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Für die Persönlichkeitsentwicklung und die soziale Teilhabe ist es notwendig, dass Kinder schon früh lernen, die "Sprache" der Medien zu verstehen, Medieneinflüsse aufzuarbeiten sowie Merkmale und Bedingungen der Medienlandschaft zu durchschauen. Diese Fähigkeiten stellen wichtige Voraussetzungen dar, um Medien in angemessener Weise für Information und Lernen, für Unterhaltung und Spiel, für Kommunikation und Kooperation sowie für eigene Gestaltungen zu verwenden. Durch eine so orientierte Medienerziehung und Medienbildung können Chancen von Medien genutzt und Risiken vermieden werden. Das Buch zeigt anhand von grundlegenden Überlegungen und Beispielen auf, wie sich entsprechende Aufgaben in der Grundschule umsetzen lassen. Praxisbeispiele ermöglichen es, anwendungsfähiges Wissen zu erwerben.
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Seitenzahl: 205
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Der Autor
Gerhard Tulodziecki ist emeritierter Professor an der Fakultät für Kulturwissenschaften der Universität Paderborn. Nach dem Ersten und Zweiten Lehramtsexamen, einer anschließenden Lehr- und Forschungstätigkeit in der Erziehungswissenschaft sowie Promotion und Habilitation wurde er zum Professor für Medienverbund und Mediendidaktik berufen und leitete das gleichnamige Institut am Forschungs- und Entwicklungszentrum für objektivierte Lehr- und Lernverfahren (FEoLL). Im Anschluss übernahm er die Professur für Allgemeine Didaktik und Schulpädagogik an der Universität Paderborn. In dieser Zeit hat er mehrere Modellversuche zur Medienerziehung und Medienbildung in der Schule wissenschaftlich begleitet. Zudem war er Mitglied verschiedener Arbeitsgruppen zu Fragen der Lehrerbildung und Medienpädagogik auf Landes- und Bundesebene. Unter anderem wirkte er am Orientierungsrahmen zur »Medienerziehung in der Schule« der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung mit.
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1. Auflage 2021
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-040400-7
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-040401-4
epub: ISBN 978-3-17-040402-1
Die aktuellen gesellschaftlichen und häufig globalisierungsbedingten Veränderungen beeinflussen Grundschulen auf mannigfaltige Arten. Angesichts dessen thematisiert die neue Reihe »Grundschule heute« – herausgegeben von Dr. Sanna Pohlmann-Rother (Inhaberin des Lehrstuhls für Grundschulpädagogik und -didaktik an der Universität Würzburg) und Dr. Sarah Désirée Lange (Akademische Rätin am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und -didaktik der Universität Würzburg) – drängende Zukunftsfragen in ihrer Bedeutung für die Disziplin der Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik. Die gesellschaftlichen und bildungspolitischen Entwicklungen der Gegenwart betreffen Bereiche wie Digitalisierung, Inklusion, Globalisierung, Migration und Flucht und bringen weitreichende neue Herausforderungen für Lehrkräfte, Schulleitungen und für Eltern und ihre Kinder mit sich.
So stellt beispielsweise der mit den gesellschaftlichen Digitalisierungsprozessen verbundene Anspruch, Schülerinnen und Schüler zu einem selbstbestimmten und reflektierten Umgang mit digitalen Medien zu befähigen, alle Beteiligten vor neue Herausforderungen. Auch Mehrsprachigkeit und Fluchtmigration sind Phänomene gesellschaftlicher Entwicklungen, die gegenwärtig in hohem Maße zur Komplexität professionellen Handelns von Lehrkräften beitragen.
Mit der vorliegenden Reihe soll der grundschulpädagogische Diskurs hinsichtlich der gegenwärtigen und zukünftigen Entwicklungen der Gesellschaft weiterentwickelt werden. Dazu werden in jedem Band neben einer forschungs- und theoriebasierten Auseinandersetzung auch jeweils praktisch umsetzbare Ansätze für die Gestaltung von Unterricht und von grundschulbezogenen Bildungsprozessen herausgearbeitet.
In diesem Zusammenhang werden auch die aktuellen Strukturen und Inhalte der Ausbildung von Grundschullehrkräften hinterfragt. So werden in der Reihe »Grundschule heute« relevante Professionalisierungsfelder identifiziert, mögliche Implikationen für die Rahmenbedingungen der Lehrkräftebildung aufgezeigt und Anforderungen an eine qualitativ hochwertige und zeitgemäße Qualifizierung von Grundschullehrkräften diskutiert.
