Mehr als nur ein sinnlicher Traum? - Tessa Radley - E-Book

Mehr als nur ein sinnlicher Traum? E-Book

Tessa Radley

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Beschreibung

Warum konnte sich ihr Traum vom Glück nicht einfach erfüllen? Nur um für kurze Zeit alles andere zu vergessen, hatte Amy die Augen geschlossen, sich an ihn geschmiegt, seine Küsse genossen und … Und jetzt? Schwanger und ohne Mann an ihrer Seite steht sie da! Als Amy sich überwindet und Heath ins Vertrauen zieht, macht er ihr einen unerhörten Vorschlag: Sie soll ihn heiraten - ausgerechnet den Bruder ihres verstorbenen Verlobten, das schwarze Schaf des Saxon-Clans, den berüchtigten Frauenhelden … der sie plötzlich nur sanft berühren muss, um ihre Leidenschaft zu entfachen …

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Tessa Radley

Mehr als nur ein sinnlicher Traum?

IMPRESSUM

BACCARA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG, 20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Redaktion und Verlag: Brieffach 8500, 20350 Hamburg Telefon: 040/347-25852 Fax: 040/347-25991
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Cheflektorat:Ilse BröhlProduktion:Christel Borges, Bettina SchultGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)Vertrieb:asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg Telefon 040/347-27013

© 2008 by Tessa Radley Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 012010 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Sabine Bauer

Fotos: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format im 12/2010 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86295-142-0

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

1. KAPITEL

Heath Saxon durchschritt die menschenleere Eingangshalle des renommierten Weingutes Saxon’s Folly in Hawkes Bay im Osten der Nordinsel Nordseelands. Dass sich seine Rückkehr als Kellermeister völlig sang- und klanglos vollziehen würde, hatte er nicht erwartet. Schließlich war er ja sozusagen der verlorene Sohn.

Auch wenn er nicht weit weg lebte – im nächsten Tal – und beinah jeden Donnerstag zu den Familienessen kam, hatte es ihn doch ziemliche Überwindung gekostet, die alte Stellung wieder anzutreten. Früher hatte er hier auf dem elterlichen Gut erlesene Weine entwickelt und zur geschmacklichen Vollendung heranreifen lassen. Er liebte seinen Beruf, den er gern als eine vollendete Mischung aus Wissenschaft und Kunst bezeichnete.

Doch seit der letzten heftigen Auseinandersetzung mit seinem Vater hatte er die Kellerei nicht mehr betreten. Geschäft war eben eine Sache und Familienleben eine andere.

Interessiert betrachtete er die alten Eichenfässer, die noch genauso gut rochen wie früher.

„Heath …“

Beim Klang der Stimme hinter ihm spannte sich jeder Muskel in Heath’ Körper an. Amy. Er wandte sich um und betrachtete sie genau.

Auf ihren zartrosa Lippen erschien für einen Augenblick ein verführerisches Lächeln. Ihre kinnlangen dunkelbraunen Haare hatte sie hinter die Ohren zurückgestrichen. Sie trug kleine goldene Ohrstecker und nur ein leichtes Make-up, sodass die dunklen Schatten unter den Augen nicht auffielen. Ohne den traurigen Blick hätte man sie in ihrem weißen Poloshirt und dem dunkelblauen Rock glatt für ein unbekümmertes Schulmädchen halten können.

Unschuldig.

Oder vielleicht auch nicht, dachte er und seufzte leise. Er hatte eigentlich vorgehabt, Amy aus dem Weg zu gehen. Heute. Diese Woche. Am besten für immer. „Ja, Amy?“

„Taine hat angerufen und sich krankgemeldet. Nur eine Erkältung. Morgen ist er wieder da.“ Taine war einer der Angestellten. „Du sollst ihn anrufen, dann sagt er dir, was heute zu tun ist.“

„Mache ich.“

Amy rührte sich nicht vom Fleck. „Danke …“, sagte sie zögernd.

„Gern!“ In Gedanken malte er sich aus, was er wirklich gern tun würde: Amy küssen. Ihr zärtliche Worte ins Ohr flüstern. Sie überall liebkosen, während sie nackt in seinem Bett lag …

Warum quälte er sich so? Ein Blick in ihre traurigen goldbraunen Augen reichte, um zu wissen, dass nichts davon je wahr werden würde.

