Meine tausend Leben - Jean-Paul Belmondo - E-Book

Meine tausend Leben E-Book

Jean-Paul Belmondo

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Beschreibung

Als kleinkrimineller Draufgänger in Jean-Luc Godards »Außer Atem« wurde Jean-Paul Belmondo 1959 über Nacht zum Star. Frankreichs größte Regisseure rissen sich um den kernigen jungen Mann mit dem frechen Grinsen. Bébel, wie ihn die Franzosen liebevoll nennen, wurde zu einer Kultfigur des französischen Kinos. Nach nun fast 60 Jahren und beinahe 100 Filmen blickt Belmondo auf seine Karriere und sein Leben zurück: seine Kindheit im Krieg, die Zeit am Pariser Konservatorium, wo er die Schauspielerei lernte und lebenslange Freundschaften schloss, sein Aufstieg und Durchbruch im Filmgeschäft. Er erzählt von seinen Freundschaften und Fehden mit Wegbegleitern und von den Frauen, mit denen er spielte und die er liebte, darunter Laura Antonelli und Ursula Andress.

Belmondo über seine 1000 Leben – nachdenklich, selbstironisch und sehr persönlich.

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Seitenzahl: 363

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Als kleinkrimineller Draufgänger in Jean-Luc Godards »Außer Atem« wurde Jean-Paul Belmondo 1959 über Nacht zum Star. Frankreichs größte Regisseure rissen sich um den kernigen jungen Mann mit dem frechen Grinsen. Bébel, wie ihn die Franzosen liebevoll nennen, wurde zu einer Kultfigur des französischen Kinos. Nach nun fast 60 Jahren und beinahe 100 Filmen blickt Belmondo auf seine Karriere und sein Leben zurück: seine Kindheit im Krieg, die Zeit am Pariser Konservatorium, wo er die Schauspielerei lernte und lebenslange Freundschaften schloss, sein Aufstieg und Durchbruch im Filmgeschäft. Er erzählt von seinen Freundschaften und Fehden mit Wegbegleitern und von den Frauen, mit denen er spielte und die er liebte, darunter Laura Antonelli und Ursula Andress.

Belmondo über seine 1000 Leben – nachdenklich, selbstironisch und sehr persönlich.

JEAN-PAULBELMONDO

MEINETAUSENDLEBEN

DIE AUTOBIOGRAFIE

Unter Mitarbeit von Paul Belmondound Sophie Blandinières

Aus dem Französischen vonPauline Kurbasik und Dr. Bettina Seifried

Die Originalausgabe erschien 2016 unter dem TitelMille Vies Valent Mieux Qu’unebei Librairie Arthème Fayard, Paris.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Deutsche Erstausgabe 3/2018

© Librairie Arthème Fayard, 2016

© der deutschsprachigen Ausgabe 2018by Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Thomas Tilcher

Übersetzung: Pauline Kurbasik (Kap. 1–9), Bettina Seifried (Kap. 10–19)

Bildredaktion: Tanja Zielezniak

Umschlaggestaltung: Hauptmann&Kompanie, Dominik Wilhelmunter Verwendung eines Fotos von Raymond Cauchetier,© Raymond Cauchetier

Satz: Schaber Datentechnik, Austria

ISBN: 978-3-641-22203-1V001

www.heyne.de

Inhalt

Vorwort

Madeleine oder der Wille

Freie Kräfte

Den Clown spielen

Die Kunst, die Literatur und das Glück

Zu nichts gut, oder zu fast nichts

Ein richtiger Beruf

Saint-Germain voller Freuden

Schleichwege

Niederlagen, Feiern und Kino

Und dann kam Godard

Zu viel und so weiter

Ein Pfaffe schon – doch ohne Kirche

Komplizen

Nachfolger

Grenzenlos leben

Berühmt

Mehr Ernst

Auf beiden Seiten und mitten im Milieu

Schreiben Sie bloß nicht das Wort »Ende«

Bildteil

Dank

Vorwort

Diese tausend Leben sind zu schnell vergangen, viel zu schnell – in dem Tempo, mit dem ich früher Sportwagen fuhr. Vielleicht hätte es auch genügt, sie ein einziges Mal zu durchleben, ohne von ihnen zu erzählen. Doch ich bin unersättlich, und mit dem Abstand, den die Zeit mit sich bringt, wollte ich mich noch einmal auf den Weg machen, diesmal gemächlicher und in die andere Richtung. Mich auf den Weg der Erinnerung begeben. Ich möchte mich nicht an alles erinnern, doch immerhin an das Wichtigste, damit ich es aufschreiben kann.

Vielleicht ist es anmaßend, tausend Leben ein zweites Mal auskosten zu wollen – doch wenn es um Glück geht, ist Bescheidenheit eine unnütze Tugend.

Ich bin noch immer lebenshungrig. Wie ein junger Mann. Wenn auch mein Körper bei Stunts nicht mehr mitmacht, ich nicht mehr in einem Ferrari davonpreschen, von einem Dreh zum anderen, von einer Vorführung zur nächsten eilen kann, hindert mich doch nichts daran, alles noch einmal zu durchleben, als wäre es gestern gewesen oder als würde es heute passieren.

Während ich Ihnen von meinem Weg erzähle, merke ich, wie gern ich ihn gegangen bin, wie fröhlich, verrückt und abwechslungsreich er war, voller Freundschaft und Liebe. Frei und ausgelassen zu sein war mir schon sehr früh im Leben wichtig, vielleicht, weil ich ein Kriegskind war, vielleicht auch, weil es mir von meinen Eltern vorgelebt wurde und sie mich daran teilhaben ließen, vielleicht letztlich, weil ich damals entschieden hatte, dass mein Leben frei und ausgelassen sein sollte.

Natürlich bin ich Umwege gegangen, habe Bestehendes aufgemischt und an der Uhr gedreht; ich habe die Traditionalisten verärgert und die Neuerer begeistert. De facto stand es nie zur Debatte, mich der Norm anzupassen, sie wollte mich sowieso nicht. In der Schule wurde ich von den Lehrern gehasst, und später dann in der Schauspielschule, deren Wände mein Gelächter erschüttert hat, habe ich keinerlei Spuren hinterlassen.

Ich muss zugeben, dass mir Tragödien nie sonderlich lagen: Es ist mir immer schwergefallen, in Filmen zu weinen, und mein Leben war trotz aller Dramen und grausamer Tode, die einer Amputation gleichkamen, leicht und leuchtend.

1960 war ich das erste Mal auf einer Kinoleinwand zu sehen und bin immer dabeigeblieben. Jean-Luc Godard hat mit Außer Atem mein Schicksal bestimmt – das, was ich sein wollte: ein Schauspieler, den man begehrt, den die Regisseure wollen, den die Zuschauer lieben, mehrere Menschen zugleich sein, in alle Kostüme schlüpfen, viele verschiedenen Rollen verkörpern und das Wesen des Menschen erforschen. Vor allem aber wollte ich mich amüsieren, das tun, was mir am meisten Spaß macht: spielen.

