Mein Date mit der Welt - Waltraud Hable - E-Book

Mein Date mit der Welt E-Book

Waltraud Hable

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Beschreibung

Mit den E-Books der DuMont Reiseabenteuer sparen Sie Gewicht im Reisegepäck und können viele praktische Zusatzfunktionen nutzen! Das E-Book basiert auf: 1. Auflage 2018, Dumont Reiseverlag Was passiert, wenn eine Frau mit Ende 30 ihr altes Leben hinschmeißt, alle Ersparnisse zusammenkratzt und elf Monate alleine auf Weltreise geht – mit einem übergewichtigem Rollkoffer und jeder Menge Zweifel im Gepäck? Antwort: Der innere Kontrollfreak flippt erstmal aus und beruhigt sich dann damit, dass man auch mit drei fetten Spinnen im Zimmer und ohne die Lieblings-Bodylotion überleben kann. Von Kapstadt bis Hawaii, von Rio bis Tokio: ein atemloser Trip, der von weißen Haien, falschen Ayurveda- Ärzten, kuriosen Zufällen, dem sich-Einlassen-aufs-Leben und so manchem Tinder-Date erzählt. Dass es dabei mitunter zu hormonellen Missverständnissen unterm Regenbogen kommt – Schwamm drüber, Krönchen richten und weiter geht’s! Es gibt soviel Leben zu entdecken.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 259

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Dieses Buch ist all jenen gewidmet, die zögern. Die Welt wartet – und sie hat die schönsten Momente mit im Gepäck.

Ein schwergewichtiger Koffer, eine Frau,

EINE WELTREISE

WALTRAUD HABLE

Mein    Datemit    der Welt

1. Auflage 2018

© 2018 DuMont Reiseverlag, Ostfildern

Alle Rechte vorbehalten.

Lektorat: Regina Carstensen, München

Gestaltung: Werner Mink / AlbrechtMink, München

Fotos Innenteil: Waltraud Hable, Christiane Toppler, Julia Wagner, Verena Hable

Fotos Umschlag: Patricia Weisskirchner, Wien; Christiane Toppler

ISBN 978 3 6164 9105 9

www.dumontreise.de

INHALT

VORWORT

Wenn das Herz plötzlich wie wild pocht

1

Fünfzehn Jahre Zögern

2

Unsichere Schritte in Richtung Freiheit

3

Afrika für Anfänger

4

Love me tinder? Von Haien und Männern

5

Falsche Erwartungen und Existenzängste

6

Hormonelle Missverständnisse unterm Regenbogen

7

Selfies mit Jesus und ein lehrreicher Kochkurs

8

Realitätscheck und warum die Welt ein Dorf ist

9

Verloren in der Natur: Ich bin eine Dumpfbacke

10

Ehrlich währt am längsten

11

Eine Jeans sorgt für Aufregung

12

Abbruch und Neustart bei den Mönchen

13

Ich sehe tote Menschen (und vieles andere)

14

Reisemüdigkeit und die Entdeckung des Schuhhimmels

15

Panische Verlängerung. Ich kann noch nicht nach Hause!

NACHWORT

Bin das noch ich?

WENN DAS HERZ PLÖTZLICH WIE WILD POCHT

Ein Spaziergang durch die ostafrikanische Einöde. Keine Menschenseele weit und breit. Nur ein paar Zebra-Totenschädel am Wegesrand und flirrende Hitze in der Luft. Plötzlich spürte ich es. Erst nur ganz schwach, dann so stark, dass ich es nicht ignorieren konnte, weil es mir fast die Luft zum Atmen abdrückte. Mein Brustkorb schmerzte, in meinem Hals wurde es ganz eng. »Na, toll«, hämmerte es in meinem Hirn. »Jetzt hängst du mitten in der Pampa in Tansania herum und hast was am Herzen.« Eine Arrhythmie? (Als versierter Hypochonder bin ich durchaus medizinisch bewandert.) Ein Infarkt oder Anzeichen für eine Herzmuskelentzündung? Stöhnend blieb ich stehen. Vielleicht hätte ich doch die Erkältung daheim besser auskurieren sollen. Aber es gab vor Beginn dieser Weltreise so verdammt viel zu tun.

Ich stemmte die Arme in die Hüften, atmete tief ein und aus und ließ den Blick über die karge Landschaft schweifen. Bloß nicht durchdrehen jetzt. Der Brustkorb fühlte sich noch immer komisch an. Aber … wenn ich genau in mich hineinhorchte ... dann war das kein todbringender Schmerz. Es war mehr ein wildes Pochen. Ein Lebenszeichen. Und mit einem Schlag dämmerte mir, wie die eigentliche Diagnose lauten musste: Ich hatte keinen Herzinfarkt. Ich hatte bloß vergessen, wie es sich anfühlt, wenn es eng wird im Brustkorb, weil es einen fast zerreißt vor lauter Glück.