Zusammenfassend geht es darum, hinsichtlich gegenwärtiger und künftiger Herausforderungen die institutionellen Bedingungen der Grundschule mit dem Anspruch an grundlegende Bildung und die Frage nach zeitgemäßen Bildungsinhalten neu in den Blick zu nehmen. Damit verbunden ist die genaue Betrachtung kindlicher Lebenswelten und die Berücksichtigung aktueller Aufwachsensbedingungen der Schülerinnen und Schüler. Auf Schul- und Unterrichtsebene stellen sich dabei pädagogisch-didaktische Fragen, zu denen auch rahmende Raum-, Zeit- und Organisationsstrukturen gehören. Auf Seiten der Lehrkräfte umfasst dies anspruchsvolle und zum Teil spannungsreiche Aufgaben, die sich beispielsweise in einem reflektierten Umgang mit sprachlicher Vielfalt und Mehrsprachigkeit im Zuge von Migration und Flucht manifestieren oder mit der Forderung nach einem inklusiven Schulsystem verbunden sind.
Würzburg, im Mai 2021
Sanna Pohlmann-Rother und Sarah Désirée Lange
Vorwort der Herausgeberinnen
Einleitung
1 Medien im Tagesablauf von Grundschulkindern
1.1 Beispiel: Pauls Tagesablauf
1.2 Grundformen der Mediennutzung und Nutzungsbereiche
1.3 Merkmale der Medienlandschaft
1.4 Allgemeine Chancen und Risiken der Mediennutzung
1.5 Bedeutung für Erziehung und grundlegende Bildung
2 Bedingungen des Medienhandelns von Kindern
2.1 Beispiel: Mila und ihr Smartphone
2.2 Bedingungen des Medienhandelns
2.3 Modellvorstellung von menschlichem Handeln
2.4 Bedeutung für die medienerzieherische Begleitung von Kindern
2.5 Bedeutung für Erziehung und grundlegende Bildung
3 Mediennutzung als bedürfnis- und situationsbezogene Handlung
3.1 Beispiel: Leon und seine digitalen Spiele
3.2 Bedürfnisse von Kindern
3.3 Annahmen zum Wirksamwerden von Bedürfnissen
3.4 Zum Verhältnis von Bedürfnissen und Emotionen
3.5 Umwelt als Rahmenbedingung für die Anregung von Bedürfnissen
3.6 Bedeutung für Erziehung und grundlegende Bildung
4 Mediennutzung als erfahrungs- und wissensbezogenes Handeln
4.1 Beispiel: Linas und Ellas Tanzvideo
4.2 Zu Erfahrungen von Kindern in Medienzusammenhängen
4.3 Zum Wissen von Kindern über Medien
4.4 Erfahrungsformen und Wissenserwerb durch Medien
4.5 Gestaltungsmöglichkeiten von medialen Botschaften
4.6 Bedeutung für Erziehung und grundlegende Bildung
5 Mediennutzung als entwicklungsbezogenes Handeln
5.1 Beispiel: Felix – Fernsehserie oder Kinderbuch?
5.2 Arten des Denkens und intellektuelle Entwicklung
5.3 Urteilsformen und sozial-moralische Entwicklung
5.4 Bedeutung für Erziehung und grundlegende Bildung
6 Rahmen für die Medienerziehung und Medienbildung in der Grundschule
6.1 Beispiele zu grundsätzlichen Sichtweisen bezüglich medienbezogener Erziehungs- und Bildungsaufgaben
6.2 Grundpositionen zu Erziehungs- und Bildungsaufgaben im Medienbereich
6.3 Ein konzeptioneller Rahmen für medienbezogene Erziehungs- und Bildungsaufgaben
6.4 Zusammenfassende Konzeptdarstellung
7 Nutzungsbezogene Aufgabenfelder der Medienerziehung und Medienbildung
7.1 Projektbeispiel: Bedrohte Tierarten
7.2 Merkmale von Unterrichtseinheiten oder Projekten zu nutzungsbezogenen Aufgabenfeldern
7.3 Weitere Unterrichts- und Projektideen zur reflektierten Nutzung von medialen Möglichkeiten für Information und Lernen
7.4 Unterrichts- und Projektideen zur reflektierten Nutzung von medialen Möglichkeiten für Unterhaltung und Spiel
7.5 Unterrichts- und Projektideen zur reflektierten Nutzung von medialen Möglichkeiten für Austausch und Kooperation
7.6 Unterrichts- und Projektideen zur reflektierten Nutzung von medialen Möglichkeiten für die Gestaltung und Präsentation eigener Beiträge