Das große Privileg eines Schauspielers besteht darin, dass er sich seine Jugendlichkeit bewahren kann. Er kann Kind bleiben, so tun als ob, die Wirklichkeit in reizvolle Fiktionen verwandeln, ganz im Augenblick aufgehen, überschäumen, sich entfalten.

Diese Freude habe ich hier wiederempfunden, mit dreiundachtzig Jahren – dieses Mal in meiner eigenen Haut, als ich selbst. Diesen Text möchte ich noch zu Papier bringen. Ich habe ihm Stück für Stück Leben und meine Seele eingehaucht.

Madeleine oder der Wille

Mit roten Knien, leuchtend wie die Tomaten in der Gemüsekiste auf dem Gepäckträger, stieg Maman wieder aufs Rad. Sie war gerade erst hingefallen, zum fünften oder sechsten Mal, doch sie nahm ohne mit der Wimper zu zucken den Zweikampf mit dem Vehikel wieder auf. Es hätten schon die deutsche Wehrmacht, die Russen und die Japaner zusammen anrücken müssen, um sie davon abzubringen, das angesichts des Benzinmangels in diesen Kriegszeiten einzig verfügbare Fortbewegungsmittel zu bezwingen. Maman fürchtete sich vor nichts, auch nicht vor dem Krieg. Da würde sie sich natürlich erst recht nicht von einem Fahrrad unterkriegen lassen.

Meine Mutter glich einem Ritter der Tafelrunde, sie war eine prächtige Amazone. Groß, soweit ich das mit meinen sieben Jahren beurteilen konnte, so schön, dass sie einmal eine Statistenrolle in einem Film hatte, und lebhaft – sehr lebhaft. Meine Bewunderung für sie war grenzenlos, und ich konnte es meinem Vater nicht verübeln, dass er sie geheiratet hatte.

Ich stellte mir Papa gern zehn Jahre früher vor, in der École des Beaux-Arts; er warf einen sanften, schüchternen Blick auf Maman und ihren geschickten Federstrich und ließ sich von ihr in inbrünstig verliebter Stille zeichnen.

Madeleine heiratete Paul, Paul heiratete Madeleine, sie würden unzertrennlich sein. Und selbst Papas Einberufungsbefehl, der eines Morgens im September 1939 unter der Wohnungstür in der Rue Victor-Considérant nahe der Place Denfert-Rochereau durchgeschoben wurde, konnte die beiden nicht auseinanderbringen. Denn mit der ihr eigenen Beharrlichkeit und ihrem Tatendrang, ganz der Liebe zu meinem Vater ergeben, hatte Maman entschieden, ihm in den Norden zu folgen. Sie war ihm gefolgt, die mutige Seelenverwandte, von Garnison zu Garnison, von Stadt zu Stadt, vom Heimatgebiet bis zu Madame de Scudérys »Carte de Tendre«, der Landkarte der Liebe. Sie ging auch nach Boulogne-sur-Mer und Calais, wohin wir, mein Bruder Alain und ich, ihr zusammen mit meiner Großmutter und deren Lebensgefährten Charlie folgten.

Mein Großvater war nicht aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt; sein Leichnam blieb verschollen. Später redete ich mir ein, dass er der berühmte unbekannte Soldat sei, der unter dem Arc de Triomphe ruht.

Mamie war eisern, man durfte nicht weinen. Charlie war Arzt, und – auch wenn meine Mutter ihn gehasst hat – einer, der Körper gesund machte. Das war besser als gar kein Mann.

Die Reise auf den gesperrten Straßen quer durch Frankreich war abenteuerlich, wir fuhren in einem noblen Hotchkiss, einem Auto aus der Belle Époque, das im richtigen Augenblick von einem Waffenhändler gebaut worden war, durchs Kriegsgebiet. Auf dem Dach hatten Mamie und ihr neuer Lebensgefährte Matratzen übereinandergestapelt, die als riesige kugelsichere Westen dienten. Sollte uns ein feindliches Flugzeug im Vorbeifliegen beschießen, blieben die Kugeln bestimmt im dicken Wollpuffer stecken. Das glaubten wir zumindest.

Mit dieser Bettschicht oben auf unserer Nobelkarosse wirkten wir nicht gerade gewöhnlich. Und auch nicht gerade unauffällig. Letztlich glaube ich, wir konnten uns glücklich schätzen, nicht die Aufmerksamkeit eines Piloten der Luftwaffe erregt oder ihn gar noch auf dumme Gedanken gebracht zu haben.

Das behelfsmäßig ausgerüstete Auto wurde vom Fahrrad meiner Mutter abgelöst. Knappheit herrschte nun in jedem Bereich, und Beine brauchten kein Benzin. Unserem Magen galt die größte Sorge. Um ihn ein bisschen zu füllen, mussten wir uns anstrengen und findig sein. Und meine Mutter, die nach einigen Wochen beschlossen hatte, uns in Sicherheit zu bringen, anstatt weiter ihrem Mann zu folgen, war enorm findig.

Wir ließen uns auf dem Land nieder, in der Nähe von Rambouillet, in einem gottverlassenen Haus mitten im Wald in der Umgebung von Clairefontaine, das Papa gehörte. Man muss schon sagen, dass sich die Vorteile des Landlebens bei kriegsbedingter Nahrungsmittelknappheit um ein Vielfaches erhöhen.

Zu den romantischen Aspekten des naturnahen Lebens gesellten sich die praktischen. Die in der Nähe verstreuten Bauernhöfe lieferten immerhin noch das Nötigste zum Überleben, das den Städtern fehlte: Fleisch, Gemüse, Milch, Butter und, je nach Jahreszeit, Obst.

Diese Kostbarkeiten musste man allerdings erst einmal holen und dafür mindestens zehn Kilometer zurücklegen. Zu Fuß hätte Maman insgesamt vier Stunden gebraucht. Sie hatte nicht lange überlegt, einfach die Reifen von Papas Drahtesel aufgepumpt und sich auf den Sattel geschwungen, obwohl sie keinerlei Übung darin hatte – sie hatte nur ihren Kindern beim Radfahren zugeschaut.

Sie startete einen Versuch, aber anfangs war es schwer. Ständig wurde sie aus dem Sattel geworfen, fiel zu Boden und schürfte sich die Haut an den Steinen auf. Die Wackeligkeit des Fahrrads im Leerlauf und ihr fehlendes Gleichgewicht machten ihr zu schaffen. Häufig stürzte sie, doch immer wieder huschte auch ein Lächeln über ihr Gesicht, trotz der vielen Schrammen und Schürfwunden an den Knien. Sie verschnaufte nicht, klagte nicht und ließ sich nicht unterkriegen.

Dank ihrer Beharrlichkeit konnten wir uns satt essen. Und nebenbei saugten wir ihre Hartnäckigkeit und ihren Abenteuergeist in uns auf. Wie das erste Gebot zum freien Leben: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

Einige Jahre später, als ich den Mut verlor, weil ich meinen ersten Versuch, Schauspieler zu werden, vermasselt hatte, erinnerte sie mich daran: »Es geht um den Willen, mein Sohn. Wenn du etwas wirklich willst, wirst du es schaffen.« Und Mut brauchte man auch.