Ich weiß, wie abartig kitschig das klingt. Fast so, als hätte ich es mir ausgedacht – als knackigen Einstieg für dieses Buch. Kann ja keiner nachprüfen, ich war schließlich allein unterwegs. Aber ich schwöre bei allem, was mir heilig ist: Es war so. Dieses Gefühl, dass sich plötzlich unkontrolliert viel Energie in einem anstaut und man körperlich fast überwältigt wird von der wilden Sehnsucht und unbändigen Lust aufs Leben – davon können wir alle mehr gebrauchen. Und ich brauchte diesen Moment in Tansania wie einen Bissen Brot. Weil es eine Bestätigung war, die ich insgeheim suchte. Eine Bestätigung, die mir meine schlimmsten Ängste nahm und sagte: »Mädel, du hast das Richtige gemacht.«

Ja, es war richtig, den gut bezahlten Job als Chefredakteurin eines Magazins hinzuschmeißen und die Stopptaste zu drücken. Es war eine vernünftige Entscheidung gewesen, meinen zwölf Jahre alten Škoda, eine Schrottkiste, zu verkaufen und meine Wohnung in Wien an eine hochgradig sympathische irische Studentin unterzuvermieten. Und dass ich mein gesamtes Hab und Gut, 42 000 Euro und ein paar Zerquetschte, vom Sparkonto genommen hatte, um es in elf Monaten in vierzehn Ländern bis auf den letzten Cent auf den Kopf zu hauen? Hell, yes! Ich war an dem Punkt angelangt, an dem ich nicht nicht hätte fahren können. Ich war reif für die Welt. Endlich.

Manchmal fragen mich Leute: »Warum der Traum von der Weltreise? Warum hast du die 42 000 Euro nicht in die Anzahlung für eine Eigentumswohnung gesteckt oder dir einen Goldbarren gekauft?« Ich weiß dann keine vernünftige Antwort. Ich würde gerne sagen können: »Ich wollte schon immer die sieben Weltwunder sehen.« Oder mit einer amüsanten Geschichte aufwarten, wie »Indiana Jones war mein Held«. Das stimmt aber nicht. Ich mag Indiana-Jones-Filme nicht, der arme Kerl stapft doch meistens nur halb verdurstet durch staubige Gegenden oder muss Gewehrkugeln und Giftpfeilen ausweichen. Und ich bin auch keine Geografieoder Geschichtsleuchte, genau genommen bin ich mit allem überfragt, was Landkarten, Orientierungssinn und Jahreszahlen betrifft.

Mein Grund ist banaler. Es gab ein Bauchgefühl. Das sagte mir: Wenn ich’s nicht mache, werde ich es bereuen und als alte Frau frustriert auf einer Parkbank auf Tauben und kleine Kinder schimpfen. Und das wäre blöd. Im Alter sollten einen die Leute mögen, man weiß nie, wofür man die Kinder, auf die man schimpft, noch braucht. Außerdem hege ich den Verdacht, dass die Welt nur deshalb so groß gemacht worden ist, damit man sie sich ansieht, alles andere wäre ja wohl massive Verschwendung.

Job, dreimal die Woche zum Sport, abends Online-Shoppen oder so lange Trash-TV schauen, bis die Fernbedienung streikt – das war mein Alltag. Und irgendwann dämmerte mir, dass Paolo Coelho schon recht hatte, als er schrieb: »Wenn du denkst, Abenteuer sind gefährlich, dann versuch’s mal mit Routine. Die ist tödlich.« Da stand ich also: siebenunddreißig Jahre alt. Ich hatte weder einen annehmbaren Typen an meiner Seite noch einen ausgeprägten Kinderwunsch. Ich wollte weg, ich musste raus, mein Hirn drohte zu verschrumpeln.

Die Entscheidung zur Weltreise war keine verfrühte Midlife-Crisis. Sie gründete schlicht auf dem Verdacht, dass man vor allem jene Dinge bereut, die man nicht tut. Also bin ich los.

Die folgenden Seiten sollen beschreiben, was passiert, wenn man sich von alten Gewohnheiten löst und sich aufs Leben einlässt, obwohl man als Kontrollfreak doch so gerne auf Nummer sicher geht. Sie handeln von Zufällen, die man sich so vorher nie hätte ausdenken können, von der Kraft des Lächelns, der Suche nach der großen Liebe und wie es sich anfühlt, wenn einem plötzlich die ganze Welt offensteht.

Das Ganze ist schwer subjektiv, ich kann ja nicht aus meiner Haut raus. Sie finden hier keine 1:1-Anleitung zum Nachreisen, allein meine Flugroute ist das Unlogischste, was mein Reiseberater je gesehen hat. (»Von Hawaii zurück nach Südamerika und dann erst nach Australien? Das macht doch keinen Sinn.«) Aber ich hab’s zumindest gemacht und gebe hiermit weiter, was ich weiß.

So viel vorweg: Es ist nicht wichtig, wie weit oder wie lange man den Fuß vor die Tür setzt, Hauptsache, man bewegt sich überhaupt. Mein Sparbuch und mein Finanzpolster sind zwar weg, dafür habe ich etwas von unschätzbarem Wert dazugewonnen: tiefes Vertrauen. In mich. Und die Welt.

Travel is the only thing you buy that makes you richer.

In diesem Sinne: Gute Reise, wohin auch immer der Wind oder das nächste Flugzeug Sie trägt.

