#MeToo. 100 Seiten - Carolina Schwarz - E-Book

#MeToo. 100 Seiten E-Book

Carolina Schwarz

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Beschreibung

Seit die internationale #MeToo-Bewegung im Herbst 2017 entstand, hat sich der Umgang mit sexueller Belästigung unzweifelhaft verändert. Zeit für eine Zwischenbilanz – wo liegen die Ursprünge der Bewegung, was waren bisherige Erfolge und Misserfolge? Und wo stehen wir heute? Ein Must-read für Feminist:innen und alle, die sich für gesellschaftliche Fragen interessieren.

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Carolina Schwarz

#MeToo. 100 Seiten

Reclam

Für mehr Informationen zur 100-Seiten-Reihe:

www.reclam.de/100Seiten

 

2024 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH nach einem Konzept von zero-media.net

Infografik: © Martina Frank, München

Bildnachweis: siehe Anhang

Autorinnenfoto: © privat

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2024

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-962316-0

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-020717-8

www.reclam.de

Inhalt

Die Bar

Der Name

Der Fall Null

Die Kritik

Der Staat

Die Presse

Die Vorbilder

Fazit

Lektüretipps

Bildnachweis

Zur Autorin

Über dieses Buch

Leseprobe aus Taylor Swift. 100 Seiten

Die Bar

Es ist ein eher kühler Abend im Spätsommer 2023, die Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann bestimmen seit Wochen die Nachrichten und Debatten, als ich mit meinen zwei besten Freundinnen in einer Bar in Berlin-Neukölln sitze. Die beiden trinken Rotwein, ich ein Peroni vom Fass, und wir unterhalten uns über alles Mögliche. Irgendwann an diesem Abend kommen wir auf das Thema sexuelle Belästigung zu sprechen. Wir erzählen einander, wie viel Unangenehmes wir in unseren gut 30 Lebensjahren schon erleben mussten. Wie ältere Männer unsere kindlichen Körper mit ihren Blicken und Kommentaren sexualisierten. Wie wir in Bars oder auf Partys gegen unseren Willen begrapscht und geküsst wurden. Wie wir im Netz mit Vergewaltigungen bedroht und unangenehmen Nachrichten geflutet wurden. Wie wir in öffentlichen Verkehrsmitteln bedrängt wurden und niemand dazwischenging, oder wie wir auf der Straße am helllichten Tag verfolgt wurden.

»Das wäre heute so nicht mehr möglich«, sagt eine meiner Freundinnen irgendwann – und wir nicken. Natürlich wissen wir, dass sexuelle Übergriffe nicht einfach aufgehört haben. Noch immer habe ich Freund:innen, die mit dem Schlüssel in der Faust nachts nach Hause laufen oder sich nur in Gruppen in bestimmte Räume trauen. Übergriffe passieren überall und jederzeit. Doch wir teilen das Gefühl oder zumindest die Hoffnung, dass die Gesellschaft in den vergangenen Jahren ihr Bewusstsein für sexualisierte Gewalt in all ihren Facetten verändert hat. Dass Männer ihre Macht nicht mehr so unverfroren missbrauchen oder, falls doch, wir es nicht mehr so hinnehmen. Wir würden aufstehen, laut sein, einschreiten, wenn wir sehen, dass jemand übergriffig wird. »Das wäre heute nicht mehr so möglich«: In dem Satz schwingt mit, dass sieben Jahre #MeToo etwas gebracht haben.

Aber ist das so? Wäre #MeToo ein voller Erfolg, gäbe es keine sexualisierte Gewalt und keinen Machtmissbrauch mehr. Von diesem Zustand sind wir weit entfernt – und ob sich überhaupt etwas zum Besseren verändert, ist auch fraglich. Denn die Zahlen zu sexualisierter Gewalt in Deutschland steigen, und das lässt sich nicht nur mit einer höheren Anzeigebereitschaft der Betroffenen erklären. Hat das Hashtag also wirklich einen gesellschaftlichen Umbruch angestoßen oder war alles nur ein medialer Hype ohne reale Veränderungen?

