28,99 €
Dieses Buch zielt darauf ab, individuelle und gesellschaftliche Zwei- und Mehrsprachigkeit als Normalität und Herausforderung für Bildungsinstitutionen zu verstehen. Es sensibilisiert pädagogische Fach- und Lehrkräfte für diese Anforderungen und vermittelt ihnen wichtige Grundlagen und relevante Forschungsergebnisse aus Linguistik, Pädagogik und Didaktik. Dies geschieht in zwei separaten Themenblöcken, um der Spezifizität der jeweiligen Lebens- und Lernphase und den Besonderheiten des pädagogischen Alltags in KiTas und Grundschulen gerecht zu werden. Für die Neuauflage wurde der Band umfassend aktualisiert und um neue Themen wie die Rolle von KI ergänzt.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2025
Elke G. Montanari / Julie A. Panagiotopoulou
Mehrsprachigkeit und Bildung in KiTas und Schulen
Narr Francke Attempto Verlag · Tübingen
Umschlagabbildung: Robert Kneschke, Hände mit Sprechblase als Social Media Konzept. © AdobeStock.
2., überarbeitete Auflage 2025
1. Auflage 2019
DOI: https://doi.org/10.36198/9783838564111
Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich.
Internet: www.narr.deeMail: [email protected]
utb-Nr. 5140
ISBN 978-3-8252-6411-6 (Print)
ISBN 978-3-8463-6411-6 (ePub)
Prof. Dr. Elke G. Montanari hat an der Stiftung Universität Hildesheim die Professur für Deutsch als Zweitsprache am Institut für deutsche Sprache und Literatur inne. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Mehrsprachigkeitsforschung, Translanguaging und Spracherwerb der deutschen Sprache im Kontext von Mehrsprachigkeit.
Prof. Dr. Julie A. Panagiotopoulou ist Professorin für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Bildung in früher Kindheit an der Universität zu Köln. Ihre Forschungsschwerpunkte sind u. a. Sprachenpolitik und Sprachpraxis in Familien, Kindertagesstätten und Schulen; Translanguaging und pädagogische Professionalisierung vor dem Hintergrund sozialer Ungleichheiten in Migrationsgesellschaften.
Mit diesem Buch wenden wir uns an Dozierende und Studierende in den Einführungsveranstaltungen in der Frühen Bildung und im Studium mit dem Abschlussziel Lehramt. Das Ziel ist es, angehende pädagogische Fachkräfte und Lehrkräfte für Mehrsprachigkeit und Translingualität zu sensibilisieren, wichtige Grundlagen und relevante Forschungsergebnisse transparent zu machen und die Verzahnung von Linguistik, Pädagogik und Didaktik aufzuzeigen.
Aus der Entwicklung Europas zu einer der weltweit bedeutenden Zielregionen internationaler Migration resultieren laut Michael Bommes „kulturelle Pluralisierung und Mehrsprachigkeit, auf die die europäischen Staaten nicht mehr in der Weise reagieren, dass sie diese für ein Übergangsphänomen halten, das durch forcierte kulturelle und sprachliche Assimilation aufgehoben werden kann“ (Bommes 2011:149). Der Erwerb der „Schrift- und Verkehrssprache[n]“ heutiger Mehrheitsgesellschaften wird zwar nach wie vor als notwendige Voraussetzung „für soziale Teilnahmekompetenz“ angesehen, aber dies geschieht „im Kontext einer im Übrigen sozial weitgehend freigegebenen Mehrsprachigkeit“. Angestrebt wird damit Inklusion „und nicht kulturelle Homogenisierung“ (ebd.). Aus diesen Gründen rechnen heute Einrichtungen frühkindlicher und schulischer Erziehung und Bildung in den meisten europäischen Ländern einerseits mit einer mehrsprachigen Klientel, mit Eltern und Kindern, die ein vielfältiges Sprachenrepertoire mitbringen, unabhängig davon, ob und unter welchen Umständen und wie genau sie die sogenannten nationalen Sprachen verwenden.
Andererseits und obwohl „keine gewaltsamen nationalstaatlich kulturellen Homogenisierungsprogramme mehr zur Herstellung einer nationalen Gemeinschaft“ umgesetzt werden, „wie dies noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts der Fall war“ (ebd.), wird auch in Bildungseinrichtungen die mehrsprachige familiale Alltagspraxis von jungen Kindern, Schülerinnen und Schülern heute oft noch als Abweichung von einer monolingualen Norm betrachtet. Die Förderung von Mehrsprachigkeit ist zwar ein explizites sprachenpolitisches Ziel der Europäischen Union, die national verfassten Bildungssysteme und so auch die deutsche Bildungspolitik haben aber bis heute – beispielsweise in curricularer Perspektive – weder in Bildungsempfehlungen für Kindertageseinrichtungen, noch in schulischen Lehrplänen auf diese Realität adäquat reagiert.
