Mikromechanische Analyse von Eigenspannungen in direktgefügten kohlenstofffaserverstärkten Kunststoff-Stahl-Schichtverbunden - Steffen Rainer Tinkloh - E-Book

Mikromechanische Analyse von Eigenspannungen in direktgefügten kohlenstofffaserverstärkten Kunststoff-Stahl-Schichtverbunden E-Book

Steffen Rainer Tinkloh

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Beschreibung

Eigenspannungen in direktgefügten Werkstoffverbunden aus Stahl und kohlenstofffaserverstärktem Epoxidharz reduzieren die Grenzschicht- und Verbundfestigkeit und sind somit für die Festigkeitsbeurteilung von Strukturen zwingend zu berücksichtigen. Zur ganzheitlichen Beschreibung von Eigenspannungen wird in der vorliegenden Arbeit ein thermo-chemo-mechanisches Konstitutivmodell für die skalenübergreifende Bewertung von Eigenspannungsverteilungen vorgestellt. Die Analyse von repräsentativen Einheitszellen mit regulärer und stochastischer Verteilung von Fasern liefert in diesem Zusammenhang Informationen über die zugehörigen Deformations- und Spannungsfelder. Die Dehomogenisierung an makroskopisch hochbelasteten Bereichen, die durch lokale Spannungsüberhöhungen gekennzeichnet sind, zeigt die Auswirkung der gradientenbehafteten Deformation in der Mikrostruktur. Ein weiterer Aspekt dieser Arbeit ist die Entwicklung FFT-basierter Galerkin-Methoden, die es erstmalig erlauben, eine Bewertung der Auswirkung von Defektdichte, Heterogenität und Morphologie auf die Anwendbarkeit der inkrementellen Bohrlochmethode vorzunehmen. Es konnte nachgewiesen werden, dass die inkrementelle Bohrlochmethode insbesondere auf an der Oberfläche verlaufende Defekte sensitiv reagiert.

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Vorwort

Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Leichtbau im Automobil (LiA) der Universität Paderborn. Für die Unterstützung vor und während dieser Zeit möchte ich an dieser Stelle meinen persönlichen Dank aussprechen.

Besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. rer. nat. habil. Thomas Tröster für die Betreuung und Unterstützung während der Promotion. Die fachlichen Anregungen und Diskussionen haben maßgeblich zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Des Weiteren danke ich Herrn Prof. Dr.-Ing. Thomas Niendorf für das Interesse an meiner Arbeit und die Übernahme des Zweitgutachtens.

Ein großer Dank geht auch an meine ehemaligen Kollegen für die nicht besser vorstellbare Zusammenarbeit und Unterstützung. Ich bin äußerst glücklich darüber, dass aus dieser Zeit viele Freundschaften entstanden sind. All meinen fachfremden Freunden danke ich für den vielen Zuspruch, aber auch für die notwendige Ablenkung von allen fachlichen Dingen.

Darüber hinaus gilt mein besonderer persönlicher Dank Herrn Prof. Dr.-Ing. Alfons Noe, der mich als Mentor durch mein Studium hin zur Promotion begleitet hat und mir die (Freude an der) Mechanik gelehrt hat. Die Zeit in der Soester Mechanik hat den Grundstein für die Promotion gelegt und hat mir große Freude bereitet.

Für die stetige und bedingungslose Unterstützung im Leben bedanke ich mich bei meiner Familie und insbesondere meinen Eltern. Ohne eure Unterstützung wäre das alles nicht möglich gewesen.

Braunschweig im April 2024

Steffen Rainer Tinkloh

Kurzfassung

Eigenspannungen in direktgefügten Werkstoffverbunden aus Stahl und kohlenstofffaserverstärktem Epoxidharz reduzieren die Grenzschicht- und Verbundfestigkeit und sind somit für die Festigkeitsbeurteilung von Strukturen zwingend zu berücksichtigen. Zur ganzheitlichen Beschreibung von Eigenspannungen wird in der vorliegenden Arbeit ein thermo-chemo-mechanisches Konstitutivmodell für die skalenübergreifende Bewertung von Eigenspannungsverteilungen vorgestellt. Die Analyse von repräsentativen Einheitszellen mit regulärer und stochastischer Verteilung von Fasern liefert in diesem Zusammenhang Informationen über die zugehörigen Deformations- und Spannungsfelder. Die Dehomogenisierung an makroskopisch hochbelasteten Bereichen, die durch lokale Spannungsüberhöhungen gekennzeichnet sind, zeigt die Auswirkung der gradientenbehafteten Deformation in der Mikrostruktur. Ein weiterer Aspekt dieser Arbeit ist die Entwicklung FFT-basierter Galerkin-Methoden, die es erstmalig erlauben, eine Bewertung der Auswirkung von Defektdichte, Heterogenität und Morphologie auf die Anwendbarkeit der inkrementellen Bohrlochmethode vorzunehmen. Es konnte nachgewiesen werden, dass die inkrementelle Bohrlochmethode insbesondere auf an der Oberfläche verlaufende Defekte sensitiv reagiert.