„Heath?“

„Ja?“, fragte er zerstreut. „Sorry, ich habe nur überlegt, wo ich Jim finde …“, den anderen Angestellten, „… um ihm Bescheid zu sagen, dass Taine heute nicht kommt.“

„Eigentlich wollte ich dich als Erste hier auf Saxon’s Folly willkommen heißen. Aber offenbar legst du keinen Wert darauf“, erwiderte sie schnippisch und stolzierte davon.

Während Heath ihr nachschaute, bewunderte er im Stillen ihren wohlgeformten Po und ihre schlanke Figur in dem braven Poloshirt. Er unterdrückte ein Fluchen.

Er war kaum zehn Minuten hier – und schon hatte er es geschafft, Amy zu verärgern …

Das war ja nichts Neues. Als er damals das bankrotte Weingut von Ralph Wright, Amys Vater, gekauft hatte, hatte das die Trennung von seiner Familie bedeutet. Und von Amy, der Sekretärin der Saxons. Chosen Valley, wie das Gut genannt wurde, lag auf der anderen Seite der Hügelkette.

Doch es ging nicht nur um die räumliche Entfernung. Mit der Übernahme hatte er Amy verletzt, die nicht erkannt hatte, dass er damit ihr und ihrem Vater aus den Schulden heraushelfen wollte. Und sein Vater, Phillip Saxon, empfand den Kauf als Affront, da er annahm, dass sein Sohn ihm Konkurrenz machen wollte.

Heath schüttelte den Kopf. Vielleicht war damals sein Ruf schon so ruiniert gewesen, dass niemand ihm seine guten Absichten glaubte.

Also hatte er sich einfach zurückgezogen, und die Kluft zwischen ihm und den Saxons – und Amy – war größer geworden.

Und nun war er wieder hier. Weil Saxon’s Folly einen Kellermeister brauchte. Caitlyn Ross, die die Stelle vorher innegehabt hatte, lebte jetzt in Spanien. Sie hatte sich mit Rafael verlobt, seinem Halbbruder, den er im Lauf der letzten Wochen kennen- und nach anfänglichen Schwierigkeiten schätzen gelernt hatte.

Natürlich war sein Vater zu stolz gewesen, Heath um seine Rückkehr zu bitten. Caitlyn hatte ihn darauf angesprochen, damit sie ohne schlechtes Gewissen ihrem Mann nach Andalusien folgen konnte.

Ein seltsames Gefühl, wieder hier zu sein. Mit zusammengezogenen Brauen sah er Amy nach, bis sie durch den Torbogen im Empfangsbereich verschwand.

Wieder häufiger in der Nähe dieser Frau zu sein würde schwer für ihn werden.

Für Amy verging der Vormittag wie im Flug. Wie jedes Jahr sollte auch diesmal wieder kurz vor Weihnachten das traditionelle Saxon’s Folly Sommerfest stattfinden. Ständig klingelte das Telefon und kamen Leute, denn die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren. Schon in drei Wochen würde es so weit sein.

„Amy, ich glaube, es fehlen noch Kerzen …“

„Amy, kannst du bitte mit der Druckerei wegen der Prospekte sprechen? „Vergiss nicht, wir brauchen noch drei Partyzelte.“ „Stell dir vor, Amy: Gerade hat Kelly Christie angerufen. Sie möchte ein Fernsehteam schicken, um in der Weihnachtsausgabe ihrer Show über das Fest zu berichten!“

Eigentlich war alles Wesentliche unter Dach und Fach – die Jazzbands zum Beispiel hatte Amy schon vor einem Jahr engagiert –, aber in letzter kam es immer wieder zu Änderungen.

Das lief zwar jedes Jahr so, aber diesmal war besonders viel zu tun. Amy wusste natürlich genau, woran das lag: Jeder dachte, mit Arbeit könne sie sich am besten abzulenken. Einige Wochen ging das nun schon so. Oder genauer gesagt: zwei Monate.

Die Saxons machten sich Sorgen um sie, sprachen sie aber nicht darauf an. Doch Amy merkte es an ihrem Verhalten – wann immer möglich kamen sie vorbei, um sie etwas zu fragen, obwohl meist auch ein Anruf oder eine E-Mail genügt hätte.

