Melodie des Herzens - Carolyn Miller - E-Book
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Melodie des Herzens E-Book

Carolyn Miller

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Beschreibung

Ein Weihnachtsfest für eine junge Liebe England, Dezember 1813: Edith ist eingeladen, Weihnachten auf dem Landsitz ihrer Patentante zu feiern. Doch Ediths anfängliche Freude wandelt sich schnell ins Gegenteil, als sie erfährt, dass auch George Bannerman zu den Gästen gehört – der Mann, dessen Antrag sie aus Pflichtgefühl gegenüber ihrer Familie abgelehnt hatte, obwohl sie ihn liebt. Wie sollte sie ihre verantwortungsbewusste Fassade aufrechterhalten, wenn er ihr nun erneut gegenüberstehen würde? Auch George kämpft mit seinen Gefühlen. Er ist verletzt, aber liebt sie noch immer und ahnt, dass es ihr ähnlich geht. Während die Tage vor Heilig Abend geprägt sind von Gesellschaftsspielen, Vorbereitungen auf das große Fest und viel Musik, bleibt für die beiden nur eine Frage: Werden sie ihre Ängste und Pflichten beiseitelegen können, um zueinander zurückzufinden?

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CAROLYN MILLER

Melodie des Herzens

Aus dem amerikanischen Englisch von Susanne Naumann

SCM Hänssler ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe,

die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung,

die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher,

Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

ISBN 978-3-7751-7639-2 (E-Book)

© der deutschen Ausgabe 2024 SCM Hänssler in der SCM Verlagsgruppe GmbH

Max-Eyth-Straße 41 · 71088 Holzgerlingen

Internet: www.scm-haenssler.de · E-Mail: [email protected]

Originally published in English under the title: Heaven and Nature Sing

Übersetzung: Susanne Naumann (SuNSiDe)

Lektorat: Johanna Horle-Herdtfelder

Umschlaggestaltung: Jan Henkel, www.janhenkel.com

Titelbild: © Drunaa / Trevillion Images

Satz und E-Book-Erstellung: Satz & Medien Wieser, Aachen

Inhalt

Über die Autorin

Über das Buch

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Anmerkungen

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Über die Autorin

CAROLYN MILLER lebt mit ihrem Mann und ihren vier Kindern in New South Wales, Australien. Sie hat Romane aus der Regency-Zeit schon immer geliebt und ihre Romane, die in dieser Ära spielen, haben ihr viele Auszeichnungen eingetragen. Sie ist Mitglied der American Christian Fiction Writers Association und der Australasian Christian Writers. Sie finden ihre bestsellerverdächtigen Romane auf

www.carolynmillerauthor.com

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Über das Buch

Edith und George lieben beide die Musik – und einander. Doch zur Verlobung kam es nie … Als sie sich wiederbegegnen, bleibt die Frage, ob sie ihre Ängste und Pflichten beiseitelegen können, um zueinander zurückzufinden.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]

Kapitel 1

Dezember 1813

Die geblümte, in zarten Gold- und Rosétönen gehaltene Tapete des kleinen Salons verschwamm vor Ediths Augen, als Lady Grantleys Worte nach und nach in ihr Bewusstsein drangen.

»Wie bitte?« Ediths Mutter hob kämpferisch das Kinn und warf Edith einen Blick zu, der besagte, dass ihre Gastgeberin das keinesfalls ernst meinen konnte.

Lieber Gott, bitte, es darf nicht ihr Ernst sein, betete Edith.

»Was sagtest du gerade? Wer wird kommen?« Mama musste sich noch einmal vergewissern.

Lady Grantley – Ediths Patentante, die Witwe eines Baronets, dessen Tod niemand bedauert hatte, und schon immer eine der gastfreundlichsten Einwohnerinnen von ganz Wycombe – hob in einer nonchalanten Geste die Hand. »George. Er ist schließlich mein Patenkind. Ich dachte doch, du wüsstest das, Catherine.«

»Mitnichten«, antwortete Ediths Mutter alles andere als erfreut. »Und wenn wir gewusst hätten, dass er aus dem Ausland zurückgekehrt ist und dich besuchen will, hätten wir ganz sicher nicht …«

»Mama«, warnte Edith leise.

