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Mit dem Methodenbuch steht ein erprobtes Verfahren zur Verfügung, das eine Umsetzung der Grundsätze und Ziele des Situationsansatzes in den pädagogischen Alltag ermöglichen. Die beschriebenen Methoden und Verfahren strukturieren und reduzieren die Komplexität der Alltagswirklichkeit. Das Buch schließt die Lücke, die zwischen dem anspruchsvollen Konzept „Situationsansatz" und der mancherorts vorfindbaren Umsetzung besteht.
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Seitenzahl: 218
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Daniela Kobelt Neuhaus / Ludger Pesch
Das Methodenbuch zum Situationsansatz
Planungsschritte in der Praxis umsetzen
Hinweis: Die Seitenzahlen im Fließtext beziehen sich auf die Originalausgabe des Buchs in Printform.
Fragen, Anmerkungen, Wünsche und Kritik
richten Sie bitte an:
Karl Kübel Stiftung für Kind und Familie
Darmstädter Straße 100, D 64625 Bensheim
Telefon +49 (6251) 7005 26
Fax +49 (6251) 7005 8820
www.kkstiftung.de
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2015
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Umschlaggestaltung: Christiane Hemmerich – Konzeption und Gestaltung, Tübingen
Innengestaltung: post scriptum, Emmendingen / Hinterzarten
E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
ISBN (E-Book) 978-3-451-80498-4
ISBN (Buch) 978-3-451-32894-7
Inhalt
Vorwort
Einführung
Eine kurze Darstellung des Situationsansatzes
Die Planungsschritte im Situationsansatz
Wie Sie mit diesem Buch arbeiten können
Die Methoden
Konzept – Methode – Verfahren
1.Perspektive der Kinder
AEHRD1.1 Entwicklungsdokumentation mit dem »Ich-Buch« und Zielvereinbarungen mit Kindern
AEHRD1.2 Kinder als Reiseleiter: Umfeldbegehung und Lebensfelderkundung
AEHRD1.3 Leitfragen für ein Hortkinderinterview
AEHRD1.4 Kinderkonferenz
AEHRD1.5 Abstimmungsmethoden
AEHRD1.6 Hort: Von der Kinderrunde zum Kinderabend
AEHRD1.7 Kinder an der Beobachtung beteiligen
AEHRD1.8 Das Gruppentagebuch
2.Perspektive der Eltern
AEHRD2.1 Elternbefragung zu Flexibilisierungswünschen
AEHRD2.2 Elternbefragung zur Dokumentation der Arbeit
AEHRD2.3 Aufnahme- oder Anamnese-Bogen
AEHRD2.4 Checkliste zum Beschwerdemanagement
AEHRD2.5 Leitfaden zu Entwicklungsgesprächen mit Eltern
3.Perspektive der pädagogischen Fachkräfte
AEHRD3.1 Beobachtung mit dem »Vierspalter«
AEHRD3.2 Beobachtungsbogen: Tagesablauf eines einzelnen Kindes
AEHRD3.3 Schnelles Beobachten im Alltag
AEHRD3.4 Auswertung von Kinderbeobachtungen
AEHRD3.5 Gedankenreise durch den Alltag der Kindertageseinrichtung
AEHRD3.6 Schlüsselsituationen finden
AEHRD3.7 Das Kinder-Kontakt-Soziogramm
AEHRD3.8 Fragen zur Analyse einer Schlüsselsituation und zur Planung von Arbeitsschritten
AEHRD3.9 Eine Schlüsselsituation definieren
AEHRD3.10 Hilfen zur Qualifikationsbestimmung und pädagogischen Planung
AEHRD3.11 Vorurteilsbewusstsein entwickeln
AEHRD3.12 Evaluationsfragebogen zur inklusiven Pädagogik
AEHRD3.13 Leitfaden zur Zusammenarbeit mit Eltern
AEHRD3.14 Hausaufgabenprotokolle für Schulkinder
AEHRD3.15 Time-line meiner Berufsgeschichte
AEHRD3.16 Leitfragen zur beruflichen Situationsanalyse
4.Perspektive des Teams
AEHRD4.1 Das Diskussionsspiel zum Situationsansatz: Fragen zur Entscheidungsfindung und Handlungsentwicklung
AEHRD4.2 Wochenreflexion im Gruppenteam
AEHRD4.3 Situationserörterung im Team
AEHRD4.4 Diskussionsleitfaden zur Altersmischung
AEHRD4.5 Leitfaden: Zehn Raum-Regeln im Situationsansatz