Mut brauchte man, um allein mit zwei kleinen Kindern in einem riesigen Haus mitten im Wald zu leben, während die deutsche Wehrmacht das Land besetzt hielt und in Rambouillet stationiert war. Noch mehr Mut brauchte es, um eine jüdische Familie im Keller zu verstecken, die meine Mutter heimlich mit Essen versorgte.

Damit hatte sie sich später nie gebrüstet. Auch nicht, als nach dem Krieg einige fiese Miesmacher meinem Vater einen Prozess machten; sie warfen ihm vor, mit anderen Künstlern nach Deutschland gereist zu sein. Da musste erst General de Gaulle kommen und ihm den Orden der Ehrenlegion verleihen, um diese scheinheiligen Aasgeier zum Schweigen zu bringen. Ich hatte meine Mutter nie schlecht über sie reden hören. Auch darin war sie uns ein Vorbild: Lieber eine aufrichtige Erklärung als versteckte Kritik.

Nach einigen Tagen fiel Maman seltener hin. Dennoch hatte sie sich nie zu einer leidenschaftlichen Radfahrerin entwickelt. Und als das Wetter in Clairefontaine wieder besser wurde, überließ sie uns die Hamsterfahrten. Pfeifend machten wir uns auf den Weg zu den Bauernhöfen, fuhren um die Wette, schwitzten und keuchten.

Auf dem Hinweg traten wir fest in die Pedale, jeder wollte Erster sein. Doch der Rückweg dauerte immer länger. Das Wetter war schön, die Vögel zwitscherten, das Getreide rauschte im Wind. Wir beide waren allein im Wald; es gab immer etwas, womit man sich ablenken und vor allem etwas, das man essen konnte. Die Früchte hinten auf dem Rad dufteten verlockend; ich war ein Leckermaul und musste mich arg zusammenreißen, damit ich mich nicht daran vergriff. Doch meist nahm ich mir von dem Obst, erst einen Apfel, dann zwei, drei, vier oder mehr. Dabei war der nächste stets der letzte, den ich mir erlauben wollte.

Erst als ich wieder zu Hause war und auf meinen Gepäckträger schaute, wurde mir das Ausmaß meiner Plünderung bewusst. Ich machte mich auf ein Donnerwetter gefasst. Im Gegensatz zu Papa ärgerte Maman sich über meine Dummheiten und schimpfte mit mir, bestrafte mich aber nie. Pech für die Regisseure, die meinen Eltern später vorwerfen sollten, dass sie mir zu viel haben durchgehen lassen.

Der Erste Weltkrieg, in den mein Vater mit siebzehn Jahren freiwillig gezogen war, hatte eine Schneise wie einen Schützengraben in sein Leben geschlagen; diese Kluft war der Nährboden für seinen Vorsatz, auch mit Kleinigkeiten glücklich zu sein. Er hatte drei Jahre seiner Jugend mit einem Gewehr über der Schulter zugebracht und noch ein paar Monate mehr, weil er mit zwanzig das richtige Alter hatte, die Uniform so lange zu tragen, bis der Frieden wieder ganz hergestellt und die letzte Gefahr gebannt war. Im Vergleich zum Grauen, das er gesehen hatte, wirkten meine Dummheiten auf ihn natürlich recht harmlos. Er fand sie fast lustig. Ja, er fand sie wirklich lustig. Meine Eltern hatten ein großes Talent zum Glücklichsein, das sie mir nur allzu breitwillig vererbt haben.

Jahre später, als Schauspielschüler, wohnte ich noch im Haus meiner Eltern. Ich erinnere mich daran, wie häufig Papa nachsichtig lächelte, wenn er sah, wie viel Chaos meine Kameraden und ich angerichtet hatten. Gern gewährte ich ab und zu befreundeten Schauspielern Unterschlupf, wie beispielsweise Henri Poirier, der in einem winzigen, baufälligen Dienstmädchenzimmer hauste, sozusagen unter freiem Himmel: Es regnete durchs Dach, weshalb der Ärmste zwischen Eimern und Töpfen lebte. Weil Henri bei weitem nicht der einzige junge Künstler war, der mit dem Bohème-Leben und »Schuhsohlen aus Wind« herumexperimentierte, profitierten so manche von uns von der Gastfreundschaft meiner Eltern. Jean Rochefort, der durchaus ein Dach über dem Kopf hatte, wohnte auch häufig bei uns. Françoise Fabian verbrachte ihre ganze Zeit dort – bis auf die Nächte. Es kam sogar vor, dass ich Freundinnen einlud, die im Quartier des Halles auf den Strich gingen, was stets für einen Menschenauflauf vor dem Gebäude sorgte und die anderen Bewohner gehörig verschreckte.

Die Dreizimmerwohnung in der zweiten Etage war geräumig genug für uns aufgedrehte Schar, und die Betten waren ziemlich breit und gemütlich. Der einzige Nachteil der Wohnung war, dass sie zum Hof lag und ein wenig dunkel war. Der Ansturm all der jungen heißblütigen Männer wuchs mir häufig über den Kopf; die Dusche war oft verstopft, und in meiner Junggesellenbude herrschte Chaos. Außerdem war ich ja nur ein Amateur-Hotelier, der kein Verzeichnis über die Bettenbelegung führte, und so kam es zu einigen peinlichen Situationen: Der eine ging im Dunklen schlafen und legte sich auf jemand anderen drauf, weil er dachte, das Bett wäre leer; ein anderer platzte in ein Zimmer, in dem gerade ein Paar zugange war … Letzteres war kein geringes Problem und weckte meinen Erfindergeist; ich »lieh« mir also auf einer Baustelle eine Leuchte mit Druckknopf aus, die durch rotes Blinken Zutrittsverbot signalisierte. Nun konnte man ungestört Zärtlichkeiten austauschen und musste keine unerwarteten Eindringlinge fürchten.

In meiner Wohngemeinschaft war es nur selten sauber und ordentlich. Außerdem waren meine Freunde und ich nicht gerade Meister in Sachen Diskretion, und ich konnte nicht garantieren, dass unsere ehrenwerten Nachbarn nie darunter zu leiden hatten. Wenn die Nächstenliebe für meine jungen und prekär lebenden Kumpel zu umfassend wurde, sprach außerdem meine Mutter oft ein Machtwort und schmiss mit dem Nachdruck eines bretonischen Möbelpackers alle raus. Das geschah etwa alle zwei Wochen, was bei mir eine Mischung aus Vergnügen und nagenden Schuldgefühlen auslöste. Ich hasste es, wenn Maman wütend wurde.

Ich liebte meine Mutter so sehr, dass es mir unerträglich war, sie zu verärgern und dieses wundervolle, helle und offene Lächeln, das ihr eine so schöne Ausstrahlung verlieh, aus ihrem Gesicht weichen zu sehen. Also passte ich auf, dass ich nichts allzu Schlimmes anstellte, um ihr das Leben nicht unnötig schwer zu machen. Auf mildernde Umstände hätte ich nicht plädieren können, weil die Liebenswürdigkeit, der Freigeist und die Offenheit meiner Eltern keinerlei Rebellion meinerseits gerechtfertigt hätten.