Lady Grantley blickte zwischen ihnen hin und her. »Ihr macht euch doch wohl keine Gedanken wegen dieser albernen Geschichte im vergangenen Jahr. Das ist so lange her …«

Nicht lange genug. Edith schob die Schuldgefühle, die der Gedanke an ihn unweigerlich in ihr weckte, beiseite und beeilte sich, den Verdacht ihrer Gastgeberin zu entkräften. »Sie haben recht, es ist in der Tat sehr lange her«, stimmte sie ihr zu – mit einer Gelassenheit, die sie selbst überraschte und mit nicht geringer Genugtuung erfüllte. »Sie können sich darauf verlassen, dass es zumindest von meiner Seite keinen Anlass zur Beunruhigung geben wird.«

Vater im Himmel, bitte lass es keinen Anlass zur Beunruhigung geben …

»Dessen bin ich sicher«, antwortete Lady Grantley freundlich.

Zu freundlich vielleicht? Edith sah sie misstrauisch an.

»Die anderen Gäste sind euch wahrscheinlich weniger bekannt.«

Damit setzte sie zu einer ausführlichen Beschreibung der übrigen Weihnachtsgäste an – Ladys, Lords, zumeist junge Leute, in Begleitung ihrer Eltern oder anderer Personen, die nur eine einzige Aufgabe hatten: passende Ehepartner für ihre Schützlinge zu finden. Edith kannte bereits so ziemlich alle geladenen Gäste, die Lady Grantley erwähnte, von einem Ball oder einem mehrtägigen Landsitzbesuch ganz ähnlich wie der, zu dem ihre Gastgeberin dieses Weihnachten einlud. Doch praktisch keiner von ihnen hatte auch noch ein einziges Wort mit ihr gewechselt, seit sie den Antrag des begehrtesten Junggesellen der Gegend, George Bannerman, ausgeschlagen hatte.

George Bannerman. Wieder wurde ihr schwer ums Herz.

»Edith, ich habe dir das Blaue Zimmer gegeben. Es hat einen sehr schönen Ausblick auf die Chilterns. Ich weiß, dass der Dezember in diesem Landstrich ein trostloser Monat sein kann, aber der Blick aus diesem Zimmer ist zu jeder Jahreszeit schön.«

»Vielen Dank.« Nun war sie doch überrascht. Mit einem solchen Zimmer hatte sie nicht gerechnet – nicht angesichts ihres gesellschaftlichen Status, der dem Vergleich mit dem der anderen jungen Damen und ihrer Begleitungen, die ihre Gastgeberin soeben aufgezählt hatte, nicht standhalten konnte. »Ich weiß Ihre Freundlichkeit sehr zu schätzen.«

Lady Grantley tätschelte Ediths Arm. »Deine Mutter hat bestimmt nichts dagegen, wenn ich das so sage: Du bist schließlich so etwas wie eine zweite Tochter für mich. Und nachdem meine liebe Maria in die Wildnis von Ayrshire gezogen ist, tut es mir gut, dass nun eine andere junge Dame ihren Platz einnimmt. Insbesondere, wenn sie so ausgezeichnete Manieren besitzt wie du.«

»Sie sind so freundlich!« Edith war gerührt.

»Unsinn! Weihnachten ist eine ganz besondere Zeit. Man sollte sie, wenn möglich, unbedingt mit Menschen verbringen, die man mag, nicht wahr? Ich muss dich allerdings warnen: Ich werde hin und wieder deine Hilfe brauchen, meine liebe Edith. Du hast hoffentlich nichts dagegen.«

»Natürlich nicht, Ma’am.«

Ein Geräusch von draußen ließ ihre Gastgeberin zum Fenster blicken. »Ah, da ist offenbar noch jemand gekommen.«

Bitte, lass es nicht George sein!

Glücklicherweise schien ihre Mutter ihren unausgesprochenen Gedanken zu lesen. »Wir gehen dann erst einmal hinauf, damit du dich deinen anderen Gästen widmen kannst.« Mama lächelte Lady Grantley an. »Vielen Dank für alles, Margaret. Es ist sehr freundlich von dir, dass du uns eingeladen hast.«

»Nun, ich kann doch nicht zulassen, dass meine älteste Freundin und mein liebstes Patenkind Weihnachten ganz allein verbringen. Ich freue mich sehr, dass ihr gekommen seid.«

Leider war sie die Einzige, die sich freute. Doch Edith schob diesen undankbaren Gedanken rasch beiseite und zwang sich, ebenfalls ein paar dankbare Worte zu murmeln, auch wenn ihr die anfängliche Freude über die Einladung vergangen war. Langsam stieg sie hinter ihrer Mutter die breite Mahagoni-Treppe hinauf – die, wie es hieß, der Treppe von Hartwell Abbey, der schönsten ihrer Art in ganz England, in nichts nachstand –, vorbei an Tapeten, auf denen arkadische Szenen fröhlicher Gesellschaften bei Musik und Tanz abgebildet waren.