8 Inhaltsbezogene Aufgabenfelder der Medienerziehung und Medienbildung
8.1 Projektbeispiel: Ich sehe was, was du nicht siehst!
8.2 Merkmale von Unterrichtseinheiten oder Projekten zu inhaltsbezogenen Aufgabenfeldern
8.3 Weitere Unterrichts- und Projektideen zum Unterscheiden und Einschätzen von medialen Gestaltungsmöglichkeiten
8.4 Unterrichts- und Projektideen zum Erkennen und Aufarbeiten von Medieneinflüssen
8.5 Unterrichts- und Projektideen zum Erfahren und Bewerten von Merkmalen der Medienlandschaft
8.6 Unterrichts- und Projektideen zum Durchschauen und Beurteilen von Bedingungen der Medienproduktion und Medienverbreitung
9 Entwicklung schulspezifischer Konzepte für die Medienerziehung und Medienbildung
9.1 Zusammenfassende Übersicht für ein schulspezifisches Konzept
9.2 Entwicklung und Pflege schulspezifischer Konzepte
10 Medienpädagogische Kompetenz von Lehrpersonen und Professionalisierung
10.1 Ein Beispiel aus dem Lehramtsstudium
10.2 Medienbezogene Kompetenzerwartungen an Lehrpersonen
10.3 Zum Kompetenzerwerb in verschiedenen Phasen der Lehrkräftebildung
10.4 Kompetenzerwerb und Professionalisierung
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Kinder wachsen in einer Umwelt auf, die durch ein umfangreiches Angebot medialer Möglichkeiten gekennzeichnet ist. Die Palette der Medien reicht von Büchern und anderen Schreib- bzw. Druckmedien über auditive, visuelle und audiovisuelle Medien bis zu den digitalen Möglichkeiten. Aufgrund der digitalen Technik sind Medien praktisch an jedem Ort und zu jeder Zeit mit attraktiven Angeboten und Werkzeugen verfügbar. Als Beispiel dafür kann das Smartphone gelten. Es hat sich vom mobilen Telefon zu einem Universalgerät entwickelt, das auch für viele Kinder zu einem wichtigen Begleiter geworden ist. Mit seinen akustischen und optischen Möglichkeiten spricht es Kinder in vielfältiger Weise an. Dabei kommt es – wie auch andere Medien – den kindlichen Bedürfnissen nach Sinneserregung und Erkundung der Umwelt, nach Spannung und Entspannung sowie nach Orientierung und nach sozialem Eingebundensein entgegen. Aus der Wechselbeziehung von medialen Möglichkeiten und kindlichen Bedürfnissen ergeben sich mannigfaltige Formen der Mediennutzung. Beispielsweise lassen sich Medien zum Anschauen lustiger und spannender Geschichten, zur Suche nach interessanten Informationen und zum Lernen, zum Spielen und zu weiteren Formen der Unterhaltung, zur Herstellung eigener Fotos oder Videos und zum Austausch mit Freundinnen oder Freunden nutzen. In solchen Zusammenhängen entstehen einerseits Chancen, andererseits aber auch Risiken für die kindliche Entwicklung. Deshalb ergibt sich schon in der Familie und in der Kita und dann besonders in der Grundschule die Anforderung, Kinder zu einem verantwortlichen Medienhandeln anzuregen und sie auf dem Weg dorthin zu unterstützen. Dies umfasst sowohl Bemühungen, Kinder vor Gefährdungen durch problematische Medienangebote zu schützen, als auch Bestrebungen, Kinder zum Erwerb von Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten anzuleiten, die es ihnen ermöglichen, vorhandene Angebote sinnvoll zu nutzen und eigene mediale Beiträge zu erstellen. Mit Blick auf die gegenwärtige und zukünftige gesellschaftliche Situation ist davon auszugehen, dass es für die Persönlichkeitsentwicklung und für die Teilhabe am sozialen Leben immer wichtiger wird, die »Sprache« der Medien angemessen zu verstehen und sich in dieser »Sprache« ausdrücken zu können sowie Medieneinflüsse zu erkennen und aufzuarbeiten und die Medienlandschaft mit ihren digitalen Grundlagen und ihren Bedingungen – soweit es jeweils in entwicklungsbezogener Hinsicht möglich ist – zu durchschauen.