Wenn meine Mutter einen Anlass dafür sah, autoritär zu handeln, zögerte sie nicht. Das lag in ihrem Wesen, sie war lebhaft und sehr dynamisch. Außerdem musste sie ihrer Elternrolle gerecht werden. Aber sie war nie lange böse und verzieh einem schnell.

Dieser engelsgleiche Zug meiner Mutter war meinen Hallodri-Mitbewohnern keineswegs unbekannt: Sie warteten nach der Vertreibung einige Tage ab, dann stiegen sie mit einem Veilchenstrauß in der Hand in die fünfte Etage hinauf und brachten sehr höflich formulierte Entschuldigungen hervor. Daraufhin wurde sie weich und schenkte ihnen gerührt ein warmes Lächeln. Und schon am folgenden Tag zogen meine Freunde mit Sack und Pack wieder im zweiten Stock ein. Das störte Maman eigentlich überhaupt nicht, sie wäre die Letzte gewesen, die Menschen mit weniger Glück und weniger Mitteln als uns keinen Unterschlupf gewährt hätte.

Ich war mir meiner Privilegien immer bewusst, wusste, wie gesegnet ich war, dass ich in eine intakte Familie ohne Geldsorgen geboren wurde, in der man sich gegenseitig liebte. Maman hatte sich sicherlich dasselbe gesagt.

Im Krieg gewährte meine Mutter wie gesagt drei Juden Unterschlupf, die von der Gestapo verfolgt wurden. Sie brachte ihnen heimlich zu essen und zu trinken, was mir unnötig erschien, weil ich nur selten Deutsche außerhalb von Rambouillet lagern sah, und ihnen nicht zutraute, durch Wände schauen zu können. Sie musste Denunzierungen befürchtet haben und behielt recht. In diesen unruhigen Zeiten war nichts jemals sicher, und Vertrauen ging Hand in Hand mit einer Vorsicht, die man unter anderen Umständen als »Verfolgungswahn« bezeichnet hätte.

Die hohen Bäume mit dem dichten Laub im Wald von Clairefontaine boten uns keinen Schutz. Wir hatten alle denselben Himmel, der ins Grau-schwarz-blutrote spielte, über unseren Köpfen, an dem sich die Flugzeuge bekämpften. Die Alliierten und die Deutschen befanden sich in einer luftigen Arena und wir in den Zuschauerrängen darunter.

Papa wurde gefangen genommen. Das hatte Maman sicherlich beunruhigt, doch sie hatte überhaupt keine Angst gezeigt; mit sturer Entschlossenheit war sie vergnügt und enthusiastisch geblieben. Glücklicherweise war Paul Belmondo kein Mann, der resignierte oder sich dem Lauf der Ereignisse fügte. Er plante seine Flucht mit Valentins Hilfe, einem netten Typen, der den Lieferwagen eines Maurerbetriebs benutzen durfte. Damit gelang es ihnen, nach Paris zurückzukehren. Dieses Abenteuer schweißte sie so fest zusammen, dass sie sich bis zum Tod meines Vaters am 1. Januar 1982 nie mehr aus den Augen verloren.

Der Zauber der Rückkehr meines Vaters – mager und mit glänzenden Augen nach langer Abwesenheit – hatte einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Meine Mutter strahlte, das Glück war vollkommen. Selbst wenn wir ihn schon am nächsten Tag wieder hergeben mussten, damit er sich verstecken konnte und wir bis zur Befreiung von der deutschen Besatzung wieder auf ihn verzichten mussten. Aber dank dieser Stippvisite bekamen mein Bruder Alain und ich eine kleine Schwester namens Muriel, die neun Monate später geboren wurde.

Und die Familie war um eine Künstlerin reicher: Muriel wurde Tänzerin, war Mitglied der Ballettensembles von Nancy und Angers und hat später am Conservatoire de l’Opéra in Paris unterrichtet. Eine einzige Nacht, mehr brauchte es nicht für ein drittes Kind. In Liebesdingen machten meine Eltern keine halben Sachen.

Als Papa wieder weg war, musste meine schwangere Mutter sich mit den Alltagsproblemen auseinandersetzen, die der Krieg mit sich brachte – sie musste ohne Papa zurechtzukommen. Sehr viel später, als er von uns ging, musste sie wieder ohne ihn leben. Aber mit der ihr eigenen Stärke und dem temperamentvollen Optimismus, der sie nach vorne schauen ließ, ohne dem Vergangenen endlos nachzutrauern, konnte sie die Dinge weiterhin genießen und blieb offen für Neues.

Weil sie mit meinem Vater nicht reisen konnte, der als Bildhauer ortsgebunden war, tat sie es mit mir, als er nicht mehr lebte. Sobald ich zwischen zwei Drehs genug Zeit hatte, entführte ich sie in ein fremdes Land. Jedes Mal mit demselben Entzücken, sie überschäumend vor Begeisterung und lachend zu sehen, von unstillbarer Neugier getrieben – bereit, alles zu erkunden, alles kennenzulernen. Die exotischen Gegenden, wo es entweder sehr kalt war, wie beispielsweise Alaska, oder auch sehr heiß, wie die Karibik, faszinierten sie am meisten.

Bei ihr wirkten die Jahre nie wie ein Gewicht, das sie niederdrückte. Das Alter hatte weder ihrer Lebenslust noch ihrer übersprudelnden Energie etwas anhaben können. Dafür hatte sie die Geschwindigkeit und die Intensität zu sehr geliebt. Und im Gegensatz zu den meisten, die auf dem Beifahrersitz der Autos – zumeist Sportwagen, deren leistungsstarke Motoren mir gefielen und die ich mit offenem Verdeck fuhr – Platz nahmen, verlangte Maman, dass ich noch weiter beschleunigte. Ihr gefiel dieser Geschwindigkeitsrausch. Die Tachonadel stand auf zweihundert Stundenkilometer, was für mich eine ordentliche Geschwindigkeit war, ihr hingegen reichte das nicht. Also drückte ich aufs Gaspedal, bis ich bei zweihundertzehn Stundenkilometern war, hoch erfreut, ihren Wunsch nach Exzess zu erfüllen und Komplize ihrer Unerschrockenheit zu sein. Sie jubelte, und ich lachte.

Wenn nach ihr ein Freund mit normalem Angstempfinden in einen meiner Rennwagen stieg, und es – nachdem ich ganz sachte aufs Gaspedal getreten war – nicht lange dauerte, bis er die reichhaltige Mahlzeit kurz zuvor bedauerte, Schluckauf bekam, grünlich blass wurde und zu sämtlichen Heiligen betete, selbst zu solchen, die es gar nicht gab, und mich schließlich anflehte, ihm das Leben zu lassen, dachte ich im Stillen, aber äußerst selbstzufrieden an meine wagemutige Mutter – sie war eine Klasse für sich.