So wird in aktuellen Empfehlungen der Kultusministerkonferenz ein geeigneter Umgang mit kultureller und sprachlicher Vielfalt in Kindertageseinrichtungen und Schulen hauptsächlich in der Würdigung der Herkunftssprachen gesehen, während aber – insbesondere migrationsbedingte – Mehrsprachigkeit nach wie vor außerhalb von Bildungsinstitutionen gelebt bzw. praktiziert werden soll (vgl. KMK 2013). Frühkindliche und schulische Bildungsangebote werden heute in vielen Fällen noch kompensatorisch ausgerichtet, sie zielen eher auf Einsprachigkeit und tradieren damit monolinguale Strategien und Praktiken. Die Förderung eines mehrsprachigen Repertoires bleibt somit meistens eine Angelegenheit der Familien. Gleichzeitig bleibt die Forderung nach Einsprachigkeit in deutschen Kindertageseinrichtungen und Schulen für mehrsprachig lebende Familien und deren Kinder eine große Herausforderung. Darüber hinaus kollidiert diese Forderung mit dem Anspruch, Mehrsprachigkeit von Anfang der Bildungskarriere an zu fördern. Insbesondere für Neuzugewanderte ist diese Sprachenpolitik und -praxis als eine Bildungsbarriere zu betrachten.
Mit unserem Buch möchten wir die Konzepte „Mehrsprachigkeit“ und „Bildung“ systematisch verbinden und dabei den Schwerpunkt auf die (frühe) Kindheit in Kindertageseinrichtungen und in Grundschulen setzen. Wenn alle Kinder in ihren Möglichkeiten als potentielle Mehrsprachige gesehen werden können, dann sind die Unterstützung ihres Sprachenerwerbs und die Förderung einer grundlegenden Bildung von Mehrsprachigkeit und Mehrschriftlichkeit wichtige Aufgabenbereiche der Bildungsinstitutionen. Dieses Buch soll die angehenden pädagogischen Fachkräfte und Lehrkräfte darauf vorbereiten, diese Aufgabenbereiche wahrzunehmen und umsetzen zu können.
Wir sehen die beiden Bildungsbereiche Elementar- und Primarbereich als Forschungsfelder und als Praxisfelder unserer Studierenden bzw. der angehenden pädagogischen Fachkräfte und Lehrkräfte eng verknüpft. Unter Berücksichtigung der Sprach- und Lernbiographien von Kindern und Jugendlichen sind die langfristigen Verläufe und die Übergänge von der Familie in die KiTa und von der KiTa in die Grundschule bedeutsam. Jedoch haben wir uns für dieses Buch für eine inhaltliche Aufteilung entschieden, weil wir auf diese Weise die spezifischen Besonderheiten des pädagogischen Alltags in KiTas und Grundschulen in den Mittelpunkt stellen wollen. Dieses Buch ist daher in ein gemeinsam verfasstes einleitendes Kapitel mit dem Titel „Gesellschaftliche, institutionelle und individuelle Mehrsprachigkeit“ (Abschnitt A.: Montanari/Panagiotopoulou) und in die Abschnitte „Mehrsprachigkeit und Bildung in der KiTa“ (Abschnitt B.: Panagiotopoulou) sowie „Mehrsprachigkeit und Bildung in der Schule“ (Abschnitt C.: Montanari) eingeteilt.
Im ersten Kapitel diskutieren wir zentrale Grundbegriffe. Dabei wird Mehrsprachigkeit auf mehreren Ebenen dargestellt und mit den zentralen Begriffen Heteroglossie und Translanguaging in Verbindung gebracht.
Die Kapitel zwei, drei und vier behandeln – in Anlehnung an den Translanguaging-Ansatz – grundlegende Themen frühkindlicher Erziehung und Bildung im Zusammenhang mit der Frage nach neuen Konzepten und Methoden zur Mehrsprachigkeitsförderung von Anfang an.
Im zweiten Kapitel wird auf den dynamischen Mehrspracherwerb im Kindesalter sowie auf entsprechende Ansätze einer Didaktik der Mehr- und Quersprachigkeit eingegangen. Kapitel Drei widmet sich den frühkindlichen Erfahrungen mit Mehrschriftlichkeit, problematisiert den auf Einsprachigkeit basierenden Terminus Bildungssprache und verweist auf die Bedeutung der Förderung von Pluri- und Multiliteracy im Kontext der KiTa. Bezugnehmend auf den grundlegenden Begriff angehende Mehrsprachigkeit werden im vierten Kapitel Methoden zur Beobachtung und Dokumentation kindlicher Sprachbiographien im KiTa-Alltag und beim Übergang in die Grundschule diskutiert.