Antworten auf diese Fragen zu finden, ist nicht einfach. Denn beim Thema #MeToo herrscht vor allem eines: Uneinigkeit. Ist das Ganze bloß ein Hashtag, eine Debatte, oder ist es eine feministische Bewegung? Und selbst wenn es eine Bewegung ist: Für wen oder was kämpft sie eigentlich? Je nachdem, wen man fragt, ändern sich die Antworten. In diesem Buch soll es, wenn überhaupt, nur am Rande um mich gehen, aber natürlich wird es aus meiner Perspektive – aus der einer weißen, in Deutschland lebenden cis Frau – und mit einer linken feministischen Haltung geschrieben.

Meinem Verständnis nach ist aus dem Hashtag längst eine internationale Bewegung geworden. Die Bewegung ist heterogen, sieht in jedem Land anders aus, ist online wie offline aktiv. Vor allem ist sie wenig strukturiert und sich weder in ihren Zielen noch ihren Maßnahmen einig. Im Großen will sie eine Welt ohne Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt, eine Welt mit Geschlechtergerechtigkeit, ja, eine Welt ohne das Patriarchat. Im Kleinen kämpft sie erst einmal dafür, dass wir die Scham überwinden, über das zu sprechen, was wir erleben. Dass wir all die Strukturen benennen, in denen Übergriffe stattfinden, um sie in einem zweiten Schritt aufzubrechen und abzuschaffen.

#MeToo, wie wir es heute kennen, begann in Hollywood, also in der Arbeitswelt der Reichen und Schönen. Doch die Bewegung blieb dort nicht stehen, denn sexualisierte Gewalt findet überall statt. Im Büro und in der Bar beim Feierabendbier, in der Kita, an der Uni und im Altersheim, im Sportverein oder auch beim Chor, in Burschenschaften und bei der Antifa, beim Konzert oder in der Kirche. Und der gefährlichste Ort bleibt gerade für Frauen das eigene Zuhause. Denn in den meisten Gewaltvorfällen kommt der Täter aus dem Nahbereich des Opfers, ist der (Ex-)Freund, der Vater oder der Klavierlehrer.

Eigentlich ist #MeToo keine Frage des Geschlechts, sondern betrifft Macht und Machtmissbrauch. Auch Männer erfahren sexualisierte und häusliche Gewalt, auch Frauen sind Täterinnen – wobei statistisch gesehen ein Großteil der Fälle andersherum gelagert sind. Und natürlich werden auch nichtbinäre, inter und trans Personen Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt, das möchte ich in diesem Buch, soweit es geht, sichtbar machen. Doch in den meisten Studien und Umfragen, aber auch bei staatlichen und gesellschaftspolitischen Vorhaben wird mit binären Strukturen gearbeitet, queere Lebensrealitäten werden weder abgefragt noch berücksichtigt, weswegen ich an den entsprechenden Stellen dann auch von Frauen und Männern schreibe.

Was Studien, Umfragen und Debatten in der Regel ebenso wenig berücksichtigen: Alle Frauen sind bedroht von geschlechtsspezifischer Gewalt, aber nicht alle in gleichem Ausmaß. Denn trans, behinderte, lesbische, BIPOC oder migrantische Frauen sind einer deutlich größeren Gefahr ausgesetzt als eine weiße cis hetero Frau ohne Migrationsgeschichte und Behinderung. Genauso prekär lebende Frauen ohne festes Arbeitsverhältnis und gesicherten Aufenthaltsstatus. Dieser Zustand offenbart, dass nicht nur das herrschende System, sondern auch die feministische Bewegung ihre Schwächen hat.