1

FÜNFZEHN JAHRE ZÖGERN

Wien Zurückgelegte Distanz:

0 KILOMETER

Okay, erst einmal ein Geständnis, sonst entsteht hier ein falsches Bild. Immer wenn mich Leute auf meine geplante Weltreise ansprechen, bekomme ich ein schlechtes Gewissen. »Du wirst ganz alleine reisen? Mutig von dir!«, klopfen mir die einen auf die Schulter. Andere attestieren mir ein Abenteurer-Gen. Das ist prinzipiell sehr schmeichelhaft, es stimmt nur leider nicht. Die Wahrheit lautet: Ich bin ein Schisser. Ich mache mir um alles und jeden Sorgen, am meisten um mich selbst. Sogar meine Mutter findet, ich sei zu verkopft.

Und wo ich schon beim Beichten bin, gleich noch etwas: Ich bin nicht von der schnellen Truppe, wenn es um Entscheidungen geht. Schinken- oder Käsebrot, blaues oder rotes Kleid, Android oder iPhone, das kriege ich noch hin. Aber bahnt sich was Größeres an, stehe ich mir selbst im Weg – wenn es sein muss, auch fünfzehn Jahre. So lange habe ich die Sache mit der Weltreise nämlich vor mir hergeschoben und mich selbst mit Ausreden ruhiggestellt. Ich nannte das Ganze natürlich nie Ausreden, sondern Gründe, das klang irgendwie besser. Jedenfalls: Hätte es eine Weltmeisterschaft im Ausreden-Erfinden gegeben, ich hätte die Goldmedaille geholt. Austria, 100 points, Ladies and Gentlemen, Applaus!

Dazu muss man wissen: Die Idee mit dem Big Trip keimte zum ersten Mal mit zweiundzwanzig auf, gleich nach Abschluss der Journalistenschule. Ich sah mich durch den Amazonas in Südamerika wandern, das Hirn durchlüften, bevor die Arbeitsmühle beginnt. Doch am Ende war ich vernünftiger, als ich mit zweiundzwanzig hätte sein sollen. Als ich die Zusage für ein Praktikum bei einem großen Frauenmagazin ergatterte, legte ich die Sache auf Eis. »Das kannst du dir nicht entgehen lassen«, sagte ich mir. Außerdem war ich damals knapp bei Kasse. (Für New-York-Trips hatte es interessanterweise aber doch immer gereicht.) Später begann ich mir schönzureden, dass ich in meinem Beruf ohnehin ein bisschen in der Welt herumkäme. In Patagonien durfte ich für eine Geschichte auf wilden Pferden durch die Steppe reiten. Die Karibik habe ich per Kreuzfahrtschiff bereist. Doch egal wohin eine Story mich auch verschlug, es fühlte sich nie echt an. Ich war immer dort als Waltraud, die Journalistin, nie als Waltraud, der Mensch.

Und dann … nun ja, dann gab es diesen Mann. Kein wirklich toller Mann, aber im ersten Hormonrausch geht so ein Esel schon mal als Araberhengst durch. Jedenfalls gab der Esel vor, dasselbe Fernweh wie ich zu verspüren. Dass er an Flugangst und noch ein paar anderen reiseuntauglichen Neurosen litt, hätte mir zu denken geben sollen. Aber ich redete mir ein: Das wird schon. Wir schmiedeten Pläne, schenkten einander zu Weihnachten teure Reisebildbände, doch als ich ein konkretes Startdatum ansprach, verstummte der Mann plötzlich. »Meine Firma geht gerade durch schwere Zeiten«, sagte er. Das traf offenbar auch auf unsere Beziehung zu. Denn eines Abends stand plötzlich eine Kindfrau im hautengen Schlauchkleid vor der Tür. Eine Job-Bekanntschaft des Mannes, die eingerechnet ihrer vielen Extensions und Lackpumps maximal vierzig Kilo wog. »Ich habe versprochen, ihr die Stadt zu zeigen«, meinte der Esel und faselte was von: »Sie ist Amerikanerin, vielleicht habe ich einen Job für sie« und »Networking«. Doch erst einmal lotste er sie stolz wie ein Pfau durch unsere Bleibe: Wohnzimmer, Esszimmer, Terrasse, sogar ins Schlafzimmer durfte die Kindfrau stöckeln. Der Esel ließ die Champagnerkorken knallen, lachte übertrieben laut, sobald der Besuch auch nur ein Wort von sich gab, und vergaß vor lauter Networking-Pflichten das Auffüllen meines Glases. Als ich ihn zur Rede stellte, nicht wegen des fehlendes Champagners, sondern wegen der Frau an sich, bekam ich nur zu hören: »Keine Sorge, da läuft nichts.« Mein Bauchgefühl sagte etwas anderes. Trotzdem … Ich ignorierte es. Nicht die! So dämlich konnte er doch nicht sein! Und überhaupt, die Kleine reichte ihm gerade mal bis knapp über den Bauchnabel!