Insgesamt bedürfen der Erwerb eines entsprechenden Wissens und Könnens sowie die Entwicklung eines förderlichen Umgangs mit den medialen Möglichkeiten einer erzieherischen und bildungsbezogenen Begleitung und Einflussnahme durch Eltern, Erzieherinnen, Erzieher und Lehrpersonen. So ergeben sich auch für die Grundschule bedeutsame Erziehungs- und Bildungsaufgaben im Feld der Medien. Dies gilt umso mehr, als Erziehung und Bildung mit der Weltbegegnung und Weltaneignung von Kindern verbunden sind und wesentlich durch Medien beeinflusst werden. In diesem Sinne gehören Medienerziehung und Medienbildung zum Erziehungs- und Bildungsauftrag der Grundschule. Dabei lässt sich Medienerziehung schwerpunktmäßig durch den Versuch einer Einflussnahme auf die Bereitschaft bzw. den Willen zu einem sozial verantwortlichen Verhalten in Medienzusammenhängen kennzeichnen, während bei der Medienbildung die Förderung der geistigen Entwicklung im Zusammenhang mit der Aneignung medienbezogenen Wissens und Könnens und eines entsprechenden Handelns im Mittelpunkt steht. Allerdings gibt es zwischen beiden Bereichen vielfältige Überschneidungen und Übergänge. Beispielweise sollten Bemühungen um ein sozial verantwortliches Verhalten damit verbunden sein, für Kinder Einsichten in medienrelevante Zusammenhänge zu ermöglichen, und gleichzeitig ist es wünschenswert, dass sich medienbezogenes Wissen und Können auch in sozial verantwortlichem Verhalten ausdrückt. Wegen der Überschneidungen und Übergänge zwischen beiden Begriffen – die sich im Übrigen auch in der allgemeinen erziehungswissenschaftlichen Diskussion widerspiegeln – erfolgt in diesem Buch keine strikte Trennung zwischen Erziehungs- und Bildungsaufgaben. Vielmehr werden beide Begriffe gemeinsam verwendet, ebenso wie die Bezeichnungen Medienerziehung und Medienbildung.
Vor diesem Hintergrund wird in Kapitel 1 – ausgehend von der Mediennutzung von Kindern – der Blick auf Medienausstattungen und auf Nutzungszusammenhänge gerichtet. Dabei kommen generelle Chancen und Risiken der Mediennutzung zur Sprache. In Kapitel 2 geht es um die Frage, durch welche Bedingungen das Medienhandeln von Kindern beeinflusst wird. Als Bedingungen werden situative Gegebenheiten im Rahmen der Lebenssituation, Bedürfnisse von Kindern und damit verbundene Emotionen, Erfahrungen und Wissen sowie der Entwicklungsstand in intellektueller und sozial-moralischer Hinsicht angesprochen.
In Kapitel 3, 4 und 5 sollen diese Bedingungen des Medienhandelns entfaltet und hinsichtlich ihrer Bedeutung für Erziehungs- und Bildungsaufgaben in der Grundschule besprochen werden. Die Überlegungen münden in Kapitel 6 in den Entwurf eines Konzepts für die Medienerziehung und Medienbildung ein. Bisherige Konzepte werden thematisiert und zu einem tragfähigen Konzept weitergeführt. Das entsprechende Konzept wird – mit Bezug auf die vorhergehenden handlungs- und entwicklungstheoretischen Überlegungen – hinsichtlich seiner Zielvorstellungen und Inhaltsbereiche sowie bezüglich zu bedenkender Formen und Bereiche der Mediennutzung sowie im Hinblick auf wünschenswerte Vorgehensweisen ausgefächert.