Wer wissen möchte, wo #MeToo heute steht, muss verstehen, woher die Bewegung kommt. Der Ausdruck ist einige Jahre älter, als viele denken. Die Aktivistin Tarana Burke nutzte ihn seit 2006 als Titel für eine Kampagne gegen Missbrauch von afroamerikanischen Mädchen und Frauen. Erst elf Jahre später forderte die Schauspielerin Alyssa Milano bei Twitter alle auf, die sexuell belästigt oder missbraucht worden waren, mit ›me too‹ auf ihren Tweet zu antworten. Diese zwei Worte reichten aus, um eine Massenbewegung loszutreten. Millionen Menschen nutzten in den vergangenen Jahren das Hashtag, um ihre Erfahrungen zu teilen.

Auslöser für Milanos Tweet waren die Recherchen des New Yorker und der New York Times zum missbräuchlichen Verhalten des US-Produzenten Harvey Weinstein gewesen. Der Name Weinstein war zum damaligen Zeitpunkt in Deutschland vermutlich nur den wenigsten ein Begriff – heute kennt ihn fast jede:r. Denn Weinstein ist der »Fall Null« der #MeToo-Bewegung. Im Oktober 2017 beschuldigten zahlreiche (prominente) Schauspielerinnen und Mitarbeiterinnen ihn der Vergewaltigung und Belästigung, Weinstein stritt alle strafrechtlich relevanten Vorwürfe ab. Gut zwei Jahre später wurde er zu 23 Jahren Haft verurteilt, später kamen in einem weiteren Prozess noch einmal 16 hinzu. Der Prozess, der zum ersten Urteil geführt hat, ist im Frühling 2024 für ungültig erklärt worden, das zweite Urteil bleibt so bestehen. Doch dazu später mehr. Der Fall ist für die Bewegung Glücksfall und Pech zugleich. Der Mut der Frauen und die hartnäckigen Recherchen zu Weinstein haben alles ins Rollen gebracht. Ohne sie gäbe es kein #MeToo. Gleichzeitig müssen sich alle Fälle an diesem Fall Null messen. Doch kaum einer ist so schwerwiegend, so eindeutig und gut belegt wie der von Harvey Weinstein.

Das ist ein Umstand unter vielen, die dazu geführt haben, dass die Bewegung nie mit einer so starken Durchschlagkraft in Deutschland angekommen ist wie beispielsweise in Schweden, Indien oder Spanien. Zwar gab es auch hierzulande mit den durchaus unterschiedlich gelagerten Vorwürfen gegen Dieter Wedel, Siegfried Mauser oder Till Lindemann – alle drei haben jegliche strafrechtlich relevanten Vorwürfe abgestritten – immer wieder Fälle, die zu bundesweiten Debatten über sexualisierte Gewalt geführt haben, doch die Folgen sind deutlich weniger sichtbar als in anderen Ländern.

In der deutschen Gesetzgebung hat sich bislang wenig getan. Dabei ist die juristische Situation für Betroffene sexualisierter Gewalt ziemlich prekär. Nur ein Bruchteil der Taten führen zu einer Verurteilung. Dass ihre juristischen Chancen schlecht stehen, ist vielen Betroffenen bewusst. Oft fehlt es ihnen an Vertrauen in die Polizei und die Justiz, weswegen sie von vornherein auf eine Anzeige verzichten. Manch eine:r geht deswegen den Weg über die Öffentlichkeit: Entweder direkt in den sozialen Medien oder indirekt über die Presse. Doch auch dieser Weg ist voller Hürden. Denn noch immer herrscht die misogyne Erzählung vor, Frauen würden Falschbeschuldigungen öffentlich äußern, um Karriere zu machen. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Gehen Betroffene an die Öffentlichkeit, schlägt ihnen meist Hass und Unglaube entgegen.

Für die Presse ist diese Form der Berichterstattung ebenfalls eine Herausforderung. Denn obwohl Journalist:innen in Deutschland immer geübter in Verdachtsberichterstattung über sexualisierte Gewalt geworden sind, wird diese infolge von Einschüchterungsversuchen durch mutmaßliche Täter und verschiedene Gerichtsentscheidungen immer schwieriger.