Die Kapitel fünf, sechs und sieben widmen sich der Thematik Mehrsprachigkeit und Bildung in der Grundschule: Das fünfte Kapitel stellt die Diagnose in den Mittelpunkt. Dafür werden zunächst Eigenschaften mehrsprachiger Sprachbeherrschung und mehrsprachigen Handelns geklärt und mehrsprachige sowie einsprachige Modi thematisiert. Das Komplementaritätsprinzip (Complementarity Principle) wird ebenfalls dort vorgestellt. Im weiteren Verlauf werden mehrsprachige Diagnostikverfahren diskutiert. Das Kapitel sechs legt den Fokus auf Mehrsprachigkeit im Unterricht und zeigt Unterrichtsmöglichkeiten auf, die Translanguaging und mehrsprachige Unterrichtsdiskurse einbeziehen. Das letzte Kapitel widmet sich der Aneignung von Literalität in mehreren Schriften im Schulalter.
Alle Kapitel sind für die Hochschullehre konzipiert, sodass für jeden Themenbereich ein bis zwei Sitzungen verwendet werden können. Wir wünschen den Dozentinnen und Dozenten sowie den Studierenden viel Spaß und interessante Einblicke!
Hildesheim und Köln, im Februar 2019
Elke G. Montanari und Julie A. Panagiotopoulou
In den seit der ersten Auflage vergangenen sechs Jahren hat sich die Normalität der Mehrsprachigkeit weiter durchgesetzt. Pädagogische Praktiken und einfache Formen der Anerkennung von Familiensprachen in KiTas und Schulen gehören mittlerweile zum Alltag, obwohl gleichzeitig Sprachenverbote weiterhin zu beobachten sind. Punktuell wird Mehrsprachigkeit als Vehikel für einen besseren Zugang zur KiTa- und Unterrichtssprache genutzt. Die Anerkennung von Mehrsprachigkeit als legitimes Mittel sprachlichen Handelns in frühpädagogischen und schulischen Bildungseinrichtungen, ist jedoch noch sehr selten anzutreffen. Gleichzeitig sind Mehrsprachigkeitskonzepte wie Heteroglossie und Translanguaging sowie mehrsprachige Methoden wie Scaffolding inzwischen fester Bestandteil der Aus- und Weiterbildung von pädagogischen Fachkräften und Lehrkräften. Die wissenschaftliche Debatte zu diesen Themen scheint uns stabil und kontinuierlich.
Allein im Jahr 2022 ergab eine Internetrecherche rund 23.000 Forschungspublikationen zum Begriff „Translanguaging“ im Zusammenhang mit Erziehung und Bildung, wie Ofelia García und Li Wei in einer Publikation aus demselben Jahr bilanzierten. Auch im deutschsprachigen Raum gibt es zahlreiche Veröffentlichungen, die für eine Überwindung monolingualer Sprachideologien im Kontext von Bildungspolitik und Bildungspraxis plädieren und dies mit der Realität mehrsprachiger Familien begründen (Stichwort Family Language Policy). Schließlich stehen im Kontext der deutschsprachigen Migrations- und Mehrsprachigkeitsforschung und des Bildungsdiskurses nicht mehr (isoliert) die sprachlichen Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen im Vordergrund, sondern ihre komplexen Sprachbiographien, ihre mehrsprachigen Sprachressourcen sowie ihre Praktiken im Familienalltag, aber auch in Kindertageseinrichtungen und Schulen.
In den Forschungsaktivitäten ist eine Hinwendung zu größeren Stichproben zu beobachten, die es erlaubt, komplexe statistische Modelle einzusetzen. Insbesondere der Einsatz von Sprachkorpora gewinnt an Bedeutung. Die theoretischen Modelle zur Mehrsprachigkeit werden differenzierter und gehen auf die Heterogenität mehrsprachiger Konstellationen besser ein. Waren in frühen Forschungen zur Mehrsprachigkeit vor allem zweisprachige Individuen sichtbar, wird jetzt die Bandbreite ein- bis n-sprachiger mit unterschiedlichen Dominanzen und Präferenzen betrachtet.
Vor diesem Hintergrund haben wir den Band entsprechend aktualisiert, dabei aber die bewährte Gliederung und die Themenwahl beibehalten, für die wir viele positive Rückmeldungen erhalten haben, wofür wir uns sehr bedanken. Es wurden insbesondere jüngste Veröffentlichungen aufgenommen, ältere Publikationen entfernt, um das Literaturverzeichnis handhabbar zu halten. Sehr viele dieser Quellen sind online verfügbar, so dass das Nachlesen einfach möglich ist. Die Möglichkeiten digitaler Medien und davon, was unter „KI“ gefasst wird, haben wir verstärkt berücksichtigt und damit den medialen Alltag der Kinder und Jugendlichen stärker in den Blick genommen.