Sie hatte sich wirklich darauf gefreut, Grantley House wiederzusehen. Weihnachten an einem Ort verbringen zu dürfen, an dem die Kosten für Kerzen und Käse keine Rolle spielten, erinnerte sie an ihr früheres Leben. Doch gleichzeitig war es natürlich eine Herausforderung für sie, in Gesellschaft so vieler Menschen ihre eingerosteten gesellschaftlichen Fertigkeiten unter Beweis stellen zu müssen. Sie war einfach aus der Übung. Und nun noch die Eröffnung ihrer Tante, dass er da sein würde … wie sollte sie das ertragen?

Ein paar Minuten später – man hatte sie zu ihren nebeneinanderliegenden Zimmern geführt, die beide eine prachtvolle Aussicht auf die schneebedeckten Hügel boten – entließen sie die Dienstmädchen und setzten sich auf das kleine blaue Sofa vor dem Kamin in Mamas Zimmer, in dem ein helles Feuer brannte.

»Nun, meine Liebe« – Mama tätschelte Edith die Hand –, »wie fühlst du dich?«

»Es wird bestimmt sehr schön«, antwortete Edith und strich ihren grauen Rock glatt – womit sie die eigentliche Antwort umging. »Ich freue mich, dass wir wieder einmal ein wenig Abwechslung von zu Hause haben, und Lady Grantley scheint entschlossen, dafür zu sorgen, dass wir die Zeit hier genießen werden.«

»Margaret ist sehr aufmerksam, das stimmt. Aber ich habe etwas anderes gemeint.«

»Etwas anderes?« Edith gab sich ahnungslos.

Die braunen Augen ihrer Mutter, die Ediths eigenen Augen so sehr glichen, sahen sie wissend an. »Du weißt genau, wen ich meine. Bitte glaube mir, ich hatte keine Ahnung, dass George hier sein würde. Wenn ja, hätte ich Margarets Einladung abgelehnt, ganz gleich, wie freundlich sie ausgesprochen wurde.«

»Es spielt keine Rolle, Mama, wirklich nicht.«

Doch vor dem allzu scharfsichtigen, allzu mitfühlenden Blick ihrer Mutter musste sie die Augen niederschlagen. Sie konnte es sich nicht erlauben, dass ihre Tränen, die noch immer dicht unter der Oberfläche lauerten, wieder von Neuem anfingen zu fließen. »Ich werde höflich sein – und er auch. Schließlich ist er ein Gentleman.«

Sie schluckte. George war bei ihrer letzten, schlimmsten Begegnung tatsächlich unerschütterlich höflich gewesen. Doch sie konnte sein blasses Gesicht nicht vergessen, den verletzten Blick, mit dem er sie angesehen hatte … selbst als er leise sagte, dass er die ganze Angelegenheit offenbar völlig missverstanden hätte, und sich entschuldigte und ihr versicherte, dass er sie ganz sicher nicht mehr belästigen werde.

Edith konnte ihm beim besten Willen keine Vorwürfe machen. Er war ein vollendeter Gentleman geblieben. Es ging einzig und allein um ihren Schmerz, ihren Stolz und eine Sache, über die nie wieder zu sprechen sie ihrer Großmutter gelobt hatte. Sie wünschte sich so sehr, dass sie alles erklären, um Vergebung bitten und auf eine zweite Chance hoffen dürfte! Doch sie wusste genau, dass sie das nicht verdiente.

Also schenkte sie ihrer Mutter ein strahlendes Lächeln und fragte in dem Versuch, sie abzulenken: »Glaubst du, dass wir bei Lady Grantley die üblichen weihnachtlichen Traditionen erleben werden? Ich habe bisher jedenfalls keine übertriebenen Dekorationen mit Tannenzweigen und Stechpalmen entdeckt.« Und zum Glück auch keine Misteln oder Kussbälle, diese mit winterlichem Grün besteckten Kugeln. Ihr wurde ganz heiß. Wenn er nun andere junge Damen unter dem Mistelzweig küsste, wie die Tradition es verlangte …