Allzu oft sieht die traurige Realität also leider so aus: Die Justiz versagt, die Presse scheitert – Betroffene bleiben allein und Täter an der Macht.

Noch immer können Männer, denen sexualisierte Gewalt vorgeworfen wird, recht sicher sein, dass ihnen wenig passiert. Selbst nach schwerwiegenden Vorwürfen wurde Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt, Rammstein füllen weiter Stadien bei ihren Konzerten und Johnny Depp erhält Standing Ovations bei renommierten Filmfestivals. Nicht alle von ihnen wurden verurteilt, doch moralisch ist Verhalten in allen Fällen fragwürdig. Sollte das nicht gesellschaftliche Konsequenzen haben?

Angesichts dessen ist es schwer vorstellbar, dass #MeToo ein Erfolg war. Oder schauen wir bislang einfach in die falschen Ecken? Sind die Erfolge längst da und wir können sie nur nicht wahrnehmen, weil wir als Feminist:innen besonders gut darin sind, Errungenschaften schnell zu vergessen und uns lieber auf das zu konzentrieren, was alles fehlt oder schlecht läuft? Steckt auch eine Form von Sexismus hinter dem Urteil, #MeToo hätte nichts gebracht, weil man einer Bewegung, die hauptsächlich von Frauen und Queers getragen wird, gar keinen Erfolg zutraut?

Der Name

Am Anfang einer Bewegung steht oft ein Name. Eine Person, die alles ins Rollen bringt. Welcher das bei #MeToo ist, darüber könnte man sich stundenlang streiten. Die erste Assoziation mit dem Hashtag ist für die meisten vermutlich Harvey Weinstein. Doch obwohl er in diesem Buch immer wieder auftauchen wird, soll er darin nicht am Anfang stehen. Gwyneth Paltrow zu nennen, wäre auch eine Möglichkeit. Die Schauspielerin ist die wahrscheinlich erste Frau, die öffentlich gesagt hat, dass Weinstein sie genötigt habe, »ein, zwei Dinge zu tun«. Und das lange, bevor es überhaupt Hashtags gab, nämlich 1998 in der Late Show von David Letterman. In den vergangenen Jahren wurde Paltrows Satz viel zitiert, um klarzumachen, wie lange die Vorwürfe gegen Weinstein eigentlich schon bekannt sein müssten. Doch von 1998 bis zum Beginn der großen #MeToo-Welle ist noch einige Zeit vergangen.

Jodi Kantor und Megan Twohey, die zwei Journalistinnen der New York Times, die mit ihrer Enthüllungsgeschichte den Fall Weinstein in Gang brachten, könnten ebenfalls am Anfang stehen. Oder Ashley Judd, die als erste Schauspielerin bereit war, mit ihrem Namen in deren Recherche aufzutauchen. Auch der Name von Alyssa Milano könnte hier stehen. Schließlich war die Schauspielerin es, die am 15. Oktober 2017 mit einem Tweet eine riesige Welle von Offenbarungen auslöste.

Doch diese Geschichte von #MeToo soll mit einem anderen Namen beginnen. Nämlich mit Heaven. 1996 verbringt die 12-Jährige ihren Sommer mit Hunderten anderen Teenagern in einem Camp in Gadsden, Alabama. Als vorlautes und wildes Mädchen eckt sie an, gerät immer wieder mit anderen aneinander. Schon bei ihrer Ankunft gibt es Ärger, aber zum Glück ist da diese eine Campleiterin, die sie nur Mrs Tee nennt. In ihren Wochen im Camp rettet diese sie immer wieder aus Situationen, in denen sie eigentlich Ärger bekommen müsste, weil sie sich wieder einmal nicht an die Regeln gehalten hat. Die beiden bauen eine Beziehung zueinander auf und Mrs Tee wird eine wichtige Bezugsperson für die 12-Jährige.