Nur Heath verhielt sich nicht so. Das schwarze Schaf der Familie, der Hitzkopf und Draufgänger.

Sie schloss die Augen. Eigentlich sollte sie ihm dankbar dafür sein, dass er sie in Ruhe ließ.

„Amy, hast du eine Ahnung, wo Alyssa steckt?“, fragte Megan, die Jüngste der Saxongeschwister. Als Amy nicht sofort antwortete, sah sie sie fürsorglich an. „Geht es dir gut?“

„Ja, danke“, versicherte Amy. Seit zwei Monaten wurde sie nur noch mit Glacéhandschuhen angefasst. Zeit, dass sich daran etwas änderte. „Ich war nur ganz in Gedanken. Alyssa ist mit deinem Bruder in die Stadt gefahren.“

„Mit Joshua?“

Natürlich war Alyssa mit Joshua, ihrem Verlobten, unterwegs. Mit wem sonst? Mit Heath sicher nicht.

Ein Blick in Megans Augen zeigte deutlich, wie traurig sie war. Offenbar dachte sie an Roland. Amy schluckte und kämpfte mit den Tränen. Sie hatte ihren Verlobten verloren, Megan ihren Bruder.

Beide Frauen schwiegen.

„Amy, sei doch nicht so hart zu dir selbst. Gönn dir mal eine Pause“, sagte Megan sanft.

Amy spürte einen Kloß im Hals und unterdrückte mit Mühe ein Schluchzen. „Mir fehlt nichts.“

Doch Megan kannte sie zu gut, um das zu glauben.

„Na ja, vielleicht geht es mir gerade wirklich nicht so toll“, gab sie zu und strich sich eine Strähne zurück hinters Ohr. „Gerade hat ein Blumenladen in Auckland angerufen, bei dem Roland einen Strauß für mich bestellt hat. Die Floristin wollte wissen, welche Farben wir für die Hochzeit ausgesucht haben, damit die Blumen und Bänder dazupassen …“

„Oh Gott.“ Megan schlug erschrocken die Hand vor den Mund. „Ach, Amy, wie schrecklich.“ Impulsiv kam sie zu Amys Schreibtisch, um sie tröstend zu umarmen.

Heftig schüttelte Amy den Kopf. „Schon gut. Es geht schon wieder. Alles okay.“ Sie wusste, dass sie die Tränen nicht würde zurückhalten können, wenn Megan sie umarmte.

„Nichts ist okay“, widersprach Megan. „Roland …“

„… ist tot.“ Amy wollte kein Mitleid mehr und sprach die traurige Wahrheit unumwunden aus. „Und daher wird es keine Hochzeit geben.“ Sicher litt auch Megan sehr. Schließlich war Roland ihr Bruder gewesen. Eigentlich, wie sie erst nach seinem Tod erfahren hatten, ihr Adoptivbruder.

„Amy, glaub mir, ich fühle mit dir. Es tut mir so leid.“

„Ja, ich weiß. Er hätte einfach noch nicht sterben dürfen.“

„Ja, leider. Du hättest es verdient, glücklich zu werden. Diese Hochzeit haben wir uns alle so sehr gewünscht.“

Amys Lippen begannen zu zittern. „Mit vierzehn beschloss ich, dass ich Roland Saxon heiraten wollte. Als ich endlich sechzehn war, habe ich ihm meine Gefühle anvertraut, doch er fand mich viel zu jung. An meinem siebzehnten Geburtstag habe ich ihm einen Heiratsantrag gemacht.“ Nach dem Essen hatte er sie unter dem nächtlichen Sternenhimmel geküsst. Für sie hatten diese Küsse die wahre Liebe und das Versprechen einer glücklichen Ehe bedeutet.

Sie war sehr jung gewesen damals – und sehr idealistisch.

In diesem Moment klingelte Megans Handy.

„Geh ruhig ran“, sagte Amy. Mit einem Papiertaschentuch wischte sie sich energisch die Augen. Als das Telefon auf ihrem Schreibtisch läutete, meldete sie sich mit freundlicher Stimme. „Weingut Saxon’s Folly.“ Eine Besuchergruppe wollte einen Termin für eine Weinverkostung.