»Ich weiß, dass Margaret tut, was sie kann, um ihren Gästen Freude zu bereiten. Nach allem, was sie sagte, hat sie viele hübsche Überraschungen geplant, unter anderem einen Ball an Heiligabend.« Sie betrachtete Ediths eher langweilige Aufmachung. »Ich bin so froh, dass wir die Neugestaltung des Wohnzimmers noch einmal verschoben und dir stattdessen ein neues Ballkleid gekauft haben. Es wird Zeit, dass du wieder Farben trägst. Du wirst bestimmt sehr hübsch darin aussehen.«

Das hoffte Edith ebenfalls – zumal jetzt, da sie wusste, dass er anwesend sein würde. Sie wollte nicht aussehen wie das Mauerblümchen, eine Rolle, in der sie sich leider häufig wiederfand. Bei der Anprobe des neuen Kleides hatte ihr der Spiegel die Meinung der Näherin bestätigt, dass das tiefe Grün die roten Lichter in ihren Haaren sehr vorteilhaft zur Geltung bringe. Sie hatte hübsch ausgesehen und sich zum ersten Mal auch wieder so gefühlt.

»Vielleicht sollten wir wieder nach unten gehen«, schlug sie vor.

»Und uns den anderen Gästen stellen?« Mama seufzte. »Ich fürchte, es bleibt uns nichts anderes übrig. Aber bist du ganz sicher?«

»Vollkommen sicher.«

»Nun gut, dann gehen wir. Aber ich fürchte, jetzt brauchen wir beide das viel gerühmte Mansfield-Rückgrat.«

Das Mansfield-Rückgrat, das keine Schwäche zuließ, der Stolz, der sich nichts und niemandem beugte – ein Erbe ihres Vaters und ihrer Großmutter, das geholfen hatte, schon mehr als einen Skandal zu überstehen. »Ja.«

Sie riss sich zusammen, hob das Kinn und machte sich bereit, den Drachen im Salon entgegenzutreten.

Ein paar Minuten später zeigte sich das Mansfield-Rückgrat in seiner ganzen Stärke, während sie mit den anderen Gästen, die über Weihnachten nach Grantley House eingeladen waren, höfliche Nichtigkeiten austauschte – Bekannten wie Lady Anne Pennicooke, Miss Amelia Mowbray und Miss Emma Hammerson sowie deren Eltern und anderen Begleitpersonen. Ebenfalls eingeladen war eine Auswahl junger Gentlemen. Zum Teil waren sie Edith vage bekannt, sodass sie in der Lage war, sie angemessen zu begrüßen und damit zu beweisen, dass sie sie nach einem Jahr Abwesenheit vom gesellschaftlichen Parkett nicht ganz vergessen hatte. Doch warum sollte sie sich an sie erinnern, wo doch ihre ganze Aufmerksamkeit dem einen Gentleman galt, den sie bis jetzt noch nicht erblickt hatte?

Ihr Lächeln wirkte allmählich etwas angestrengt, ihr Herz schlug schneller. Gleich würde er da sein. Gleich würde sie ihn begrüßen müssen, würde so tun müssen, als empfände sie nichts als Gleichgültigkeit, würde lächeln und lachen und sagen müssen, dass …

»Guten Tag, Miss Mansfield.«

Die Stimme! Ihr Herz schlug einen wilden Wirbel. Gott im Himmel, gib mir Kraft! Sie schloss kurz die Augen und wappnete sich innerlich, dann wandte sie sich um. Sein grüngoldener Blick traf sie. »Guten Tag, Mr Bannerman.«

In seinen Augen schien etwas aufzublitzen, dann streckte er die Hand aus. Sie ergriff sie automatisch. Eine warme Hand, ein leichter Druck, dann ließ er ihre Hand auch schon wieder los. Ihre Haut prickelte, ihr Herz raste.

Sie neigte den Kopf, lächelte ein wenig steif und befahl ihren Füßen, langsam zum Kamin auf der anderen Seite des Raums zu gehen, wo die anderen jungen Damen standen. Nicht zu schnell, um keine Spekulationen darüber hervorzurufen, warum sie nicht bei ihm stehen geblieben war, aber auch nicht zu langsam, sodass man hätte denken können, dass sie lieber noch mit ihm geplaudert hätte.