Wochen vergingen, Monate. Als er begann, den Bildschirm seines Laptops zuzuklappen, sobald ich ins Zimmer kam, und bis fünf Uhr morgens vor dem Computer hing, konnte ich nicht mehr. Ich flüchtete für ein paar Tage in das leer stehende Apartment einer Freundin, in der Hoffnung, dass ihn das wach rütteln und er um mich kämpfen würde. Er kämpfte nicht, im Gegenteil. Kaum, dass der Umzugswagen meine Möbel abgeholt hatte, zog Miss Schlauchkleid bei ihm ein. Eine Wohnungsführung brauchte sie nicht. Sie kannte die Bude ja bereits.

Da stand ich also: Mitte dreißig, nicht mehr ganz taufrisch, die Stirn in Zornesfalten gelegt und meines Reisetraums beraubt. Meine Freunde hatten Partner, Kinder, Eigentumswohnungen. Ich hatte nichts davon. Alles, was ich besaß, war ein Sparkonto mit dem Betreff »Weltreise« – und keinen Plan.

Man könnte meinen, die Trennung wäre der perfekte Zeitpunkt gewesen, um endlich loszufahren. Doch ich wand mich weiter wie ein Aal. »Alleine reisen ist teurer, ich habe noch nicht genug Geld auf der hohen Kante«, klagte ich – und gab im selben Atemzug für die Mietkaution meiner neuen Bleibe, für verspiegelte Kleiderschränke und sonstigen Nestbau-Schnickschnack 5000 Euro aus. In anderen Momenten schob ich alles auf mein Herzeleid. »Ich habe nach der Trennungsscheiße keine Kraft«, heulte ich und zog mir zur emotionalen Sedierung alle sechs Staffeln von Sex and the City im Dauerdurchlauf rein. Mitunter lief auch Grey’s Anatomy. Ich hätte mich als Kardiologin durchschlagen können, so viel von dem Weißkittel-Mist habe ich geschaut.

Die Wende kam an einem kalten Sonntagabend. Es war weit nach Mitternacht, als ich, ermattet vom wochenendlichen Fernsehmarathon, ins Badezimmer trottete, um im Spiegel eine Fratze zu entdecken, die mich erschreckte. Mein Gesicht sah erschöpft aus, unglücklich, und die Furchen um die Mundwinkel hatten auch schon mal weicher gewirkt. Wie zum Teufel war ich in dieser Situation gelandet? Warum kam ich aus meiner Trennungsstarre nicht heraus? Die Antwort lautete: Weil ich nicht nur auf den betrügerischen Esel, sondern gleich aufs komplette Universum sauer war. Ich hatte angenommen, dass alles gut werden würde, wenn ich mir nur lange genug die Decke über den Kopf zog. Die Zeit heilt alle Wunden, bla bla bla. Mit Zahnpastaschaum vorm Mund und im grellen Badezimmerlicht dämmerte mir: Ich würde nicht darum herumkommen, langsam aufzutauchen, egal wie viel Groll und verletzter Stolz da auch waren. Denn mit einer Decke überm Kopf wird das mit dem Krönchen-Richten und Weitergehen schwer.

In dieser Nacht lag ich noch lange wach und habe nachgedacht. Darüber etwa, was ich brauchte, um mich wieder am Leben zu fühlen. Erster Impuls: Der Esel müsste vom Karma bestraft oder zumindest von einem 10 000-Volt-Blitz getroffen werden. Ha! Aber abseits der Rache, was wäre mir noch wichtig? Das Hirn mit neuen Eindrücken füttern. Hmmm. Ja. Nach fünf Jahren im selben Job waren meine kleinen grauen Zellen unterfordert. Außerdem hatte ich nie wirklich eine Auszeit gehabt, gleich nach der Ausbildung hetzte ich von einem Job zum anderen, in manchen Phasen schrieb ich sogar für drei verschiedene Publikationen gleichzeitig. Wer glaubt, im Journalismus verdiene man gut, darf gern für jeden Artikel, den er online liest, Geld bezahlen …

Fremde Sprachen hören, frischen Wind schnuppern. Rio, New York, Tokio. »One Night In Bangkok«. Danach stand mir der Sinn. Und außerdem wollte ich essen, Seeigel, Yamswurzeln, hundertjährige Eier. Keine Termine haben außer denen, die ich mir selbst machen würde. Ich lechzte nach einer Stopptaste für den Alltag und einem Fast-Forward-Knopf fürs Leben. Die Diagnose lautete: akute Fadesse gepaart mit Fernweh. Und nun?

Sechs Monate lang spielte ich alle Worst-Case-Szenarien im Geiste durch. Ich stellte mir vor, wie mir das Geld ausgeht oder der Reisepass gestohlen wird. Wie ich sterbenskrank in Afrika über dem Plumpsklo hänge. Oder die Sonne kitschig am Horizont versinkt und ich mich einsam an eine Flasche Wein klammere. Doch je bildlicher der Schrecken wurde, desto mehr Selbstbewusstsein baute ich auf. Weil ich wusste: Egal was auch passieren würde, ich könnte das meistern. Es findet sich immer eine Lösung. Vielleicht nicht gleich in dieser Sekunde. Aber dann am nächsten oder übernächsten Tag. Einatmen, ausatmen und auf den Hausverstand vertrauen. Parallel begann sich die Optimistin in mir zu regen: Könnte ja sein, dass ich gar nicht mutterseelenallein durch die Gegend krebsen müsste, sondern immer wieder Leute träfe, die ebenfalls Sonnenuntergänge (oder zumindest Wein) mögen? Oder dass Montezumas Rache ausbleibt? Eben.