Megan hatte aufgehört zu telefonieren und wollte offensichtlich das Gespräch fortsetzen. Doch Amy lächelte ihr entschuldigend zu, holte einen Ordner mit Angeboten für Busgruppen aus dem Schreibtisch hervor und fuhr mit ihrer Beratung fort. Als die Gruppe gebucht hatte, blickte Amy auf.

Megan war weg. Zum Glück.

„Ich mache mir Sorgen um Amy.“

Heath sortierte Weine in Regale ein. Hier im Weinlager wurden seit der Gründung des Gutes durch spanische Mönche vor fast hundert Jahren Flaschen von allen Jahrgängen aufbewahrt.

Als er Megans Stimme hörte, drehte er sich um und sah seine Schwester an. „Rolands Tod ist für uns alle sehr schwer zu begreifen. Aber wenigstens haben wir noch uns.“

„Eben. Das ist es ja: Amy hat niemanden, sie steht mit ihrer Trauer ganz allein da. Und sie wirkt so zerbrechlich. Ich glaube, sie ist noch dünner geworden.“

Hilflos zuckte Heath mit den Schultern. „Dad, Joshua und ich, wir alle haben ihr vorgeschlagen, sich eine Auszeit zu gönnen. Zwei Wochen hat sie freigenommen, und als sie wiederkam, ging es ihr eher noch schlechter als zuvor. Langsam weiß ich auch nicht mehr weiter.“

Megan lehnte sich an den alten Tisch, an dem seit Gründung des Weingutes jeder Kellermeister gearbeitet hatte. „In zwei Wochen wäre die Hochzeit gewesen. Wahrscheinlich muss sie dauernd daran denken.“

„Kann schon sein.“ Heath verspannte sich. So lange hatte er Amys bevorstehende Heirat mit seinem Bruder verdrängt, dass er auch jetzt nicht daran erinnert werden wollte. Und das, obwohl er glaubte, dass es Amy hauptsächlich um die stimmungsvolle Feier an sich gegangen war. Heath kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie eine unverbesserliche Romantikerin war.

„Ich glaube, es ist am besten, wenn sie viel zu tun hat.“

„Warum denn das?“ Er selbst war mehr der Meinung, sie brauchte Ruhe und Zeit zum Nachdenken und Trauern.

„Damit sie nicht ins Grübeln kommt.“ Wie immer gefiel sich seine kleine Schwester darin, die Probleme anderer Leute zu lösen. „Ich werde sie noch mehr als bisher in die Organisation des Sommerfestes einbinden. So kommt sie gar nicht zum Nachdenken. Ich bin sicher, die schrecklichen Erinnerungen verfolgen sie noch immer. Schließlich saß sie neben ihm im Wagen.“

Heath wollte gar nicht an die Nacht denken, in der sein Bruder den Tod gefunden hatte.

Vielleicht war Megans Vorschlag gar nicht so schlecht, und etwas Ablenkung konnte Amy wirklich nicht schaden. In den Jahren zuvor hatten Roland als Marketingchef und Megan, die sich um die Öffentlichkeitsarbeit kümmerte, das Sommerfest vorbereitet.

Nach Rolands Tod trug nun Megan die Hauptverantwortung. Unterstützt wurde sie von Alyssa Blake, Joshuas Verlobten.

Wie Heath Amy kannte, hatte sie sicher nichts dagegen, noch mehr eingebunden zu werden.

„Vielleicht ist das gar keine schlechte Idee“, sagte er schließlich und nahm eine Flasche aus dem Regal. „Ihr muss endlich klar werden, dass Roland nicht mehr lebt.“

Ungeduldig antwortete Megan: „Das weiß sie doch längst. Darum fühlt sie sich ja so einsam.“

Heath war sich da nicht so sicher. Seiner Meinung nach hatte sich Amy in ihr Schneckenhaus zurückgezogen, um sich der Wirklichkeit nicht stellen zu müssen. Doch so konnte es nicht ewig weitergehen. Eines Tages würde es ein schmerzliches Erwachen geben.

Dennoch war es wichtig, dass Amy an diesen Punkt kam, denn nur so würde sie erkennen, dass sie noch immer jung war und noch viel vor sich hatte. Dass das Leben – und die Liebe – ihr noch einiges zu bieten hatten.

Gedankenverloren betrachtete er die Flasche in seiner Hand.