So. Das Schlimmste war überstanden und sie hatte es überlebt. Ihr Lächeln wirkte wahrscheinlich etwas gekünstelt – an den aufgerissenen Augen der jungen Damen, in deren Kreis sie jetzt stand, sah sie, dass sie es unbedingt noch ein wenig länger beibehalten musste –, doch sie hatte es überlebt. Sie hatte es überlebt! Die Begegnung hatte sie nur traurig gemacht, Schmerz, gemischt mit Reue, machte ihr das Atmen schwer. Sie zupfte an dem lila Band, mit dem ihr Kleid besetzt war, und verbarg ihre aufgewühlten Gefühle hinter ganz besonderer Höflichkeit und Aufmerksamkeit für ihre Gastgeberin. Es war schließlich nicht Lady Grantleys Schuld, dass Edith ihre widerspenstigen Gefühle noch immer nicht unter Kontrolle hatte.

Sie trat näher zu Lady Anne, die gerade etwas erzählte, und versuchte mit aller Macht, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.

»… und Mama sagt, dass ich in der nächsten Saison bei Hof vorgestellt werden soll! Ich freue mich schon so darauf, die Prinzessinnen zu sehen!«

Da die anderen Damen nicht auf diese Ankündigung reagierten und Lady Annes begeistertes Gesicht sich plötzlich überschattete, sagte Edith freundlich: »Das wird bestimmt sehr aufregend. Haben Sie schon ein Kleid für diesen Anlass, Lady Anne?«

Lady Anne schenkte ihr einen Blick, den man nur als dankbar bezeichnen konnte, und begann, ihr Kleid in allen Einzelheiten zu beschreiben: den Perlenbesatz, die Stickereien, die Spitze, den Chiffon. Irgendwann unterbrach sie sich und legte den Kopf schief: »Sie wurden noch nicht vorgestellt, nicht wahr, Miss Mansfield?«

»Nein.«

»Das war wohl nicht möglich, nachdem …« Ihre Stimme erstarb. Sie warf Edith einen raschen, ängstlichen Blick zu und drehte sich zu Miss Mowbray um, deren häufige Blicke auf ihre Fingernägel und hartnäckiges Schweigen maßlose Langeweile verrieten. »Gefällt Ihnen London, Miss Mowbray?«

»Ja.«

Daraufhin breitete sich, da keine weiteren Äußerungen fielen, ein peinliches Schweigen aus.

Du liebe Güte. Die Hausparty der armen Lady Grantley fing gar nicht gut an. Edith wandte sich an das vierte Mitglied ihres Kreises und machte eine Bemerkung zu ihrem rosafarbenen Kleid. »Die Farbe steht Ihnen sehr gut, Miss Hammerson.«

»Oh!« Miss Hammerson nahm exakt die Farbe ihres Kleides an. »Vielen Dank, Miss Mansfield.«

»Bitte, sagen Sie doch Edith.«

»Dann müssen Sie Emma sagen. Sie sind sehr freundlich …«

»Ich mag Rosa nicht«, verkündete Miss Mowbray. »Mama sagt, es steht mir nicht.«

Nach einem kurzen, unbehaglichen Schweigen murmelte Edith: »Bestimmte Farben stehen nicht jedem zu Gesicht, das stimmt.« Sie schenkte der erneut tiefrot gewordenen Emma ein ermutigendes Lächeln. »Aber wenn jemand den perfekten Farbton gefunden hat, dann ist es wichtig, ihn so oft wie möglich zu tragen.«

»D-danke. Sie sind so …«

»Immer dieselbe Farbe tragen? Das ist doch langweilig! Davon halte ich nichts.«

Edith verbiss sich die Worte, die sie am liebsten gesagt hätte, schürzte die Lippen und lächelte Miss Hammerson mitfühlend an, während Miss Mowbray fortfuhr, ihre Meinung zu Kleidern und Farben und Bällen kundzutun, ehe das Gespräch sich den Eheschließungen und Verlobungen der letzten Monate zuwandte.

»Haben Sie schon das Neueste von Lord Hawkesbury gehört?«, fragte Lady Anne. Als die Frage allgemein verneint wurde, fuhr sie lebhaft fort: »Oh, er ist so ein gut aussehender Mann! Ich habe ihn vor einem Monat in London gesehen. Er hat im Unabhängigkeitskrieg mit Wellesley gekämpft und soll so viele Männer gerettet haben. Ich liebe mutige Männer!«

»Und ist er noch unverheiratet?«, fragte Miss Mowbray, ein interessiertes Glitzern in den Augen.