In Kapitel 7 und 8 sollen verschiedene nutzungs- und inhaltsbezogene Aufgabenfelder von Medienerziehung und Medienbildung und ihre Umsetzung in Unterrichtseinheiten und Projekte thematisiert werden. Dabei geht es zugleich um Konkretisierungen im Sinne eines erkundungs-, problem-, entscheidungs-, gestaltungs- und beurteilungsorientierten Vorgehens.
Da Medienerziehung und Medienbildung als fächerübergreifende Aufgaben der Grundschule gelten, sollen in Kapitel 9 Anregungen für die Entwicklung schulspezifischer medienpädagogischer Konzepte unter Beteiligung mehrerer Fächer gegeben werden. In der Fortführung sind in Kapitel 10 Überlegungen zur notwendigen medienpädagogischen Kompetenz und zu Konsequenzen für die Aus- und Fortbildung von Lehrpersonen zu diskutieren.
Da die Grundschule in den meisten Bundesländern vier Jahre umfasst, ist das Buch schwerpunktmäßig an der vierjährigen Grundschule orientiert. Allerdings gelten die meisten Überlegungen gleichermaßen für die sechsjährige Grundschule. Gegebenenfalls können Beispiele, die für die Jahrgangsstufen drei und vier möglich sind, auch an die Bedingungen der Jahrgangsstufen fünf und sechs angepasst werden.
Mit dem inhaltlichen und formalen Aufbau werden wichtige Intentionen der Reihe »Grundschule heute« aufgenommen – geht es in der Reihe doch um drängende Zukunftsfragen, die sich aus der gesellschaftlichen Entwicklung und aus dem Wandel der kindlichen Lebenswelt für die Didaktik und Pädagogik der Grundschule sowie für die Professionalisierung von Grundschullehrkräften ergeben (vgl. das Vorwort der Herausgeberinnen). Dass solche Fragen u. a. mit der Mediatisierung und Digitalisierung und den damit verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen verknüpft sind, wird sich in den Kapiteln des Buches immer wieder zeigen.
Das Buch ist sowohl für die Ausbildung von Grundschullehrkräften als auch für die Fortbildung gedacht und soll zur Auseinandersetzung mit den behandelten Themen anregen und dabei Hilfen geben. Darauf zielt auch der formale Aufbau des Buches. Jedes Kapitel beginnt mit einem Eingangsbeispiel. Von dort ausgehend werden jeweils grundlegende bzw. wichtige Inhalte behandelt. Am Ende jedes Kapitels finden sich »Hinweise für die Weiterarbeit«, die dazu anregen, das erworbene Wissen zu erproben, anzuwenden und/oder zu vertiefen. Insofern kann das Buch von Studierenden, Referendarinnen und Referendaren sowie Lehrkräften – falls sie möchten – auch als Arbeitsbuch genutzt werden.
Für Anregungen und Unterstützungen beim Schreiben des Buches danke ich zunächst Anna Marie Hauf-Tulodziecki, die mir stets eine wichtige Gesprächspartnerin war und mich bei den Korrekturlesungen unterstützt hat. Besonderer Dank gilt auch Susanne Klingelhöfer für die Durchsicht des Bandes und ihre äußerst hilfreiche Rückmeldung aus schulpraktischer Sicht. Darüber hinaus sage ich Silke Grafe und Bardo Herzig großen Dank. Mit ihnen stehe ich seit vielen Jahre in einem stets anregenden Austausch zu Fragen von Medienerziehung und Medienbildung. Des Weiteren bedanke ich mich sehr herzlich bei Sanna Pohlmann-Rother und Sarah Désirée Lange (als Herausgeberinnen der Reihe) für viele wertvolle Anregungen bei der Überarbeitung des Manuskripts. Auch Alexa Strittmatter sei (als Betreuerin vonseiten des Verlags) für die stets konstruktive Begleitung beim Schreiben dieses Buches vielmals gedankt.
Über Rückmeldungen zum Buch freue ich mich.
Paderborn, im März 2021
Gerhard Tulodziecki
Medien stellen einen bedeutsamen Bestandteil der Umwelt von Kindern dar. So verfügen Haushalte, in denen Kinder leben, in der Regel über eine beträchtliche Medienausstattung (vgl. mpfs 2019, S. 9). Auch Kinder selbst besitzen üblicherweise schon eine Reihe von Medien, die sie in unterschiedlichem Umfang und zu verschiedenen Tageszeiten nutzen (vgl. mpfs 2019, S. 10–20). Angesichts einer solchen Situation geht es in diesem Kapitel darum zu fragen, wie sich die Mediennutzung von Kindern vor dem Hintergrund der Medienlandschaft darstellt und welche – zunächst allgemeinen – Chancen und Risiken damit verbunden sind.