An einem grauen Februartag war ich schließlich so weit. Ich beschloss: Fuck it, ich mach’s. Und je mehr ich mich mit der Entscheidung anfreundete (alter Hobbypsychologen-Trick: die Sache laut aussprechen hilft, es schafft Realitäten), desto peinlicher fand ich plötzlich mein »altes« Ich. Wenn ich ehrlich war, hatte ich wie ein schwer nervöser und diktatorisch veranlagter Hamster agiert. Ich hatte zu kontrollieren versucht, was nicht zu kontrollieren ist: die Zukunft nämlich. Das ist in etwa so, als würde man jeden der rund acht Milliarden Erdenbewohner orchestrieren wollen, damit nur ja nix schiefgeht. Und warum das Ganze? Nur weil ich meinen Hintern weiter aus der Haustür schwingen wollte als sonst? Der viel zitierte Bus könnte mich auch daheim in Wien überfahren, wenn ich nicht aufpasste. Der würde nicht gefährlicher werden, nur weil ich plötzlich in Indien war. Wobei: Die Inder sollen durchaus lebensmüde fahren, vielleicht war das ein schlechtes Beispiel ...

Was ich sagen will: Wer etwas will, findet Wege. Wer nicht will, findet Ausreden. Und ich? Ich will. Ich muss raus. Ich bin an dem Punkt, an dem ich es tun muss, weil ich sonst das Gefühl habe, dass ich mich selbst betrüge. Und wo wir schon beim Seelenstrip sind: Auch wenn ich nie einen Babywunsch hatte, mit siebenunddreißig hört man die biologische Uhr ticken, ob man mag oder nicht. Noch fünf, sechs Jahre, dann machen meine Eierstöcke mit mir Schluss. Sollte ich also Torschlusspanik kriegen und mir Nachwuchs zulegen wollen, müsste ich jetzt los, sonst bereue ich die Sache später.

So, ich glaube, jetzt ist alles gesagt. Ich werde auf Weltreise gehen. Ich habe zwar keine Ahnung, wie die Sache ausgeht oder was zu tun ist, wenn ich fürs Rechtsfahren in Linksverkehr-Ländern eingebuchtet werde (erst gar kein Auto zu mieten wäre vielleicht eine Option). Aber wie heißt es so schön? Man wächst mit seinen Aufgaben. Und es gibt nur eine Richtung: vorwärts. In diese marschiert man am besten ohne Decke überm Kopf. Ohne das Teil sieht man mehr von der Welt, habe ich mir sagen lassen.

Reden wir über:

AUSREDEN

Ich würde ja gern, ABER …

eine Weltreise passt

jetzt nicht in meinen Lebensplan.

Ein guter Satz, nicht wahr? Lebensplan, das klingt so großartig, so vernünftig und erwachsen. Und außerdem: Zu Leuten mit Plan schaut man auf.

Ich mach’s kurz: Der Satz ist Bullshit. Und die Erkenntnis hat mich stolze 90 Euro gekostet. So viel berechnete mir vor Jahren eine Karriere-Coachin, als ich ihr mein Leid klagte und meinte: »Eigentlich habe ich den Traum vom Reisen. Aber im Job läuft’s gut, eine Beförderung steht an, das passt jetzt so gar nicht.« – »Aha«, sagte sie und studierte sichtlich gelangweilt ihre perfekt manikürten Fingernägel. »Wer macht denn Ihren Lebensplan?« – »Na ja«, stotterte ich. »Das Leben ... Also, ich mach ihn schon auch selbst ... Aber Sie wissen, so einfach ist das alles nicht.« Sie lächelte belustigt. Vielleicht sogar mitleidig. Dann ließ sie mich wissen: Das Leben selbst macht keine Pläne, weil ihm klar ist, dass das nichts bringt. Jede Sekunde auf diesem wunderbar verrückten Erdball bietet zu viel Unkontrollierbares – das Wetter, Freaks, müde Autofahrer, bellende Hunde. Alles ist in Bewegung, alles fließt. Wenn man also in einem Lebensplan gefangen ist, hat man sich sein Gefängnis selbst gestrickt. Aber das Tolle an Selbstgestricktem ist, man kann es Masche für Masche auflösen und ruckzuck was Neues fabrizieren, etwas, das besser zu einem passt. Do-it-yourself-Zukunft quasi. Besser als die They-do-it-for-you-Zukunft.

Ich würde ja gern, ABER …

ich kann doch

nicht alles hinschmeißen.

Einatmen. Ausatmen. Und jetzt definieren wir mal alles.

Ich-kann-mit-jedem-Kulturkreis-umgehen-Flexibilität.

Check!

Bazarerprobtes Verhandlungsgeschick. Check!

Englischkenntnisse. Check!

Und zum Rest? Die Wohnung muss man nicht aufgeben (dazu unten mehr), die Freunde bleiben einem auch erhalten, es werden sogar quer über den Erdball mehr.