Lady Anne runzelte die Stirn. »Es gibt Gerüchte über ihn und eine Miss Ellison – die Tochter eines einfachen Geistlichen, man fasst es kaum! Sie ist wirklich keine Schönheit, aber sie hat eine sehr schöne Singstimme. Ich hörte sie singen, als ich in London war.«

»Sie hat ihn also mit ihrer Stimme verhext? Wenn nur alle Männer so leicht zu bezaubern wären«, sagte Miss Mowbray mit einem Blick auf Edith, der das genaue Gegenteil besagte.

Edith gelang es, ihr Lächeln beizubehalten. Hoffentlich wirkte sie nicht allzu unhöflich, als sie sich jetzt Miss Hammerson zuwandte. Doch bevor sie etwas sagen konnte, fragte Lady Anne: »Sie haben auch eine sehr schöne Singstimme, nicht wahr, Miss Mansfield?«

»Ich singe gern«, antwortete Edith vorsichtig.

»Ich erinnere mich, Sie bei Tante Margarets Musikabend gehört zu haben.«

»Lady Grantley ist Ihre Tante?«

»Nun ja, nicht wirklich.« Lady Anne zog ihren Handschuh hoch und strich ihn glatt. »Eigentlich ist sie meine Patentante, aber Mama und sie sind sehr gute Freundinnen. Sie besteht darauf, dass ich sie Tante nenne.«

Gütiger Himmel. Wie viele Patenkinder hatte Lady Grantley eigentlich?

»Ich meine mich zu erinnern, dass Sie damals zusammen mit Mr Bannerman gesungen haben, nicht wahr?«, beharrte Lady Anne.

Ediths Kehle wurde eng. »Ja.«

Es war eine ihrer glücklichsten Erinnerungen, bevor ihr Leben eine Wendung zum Schlimmsten genommen hatte.

Emma lächelte sie schüchtern an. »Ich hoffe sehr, dass Sie uns die Freude machen, Sie singen zu hören.«

Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Mama ihr gestatten würde, eine entsprechende Aufforderung abzulehnen. »Wenn ich Gelegenheit dazu habe und Lady Grantley einverstanden ist, gern.«

»Ich höre zu gern gute Stimmen«, sagte Emma. »Ich glaube, das gehört zu den größten Genüssen, die uns das Leben schenkt.«

Edith lächelte die andere voller Zuneigung an. Miss Emma Hammerson war wirklich ein liebes Mädchen.

»Und Mr Bannerman?«

Ihr Herzschlag beschleunigte sich.

»Glauben Sie, er lässt sich ebenfalls dazu überreden?«, fuhr Miss Mowbray fort. »Oder denken Sie nicht, dass er es dieses Jahr vorzieht, solo zu singen?«

Edith antwortete steif: »Das weiß ich beim besten Willen nicht.«

»Nun, ich hoffe, dass er sich zu einem Duett bereitfindet. Ich singe sehr gerne zusammen mit einem gut aussehenden Gentleman.«

Das überraschte sie nicht. Edith war sich der Mutmaßungen in den Augen der jungen Dame wohl bewusst. Sie zwang sich, ihre Schultern zu entspannen und ihrem Lächeln einen entschiedenen Anflug von Echtheit zu verleihen, während sie freundlich antwortete: »Er singt bestimmt sehr gern mit Ihnen, Miss Mowbray. Ich kann mir keine hübschere Partnerin als Sie vorstellen.«

»Sie sind zu freundlich«, säuselte die geschmeichelte Miss Mowbray.

»Ich sage nur die Wahrheit«, erwiderte Edith.

Und das stimmte sogar. Miss Mowbray war auf eine entzückende Weise hübsch, die Edith schon immer bewundert hatte, vollkommen und anmutig wie ein Dresdener Porzellanfigürchen. Sie hatte nie verstanden, warum George einst seiner Bewunderung für …

Genug. Das war vorbei. Vergangen. Es hatte keinen Sinn, etwas zu bereuen, auch wenn sie sich manchmal fragte, ob es klug gewesen war, Großmamas Rat so demütig zu befolgen. Und wenn es die Strafe für ihren Irrtum war, ihn in den Armen einer anderen zu sehen, dann hatte sie das verdient. Gott mochte barmherzig sein, doch auch seine Barmherzigkeit hatte Grenzen. Nach den letzten Jahren war sie sicher, dass sie weitaus mehr von seiner Gnade und Barmherzigkeit aufgebraucht hatte, als ihr zustand. Sie war zufrieden. Jedenfalls weitgehend. Es wäre selbstsüchtig, mehr zu verlangen.