„Vielleicht kannst du mal mit ihr reden, Heath.“ Diesen bestimmenden Ton kannte er an seiner Schwester nur zu gut. Doch diesmal würde er nicht nachgeben.

Er würde nicht mit Amy sprechen. Sie würde ohnehin nicht auf ihn hören. Er hatte schon genug Schaden angerichtet.

Er legte die Flasche zurück, ging zu dem alten Tisch und ließ sich in den bequemen Ledersessel daneben fallen.

„Nein“, sagte er entschieden.

Aufmerksam geworden fragte Megan: „Habt ihr Streit?“

„Wie kommst du denn darauf? Sag mal, wofür hältst du mich eigentlich? Niemals würde ich etwas tun, was Amy belastet, schon gar nicht jetzt.“

„Schon gut, schon gut“, lenkte Megan ein, während sie in einem Hochglanzprospekt blätterte, das sie ausgewählten Kunden des Weingutes zuschickten. „Mir ist nur aufgefallen, dass ihr beide euch in den letzten Wochen aus dem Weg geht. Ich habe immer gedacht, ihr versteht euch und seid Freunde.“

Zu Heath’ Erleichterung beobachtete ihn seine Schwester nicht mehr. Seit Rolands Beerdigung hatte Amy all seine Versuche, sie zu trösten, zurückgewiesen – bis er es schließlich aufgegeben hatte. Seitdem ging er ihr möglichst aus dem Weg.

„Nicht direkt.“ Nicht seit ihrem sechzehnten Lebensjahr. Nein, Freundschaft war es nicht: Er fühlte sich auf eine ungleich gefährlichere Art zu ihr hingezogen.

„Aber immerhin hast du eine Menge für sie getan.“

„Was meinst du?“, fragte Heath viel zu schnell.

Megan warf den Prospekt auf den Tisch. „Hör mal, du hast schließlich ihrem Vater das bankrotte Gut abgekauft.“

„Das habe ich nicht für Amy getan“, sagte Heath und verschränkte die Arme. „Wie kommst du nur auf so etwas? Das war reiner gesunder Egoismus. Als klar wurde, dass Dad und ich nicht miteinander klarkommen, blieben mir nur zwei Möglichkeiten: Entweder für jemanden anders arbeiten oder mein eigenes Ding durchziehen.“

„Aber warum musste es ausgerechnet Chosen Valley sein? Es war doch klar, dass Dad ein Gut in so unmittelbarer Nähe als Konkurrenz sehen würde.“

„Es war eine gute Wahl.“ Das entsprach den Tatsachen, dafür brauchte er sich nicht zu rechtfertigen.

„Aber du hättest nicht so viel dafür zahlen müssen …“

„Es war ein fairer und angemessener Preis.“

„Aber du hättest ihn drücken …“

„Gib endlich Ruhe, Megan!“

„Und du hast Amy tatsächlich einen Job hier auf Saxon’s Folly verschafft.“

„Na und?“ Er zuckte mit den Schultern. „Für Caitlyn habe ich dasselbe getan.“ Um seine Schwester abzulenken, fügte er scherzhaft hinzu: „Vielleicht habe ich einfach das Zeugs zum Personalchef, wer weiß?“

Megan lachte auf. „Du? Wohl kaum. Dafür hast du ein zu weiches Herz. Ich kenne dich, du willst doch immer allen helfen. Amy hat dir leidgetan, denn da ihr Dad sie so verwöhnt hat, war sie nicht gerade sehr selbstständig …“

Erleichtert darüber, dass sie sein wahres Motiv nicht erkannt hatte, murmelte er nur: „Raus jetzt, es reicht!“

Triumphierend sah seine Schwester ihn an. „Na gut. Ich gebe mich geschlagen. Für diesmal.“

Als er allein war, überlegte Heath. Megan hatte gemerkt, dass er Amy aus dem Weg ging. Also würde es auch anderen auffallen. Und Fragen zu diesem Thema konnte er nicht gebrauchen. Je eher er mit Amy Frieden schloss, desto besser.

Amy sah ihn auf sich zukommen.

Sofort senkte sie den Kopf und gab Verkaufszahlen in den Computer ein. Als Heath vor ihr stand, hob sie scheinbar überrascht die Hand vor die Brust und sagte: „Ach, Heath, hast du mich aber erschreckt.“

Amy log nie und hatte das Gefühl, unglaubwürdig reagiert zu haben. Prompt wurde sie rot. Unbehaglich nestelte sie an ihrem Polokragen. Dabei beobachtete sie unauffällig Heath.