Ausgangspunkt für entsprechende Überlegungen soll der mögliche Tagesablauf eines Grundschulkindes sein. Beispielsweise könnte der Tagesablauf dieses Kindes – hier Paul genannt – mit Blick auf vorliegende Ergebnisse zur Medienausstattung und Mediennutzung (vgl. mpfs 2019) folgendermaßen aussehen. Dabei ist der Tagesablauf nur als ein Beispiel zu verstehen – generell bestehen zwischen der jeweiligen Mediennutzung von Kindern mehr oder weniger große Unterschiede.
Paul lebt mit seinen Eltern in einem Reihenhaus am Rande einer Großstadt. Er ist neun Jahre alt und hat eine vier Jahre ältere Schwester. Im Haushalt der Familie sind Fernsehgerät, Telefon, Smartphone, Radio, Internetzugang, Computer, Laptop, Tablet, Digitalkamera, CD- und DVD-Player, Spielkonsole, Bücher, Zeitschriften und eine Tageszeitung vorhanden. In seinem Kinderzimmer befinden sich eine Spielkonsole, ein CD-Player und Kinderbücher. Neuerdings besitzt er auch selbst ein Smartphone. Morgens lässt sich Paul in der Regel durch sein Smartphone mit seinem Lieblingston wecken. Wenn er zum Frühstück in die Küche kommt, hört die Mutter stets das Morgenmagazin im Radio. In der Küche sitzt üblicherweise schon die ältere Schwester, die beim Frühstück oft auf ihrem Smartphone nachschaut, ob ihre Freundinnen irgendwelche Nachrichten oder Bilder gesendet haben, wobei sie auf diese häufig sofort reagiert. Außerdem liegt auf dem Esstisch normalerweise die Tageszeitung, die der Vater durchgeblättert hat, bevor er zu Arbeit gegangen ist. Paul wirft meistens noch schnell einen Blick in den Sportteil der Zeitung.
Dann macht er sich auf den Schulweg. Dabei hört er des Öfteren über sein Smartphone Musik eines Audio-Streaming-Dienstes. Wenn er auf dem Schulweg Freunde trifft, unterhalten sie sich immer wieder über Sportereignisse, aktuelle Konsolenspiele oder Videos. In der Schule wird in der Regel mit herkömmlichen Hilfsmitteln wie Tafel, Kreide und Lernmaterialien gearbeitet. Manchmal lässt die Klassenlehrerin aber auch Internetrecherchen durchführen oder die Kinder an einzelnen digitalen Übungsprogrammen arbeiten. Wenn Paul nach der Schule nach Hause kommt, schaut er sich hin und wieder auf seinem Smartphone einzelne lustige Videos an, von denen er in den Pausen gehört hat. Nach dem Essen setzt er sich normalerweise an seine Hausaufgaben. Diese erledigt er meistens in seinen Schulheften. Hin und wieder muss er auch ergänzend zum Unterricht kleinere Internetrecherchen ausführen. Dazu verwendet er den Computer seiner Mutter. Während er Hausaufgaben macht, läuft im Hintergrund fast immer Musik von seiner Lieblingsband auf dem CD-Player. Bei besonderen Anlässen, z. B. bei Geburtstagen der Großeltern, nutzt er auch die Möglichkeit der Videotelefonie.
Nachmittags verabredet er sich häufig per WhatsApp mit einigen Freunden. Dabei nimmt er zunehmend den Sprachassistenten in Anspruch. Ein beliebter Treffpunkt ist der nahegelegene Spiel- oder Bolzplatz. Bei den Treffen kommt es ab und zu vor, dass er mit dem einen oder anderen Freund ein Selfie oder ein anderes Foto macht. Wenn Paul zurückkehrt, sitzt seine Schwester häufig im Wohnzimmer vor dem Fernseher und schaut sich eine Vorabendserie an. Er guckt dann lieber Videos auf dem Tablet. Da die Eltern am Abend in der Regel Fernsehfilme oder andere Sendungen anschauen, die ihn weniger interessieren, hat er sich daran gewöhnt, nach dem Abendessen auf sein Zimmer zu gehen und an seiner Spielkonsole zu spielen. In seltenen Fällen greift er auch zu einem Kinderbuch in seinem Zimmer. Vor dem Schlafengehen schaltet er üblicherweise noch einmal den CD-Player ein, um bei Hintergrundmusik einzuschlafen.