Wie gesagt: Einatmen. Ausatmen. Definieren wir alles neu.

Ich würde ja gern, ABER …

mein Job

erlaubt kein Sabbatical.

Blöde Sache, lief bei mir genauso. »Firmenpolitik«, seufzte mein Chef nur, als ich das Thema Sabbatical mit ihm diskutieren wollte. »Ich kann eine Stelle nicht ein Jahr lang freihalten. Außerdem: Wenn ich einer Person ein Sabbatical gewähre, muss ich es anderen auch erlauben. Und wer macht dann die Arbeit? Das geht nicht.« Also musste ich kündigen, meinen Business-Laptop, das Handy und die Visitenkarten abgeben und darauf vertrauen, dass sich nach dem Big Trip wieder etwas Passendes finden würde. Der Witz an der Geschichte: Wäre ich geblieben und hätte die Reise nicht gemacht, wäre ich heute ebenfalls nicht mehr in dem Job. Das Magazin, für das ich gearbeitet habe, hat man überraschend eingestellt, allen Kollegen wurde gekündigt. Da sieht man wieder: Die Zukunft domptieren zu wollen ist in etwa so sinnvoll wie ein Eis in der Sauna zu schlecken. Sorgen kann man sich, wenn es so weit ist.

Wird kein Sabbatical bewilligt, gibt es trotzdem Alternativen zur Kündigung. Ich empfehle, die Schlagworte »unbezahlter Urlaub« oder »Freistellung« zu googeln. Einen Rechtsanspruch darauf gibt’s in Deutschland, Österreich oder der Schweiz keinen, aber wenn der Chef mitmacht, lässt sich der Jahresurlaub so um ein paar Wochen verlängern. Drei Monate Herumstreunen sind dann schnell mal drin. Bei der Freistellung sogar länger. In Österreich wird »Bildungskarenz« unter Fernwehkranken als heißer Tipp gehandelt. Ganz einwandfrei ist die Sache meiner Meinung nach nicht, weil das Ganze als subventionierte Fortbildung läuft. Aber nachdem sehr wenig kontrolliert wird, ob der E-Learning-Kurs oder das Fernstudium wirklich so intensiv sind, dass man zum Lernen brav zu Hause sitzen muss, nutzen viele die Zeit zum Reisen. Ich habe keine Bildungskarenz beantragt, ich finde, ehrlich währt am längsten, aber jeder wie er will.

Ich würde ja gern, ABER …

ich habe

nicht genug Geld.

Mein Budget betrug 42 000 Euro für elf Monate Auszeit. Auf einem Extra-Konto hatte ich weitere 10 000 Euro gebunkert, als Finanzpolster für die Rückkehr, um nicht sofort den erstbesten Job annehmen zu müssen. Reisen ist eine sehr persönliche Geschichte, und für mich war klar: Im Notfall jette ich lieber kürzer um die Welt, als dass ich nervös über Excel-Tabellen zu meinen Ausgaben brüte. Schnittige Mietautos, Hotels mit Infinity Pool oder Edelstein-Souvenirs waren mit dieser Reisekasse nicht drin. Aber mir war klar: Ein Schnorchelausflug ans Great Barrier Reef kostet nun mal 140 Euro, und den wollte ich mir nicht vom Mund absparen müssen. Prinzipiell ist es ökonomischer, nicht zur Hochsaison Hawaii anzupeilen. Ich habe es trotzdem gemacht, weil es großen symbolischen Wert für mich hatte, Silvester auf einer fliegenschissgroßen Insel mitten im Pazifik zu verbringen. Auf Hawaii ist durch die Zeitverschiebung das Jahr »länger«, man gewinnt als Europäer elf Stunden dazu – und holt, so zumindest meine Überlegung, das meiste aus dem Jahr heraus.

Ich würde ja gern, ABER ...

ich will meine

Wohnung nicht aufgeben.

Muss auch nicht sein. Es gibt genügend Möglichkeiten, die eigenen vier Wände unterzuvermieten und zu Geld zu machen. Stichwort: Airbnb, sabbaticalhomes.com, Housesitter-Agenturen, Expat-Foren, Wohnbörsen etc. Weil die Tarife für Hausratversicherungen, Strom, Gas oder Internet jährlich um ein paar Prozente erhöht werden, sollte man diesen Preisanstieg vorausschauend in den Mietpreis einkalkulieren, sonst steigt man am Ende gar mit einem Minus aus und ärgert sich.

Bei einer Mietwohnung ist das Okay der Eigentümer notwendig. Meine Vermieter – Freunde meiner Eltern – waren die verständnisvollsten Personen der Welt, ich lobpreise sie heute noch. Ansonsten kann ich allen, die in einer Universitätsstadt wohnen, nur den Tipp geben, jeweils zum Semesterstart ihre Reise zu beginnen. Denn dann suchen Studenten und Lehrpersonal aus dem Ausland oft eine möblierte Bleibe, die auf ein halbes Jahr oder ein Jahr befristet ist. In meinem Fall fand ich eine Design-Doktorandin mit irischen Wurzeln als Zwischenmieterin. Als sie fragte, welche Geschirrspültabs sie verwenden sollte, wusste ich, die Frau war der Jackpot. Mein wichtigstes Hab und Gut – den Inhalt von drei Kleider- und zwei Schuhschränken sowie einem Bücherregal – habe ich in fünfzehn Boxen verpackt und bei meiner beängstigend klugen Schwester, die immer eine Lösung weiß, und einer Freundin eingelagert, sodass die Jackpot-Irin Platz hatte.