Eindrucksvoll groß stand er vor ihr. Er war dunkelhaarig, ganz anders als Roland, der rote Haare gehabt hatte. Heath’ dunkle, fast schwarze Augen wirkten geheimnisvoll und undurchdringlich. Wie immer war er ganz in Schwarz gekleidet – Jeans und T-Shirt – was seinen Typ noch unterstrich.

Als Jugendlicher war er oft in Prügeleien verwickelt gewesen und hatte einen entsprechenden Ruf gehabt … Doch Amy gegenüber war er stets freundlich gewesen.

Ja, er war ein Rebell gewesen und hatte sich seinem Vater widersetzt. Sie wusste, dass seine Eltern gehofft hatten, er würde etwas ruhiger werden, als er zur Universität ging. Aber auch von dort waren wilde Geschichten von ihm zu hören gewesen, und doch hatte ihn seine Studienzeit irgendwie verwandelt. Er war reifer geworden und vernünftig. Eine Zeit lang hatte Amy ihn sogar für einen ihrer besten Freunde gehalten.

Doch dann hatte er sich nach und nach von ihr zurückgezogen. Und als ihr Vater das Weingut nicht mehr hatte halten können, hatte Heath es aufgekauft – vermutlich für einen Spottpreis. Wahrscheinlich weil er sich deswegen schuldig gefühlt hatte, verschaffte er ihr einen Job auf Saxon’s Folly. Das hatte ihr gut gefallen … und sie Roland näher gebracht.

Seit Roland tot war, war das Schweigen zwischen ihnen beinahe unerträglich geworden. Sie wusste nicht einmal, was in ihm vorging, als er erfuhr, dass Roland adoptiert war. Und auch nicht, was er von seinem Halbbruder Rafael hielt, der vor einem Monat hier aufgetaucht war oder ob er es sehr bedauerte, dass Caitlyn, seine Vorgängerin, nicht mehr hier war.

Sie war so mit ihrem eigenen Leid beschäftigt gewesen, dass sie ihn nie gefragt hatte. Beschämt beschloss sie, daran sofort etwas zu ändern. „Glaubst du, Caitlyn wird mit Rafael glücklich?“

„Warum denn nicht?“, fragte er verwundert.

„Ich dachte nur …“ Sie verstummte und errötete.

„Was denn? Heraus damit.“

„… dass zwischen dir und Caitlyn etwas lief.“

Heath warf den Kopf in den Nacken und lachte laut auf. „Wie kommst du denn darauf?“

„Na ja, ihr seid zusammen von der Uni gekommen“, antwortete Amy verlegen und gab hektisch etwas in ihren Computer ein.

Sie wusste, dass sie nicht die Intelligenz besaß wie Caitlyn Ross, die dank ihrer guten Ergebnisse ein Stipendium bekommen hatte. Amy hatte sich zwar ebenfalls in der Schule angestrengt und gewissenhaft ihre Aufgaben erledigt. Doch wenn sie am Ende des Schuljahres geehrt wurde, dann nicht etwa wegen guter Noten, sondern für ihren Fleiß und ihr Engagement.

Heath zuckte mit den Schultern. „Ich habe mich während des Studiums um Caitlyn gekümmert, ich war ihr Tutor. Von Anfang an war klar, dass sie sehr gut abschneiden würde. Also habe ich sie Dad empfohlen. Und ausnahmsweise hat er auf mich gehört.“

„Hat es dir nichts ausgemacht, dass sie deinen Platz eingenommen hat, als du Chosen Valley gekauft hast?“

„Ganz und gar nicht. Ich habe es Dad ja so vorgeschlagen.“

„Und wieder hat er auf dich gehört.“ Vielleicht wusste Heath gar nicht, dass sein Vater in Wahrheit große Stücke auf ihn hielt. Amy hatte nie verstanden, warum die beiden nicht besser miteinander auskamen.

„Er wäre dumm gewesen, wenn es es nicht getan hätte.“

„Ich glaube, weil du schon immer eine so hohe Meinung von ihr hattest, habe ich angenommen, ihr würdet irgendwann heiraten.“

Heath hob die Schultern in dem anliegenden schwarzen T-Shirt und ließ sie lässig wieder sinken.

