu gebrauchen. Dabei weiß sie noch gar nichts von ihrem neuen Kummer!
Amme: Neuer Kummer? Was für ein neuer Kummer? Was ist passiert, alter Mann? Verschweige es mir ja nicht!
Erzieher: Nichts –– nein –– vergiss es. Ich bin nicht sicher, ob ich es dir sagen soll. Ich glaube, ich sollte es nicht.
Amme: Komm schon, alter Mann! Bei deinem grauen Bart, ich flehe dich an! Wir sind beide Diener im selben Haushalt. Du darfst mir nichts verschweigen. Und sei dir dessen sicher: Ich kann meinen Mund halten, wenn es sein muss.
Erzieher: [Widerwillig und weg von den Ohren der Kinder] Nun gut, dann pass mal auf! Als ich zufällig in der Nähe der heiligen Quellen von Peirini war, wo die alten Leute hingehen und Dame spielen, habe ich gehört, dass König Kreon Medea und diese Kinder hier ins Exil schicken will. Ein alter Mann, der mich nicht erkannte, hat es mir verraten. Kreon wird sie aus Korinth verbannen, sagte er. Ich habe keine Ahnung, ob dieses Gerücht wahr ist oder nicht. Ich hoffe es jedenfalls nicht.
Amme: Und was ist mit Jason? Würde er das zulassen? Seine Kinder ins Exil gehen lassen, nur weil er Streit mit seiner Frau hat?
Erzieher: Neue Lieben löschen die alten aus, alte Frau. Weder liebt Jason Medea, noch ist das hier länger sein Haushalt.
Amme: Nun, dann sind wir am Ende, alter Mann! Wir sind erledigt! Neuer Kummer noch bevor der alte bewältigt ist!
Erzieher: Aber du, Frau, wirst unserer Herrin nichts davon verraten, denn noch ist die Zeit dafür nicht gekommen. Halte ja deinen Mund!
Amme: [Zu den Jungen] Meine kleinen Jungen! Meine Lieblinge! Wenn ihr nur wüsstet, wie euer Vater wirklich ist! Aber da er mein Herr ist, werde ich nicht über ihn lästern. Allerdings hat er sich gegenüber seiner eigenen Familie als grausam erwiesen!
Erzieher: Ach? Und wer wäre ein besserer Vater auf dieser Welt? Sie sind doch alle gleich, alte Frau, und lieben sich alle selbst mehr als andere. Egal, ob es ums Bett oder das Geschäft geht, zu Recht oder zu Unrecht, jedenfalls hasst ihr Vater diese Kinder.
Amme: [Zu den Jungen] Ab mit euch, Kinder! Es wird schon alles gut werden! Rein mit euch, schnell! [Zum Erzieher] Und du, alter Mann, halte sie ja von Medea fern, solange sie sich diesem Schwermut hingibt, weil –– weil ich vor kurzem gesehen habe, wie sie ihnen einen seltsamen und furchtbaren Blick zuwarf, als wolle sie ihnen etwas Schreckliches antun. Ihr Zorn wird sich erst legen, wenn sie ihn mit voller Wucht jemanden spüren lässt ––einen Feind, hoffe ich, und nicht jemanden, den wir lieben.
Medea: [Von drinnen] Ihr Götter! Der Tod! Warum holt ihr mich nicht endlich? Ich kann diesen Kummer nicht mehr ertragen! Lasst mich sterben! Tod, komm jetzt herbei!