Ich würde ja gern, ABER …

allein durch die Welt zu krebsen ist schrecklich

einsam und gefährlich.

Ein Solotrip ist sicher nichts für jeden. Wer bereits nach fünf Stunden allein daheim die Krise kriegt, sollte die Sache überdenken. Wobei: Man kann in alles hineinwachsen, man muss sich nur mental darauf einlassen. Selbst wenn es nervt, wie ein Lastenmuli auf Flughafentoiletten zu gehen, weil in Zeiten von Kofferbomben niemand mehr auf fremde Taschen aufpassen will – der Alleingang hat auch Vorteile. So kann man fünf Tage hintereinander in dasselbe Museum gehen, ohne sich von einem Gegenüber anhören zu müssen: »Nicht schon wieder, ist doch langweilig!«

Der wahre Zauber liegt jedoch in der Entdeckung des eigenen inneren Rhythmus. Familie, Schule, Ausbildung, Partnerschaft, Job – von Geburt an sind wir fremdbestimmt, es gilt Zeitpläne einzuhalten und mit dem Strom zu schwimmen. Beim Alleinreisen fällt das weg. Man kann aufstehen, wann man will, und niemand interessiert es, wenn man sich das Teatro Colón, das legendäre Opernhaus in Buenos Aires, nicht von innen angeschaut hat, obwohl man drei Wochen in der Stadt war. Dazu kommt: Beim Alleinreisen lernt man mehr Leute kennen als zu zweit. Man ist zur Kommunikation gezwungen, außer man hat ein Schweigegelübde abgelegt. Natürlich wird es stille Tage geben. Und mitunter wird’s an Selbstmotivation fehlen. Oder an jemandem, mit dem man die schönen Momente teilen kann. Aber vereinsamen wird nur der, der vereinsamen will. Und ganz ehrlich, hin und wieder den Blues zu haben ist auch okay, es erdet.

Bleibt noch das Thema »gefährlich«. Ich halte es auf Reisen genauso wie zu Hause – ich schalte mein Hirn nicht aus, sondern an. Soll heißen: Ich trinke nicht so viel Alkohol, dass ich nicht mehr weiß, was um mich herum passiert. Nachts nehme ich ein Taxi. In Moscheen und Tempeln bedecke ich meine Schultern. Mein Handy ist dank Taschenakku (fast immer) aufgeladen. Und verabrede ich mich zu Dates, schicke ich einer Freundin vorher die Telefonnummer des Typen. Die Sache mit dem Ehering als Schutzschild gegen aufdringliche Kerle habe ich ignoriert. Ich finde, Selbstbewusstsein ist die beste Waffe.

Ich würde ja gern, ABER ...

ich habe Angst.

Gegenfrage: Wovor? Okay, man könnte sterben. Zugegeben, das wäre nicht so ideal. Aber das kann genauso gut daheim passieren, der Sensenmann ist in seiner Arbeit hochgradig unberechenbar. Und unter uns: Wenn wir tot sind, so ist das zwar schrecklich, aber mit der Verschiffung der Gebeine sind ohnehin die Verwandten und der Versicherungsmakler beschäftigt. Was noch außer der Angst vor dem Tod? Angst, so eine Reise nicht zu schaffen, beim ersten Problem alles abzubrechen und dann daheim als Loser dazustehen? Verstehe ich. Aber woher weiß man, dass man etwas nicht schafft, wenn man es nicht probiert hat? Außerdem: Solange man die eigenen Erwartungen nicht zu hoch schraubt, kann man auch nicht scheitern. Sollten Sie nach ein paar Monaten entnervt abbrechen – so what? Sie sind nicht gescheitert. Ihnen gebührt Applaus, denn Sie haben es zumindest probiert.

2

UNSICHERE SCHRITTE IN RICHTUNG FREIHEIT

Wien Juni Zurückgelegte Distanz:

1,6 KILOMETER

(das Reisebüro war in der Nachbarschaft)

Der erste Schritt wäre getan. Ich habe gekündigt. Morgens bin ich als Chefredakteurin mit respektablem Gehalt in den Verlag gegangen, mittags als zukünftige Arbeitslose aus dem Büro meines Herausgebers wieder herausgekrochen. Ich hatte in dem Gespräch mit meinem Chef versucht, selbstsicher zu wirken. Doch schon die ersten Fragen nach dem Wohin und dem Wie brachten das Bild von der Weltentdeckerin ins Wanken. Irgendwann musste ich kleinlaut zugeben: Ich hatte keinen wirklich ausgereiften Plan, außer jenem, lange zu schlafen, die Liebe oder wahlweise den weltbesten Oktopussalat zu finden und so lange zu reisen, bis mir das Geld ausgeht. Mein Chef nickte, auch wenn er vieles nicht verstand, und meinte: »Wenn das dein Ding ist, dann musst du es machen.«