AEHRD4.6 Leitfaden zur Bildungsqualität der Einrichtung
AEHRD4.7 Reflexion zur Gestaltung von Dienstbesprechungen
AEHRD4.8 Die Gesprächskultur mit Regeln sichern
AEHRD4.9 Einschätzungsbogen zur Qualität der Teambesprechungen
AEHRD4.10 Leitfaden zur Qualität der Arbeit im Team
AEHRD4.11 Das Eisbergmodell
AEHRD4.12 Vier-Felder-Matrix (Portfolio-Analyse) als Entscheidungsmethode
AEHRD4.13 Die Fünffingerregel zur Auswertung
AEHRD4.14 Ishikawa- oder Ursache-Wirkungs-Diagramm
AEHRD4.15 Kraftfeldanalyse
AEHRD4.16 Reflecting Team
AEHRD4.17 Protokolle in Tabellenform
AEHRD4.18 Tätigkeitskatalog/Maßnahmenplan
5.Viele Perspektiven
AEHRD5.1 Eingewöhnung eines Kindes
AEHRD5.2 Fallbesprechung: Auswertung von Beobachtungen im Gruppengespräch
AEHRD5.3 Leitfragen zur Hospitation
AEHRD5.4 Projektdokumentation
AEHRD5.5 Brainstorming
AEHRD5.6 Stärken-Schwächen-Analyse
AEHRD5.7 Checkliste: Anleitungsgespräch mit Praktikanten/Praktikantinnen
AEHRD5.8 Die 6 Denkhüte – De-Bono-Methode
AEHRD5.9 Fish-Bowl
AEHRD5.10 Flussdiagramm
AEHRD5.11 Das Karussellgespräch
AEHRD5.12 Kollegiale Beratung
AEHRD5.13 Kleine Feedback-Verfahren für den Alltag
AEHRD5.14 Metaplan- oder Moderations-Methode
AEHRD5.15 Methode 6-5-3
AEHRD5.16 Das Mind Map
AEHRD5.17 Leitfaden zur Erstellung eines Portfolios
Arbeitsvorlagen zu den Methoden
Arbeitsvorlagen zu Kapitel 1
Arbeitsvorlagen zu Kapitel 2
Arbeitsvorlagen zu Kapitel 3
Arbeitsvorlagen zu Kapitel 4
Arbeitsvorlagen zu Kapitel 5
Anhang
Die Autoren
Das Institut für den Situationsansatz
Leitbild, theoretische Dimensionen und Grundsätze im Situationsansatz
Literaturverzeichnis
Mit dem Methodenbuch zum Situationsansatz stellen wir erprobte Verfahren zur Verfügung, die eine Umsetzung der Grundsätze und Ziele des Situationsansatzes in den pädagogischen Alltag ermöglichen. Die beschriebenen Methoden und Verfahren strukturieren und reduzieren die Komplexität der Alltagswirklichkeit. Dennoch sind sie offen für die unterschiedlichen Perspektiven der Beteiligten, die den Reichtum des Lebens ausmachen. Wir möchten damit eine Lücke schließen helfen zwischen dem anspruchsvollen Konzept »Situationsansatz« und dessen Umsetzung in die Praxis.
Die in diesem Band zusammengestellten Methoden und Verfahren sind Grundlage für ein strukturiertes und nachvollziehbares Vorgehen im pädagogischen Alltag und unterstützen damit auch das Qualitätsmanagement einer Kindertageseinrichtung. Die präsentierten Verfahren sind sämtlich erprobt und eignen sich prinzipiell für alle Dimensionen der pädagogischen Arbeit.
Wir möchten mit diesem Methodenbuch Erzieherinnen und Erzieher unterstützen, die in ihrer Einrichtung den Situationsansatz praktizieren (wollen), und Arbeitshilfen anbieten für die Aus-, Fort- und Weiterbildung.
Unser Dank gilt allen Kolleginnen und Kollegen, die uns bei der Zusammenstellung dieses Buches unterstützt und mit denen wir in den vergangenen Jahren die vorgestellten Methoden entwickelt und erprobt haben. Soweit dies für uns möglich war, haben wir die einzelnen Kolleginnen und Kollegen im Text namentlich erwähnt. Sollten wir Impulsgeberinnen und -geber übersehen haben, so geschah dies unabsichtlich; wir bitten um Verständnis und eine Kontaktaufnahme. Bei einer weiteren Auflage dieses Buches werden wir eventuell Versäumtes selbstverständlich nachholen.
Wir wünschen allen pädagogischen Fachkräften, die oft unter schwierigen Umständen Erstaunliches in der Bildung und Erziehung leisten, viel Erfolg und hoffen, mit diesem Buch hilfreiche Unterstützung geben zu können.