Mit Blick auf eine solche Mediennutzung lässt sich u. a. fragen, welche Formen dabei zum Tragen kommen, in welchen Nutzungsbereichen sie erfolgt und welche Merkmale das Medienangebot bzw. die Medienlandschaft aufweist. Vor diesem Hintergrund ergibt sich dann die Frage, welche Chancen und Risiken mit einer entsprechenden Mediennutzung gegebenenfalls verbunden sind.
An dem obigen Beispiel werden verschiedene Formen der Mediennutzung von Kindern erkennbar. Als grundlegende Formen der Mediennutzung lassen sich zunächst die Rezeption und die Produktion unterscheiden. Eine rezeptive Nutzung ist dadurch gekennzeichnet, dass Kinder mediale Botschaften bewusst wahrnehmen – etwa wenn Paul Videos anschaut, Podcasts oder CDs hört, sich für die Sportnachrichten in der Zeitung interessiert oder in einem Kinderbuch liest. Eine produktive Mediennutzung liegt vor, wenn Kinder sich selbst in medialer Form äußern – etwa wenn sie Fotos oder Videos aufnehmen oder in der Schule Aufsätze schreiben. Streng genommen stellen auch schon eigene WhatsApp-Nachrichten in einem Chat oder die Auswahl einer Internetseite im Rahmen einer Recherche eine selbsttätige Aktion in medialer Form dar. Allerdings werden die letztgenannten Formen häufig nicht der produktiven Mediennutzung zugeordnet, sondern eher als interaktive Mediennutzung bezeichnet. Dabei kann die Interaktion auf den personalen Austausch (wie beim WhatsApp-Chat) oder auf ein Informatiksystem (wie bei der Internetrecherche) bezogen sein. Dementsprechend kann man auch von interaktiv-austauschbezogenen oder interaktiv-eingreifenden Nutzungsformen sprechen. Interaktiv-austauschbezogene Formen liegen – außer beim WhatsApp-Chat – beim Telefonieren mit oder ohne Video oder beim Agieren in sozialen Netzwerken (social networks) vor. Als interaktiv-eingreifende Nutzung ist z. B. für Paul und viele andere Kinder das computerbasierte Spiel bedeutsam. Daneben kann man noch interaktiv-partizipative Formen (etwa das Agieren in Blogs oder Wikis) und interaktiv-steuerungsorientierte Nutzungsformen (etwa bei smart home-Entwicklungen) nennen, die allerdings für Kinder bisher weniger wichtig sind. Insgesamt kommen die genannten Grundformen – Rezeption, Produktion und Interaktion mit ihren Varianten – in verschiedenen Nutzungsbereichen zur Geltung.
Im eingangs skizzierten Tagesablauf von Paul dient die Medienverwendung beispielsweise dazu, eine angenehme Stimmung zu erzeugen (z. B. durch Musik im Hintergrund), sich zu unterhalten (z. B. durch das Anschauen eines Videos), zu spielen (z. B. durch Nutzung eines Konsolenspiels), sich zu informieren (z. B. bei Internetrecherchen), etwas zu lernen (z. B. bei der Bearbeitung eines Übungsprogramms), mit anderen zu kommunizieren (z. B. durch WhatsApp-Nachrichten) oder sich selbst oder etwas anderes darzustellen (z. B. durch ein Foto von einer Aktion auf dem Spiel- oder Bolzplatz). Darüber hinaus können schon Kinder erfahren, dass sich Medien zur Analyse, zur Simulation, zur Inanspruchnahme von Dienstleistungen sowie zur Steuerung und Kontrolle verwenden lassen. Beispiele dafür sind: die Aufzeichnung eines Rollenspiels mit anschließender Analyse des praktizierten Kommunikationsverhaltens, die Nutzung eines Spiels, in dem die Besiedlung eines Gebietes simuliert wird, der Verkauf von nicht mehr benötigtem Spielzeug mithilfe der Eltern über eine Verkaufsplattform, die Steuerung der Heizung und die Kontrolle des Bewegungsverhaltens mithilfe eines Smartphones. Dabei können sich die Nutzungsbereiche überschneiden. Beispielsweise mag das abendliche Konsolenspiel von Paul neben dem Spielen auch der Unterhaltung (im Sinne der Vermeidung von Langeweile) und der Information darüber dienen, welche Spiele zurzeit bei den Freunden »in« sind.