Ich hätte jeden Mist für sie gemacht, und da ich ja Talent fürs Mistmachen hatte, war sie häufig glücklich. Selbst im Alter, als sie erblindet war und nicht mehr mit mir in fremde Länder reisen oder an meiner Seite improvisierte Rennen auf Frankreichs Straßen unternehmen konnte – als es noch keine Radarfallen und Bereitschaftspolizei gab –, ist sie weiterhin lächelnd auf Reisen gegangen. Ich besuchte sie und las ihr Romane vor. Ich habe meine ganze Seele hineingelegt, wie man so schön sagt.

Ich gebe zu, dass ich beim Spiel mit meiner Stimme womöglich ein wenig übertrieben habe, um bei ihr Bilder entstehen zu lassen. Der junge Schauspielschüler, der gelernt hatte, dass die Stimme im Theater bis zur letzten Reihe gelangen muss, und am Anfang vor der Kamera zu laut gesprochen hatte, wurde für sie wieder lebendig.

Ich würde mir wünschen, dass sie diese Zeilen aus meinem Mund hören könnte. Und dass sie noch einmal nach Clairefontaine zurückkehrt, mit mir.

Freie Kräfte

Am Himmel wimmelte es von Flugzeugen, Kondensstreifen und Blitzen. Ein Ehekrach unter Göttern, die darum stritten, wer in den Donnerwolken bleiben durfte. Dieses Schauspiel war faszinierend und furchteinflößend zugleich.

Ein gewaltiger, aus der Luft gut sichtbarer Wasserturm, nur ein paar Kilometer von unserem Haus in Clairefontaine entfernt, diente als Orientierungspunkt, zum einen für deutsche Flugzeuge beim Sturmangriff auf die fliegenden Festungen, zum anderen für amerikanische Bomber auf dem Weg nach Berlin. Ziemlich häufig fügten die Deutschen unseren Verbündeten erheblichen Schaden zu, was zu einem kamikazeartigen Sturzflug mit anschließendem tödlichen Absturz im Wald von Rambouillet führte.

Ich spielte gern den Abenteurer und hoffte von ganzem Herzen, dass der Zufall mein Fahrrad eines Tages zu einem dieser verwundeten Helden führen würde, der dann gewiss in seinem halbverkohlten Flugzeugwrack eingeklemmt war. Ich hätte mich dann auch als Held erweisen können, ihn aus seinem stählernen Grab befreien, mich dann jeden Tag um ihn kümmern und sein Zutrauen gewinnen können – in einem Geheimversteck, das ich ihm mit Zweigen und Farn gebaut hätte. Nach und nach wäre er wieder zu Kräften gekommen, bald wäre er so weit genesen, um mir von seinen Heldentaten zu berichten. Später, wenn er wieder ganz gesund geworden wäre, hätte er mir sogar das Fliegen beibringen können, und wie man eine halbautomatische Pistole, einen Revolver und ein Maschinengewehr benutzt. Wir hätten Freunde werden können, und er hätte dafür gesorgt, dass man mir nach Kriegsende einen amerikanischen Orden verleihen würde, weil ich ihn vor einem schrecklichen Ende bewahrt hatte. Meine Eltern wären stolz auf mich gewesen, und ich hätte wie Henri Guillaumet mit kurzen Hosen zu Saint-Exupéry sagen können: »Ich kann dir sagen: was ich getan habe, kein Tier hätte es fertiggebracht.«

Leider hatte ich nie die Gelegenheit, einem lebendigen amerikanischen Piloten zu begegnen. Die Vorsehung ist einem nicht immer wohlgesinnt. Die im Wald abgestürzten Piloten verschwanden, bevor ich sie finden konnte; andere Helden halfen ihnen, die – das musste man zugeben – echte Spezialisten auf diesem Gebiet waren.

Die Widerstandskämpfer hatten Übung in solchen Rettungsaktionen: Der Amerikaner wurde schnell evakuiert und irgendwo in einem Versteck in Sicherheit gebracht. Bevor sie ihn mitnahmen, räumten sie den Absturzort, so gründlich, dass außer einigen zerbrochenen Zweigen und angekokelten Büschen nichts mehr auf den Zwischenfall hinwies. Manchmal lagen noch einige vergessene, halb versteckte Patronenhülsen auf dem Boden: Ich suchte zwischen Blättern, Steinen oder in der Erde. Dann bewahrte ich sie wie Kriegsschätze auf und malte mir das Leben dieser tapferen Helden aus, die im Untergrund für die Befreiung Frankreichs kämpften.

Piloten-Veteranen begegnete ich zwar nicht vielen, toten Menschen dafür aber umso mehr. Meine Großmutter mütterlicherseits, die sehr gläubig war, legte meine Erziehung in die Hände des Pfarrers von Clairefontaine, und diese Verbindung mit der Kirche brachte mich früh mit dem Tod in Berührung. Der Pater schleppte mich regelmäßig mit in den Wald, wo wir nach zurückgelassenen Leichen suchten. Abbé Grazziani nahm sich diese Mission sehr zu Herzen, die ihm wahrscheinlich sein Chef dort oben im Himmel aufgetragen hatte; er brachte uns damit Respekt vor den Soldaten bei, die ihr Leben im Kampf um unsere Freiheit gelassen hatten. Die anderen Jungs und ich lernten unsere Lektion, auch wenn uns manchmal ein nervöses Lachen überkam, besonders in feierlichen Augenblicken, wo respektvolles Benehmen von uns erwartet wurde.

Dass diese Amerikaner in Frieden in einem Grab ruhen konnten, erforderte viel Kraft und Schweiß. Am schlimmsten war es, den schweren Körper anzuheben und ihn in den Holzsarg zu legen. Ich fragte mich immer, wie es der Abbé schaffte, Särge in der richtigen Länge zu finden. Diese Männer waren meist sehr groß, und ich hielt immer den Atem an, wenn wir den Körper hineinhievten. Würden die Beine herausragen? Nein. Wie maßgeschneidert.

Anschließend mussten wir im Garten hinter der kleinen Kirche von Clairefontaine ein Loch ausheben. Das erwies sich als ziemlich anstrengend. Auch wenn wir zu viert schaufelten, waren wir doch nur Kinder; wir konnten nicht besonders viel Erde auf einmal ausheben. Was uns aber bei dieser undankbaren – weil monotonen und schmutzigen – Arbeit motivierte, war das Taschengeld, das uns Abbé Grazziani netterweise als Entschädigung zahlte. Und dann natürlich die Befriedigung über die getane Arbeit, die Tiefe des eigenhändig geschaufelten Lochs, und die Fliegerbrille des Piloten auf dem Sarg, mit der wir diejenigen begruben, die sie noch auf der Nase trugen, wenn wir sie fanden. Wir waren nur Kinder, aber die Vorstellung, dass der Pilot mit seiner Brille in den Himmel kommen würde, rührte uns.