Daniela Kobelt Neuhaus & Ludger Pesch
Der Situationsansatz »ist eine Einladung, sich auf das Leben einzulassen« (Jürgen Zimmer). Er geht aus von Lebenssituationen der Kinder und ihrer Familien, erschließt sie als Lernsituationen und formuliert den Anspruch, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene ihre Lebenswelt gemeinsam gestalten und auf gesellschaftliche Prozesse Einfluss nehmen können. Jedes Mädchen und jeder Junge hat von Anfang an das Recht, sich die Welt eigenaktiv mit allen Sinnen zu erschließen und sein Leben mit zu gestalten.
Ziel des Situationsansatzes ist es, dass sich alle Kinder – und damit sind wirklich ALLE Kinder gemeint – Kompetenzen aneignen können, mit denen sie in einer sich wandelnden Welt selbstständig, solidarisch und sachkompetent handeln können. Der Situationsansatz bezieht Lernprozesse auf erfahrbare Schlüsselsituationen. Zur Schlüsselsituation wird eine reale Lebenssituation dadurch, dass die handelnden Personen in der Analyse und Bearbeitung der Situation Kompetenzen erwerben, die ihnen einen Gewinn an Autonomie bringen. Es sind Situationen, die für Kinder über das jetzige aktuelle Erleben hinaus von Bedeutung sind.
Die »Arbeitsgruppe Vorschulerziehung« am Deutschen Jugendinstitut hat Kriterien für die Bestimmung von Schlüsselsituationen entwickelt, die von Jürgen Zimmer, dem Begründer des Situationsansatzes, ergänzt und modifiziert wurden:
»Es sollen Situationen sein, innerhalb derer wichtige Ziele und Werte des Situationsansatzes – wie Autonomie, Kompetenz, Solidarität, ökologische Verantwortung und Unternehmergeist – gefördert werden können.
Es sollen beeinflussbare, gestaltbare Situationen sein, in denen ein kleines realutopisches Moment aufschimmert, das Wirklichkeit werden will. Damit ist gemeint, dass Situationen einen Aufforderungscharakter haben sollen, etwas Neues, aber nicht etwas Unüberwindbares geschaffen oder gestaltet werden soll. Nicht die Wiederholung von schon Bekanntem ist interessant, sondern der Fortschritt! Keine eingeschliffenen Reaktionen perpetuieren, sondern Veränderungen ausprobieren.
Es sollen Situationen sein, in denen – (…) – die Sachen geklärt und Menschen gestärkt werden können.
Es sollen möglichst Situationen sein, die zur Lust am Leben beitragen – Probleme eingeschlossen, wenn’s geht so, dass ihre Bewältigung auch Vergnügen bereiten kann.
Es können Situationen sein, in die fast alle geraten, und solche, die nur eine kleinere Gruppe oder auch nur ein Kind betreffen.
Es können Noch-nicht-Situationen sein, die geschaffen werden wollen« (Zimmer 2000, S. 75).
Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten werden nicht in künstlich hergestellten, sondern in ihren Norm- und Sinnzusammenhängen erworben. Sachbezogenes und soziales Lernen bilden im Situationsansatz eine Einheit und verankern sich in personaler Kompetenz. Kinder erwerben je nach ihren Vorerfahrungen, ihrem Vorwissen, ihren entwicklungsbezogenen Interessen oder ihrem Temperament in ein und derselben Situation unterschiedliche Kompetenzen. Damit entwickeln sich Lernsituationen stets verschieden – so, dass die Erwachsenen mit den Kindern mitlernen.
Externe Evaluationen haben nachgewiesen, dass Konzeptionen, die den Situationsansatz widerspiegeln, eine tragfähige Grundlage für die Arbeit mit Kindern sind und in ihrem exemplarischen Lernen nachhaltige Wirkung zeigen, auch gerade weil die Eigenaktivität der Kinder herausgefordert wird und weil Lernen stets Kinder und Erwachsene betrifft. Grundlagen des Situationsansatzes sind sein Leitbild bzw. sein »Bild vom Lernen«, die fünf Dimensionen und die 16 pädagogischen Grundsätze. Sie bieten Fachkräften und interessierten Teams die Möglichkeit, über die eigene Praxis nachzudenken und sie weiterzuentwickeln (vgl. Preissing & Heller 2009).
Der Situationsansatz ist ein systemisches Konzept, das die stetige Optimierung kindlicher Entwicklung, Entfaltung und Bildung im Blick hat und Planung als zentrales Element der Pädagogik versteht. Die Planungsschritte im Situationsansatz sind »Analysieren«, »Entscheiden«, »Handeln«, »Reflektieren« und »Dokumentieren«.