Nein, er wirkte definitiv nicht wie ein Mann mit Liebeskummer. Dabei war sich Amy so sicher gewesen, dass Caitlyn etwas für ihn übrig hatte. Bis der Spanier gekommen war. Seitdem hatte die Kellermeisterin nur noch Augen für ihn gehabt. Rafael hatte sie buchstäblich umgehauen. „Ach, ich glaube, die beiden passen ganz gut zueinander. Haben sie schon einen Hochzeitstermin?“

„Irgendwann nächstes Jahr.“

Hochzeit …

Amy biss sich auf die Unterlippe, biss es wehtat. Dabei starrte sie auf die Tastatur vor sich. „Amy?“ Ohne aufzublicken, gab sie verzweifelt unsinnige Daten ein.

Eine Träne lief ihr über das Gesicht.

„Amy!“

Sie senkte den Kopf noch tiefer. Heath sollte auf keinen Fall merken, dass sie weinte.

Zu spät. Er war um den Schreibtisch herumgegangen und stand nun hinter ihr. Deutlich hörte sie seinen gleichmäßigen Atem. Mit Amys Selbstbeherrschung war es vorbei. Es war, als ob sich all die aufgestaute Trauer und der Schmerz plötzlich Bahn brachen.

Sie spürte, wie Heath ihr tröstend die Hände auf die Schultern legte, und versuchte, sich zusammenzunehmen. Doch es ging nicht, im Gegenteil, sie schluchzte nur noch heftiger.

Heath drehte den Bürostuhl, sodass Amy durch einen Schleier von Tränen sein Gesicht sah – und das Mitleid darin. Schnell schloss sie die Augen.

Sie konnte einfach nicht aufhören zu weinen. Plötzlich zog sie Heath vom Stuhl auf seinen Schoß.

Dabei rutschte ihr enger marineblauer Rock ein Stück die Beine hoch. Sie versuchte, ihn nach unten zu ziehen, doch das Leinengewebe gab nicht nach.

Heath legte die Arme und sie und zog sie an sich. Er strahlte Wärme und männlichen Schutz aus und roch nach frischer Luft und einem Hauch Zitrone.

Schluchzend ließ sie sich gegen seine Brust sinken.

„Ich weiß, dass du ihn schon immer geliebt hast. Er muss dir unendlich fehlen.“

Das Weinen wurde heftiger. Sie wollte sich aus Heath’ Armen befreien, ihn fortschicken, doch sie konnte es einfach nicht.

„Lass den Tränen freien Lauf, Amy. Es ist gut, Kummer und Trauer nicht zu unterdrücken.“

Wie schrecklich, dass er sie in dieser Verfassung sah! Er war die Ruhe selbst, souverän und gelassen. Nichts erinnerte mehr an sein aufbrausendes Temperament von früher. Offenbar war er erwachsen geworden.

Sie dagegen, das bisher brave und angepasste Mädchen, kannte sich inzwischen selbst nicht mehr. Weder sich selbst noch ihr Leben hatte sie im Griff …

Warum hatte sie gerade jetzt die Nerven verloren? Während das Weinen kein Ende zu nehmen schien, hielt Heath sie fest in seinen Armen. Schließlich nahm sie all ihre Kraft zusammen und löste sich von ihm.

Sein schwarzes T-Shirt war nass von ihren Tränen, was ihr sehr peinlich war. Auf dem Boden kniend holte sie ein Papiertaschentuch vom Schreibtisch. Doch noch peinlicher wäre es ihr gewesen, damit an Heath Brust herumzureiben …

Sie zog sich ein Stück weiter zurück und sagte: „Bitte entschuldige. Ich weiß gar nicht, was mit mir los ist. Ich kann einfach nicht aufhören zu weinen.“

Während er sie wieder an sich ziehen wollte, sagte er: „Du musst furchtbar gelitten haben, und ich habe dir nicht geholfen.“

Wieder entzog sie sich ihm und erhob sich schnell. Als sie sich auf ihren Bürostuhl sinken ließ, drehte er sich ein Stück. Und nicht nur der Stuhl – der gesamte Empfangsbereich.

Ihr wurde schwarz vor Augen. „Heath, mir geht es gar nicht gut.“