Ich weiß nicht, ob ich damals Angst vor dem Tod hatte. Wenn man noch ein Kind ist, ist der Tod weit weg. Ich weiß nur, dass mir die Bomben große Angst machten. Sie fielen überall. Sie waren nicht gerecht, schlugen zufällig und blind ein. Sie trafen oft Menschen, die es nicht verdienten – so viel wusste ich schon. Ich wusste auch, dass sie Kinder, Alte und viele trafen, die mir nahestanden, viele, die nicht an der Front waren.

Und dann war da noch der Lärm dieser Flugzeuge. Das erbarmungslose Geräusch der Maschinenpistolen. Vor all diesen Dingen fürchtete ich mich. Wenn der Lärm in Clairefontaine immer näher kam, schickte Maman uns in den Keller. Eines Tages lief ich nicht schnell genug und trödelte ein wenig auf dem Weg zur Kellertreppe. Ich tat, was ich konnte, um auszuweichen, aber der Flieger kam immer näher und schoss dabei mit seinem Maschinengewehr. Er war so nah, dass ich sogar den Kopf des Piloten sehen konnte. Ich fing an zu schreien und erreichte endlich die Kellertür. Selbst in Sicherheit hatte mich der Schrecken noch so fest im Griff, dass ich länger weinen musste. Maman bemühte sich, mich zu beruhigen, doch sie konnte mir die Angst nicht nehmen.

Fast überall, wo wir waren, gab es einen Keller, in dem man bei Bombenangriffen Schutz suchen konnte. Aber man musste ihn auch rechtzeitig erreichen. Bei Kriegsbeginn waren wir auf Anraten eines Freundes meiner Eltern, der Buchdrucker war, nach Guéret im Département Creuse geflüchtet. Dort hatten wir mit anderen Flüchtlingen in einem schönen Hotel gewohnt. Alles war prima, bis wir das Dröhnen der Flieger hörten.

Der Hotelchef, ein nervöser Mann, den die Unruhen des Krieges offenbar sehr erschütterten, bot daraufhin den in der Lobby versammelten Gästen an, durch eine Tür, auf die er zeigte, ins Untergeschoss des Hotels zu gehen. Er hielt den Schlüssel in der Hand, zitternd wie Espenlaub. Dicke Schweißtropfen hatten sich auf seiner Stirn gebildet und liefen ihm die Schläfen hinab. Die fahrigen Bewegungen des armen Mannes waren grotesk, und seine fehlende Gelassenheit übertrug sich allmählich auf die anderen.

Die Lobby war glasüberdacht – wunderschön, aber hochgefährlich: Wir waren auf dem Präsentierteller wie Goldfische in einem Glas, und vor allem konnte dieses Glasdach, unter dem wir gerade fast durchdrehten, unter Gewehrkugeln und Bomben einfach zerbersten, und die furchtbaren scharfen Scherben würden wie eine elfte Plage Ägyptens auf uns herabregnen.

Die Angst, die diese Aussicht auslöste, stand in den Gesichtern geschrieben, die starr jede noch so kleine Bewegung des Direktors verfolgten, der mit Druck überhaupt nicht umgehen konnte. Der Arme wusste nur zu gut, dass er als eine Art Moses uns alle retten musste, und diese allzu große Verantwortung hinderte ihn daran, den Schlüssel vernünftig ins Kellerschloss zu stecken. Seine Hand zitterte derart, dass ihm der Schlüssel fast runterfiel, und diese wenigen Sekunden genügten, um bei den anderen Panik auszulösen.

Auf die lähmende Stille – die Augen starr auf die Glasüberdachung oder auf das ungelenke Herumgefummel des Hoteldirektors gerichtet – folgte ein Rette-sich-wer-kann. Manche schrien, andere lachten, manche versuchten, sich zum Ausgang zu drängeln, andere scharten sich dicht um den gescheiterten Retter, als wollten sie ihn in die Tür hineinpressen. Es bestand die Gefahr, dass wir uns, falls wir nicht von den Glassplittern zerfetzt wurden, uns in dieser Hotellobby gegenseitig zu Tode trampeln würden. Die Szene war kurz, aber chaotisch. Sie endete, als jemand plötzlich die Stille über unseren Köpfen bemerkte. Die Flugzeuge waren weg, die Gefahr war gebannt.

Manchmal dauerte der Fliegeralarm länger, und wir mussten stundenlang im Keller eines Hauses oder in den Luftschutzräumen einer Stadt ausharren, beispielsweise in Paris.

Im Oktober 1942 waren wir mit Maman in unsere Wohnung in der Rue Victor-Considérant im vierzehnten Arrondissement zurückgekehrt. Häufig heulten die Sirenen zum Fliegeralarm, um Bomber anzukündigen. Wie alle Bewohner aus dem Viertel rannten wir dann zur Metrostation Denfert-Rochereau, weil der Schacht dort besonders tief war.

Die Station wurde zu einer Falle. Einige Pariser hatten sich anscheinend in den Gängen der Metro niedergelassen, auf den Bahnsteigen und sogar auf den Schienen. Überall Umrisse: schlafende Menschen. Jedes Mal, wenn ich sie sah, war ich erschüttert. Auf dem Land war der Krieg anders. In der Stadt herrschte mehr Elend. Es gab Menschen, die nur noch auf den Schienen Schutz finden konnten, die kein Clairefontaine hatten.

Auch auf den Straßen wurde ich Zeuge eines Desasters: diese langen, schwankenden Konvois aus Menschen, Autos, Lieferwagen, Fahrrädern, Haustieren, Hühnern … Von weitem sahen sie wie eine buntgescheckte, aber düstere Schlange aus. Diese Menschen gingen langsam und mit ernstem Blick. Einige waren bereits vom Marsch und den Sorgen ganz niedergedrückt.

Und schließlich führte einen der Krieg schnell auf die falsche Fährte. Man wusste weder, was die Menschen denken, noch auf welcher Seite sie standen. In Clairefontaine war mir aufgefallen, dass der Feuerwehrhauptmann nicht eindeutig Stellung bezog. Er stellte die Armbinde der FFI zur Schau, wenn es sein musste, und nahm sie wieder ab, wenn es hinderlich wurde. Im Grunde war er, könnte man sagen, ein Fähnchen im Wind. Doch leider war das völlig ausgeschlossen, wenn die Winde in entgegengesetzte Richtungen wehten.

Wenn es ernst wurde, musste man klar Stellung beziehen. Aber um zu überleben, waren etliche Leute offenbar bereit, keine Meinung mehr zu haben und zu vergessen, eine feste Position einzunehmen. Sie wollten Frieden um jeden Preis und opferten dafür sogar ihren Anstand. Nach Kriegsende sollten genau diese Menschen, ohne mit der Wimper zu zucken, an der Seite der Amerikaner marschieren, obwohl sie sich noch wenige Jahre zuvor zu Marschall Pétain bekannt hatten. Diese Doppelzüngigkeit war häufig gepaart mit ein wenig Dreistigkeit oder sogar Frechheit.