Dieser Planungsschritt betrifft die Auswahl und die Analyse von bedeutsamen Lebenssituationen für Kinder und Familien. Um eine Situation zu erkunden, ist es sinnvoll, auch andere Menschen mit einzubeziehen. Das können die Kinder sein, ihre Eltern, Kolleginnen und Kollegen oder Expertinnen und Experten für bestimmte Themen. Situationen sind immer interpretationsbedürftig und werden von Menschen sehr individuell wahrgenommen.
Folgende Grundfragen und Anregungen (vgl. das »Diskussionsspiel zum Situationsansatz«, Seite 66) können die Situationserkundung unterstützen:
Was geht mich das an?
Was weiß ich darüber?
Was ist mir unklar?
Woher bekomme ich die notwendigen Informationen?
Zur vertiefenden Situationsanalyse übernehme ich folgende Aufgaben …
(Heller u.a. 1998, S. 10)
Die Auswahl einer Situation ist bereits eine erste Entscheidung, der erste Akt der Interpretation. Um eine Entscheidung zu treffen, muss man mit dieser ein Ziel verbinden. Sich für oder gegen eine Situation zu entscheiden ist das Ergebnis einer Abwägung, die Verbesserungs- oder Realisierungsmöglichkeiten von Aufgaben oder Zielsetzungen auf den Prüfstand stellt.
Ziele im Situationsansatz haben immer die Kinder im Blick bzw. deren selbstbestimmte Entwicklung und Kompetenzerweiterung. Damit Kinder ihre Entwicklungsaufgaben ernst nehmen können, benötigen sie manchmal Erwachsene, die ihnen Wege aufzeigen, den Bildungsgehalt von Situationen herausarbeiten und ihr Kontextwissen zur Verfügung stellen (Zimmer 2000, S. 77).
Entscheidungsfragen können sein:
Was will ich mit dem Aufgreifen der Situation bewirken?
Wohin soll es gehen? (Absprache zur Einigung auf ein gemeinsames Ziel hin)
Welche Erfahrungen sollen den Kindern ermöglicht werden? (Selbst- und Welterfahrung)
Welche Kompetenzen können Kinder erwerben? (Ich-, Sozial-, Sachkompetenz)
Welche Kompetenzen brauchen bzw. erwerben die Erwachsenen? (Eltern, pädagogische Fachkräfte, das Team, andere Personen)
Welches Ziel ist wem besonders wichtig?
(Preissing & Heller 2009, S. 310; Heller u.a. 1998, S. 10)
Handeln, Lernen und Entwickeln von Situationen geschieht in der Realität des Alltags. Pädagogisches Agieren stellt einen Zusammenhang zwischen der Situationsanalyse und der Zielbestimmung her. Die Kunst ist, das Repertoire an Aktivitäten und Spielformen der traditionellen Pädagogik in Kindertageseinrichtungen so zu nutzen, dass ein Bezug zur Situation bleibt, aber nicht vor lauter Projekten, Rollenspielen, Musikangeboten oder Kunst und Werken ein Stundenplan entsteht, der die grundlegenden Ziele des Situationsansatzes (Autonomie, Kompetenz, Solidarität …) aus dem Blick verliert.
Pädagogisches Handeln sollte differenzierend angelegt sein, d.h. Alter, Entwicklung, Geschlecht etc. der Kinder berücksichtigen. Es sollte herausfordern und die Selbsttätigkeit der Kinder anregen, ihre Mitbestimmung einfordern. Als weitere Prüfsteine für pädagogische Aktivitäten fordert Zimmer (2000, S. 79), dass sie unterschiedliche Kompetenzbereiche ansprechen, kognitive und emotionale Entwicklung von Kindern unterstützen, Bildung und Handlungsfähigkeit im Blick haben und die sozialen Sinnzusammenhänge entfalten. Kinder sollen ihre Vorerfahrungen einbringen können, ihre Person soll ganzheitlich angesprochen werden, d.h. Gefühle, Sinne, Fantasie und Körperlichkeit werden berücksichtigt.
Pädagogisches Handeln geschieht nicht im luftleeren Raum, sondern berücksichtigt das Lebensumfeld der Kinder, interkulturelle Fragen und Unterschiede in kindlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Kinder mit Behinderung gehören ebenso dazu wie Kinder, die Schwierigkeiten haben, sich in Gruppen einzufinden, oder Kinder, die besonders begabt sind.
Pädagogisches Handeln bezieht Eltern und Familien, Nachbarn und das Gemeinwesen mit ein und nimmt Rücksicht auf andere Interessen sowie örtliche und zeitliche Gegebenheiten. Immer haben pädagogisch Handelnde den Aufforderungscharakter von Innen- und Außenräumen, Materialien und Gruppenzusammensetzung im Blick.