»Wie geht’s dir mit der Entscheidung?«, fragte eine Kollegin später, der ich von meiner Kündigung erzählt hatte. Anstelle einer Antwort begann meine Unterlippe zu bibbern. »Angst vor der eigenen Courage, oder?«, meinte sie – und hatte recht. Aber neben der aufkeimenden Existenzangst – »In drei Monaten fließt kein Geld mehr aufs Konto, es wird nur noch welches abgezogen, Hilfe!« – machte sich auch Eifersucht breit. Auf meine Nachfolgerin! Eine Person, die noch nicht einmal gesucht, geschweige denn gefunden war. Dass schon sehr bald jemand anderes an meinem Schreibtisch sitzen würde, empfand ich als persönlichen Affront. Einatmen. Ausatmen. Bloß nicht weiter darüber nachdenken und sicherheitshalber nachts mit der Anti-Knirsch-Schiene im Mund schlafen.

Den nervös malmenden Kiefer habe ich mittlerweile halbwegs im Griff. Mehr kämpfe ich derzeit mit meinen Ohren. Am liebsten würde ich sie mit Watte zustopfen. Ein Impuls, der mit den ersten »Hey, du gehst auf Weltreise?!«-Kommentaren begann. Seit sich die Sache herumgesprochen hat, werde ich von allen Seiten mit Reisetipps bombardiert.

»Geht’s auch nach Kapstadt?«, fragte etwa ein Kollege.

»Ich denke schon«, antwortete ich.

»Dann musst du in dieses Wahnsinns-Hotel am Chapman’s Peak gehen. Warte, ich schreibe dir den Namen auf. Du schaust aufs Meer und auf den Tafelberg! Und die Weinkarte ist sowieso ein Traum!«

»Luxushotels liegen leider nicht in meinem Budget«, erwiderte ich zögerlich. »Ich mache eine Weltreise, ich fahre nicht in einen normalen Urlaub.«

»Ach, zwei, drei Nächte sind sicher drin«, insistierte er. »Du hast doch gespart, du musst dir was gönnen.«

Irgendwann gab ich auf und nahm den blöden Zettel mit dem Hotelnamen darauf.

Zsófia, Waxing-Expertin meines Vertrauens, schwärmte wiederum von Australien.

»Wie lange wirst du in Down Under sein?«, wollte sie wissen, während sie meine Bikinizone mit Heißwachs einstrich.

»Ein paar Wochen?«, antwortete ich kryptisch, um nicht durchscheinen zu lassen, dass ich noch keinen konkreten Zeitplan, geschweige denn sämtliche Destinationen fixiert hatte. Immerhin hatte ich noch drei Monate Zeit.

»Perfekt! Dann musst du unbedingt mit einem Wohnmobil die Ostküste rauf. Ich habe das mit meinem Mann gemacht.«

»Ich werde allein unterwegs sein, Zsófia«, gab ich zu bedenken. »Australien ist riesengroß. Täglich Hunderte Kilometer fahren, ins Bett fallen und mich am nächsten Morgen wieder ins Auto schwingen … Ich fürchte, daraus wird nichts. Ich werde mich eher in Städten rumtreiben, das passt auch besser für meine Art des Reisens. Ich bin keine Rucksacktouristin, ich werde mit einem großen Koffer reisen.«

»Neeeein«, protestierte die Depiladora und setzte mit entschlossenem Ruck zum Kahlschlag an. »Du versäumst was! Nimm einen Rucksack, nimm das Wohnmobil. Das war die tollste Reise meines Lebens, wirklich.«

Nach Zsófia war mir elend zumute, nicht nur wegen meiner feuerroten und geschundenen Haut. Jedes Gespräch, das sich dieser Tage um die Weltreise dreht, scheint Optionen aufzuzeigen, die keine sind. Was zur Folge hat, dass ich mich wie ein Globetrottel fühle, obwohl ich noch keinen Meter gereist bin. »Du versäumst was!«, tönen die Stimmen in meinem Kopf. »Du wirst es bereuen, wenn du dieses und jenes nicht machst.« Hilfe! Aufhören! Nein, ich werde nicht den alten Hexenmeister in Nairobi besuchen. Und auch bei einer wildromantischen Reise auf dem Amazonas mit einem Frachtschiff muss ich passen. Warum? Na, weil meine Auszeit nur knapp ein Jahr dauern wird und ich das dringende Bedürfnis habe, langsam zu reisen. Drei, vier Wochen will ich mindestens an einem Ort verbringen. Zu wenig Zeit, um anzukommen, aber genug, um zu erahnen, wie eine Stadt so tickt. Dreizehn, vierzehn, vielleicht fünfzehn Destinationen, mehr sind nicht drin. Selbst wenn ich ab Tag eins meiner Geburt gereist wäre, könnte ich es bei einer normalen statistischen Lebenserwartung nicht schaffen, jeden größeren Ort dieser Welt zu sehen, schon gar nicht jeden kleineren. Dafür ist dieser verdammte Planet einfach zu gigantisch.