Bei Kriegsende war ich zwölf Jahre alt und hatte mir nichts vorzuwerfen. Oder zumindest nicht viel. Natürlich gab es diesen Tauschhandel, den wir mit unseren Befreiern unterhielten, und bei dem man Kaugummipäckchen und Chesterfield-Zigaretten gegen eine Kiste Tomaten tauschte oder – noch absurder – gegen eine Flasche Pflaumenbrand, die man aus dem Keller hervorgekramt hatte. Kaum hatten die Alliierten ihr Lager zwischen Clairefontaine und Rochefort-en-Yvelines aufgeschlagen, trieben mein Bruder und ich uns dort herum. Die zunächst nur unterhaltsamen Abstecher wurden richtig interessant, als wir den Tauschhandel für uns entdeckten. Auf dem Rückweg waren wir total aufgekratzt, weil wir mit richtigen Männern Handel trieben – die kleinen Franzosen mit den großen Amerikanern oder Engländern. Und die kostbaren Schätze aus Übersee, Radiergummis und Zigaretten, ließen uns vor Stolz die Brust schwellen. Auch, wenn ich mich natürlich nicht mit diesem Handel brüsten mochte, spürte ich doch nicht das geringste Schuldgefühl. Wir hatten gerade sechs lange Jahre des Verzichts hinter uns.

Den Clown spielen

Trotz unserer Proben waren wir nicht fertig. Aber das störte mich nicht sonderlich. Irgendwie hatten wir es bislang immer geschafft, die Aussetzer oder Augenblicke der Verwirrung zu überspielen, wenn niemand mehr wusste, was er tun oder sagen sollte, geschweige denn, welche Rolle er spielte. Wenn wir probten, war es uns egal, dass wir keinen Regisseur hatten, und niemand kam auf die Idee oder hatte Lust dazu, den Chef zu spielen, der erst Widerspruch und anschließend Verachtung erntete.

Eigentlich waren wir nur Bengel, die sich amüsieren wollten, und das ging besser ohne die Hilfe der Erwachsenen. Der Krieg machte es uns nicht leicht: Er appellierte an unsere Vernunft und hielt uns davon ab, unseren Eltern zusätzlich Kummer zu bereiten. Falls die Eltern noch lebten. Wir waren, im Gegenteil, Engelchen und wollten unsere Eltern ablenken, sie wenigstens zwanzig Minuten lang ihre Sorgen vergessen lassen. Und, ohne mich jetzt nachträglich zu weit aus dem Fenster zu lehnen, glaube ich, dass es uns gelungen war. Nicht nur mit unserem schauspielerischen Talent, sondern auch mit dem vergnüglichen Chaos, das wir anrichteten.

Alain und ich verstanden uns sehr gut mit den Kindern von Freunden unserer Eltern in Clairefontaine, besonders mit einem Jungen, der Pierrot hieß und mit dem wir ein Trio bildeten. Wenn wir hörten, dass die Erwachsenen gemeinsam zu Abend essen wollten, studierten wir ein Stück ein, das wir ihnen zum Apéritif vorspielten. Wir begannen so früh wie möglich mit den Proben, hatten jedoch ständig das Gefühl, dass die Zeit nicht reichte.

Auf dem Programm dieser kleinen Theaterfeste standen die paar Klassiker, die wir kannten, aber dabei blieb es nicht lange. Wir neigten eher zu Geschichten, bei denen die Helden Grenzen überschritten, sich ritterlich, mutig und erhaben verhielten. Ich liebte Die Drei Musketiere, weil in Alexandre Dumas’ Buch all diese Zutaten drinstecken: die Freundschaft des Gascogners d’Artagnan mit den drei anderen, die Schönheit von Milady, die Ehre der Königin, die auf dem Spiel steht. Alles an dieser Mantel-und-Degen-Geschichte begeisterte mich. Und für uns, das junge Theaterensemble vom Land, war das Stück gut geeignet, weil es ausreichend Rollen bot und mit wenigen Requisiten auskam, die einfach herzustellen waren: Wir nahmen Holz statt Eisen, Federn statt Blättern und bastelten die Halskrausen der Musketiere aus Papier.

Die überraschenden Wendungen und vielen Verfolgungsjagden mit anschließendem Duell waren außerdem ein guter Anlass, uns auszutoben, zu rennen, zu springen und so richtig Dampf abzulassen. Ich entdeckte die bestmögliche Ausrede fürs Unsinnmachen. Besser noch: um unter großem Applaus und von Glückwünschen begleitet herumzualbern, ohne Mamans Lächeln zu gefährden. Früh schon erkannte ich die Vorteile des Berufs, den ich später ausüben sollte.

Mir machte es solchen Spaß, herumzutoben, mich zu verkleiden und großzügig zu improvisieren, wenn ich in all der Aufregung meinen Text vergessen hatte, dass ich die Stücke in die Länge zog. Manchmal mussten sogar die Erwachsenen den Auftritt beenden, weil unser Unterhaltungsprogramm ermüdete.

Als wir Les Malheurs de Sophie spielten, flippten wir nicht ganz so schlimm aus wie sonst; der Text bremste unsere Verrücktheit etwas. Aber Ruhe kehrte auf den Brettern, die unsere Welt bedeuteten, trotzdem nicht ein. Dort vergaßen wir alles andere. Durch unsere kindliche Unschuld und ausgelassene Freude waren wir von der Last der Weltgeschichte befreit. Es gab nur einen einzigen Wermutstropfen: dass sich die Erwachsenen nicht häufiger trafen und damit ein ständiges Publikum garantierten, das immer verfügbar war, um uns bei unseren Faxen zuzusehen – mit unseren übergroßen Kleidern und mit Kohle aufgemalten Schnurrbärten. Mich mit Freunden, die es genauso gut meinten wie ich, zum Affen zu machen entwickelte sich bei mir ganz schnell zu einem echten Laster, dem ich regelmäßig und leidenschaftlich frönte.

In Piriac-sur-Mer im Département Loire-Atlantique, wo wir im Hotel Castel-Fleuri die Sommerferien verbrachten, freute ich mich so unbändig, meine Freunde wiederzutreffen, dass ich gleich doppelt so viel Energie aufbrachte. Zugegeben, jeder von uns fünf Quälgeistern brachte viel von seiner eigenen Persönlichkeit ins Spiel ein. Wir wollten uns gegenseitig mit Herumgekasper und Witzen übertrumpfen. Die Freiheit, die uns unsere Eltern im Sommer ließen, nutzten wir gut. In unserer netten Meute war ich derjenige, der es am meisten krachen ließ, aber auch der, der am besten Süßholz raspeln konnte, der Verbote abwendete, wenn sie über uns hereinzubrechen drohten, und so gut verhandeln konnte, dass ihm am Ende alles erlaubt wurde.

Übrigens stellte ich meine Schwadronierkünste auch offiziell unter Beweis. Eines Tages kam ich an einem Plakat für einen Wettbewerb vorbei, der von Schaustellern auf dem Dorfplatz ausgerichtet wurde: Gesucht wurde der beste Marktschreier der Gegend. Ich überlegte nicht lang und stellte mich natürlich vor, als einziger Junge unter den erwachsenen Teilnehmern; sie lockte der Gewinn, mich nur der Ruhm. Wir mussten ein bestimmtes Produkt anpreisen. Meins war ganz schön bescheuert: Ich sollte eine Unterhose bewerben. Meine Redegewandtheit für Unterwäsche!