Und nicht zuletzt erlaubt situationsorientiertes Handeln den Pädagoginnen und Pädagogen, sich selbst weiterzuentwickeln und von anderen zu lernen.
Weil nie alle Punkte bei allen Aktivitäten vorkommen, sind folgende Grundfragen aus dem »Diskussionsspiel« hilfreich, um pädagogisches Handeln zu planen und zu prüfen:
Welche Anregungen und Tätigkeiten sind möglich und sinnvoll, um selbstständiges, sachkompetentes und solidarisches Handeln der Kinder zu fördern?
Was könnte – ausgehend von der ausgewählten Situation – in unserem Kita-Alltag anders werden? Welche Projekte könnten entstehen?
Welches konkrete Vorhaben möchte ich anpacken? (Absprache zur Auswahl)
Wie können Eltern, Fachleute von außerhalb oder andere Personen mitwirken?
Welche Erfahrungsfelder innerhalb und außerhalb der Kindertageseinrichtung lassen sich erschließen?
Zur Realisierung unseres Vorhabens trage ich Folgendes bei …
(Preissing & Heller. 2009, S. 310)
Nachdenken heißt, kritisch zurück und kritisch vorwärts zu blicken: Wie war’s? Was ist gelaufen? Was ist gelungen? Hier hat Zimmer (2000, S. 77ff.) Fragen zur Evaluation zusammengestellt, die auch noch heute durch nichts überholt sind:
Waren die Situationsanalyse hinreichend differenziert und die Theoriebildung stimmig?
Sind die Zielsetzungen realistisch formuliert worden?
Standen die Aktivitäten wirklich im Zusammenhang mit den Zielen?
Wurden die beteiligten Kinder entsprechend ihrer Entwicklungsvoraussetzungen angemessen herausgefordert und gefördert?
Wurde die Bandbreite des pädagogischen Repertoires und der Mitbestimmungsmöglichkeiten genutzt und ausgeschöpft?
Gab es Probleme oder Schwierigkeiten, die sich beim nächsten Mal vermeiden lassen?
Im »Diskussionsspiel zum Situationsansatz« werden folgende Anregungen und Fragen angeboten:
Pause zum ruhigen Nachdenken!
Was hat es mir gebracht, die Sichtweise der anderen zu hören?
Inwiefern haben wir das selbstständige Tun der Kinder innerhalb und außerhalb der Kita ermöglicht?
Wozu hatten wir besonders gute Ideen?
Als Kompliment möchte ich noch sagen, dass …
Im Situationsansatz wird fortlaufend dokumentiert. Dokumentationen schaffen die Voraussetzung für Transparenz und damit für Beteiligung sowie für die Reflexion der geleisteten Arbeit.
Dokumentationen haben mehrere Adressaten. In der Dokumentation spiegeln sich zum Beispiel die Bildungserfahrungen der Kinder. Sie gibt dem kindlichen Tun eine sichtbare Gestalt und signalisiert, sofern sie wertschätzend formuliert oder dargestellt ist, die Achtung und den Respekt vor den kindlichen Lernwelten. Dokumentationen sollten so angelegt sein, dass Kinder angeregt werden, selbst über ihr eigenes Tun nachzudenken und Eigenes in die Dokumentation einzubringen.
Unmittelbar mit dem Leben der Kinder verbunden sind ihre Eltern. Dokumentationen ermöglichen ihnen eine kognitive und emotionale Beteiligung am Erleben ihrer Kinder in der Einrichtung.
Unser Buch weist eine doppelte Struktur auf: Auf der ersten Ebene sind die Methoden und Verfahren geordnet nach der jeweiligen Perspektive, die schwerpunktmäßig erhoben bzw. eingenommen werden soll. Gemeint sind damit die Perspektiven des Kindes, der Eltern, der pädagogischen Fachkraft oder des Teams; zuletzt beschreiben wir auch einige Methoden, mit der sich mehrere Perspektiven gleichzeitig ermitteln lassen. Sie können also – ausgehend davon, welche Perspektive in den Mittelpunkt gestellt werden soll – das entsprechende Kapitel auswählen.
Auf einer zweiten Ebene haben wir jeweils angegeben, welche der oben beschriebenen Planungsschritte schwerpunktmäßig eine Rolle spielen. Komplexere Methoden führen dabei naturgemäß durch mehrere Planungsschritte, von der Analyse (A) über das Entscheiden von Zielen (E), das Handeln (H), das Reflektieren (R) bis zum Dokumentieren (D); einfachere Verfahren sind weniger breit angelegt. Durch die Kennzeichnung der Methoden mit den Buchstaben A, E, H, R und D im Inhaltsverzeichnis bezogen auf die Planungsschritte können Sie für Ihre aktuellen Handlungsschritte unterschiedliche Methoden auswählen oder kombinieren.