Eines Abends sitzen die Teenager nach Geschlechtern getrennt mit den Campleiter:innen in unterschiedlichen Räumen. Bei der Sister to Sister Session dürfen die Mädchen alle Fragen stellen, die ihnen auf dem Herzen liegen. Es dauert nicht lange, bis eines der Mädchen erzählt, dass es in der Schule von einem älteren Schüler belästigt worden sei. Immer mehr Mädchen schließen sich ihr an und erzählen, welche Übergriffe sie in ihren kurzen Leben schon erlebt haben. Heaven schweigt an diesem Abend. Emotionslos guckt sie ins Leere. Am nächsten Morgen sucht sie das Gespräch mit Mrs Tee. Sie will ihr erzählen, was ihr passiert ist. »Mein Stiefvater, also eigentlich der Freund meiner Mutter. Er hat Sachen mit mir gemacht…«, beginnt sie. Mrs Tee unterbricht sie, verweist sie an eine Kollegin, bei der sie besser aufgehoben sei.

Heaven ist verunsichert – wieso hört Mrs Tee ihr nicht zu? Mrs Tee schämt sich – wieso konnte sie nicht angemessen auf Heaven reagieren? Wieso konnte sie ihr in diesem Moment nicht sagen, dass ihr das auch alles passiert war? Wieso konnte sie zu Heaven nicht sagen: me too?

Dieser Moment und dieses Mädchen blieben Mrs Tee, die wir als Tarana Burke kennen, für Jahre im Gedächtnis und sorgten schließlich dafür, dass sie die #MeToo-Bewegung ins Leben rief. So beschreibt sie es in ihrer Autobiografie Unbound: My Story of Liberation and the Birth of the Me Too Movement (2021), die leider bislang noch nicht in die deutsche Sprache übersetzt wurde.

Zehn Jahre dauerte es, bis die #MeToo-Bewegung, wie wir sie heute kennen, entstand. In der Zwischenzeit wurde Burke in ihrer Arbeit, aber auch in ihrer Rolle als Mutter immer wieder mit Kindern of Color konfrontiert, die missbraucht oder vergewaltigt wurden. Eines Abends sitzt sie dann allein auf einer Matratze in ihrer Wohnung, überwältigt vom Schmerz, diesen ganzen Kindern nicht helfen zu können. Tarana Burke wurde selbst als Kind vergewaltigt und hatte das Gefühl, mit niemandem darüber sprechen zu können. Ihr fehlten schlicht die Worte dafür, zu beschreiben, was ihr angetan wurde und wie sie sich fühlte. Als Erwachsene kennt sie die richtigen Worte, doch darüber zu sprechen, fällt ihr trotz allem schwer. An diesem Abend nimmt sie ein leeres Blatt Papier und schreibt ganz oben me too auf die Seite.

Tarana Burke bei einer feministischen Demonstration im November 2017 in Los Angeles.

Aus diesem Papier ist letztlich die #MeToo-Bewegung entstanden, die zunächst gar nicht darauf aus war, Täter öffentlich anzuklagen. Und vor allem hatte sie nichts mit Hollywood-Stars zu tun. Tarana Burke geht es mit #MeToo in erster Linie darum, Kinder of Color zu unterstützen, die sexuellen Missbrauch, Ausbeutung oder Belästigung überlebt heben. Denn aus eigener Erfahrung weiß sie, dass Gemeinschaft bzw. das Gefühl, nicht alleine zu sein, Menschen ermutigen und bestärken kann.

#MeToo im ursprünglichen Sinn darf man sich also weder als ein unpersönliches Hashtag noch als eine klassische Bewegung wie Fridays of Future vorstellen, die mit Demos und Protestaktionen für eine gemeinsame Sache kämpft. Vielmehr hat Burke damals Workshops für Kinder und Methoden konzipiert, wie man Überlebenden Empathie und Mitgefühl entgegenbringen kann. Über ein Jahrzehnt später entwickelte sich aus dieser Ursprungsidee eine ganz andere Bewegung.