Für alle Nutzungsbereiche haben sich die Möglichkeiten durch die zunehmende Durchdringung des Alltags mit Medien erheblich erweitert. Dabei stellt die Medienlandschaft den allgemeinen Raum für die Mediennutzung dar. Deshalb liegt ein kurzer Blick auf Merkmale des Medienangebots bzw. auf die Medienlandschaft nahe.
Als Merkmale der Medienlandschaft lassen sich – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – nennen: Vielzahl medialer Möglichkeiten und Medienkonvergenz, umfangreiche Inhaltspalette, vielfältige Gestaltungsoptionen, ökonomische Orientierung, Digitalisierung und digitale Infrastruktur. Diese Merkmale werden nachstehend in aller Kürze erläutert. Selbst wenn Kinder einzelne Merkmale kaum oder anders, vielleicht auch noch gar nicht direkt wahrnehmen, ist es doch wichtig, den »Raum« im Blick zu behalten, in dem sich erzieherische oder bildungsbezogene Maßnahmen letztlich bewähren müssen.
Vielzahl medialer Möglichkeiten und Medienkonvergenz: Die Medienlandschaft umfasst eine Fülle verschiedener Medienarten. Diese reichen von Printmedien (z. B. Comic und Buch) über auditive Medien (z. B. Telefon und Radio), visuelle Medien (z. B. Fotografie oder Overhead-Folie), audiovisuelle Medien (z. B. Video und Fernsehen) und interaktive Medien (z. B. Computerspiele und Internet) bis zu dreidimensionalen virtuellen Räumen. Die einzelnen Medienarten können über unterschiedliche Präsentationsmöglichkeiten oder Mediengeräte zugänglich sein, z. B. über bedrucktes Papier, Overhead-Projektor, Dokumentenkamera, CD- oder DVD-Player, Radiogerät, Fernsehgerät, Tablet, Laptop, Computer, Beamer, Spielkonsole, Smartphone oder 3D-Einrichtungen. Abgesehen von spezifischen Geräten für die Schule sowie Beamern und 3D-Einrichtungen befinden sich solche Mediengeräte in der Regel in Haushalten mit Kindern und manche auch in Kinderzimmern (vgl. mpfs 2019, S. 8–10). Die leichte Zugänglichkeit zu Medieninhalten oder medialen »Werkzeugen« wird außerdem durch das Zusammenwachsen verschiedener Medienarten begünstigt. So hat die Verknüpfung von Radio-, Fernseh- und Computertechnologie dazu geführt, dass unterschiedliche Zeichensysteme, z. B. Sprache und Bilder, sowie verschiedene Sinnesmodalitäten, z. B. akustische und optische Darbietungsformen, von einer Plattform aus bearbeitet und präsentiert werden können. Diese Entwicklung wird auch als Medienkonvergenz bezeichnet. Dabei lassen sich beispielsweise schriftliche Texte, Hörbeiträge, Bilder, Filme und Spiele in vielfältiger Weise nebeneinanderstellen oder kombinieren, wie es u. a. im Internet der Fall ist. Verbunden mit der Miniaturisierung der Hardware, hat die Medienkonvergenz dazu geführt, dass heute verschiedene Medienarten praktisch an jedem Ort und zu jeder Zeit zur Verfügung stehen. So kann man z. B. mit dem Smartphone u. a. telefonieren, chatten, recherchieren, fotografieren, Hörbeiträge empfangen, Videos anschauen oder Spiele nutzen. In der Regel ergeben sich so schon für Kinder vielfältige Zugänge zu medialen Möglichkeiten – wobei von den Eltern oder anderen erwachsenen Bezugspersonen allerdings Begrenzungen durch technische Filter oder Verbote bzw. Absprachen vorgenommen werden können (vgl. mpfs 2019, S. 71 f.).
Umfangreiche Inhaltspalette der medialen Möglichkeiten