Für viele Methoden bieten wir Ihnen ein Arbeitsblatt oder ein Formular an, das Fragen oder Anregungen enthält und oft mehrfach benötigt wird. Diese Arbeitsvorlagen sind im zweiten Teil des Methodenbuchs ab Seite 111 zusammengefasst. Mit diesem Symbol wird in den einzelnen Kapiteln auf die betreffenden Seiten verwiesen:
Unser Buch trägt den Titel »Methodenbuch zum Situationsansatz«. Es bezieht sich damit auf vorliegende Veröffentlichungen, die den Situationsansatz als Konzept pädagogischen Handelns mit Qualität darstellen (Heller & Preissing 2009). Nach einer Unterscheidung von Geißler und Hege (2007, S. 23f.) ist ein Konzept »ein Handlungsmodell, in welchem die Ziele, die Inhalte, die Methoden und die Verfahren in einen sinnhaften Zusammenhang gebracht sind«. Das bedeutet, dass sich Methoden und Verfahren auf die Ziele beziehen müssen und dazu nicht im Widerspruch stehen dürfen. Selbstständigkeit und Autonomie genießen im Situationsansatz als übergeordnetes Ziel einen hohen Stellenwert; die Methoden und Verfahren der pädagogischen Arbeit müssen also auf dieses Ziel ausgerichtet sein. Autonomie lernt man nicht in Akten der Unterwerfung oder höchstens insofern, dass man sich gegen die Zumutung der Unterwerfung zu wehren beginnt.
Es besteht also ein enger Zusammenhang zwischen einem Konzept und den entsprechenden Methoden. Methoden sind nach Geißler und Hege (a.a.O.) »Teilaspekte von Konzepten, (…) ein vorausgedachter Plan der Vorgehensweise«. Das Konzept benennt Ziele (im Situationsansatz sind dies Autonomie, Solidarität und Handlungskompetenz) und Inhalte (z.B. »vorurteilsbewusste Erziehung« oder »Erziehungspartnerschaft mit Eltern«), während Methoden einen Handlungsplan darstellen und beschreiben, auf welchen Wegen Ziele erreicht werden können. Methodisches Handeln bedeutet zielgerichtetes Handeln. Ziele und Methoden stehen stets in Wechselwirkung zueinander. Das stetige zielgerichtete und methodische Handeln unter Berücksichtigung der vorhandenen Ressourcen und Rahmenbedingungen wird schließlich zum strategischen Handeln mit Qualität. Aus den Qualitätsentwicklungs- und -überprüfungsverfahren ist auch der Begriff »Verfahren« geläufig. Geißler und Hege (a.a.O.) sehen in den Verfahren »Einzelelemente von Methoden«. Es sind Techniken, also konkrete Anweisungen, mit denen der Nutzer arbeiten kann. Methoden sind also komplexer als Verfahren und Verfahren somit weiter entfernt von den Konzepten, als es Methoden sind. Verfahren könnten losgelöst von den Zielen und Inhalten des Konzepts angewandt werden. An einem Beispiel demonstriert: Wir können Kinder befragen (Verfahren). Was wir mit den Daten dann aber machen, ist vom Verfahren relativ unabhängig. Die Befragung kann ein Einzelelement einer Methode sein, welche die Partizipation von Kindern fördern möchte. Dazu gehören dann entsprechende Auswertungsverfahren wie zum Beispiel eine gemeinsame Auswertung der Antworten und die Planung von Konsequenzen. Eine Befragung kann aber ebenso dazu genutzt werden, der Einrichtung einen scheindemokratischen Anstrich zu geben oder gar Kinder auszuhorchen. Das wäre dann nicht mit dem Partizipationsziel zu vereinbaren.
Dieses Buch enthält sowohl Methoden als auch einzelne Verfahren. Entscheidend ist für uns, dass alle Methoden und Verfahren im Sinne der Ziele des Situationsansatzes verwendet werden.
Mit Perspektive ist hier die Sichtweise von Kindern gemeint. Wir sehen Kinder als eigene Persönlichkeiten, die spezifische eigene Muster der Verarbeitung ihrer Lebensumwelt ausbilden und ihre sozialen Beziehungen mitgestalten. Trotz aller Universalität der Kindheit unterscheiden sich die einzelnen Kinder in ihrer Alltagsorganisation, in ihren Interaktionsprozessen und in der Interpretation von Handlungszusammenhängen.