Da mir meine Eltern immer mit gutem Beispiel vorangegangen waren, ging ich das Ganze von der komischen Seite an und glaubte fest daran, dass ich gewinnen würde. Denn der Schein trügte; entgegen allem Anschein hatte ich einen enormen Vorteil beim Anpreisen der Unterhose: Ich kannte das Produkt gut.

Unterhosen trug ich jeden Tag, bevorzugt weiße. Dadurch war ich unschlagbar. Ich konnte anmerken, wie wichtig beispielsweise der Gummizug, die Größe der Beinlöcher oder die Stoffdichte vorne und hinten waren. Und diese Vertrautheit mit dem Produkt konnte ich dem Publikum vermitteln. Jeder kannte den peinlichen Augenblick, wenn ein Slip rutscht, die Hose ausbeult oder zu hoch auf der Taille sitzt und in der Poritze klemmt. Es sollte also gar nicht so kompliziert sein, den Leuten etwas zu verkaufen, um das sie nicht herumkamen und mit dem sie so ihre Problemchen hatten.

Meine Argumente und meine Überzeugungskraft führten mich ganz nach oben aufs Siegertreppchen. Ich war stolz und konnte einen Lachanfall kaum unterdrücken, während meine Freunde mit weit aufgerissenen Augen zuschauten. Dank meines Rednertalents hatte ich den Hauptpreis gewonnen, der mich aber nicht sonderlich interessierte: ein Tafelservice. Aber mein Unwille hielt nur einige Sekunden lang an, dann fiel mir ein, wie ich daraus Kapital schlagen konnte.

In dem Hotel, wo wir die Ferien verbrachten, würde man sich über meinen Gewinn freuen. Also hatte ich die Teller und das ganze Brimborium den Eigentümern des Castel-Fleuri, Monsieur und Madame Loyer, untergejubelt. Sie hatten über meine Pfiffigkeit geschmunzelt und ich über das Taschengeld, das ich für mein schnelles Mundwerk bekam, wobei ich eigentlich nur das getan hatte, was ich am besten konnte: für Unterhaltung sorgen.

Aber meine Späße führten nicht immer zu klingelnden Kassen und Bargeld. Es kam auch vor, dass ich nichts dafür bekam, sondern einfach aus Jux und Tollerei spielte, um andere zum Lachen zu bringen. Angesichts der vielen Touristen kam mir eines Tages die Idee für einen Streich, den ich in dem Sommer gleich mehrmals vorführen konnte.

An der Küste flanierten viele Urlauber und gingen baden. Ich mischte mich unter sie und gab einen jungen Briten, der von der anderen Seite des Kanals in die Sommerfrische geschickt wurde. Alle nahmen mir die Rolle ab. Ich konnte den british accent problemlos nachmachen, genüsslich kleidete ich meine Sätze in eine englische Satzmelodie.

Offenbar kaufte man mir den jungen höflichen Engländer ab, der sich bemühte, die Landessprache zu sprechen, ohne dabei seine Wurzeln zu vergessen. Der Sketch funktionierte fantastisch: Die Touristen kamen gar nicht auf den Gedanken, an meiner Echtheit zu zweifeln, und meine Freunde lachten sich beim Zusehen scheckig. Meine Eltern und die anderen Erwachsenen, die ja meine wahre Identität kannten, bewunderten meinen Schneid und mussten über meine Faxen lachen. Sie wurden der Sache auch nicht überdrüssig, sondern gratulierten sich selbst, weil sie einen so fröhlichen, vor Lebensfreude sprühenden Jungen hatten. Leider flog ich irgendwann auf, als eins meiner Opfer mich fließend und akzentfrei Französisch sprechen hörte. Er wusch mir ordentlich den Kopf und ruinierte meinen Ruf in der Gegend, aber nur bis zum nächsten Sommer.

Ich mischte Gesellschaften auf, wo ich konnte, aber meistens beschränkte ich mich auf meinen heimatlichen Spielplatz: Paris. Dieser Stadt wollte ich die beste Show bieten, hier trug mein Talent als Clown erste Früchte. In dieser Stadt und vor allem in meinem Viertel, das ich liebte, in diesem riesigen Garten, in dem ich frei aufwachsen konnte.

Für mich waren das vierzehnte und die angrenzenden Arrondissements – das fünfte und das sechste – mein Lebenselixier: ein Garten Eden, der Olymp, Babylon. Nichts kam an die Rue Daguerre und ihre freundlichen Händler heran, an die Place Denfert-Rochereau und die Löwenstatue von Belfort, auf der ich herumkletterte. Die Alleen im Jardin de l’Observatoire, wo wir donnerstags mit Maman spazieren gingen, waren mein Stadion, wo ich – dank meiner kleinen Schwester – Kinderwagenrennen veranstaltete. Meine Freunde und ich rannten wie die Verrückten mit unseren jüngeren Geschwistern im Wagen um die Wette. Ab und zu fielen wir hin: Muriel hatte also unter meiner Tollpatschigkeit zu leiden, daran erinnert sie sich heute noch.

Die eleganten Damen im Restaurant La Coupole, die Cafés und Bistros, wo sich Künstler und Clochards herumtrieben, das dichte Menschengedränge in der Rue de Buci und der sonntägliche Markt am Boulevard Raspail verzauberten mich. Wir lebten in einem sehr privilegierten Viertel, in dem es noch Ruhe und Vogelgezwitscher gab, ohne dass es dort sterbenslangweilig war. Trotz des Friedhofs in unmittelbarer Nachbarschaft am anderen Ende der Rue Victor-Considérant, den wir aber von der Wohnung aus nicht sehen konnten.

Dort verbrachte ich glückliche Kindertage. Ich war noch nicht einmal zehn, aber ich betrachtete das Viertel als mein Königreich. Ich zählte seine Reichtümer und Untertanen, ich durchstreifte es mehrmals pro Woche, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung war, und um neue Orte ausfindig zu machen, wo man spielen könnte. Auch wenn es eigentlich gar nicht nötig war, weiter auszuschwärmen: Unser Haus bot mir genug Möglichkeiten; es war ein perfektes Zirkuszelt und außerdem sehr praktisch, weil ich dort eben wohnte.

Beim Zirkus hatte ich nur Erfahrungen als Zuschauer. Meine Mutter nahm uns an den Weihnachtsfeiertagen mit, um Clowns zu sehen. Sie faszinierten mich, ich konnte meine Augen nicht von ihren roten Nasen und ihren Grimassen, den gestreiften Kostümen und Fliegen abwenden. Ich träumte davon, einer von ihnen zu sein, die Menschen zum Lachen zu bringen und so wie sie Freude um mich herum zu verbreiten. Immer wieder sagte ich zu Maman: »Ich will auch Clown werden.« Sie hätte antworten können: »Bist du schon, mein Sohn.«