Wir wünschen viel Freude beim Lesen und Umsetzen!
Hildesheim und Köln, Februar 2025
Elke G. Montanari und Julie A. Panagiotopoulou
„In welcher Sprache denkst du, wenn du rechnest?“
„Auf Spanisch.“
„Und wenn du Notizen während des Unterrichts machst: In welcher Sprache machst du das?“
„Auf Deutsch, aber auf Spanisch auch.“
(Ausschnitt aus einem Gespräch mit einer jugendlichen neu zugewanderten Schülerin, Korpus Montanari)
„Also als ich das jetzt gehört habe, fiel mir ein, dass wir in meiner Schulzeit immer zwischen Sprachen geswitcht sind, besonders eben mit Kindern, mit Freunden, die auch beide Sprachen konnten, Deutsch und Türkisch. Da haben wir fast ausschließlich beide Sprachen benutzt, also nie, fast nie, durchgehend eine Sprache, einen Satz in einer Sprache fertiggebracht, würde ich sagen, wenn ich jetzt daran denke.“
Ausschnitt aus einem Gespräch zwischen Lehramtsstudierenden im Rahmen eines Lehrforschungsprojektes an der Universität zu Köln (Panagiotopoulou/Rosen 2016a:183)
In deutschen Bildungsinstitutionen finden sich vielfältige Bezüge zur Mehrsprachigkeit der Kinder und Jugendlichen, wie es in diesen Interviewausschnitten aus zwei unterschiedlichen Forschungsprojekten deutlich wird. Das erste Zitat zeigt, dass neu zugewanderte mehrsprachige Schülerinnen und Schüler ihr gesamtes Sprachenrepertoire beim Lernen nutzen. Das zweite Beispiel wirft ein Licht darauf, wie angehende Lehrkräfte aus zugewanderten Familien rückblickend ihre Sprachpraxis in ihrer Schulzeit reflektieren, wobei sie berichten, dass sie fast immer mehrsprachig handelten bzw. „nie, fast nie, durchgehend eine Sprache“ verwendeten. Mehrsprachigkeit gehört zum Alltag von Bildungseinrichtungen in der deutschen Migrationsgesellschaft dazu. Was aber zeichnet Mehrsprachigkeit aus?
Es zeichnet sich eine neue Sichtweise auf die Sprachensituation von Individuen, Organisationen und Gesellschaften ab. Die Kategorien L1-Sprecherinnen und Sprecher, L2-Sprecherinnen und Sprecher, Einsprachige werden auf ihr Diskriminierungspotential reflektiert und zunehmend als überholt verstanden, als Bezeichnungen, welche die Vielfalt der Sprachenverhältnisse nicht ausreichend erfassen können (siehe auch Busse/Hardy 2023). Individuelle, institutionelle und gesellschaftliche Mehrsprachigkeit folgen aus einer mehrsprachlichen Vielfalt in allen Lebens- und Gesellschaftsbereichen. Diese mehrsprachige Entwicklung von Migrationsgesellschaften wurde in den letzten Jahrzehnten zu einem intensiv beforschten Gegenstand; u. a. werden seit mehr als zehn Jahren im Rahmen des multilingual turn (Conteh/Meier 2014) und des translanguaging turn (García/Li Wei 2014) unterschiedliche Arten, Formen, Ausprägungen von Mehrsprachigkeit und ihre Folgen im Kontext von Erziehung und Bildung beforscht. Damit geht endlich die lang geforderte Abkehr von Vergleichen scheinbar Einsprachiger mit Mehrsprachigen einher – scheinbar Einsprachiger, weil auch diese Personen, die vor allem mit einer einzigen Sprache in der Familie aufwuchsen, in der Kindertagesstätte, in der Familie ihrer Freunde, in der Nachbarschaft, im Urlaub und in der Schule mit weiteren Sprachen in Kontakt kamen. Diese Menschen haben schon immer Elemente aus weiteren Sprachen wahrgenommen, verstanden und entsprechende Ausdrücke verwendet und lernten mehr oder weniger gut die in der Schule unterrichteten Sprachen (z. B. in Deutschland: Englisch, Französisch, Spanisch oder auch Latein).
Mehrsprachigkeit kann als individuelle, als institutionelle oder als gesellschaftliche Mehrsprachigkeit verstanden werden. Bei der Betrachtung aus der Perspektive der individuellen Mehrsprachigkeit steht das Individuum, die jeweilige Person mit ihren Erfahrungen und Fähigkeiten, im Fokus. Es werden u. a. Fragen wie die folgenden gestellt:
In welchem Kontext und auf welche Weise hat sich die Person ihre Sprachen angeeignet?