Kinder sind produktive soziale und kulturelle Akteure. Die Kindheit gilt als eine eigenständige Lebensphase und nicht mehr nur als die Zeit eines Kindes auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Das Kind ist Mitgestalter seiner sozialen Beziehungen und im Idealfall aktiv an der Konstruktion und Bestimmung des eigenen Lebens beteiligt.
Diese neue Sichtweise erfordert eine andere Herangehensweise an den Umgang mit Kindern und Kindheit. Wir sollten nicht nur über Kinder diskutieren, sondern verstärkt mit ihnen, um ihre Perspektive besser verstehen und beleuchten zu können.
Die Methoden in diesem Buch helfen Ihnen, die Sichtweisen der Kinder zum Ausgangspunkt zu machen. Dies ist nicht nur deshalb geboten, weil der Situationsansatz partizipatorische Verfahren favorisiert. Die Methoden unterstützen Sie, das eigene Handeln von Anfang an am Handeln der Kinder auszurichten und sich an den Kindern zu orientieren, was für einen nachhaltigen Bildungs- und Erziehungserfolg außerordentlich wichtig ist.
Im Ich-Buch bzw. Ich-Ordner, den jedes Kind in der Einrichtung sein eigen nennt, werden die Meilensteine der Entwicklung entlang einer Zeitschiene durch Antworten auf Leitfragen festgehalten. Vielerorts wird dabei auch von Portfolio gesprochen, worunter ursprünglich eine Sammlung von Werken oder Objekten eines bestimmten Typs verstanden wurde. Ein Ich-Buch bezieht aber auch Fremdperspektiven mit ein und ist nicht in erster Linie eine Leistungsschau. Es zeigt Meilensteine der dialogischen Auseinandersetzung einer Person mit ihrer Lebensumwelt auf.
Fragen zum Entwicklungsweg
Rubriken für ein Portfolio
Entsprechend der Zeitschiene werden mit den Kindern zusammen die Einlageblätter ausgefüllt und eingeheftet. Für die Beantwortung der Fragen sollten Sie sich genügend Zeit nehmen und mit dem Kind möglichst einen ungestörten Raum aufsuchen.
Schreiben Sie die Aussagen des Kindes zu den Fragen möglichst wörtlich in ganzen oder Halbsätzen auf, nicht nur in Stichworten. Sie können bei Platzbedarf weitere Blätter anhängen.
Bei jüngsten Kindern empfiehlt es sich, die Blätter zu laminieren, sodass die Kinder stets selbstständig blättern und schauen können.
Nutzen Sie mit Einverständnis des Kindes den Ich-Ordner für das Entwicklungsgespräch mit den Eltern.
Die Umfeldbegehung ist eine pädagogische Methode zur konkreten Situationserkundung, die für sich, aber auch am Anfang eines längerfristigen Projekts stehen kann.
Methodischer Kernpunkt ist es, dass Kinder eine Führung durch »ihren« Stadtteil selbst übernehmen. Im »Mitgehen« können alle Beteiligten (Kinder und pädagogische Fachkräfte) etwas über den Stadtteil erfahren, wobei die Deutungen der Kinder Vorrang haben. Die Erzieherinnen und Erzieher entdecken das tägliche Lebensumfeld der Kinder, verstehen, was Kinder bewegt, und erschließen mit ihnen den Stadtteil als Lebens- und Lernumgebung.
Um im Team diese Erkundungsgänge auswerten und (auch für Eltern) dokumentieren zu können, sollten Sie bestimmte Vorkommnisse festhalten können. Dazu eignen sich Fotografien und ein Erkundungsprotokoll sowie eine große Stadtkarte.
Erörtern Sie mit den Kindern in einer Besprechung Ihr Vorhaben. Bei jeder Begehung ist ein anderes Kind der Reiseleiter.
In der Regel ist es für die Kinder hilfreich, ein konkretes Ziel zu haben. Als »Ziel« einer Begehung können dienen:
Das Wohnhaus oder die Wohnung des Kindes (bei einem Besuch sind Absprachen mit den Eltern notwendig)
Beliebte Spiel- und Aufenthaltsplätze des Kindes
Ein für das Kind besonderes, anderes Ziel (Kirche, Museum, Zoo, Ladengeschäft etc.)
»Der Weg ist das Ziel.« Ebenso wichtig wie das Ziel sind die Erfahrungsmöglichkeiten auf dem Weg dorthin. Versuchen Sie, den Stadtteil mit den »Augen der Kinder« zu sehen. Hier einige Beispiele für Erfahrungsmöglichkeiten:1
»Vor der Kita im Blumengarten entdecken die Kinder eine blaue Schnecke und Marienkäfer, die Kinder unterhalten sich sehr angeregt. Jacob: ›Leise, die Käfer schlafen!‹ – Michaela klaubt einen Käfer nach dem anderen vom Strauch. Jacob: ›Lass die doch mal sitzen, die fühlen sich nicht wohl auf deiner Hand. Findest du das schön, wenn sie dich aus deinem Urwald rausreißen? Willst du etwa gefangen werden?‹«
»Im Hof bei Christiane gibt es Ärger mit der Hauswartsfrau. Sie versucht, die Kinder wieder vom Hof zu scheuchen. Die Kinder versuchen mit ihr zu argumentieren: ›Wir wollen doch nur gucken, wir sind auch leise und machen auch nichts kaputt. Christiane und Stefan wohnen doch hier.‹«
»Martin entdeckt eine große Wasserpfütze am Straßenrand, in dem sich der Kastanienbaum spiegelt. Ich muss von allen Seiten fotografieren. ›Du sollst doch in die Hocke gehen, damit du dasselbe siehst wie wir.‹«
Die Umfeldbegehung als Methode der Situationserkundung ist bestimmt vom Erfahrungshorizont der Kinder; er ist ein Spiegel ihrer Mobilität und wird sich mit wachsendem Alter und zusätzlichen Erfahrungen erweitern. Insofern werden Kinder als Reiseleiter immer wieder zusätzliche Erfahrungen machen können.
Als Erwachsene haben Sie die Rolle als Ermöglicher: Sie eröffnen und sichern den Kindern diese Erfahrungsmöglichkeiten. Achten Sie darauf, dass nicht Sie selbst die »führende Rolle« übernehmen.
Mittels Fotografien können Sie zusammen mit den Kindern ein Fotoalbum oder ein Plakat mit ihren Entdeckungen und Erlebnissen gestalten.
Während der Begehung sollten Sie Ihre Beobachtungen in einem Protokoll festhalten.
Reflektieren Sie die Fotos und Protokolle mit den Kindern. Sie können die »Reise« auch wiederholen, wenn Kinder nicht mehr sicher sind, wie es war.
Werten Sie Ihre Erfahrungen im Team aus. Nutzen Sie dafür die Fragen zur Erschließung des Lebensumfeldes von Kindern.
Werten Sie Ihre Erfahrungen mit den Eltern aus.
Erkundungsprotokoll
Wenn es darum geht, sich auf die Perspektive der Kinder einzulassen und sie an der Situationserkundung zu beteiligen, liegt es nahe, diese selbst zu befragen. Gerade ältere Kinder sind in der Lage, ihre Sichtweisen, Vorstellungen und Wünsche verbal beizusteuern. Die Leitfragen sollen eine Anregung sein, das Gespräch mit Kindern als Experten für ihre Situation zu suchen und ihre Kompetenz, am Geschehen in der Kita mitzuwirken, systematisch aufzubauen.
Fragenkatalog
Eventuell Aufnahmegerät
Besprechen Sie in der Kindergruppe Ihr Vorhaben (siehe auch »Hinweise zur Weiterarbeit«). Führen Sie dann die Gespräche als Einzel- oder Kleingruppeninterviews durch. Sprechen Sie dabei mit nicht mehr als vier Kindern gleichzeitig, weil sonst Einzelne schnell den Gesprächszusammenhang verlieren könnten. Beachten Sie auch, dass Mädchen und Jungen wegen ihrer unterschiedlichen Perspektiven in der Regel getrennt befragt werden möchten. Insgesamt sollte die Interviewdauer 20 bis 25 Minuten nicht überschreiten.
Der Fragenkatalog stellt ein Grundgerüst erprobter Fragen dar. Je nach Fragezweck können Sie Fragen weglassen bzw. weitere Fragen einfügen. Die Fragen sollten je nach Situation durch erläuternde Bemerkungen ergänzt werden.
Wenn Sie das Interview aufzeichnen (mit Diktiergerät oder Handy), können Sie sich ungestörter dem Gespräch widmen. Eine Alternative stellt die Protokollierung von Stichworten während oder unmittelbar nach dem Gespräch dar.
Bereits vor den Interviews sollten Sie klären – am besten zusammen mit den Befragten selbst –, wie Sie mit den Ergebnissen umgehen. Insbesondere wird vereinbart, wer Kenntnis von den Gesprächsinhalten erhält und wie die Ergebnisse verwendet werden. Dabei sind folgende Fragen zu klären:
Wie wird mit den Gesprächsaufzeichnungen (Tonaufzeichnungen, Notizen) umgegangen?
Werden die Antworten veröffentlicht?
Wenn ja: Wer erfährt von den Antworten – andere Kinder, alle Erzieherinnen und Erzieher, die Eltern? Werden die Antworten anonym dokumentiert oder sind sie namentlich zuzuordnen?