Abstract

Residual stresses in directly joined laminates made of steel and carbon fiber reinforced epoxy resin reduce the interface and bond strength and thus must be taken into account for the strength analysis of structural components. For a holistic description of residual stresses, a thermo-chemo-mechanical constitutive model is introduced in the present work and presented for the multi-scale analysis of residual stress patterns. In this context, the analysis of representative unit cells with regular and stochastic distribution of fibers gives information about the associated deformation and stress fields. Dehomogenization at macroscopically highly stressed regions, characterized by local stress peaks, reveals the effect of gradient deformation in the microstructure. Another aspect of this work is the development of FFT-based Galerkin methods, which allows an evaluation of the effect of defect densities, heterogeneities, and morphologies on the applicability of the incremental hole drilling method. It could be demonstrated that the incremental hole drilling method is particularly sensitive to defects running along the surface.

Teilergebnisse dieser Arbeit sind in folgenden Veröffentlichungen erschienen:

[1] Tao Wu, Steffen Tinkloh, Thomas Tröster und Wolfgang Zinn. “Residual stress measurement in GFRP/steel hybrid components”. In: Proceedings of the 4th International Conference Hybrid 2020 Materials and Structures. 2020.

[2] Tao Wu, Steffen Tinkloh, Thomas Tröster, Wolfgang Zinn und Thomas Niendorf. “Measurement and Analysis of Residual Stresses and Warpage in Fiber Reinforced Plastic and Hybrid Components”. In: Metals 11.2 (2021). issn: 2075-4701. doi: 10.3390/met11020335.

[3] Steffen Tinkloh, Tao Wu, Thomas Tröster und Thomas Niendorf. “A micromechanical based finite element simulation of process induced residual stresses in metal-CFRP-hybrid structures”. In: 22nd International Conference on Composite Structures (ICCS22) and 1st Chinese Conference on Composite Structures (CC-CS1). 2019.

[4] Tao Wu, Roland Kruse, Steffen Tinkloh, Thomas Tröster, Wolfgang Zinn, Christian Lauhoff und Thomas Niendorf. “Experimental Analysis of Residual Stresses in CFRPs through Hole-Drilling Method: The Role of Stacking Sequence, Thickness, and Defects”. In: Journal of Composites Science 6.5 (2022). issn: 2504-477X. doi: 10.3390/jcs6050138.

[5] Steffen Tinkloh, Tao Wu, Thomas Tröster und Thomas Niendorf. “A micromechanical-based finite element simulation of process-induced residual stresses in metal-CFRP-hybrid structures”. In: Composite Structures 238.111926 (2020). doi: 10.1016/j.compstruct.2020.111926.

[6] Steffen Tinkloh, Tao Wu, Thomas Tröster und Thomas Niendorf. “Numerical investigation of the hole-drilling method applied to intrinsic manufactured metal-CFRP hybrids”. In: Proceedings of the 4th International Conference Hybrid 2020 Materials and Structures. 2020.

[7] Tao Wu, Steffen Tinkloh, Thomas Tröster, Wolfgang Zinn und Thomas Niendorf. “Determination and Validation of Residual Stresses in CFRP/Metal Hybrid Components Using the Incremental Hole Drilling Method”. In: Journal of Composites Science 4.3 (2020). issn: 2504-477X. doi: 10.3390/jcs4030143.

[8] Steffen Tinkloh, Tao Wu, Thomas Tröster und Thomas Niendorf. “The Effect of Fiber Waviness on the Residual Stress State and Its Prediction by the Hole Drilling Method in Fiber Metal Laminates: A Global-Local Finite Element Analysis”. In: Metals 11.1 (2021). issn: 2075-4701. doi: 10.3390/met11010156.

[9] Steffen Tinkloh, Tao Wu, Thomas Tröster und Thomas Niendorf. “Development of a submodel technique for FFT-based solvers in micromechanical analysis”. In: 2nd International Conference on Theoretical, Analytical and Computational Methods for Composite Materials and Composite Structures. online, 2021.

[10] Tao Wu, Sebastian Degener, Steffen Tinkloh, Alexander Liehr, Wolfgang Zinn, João P. Nobre, Thomas Tröster und Thomas Niendorf. “Characterization of residual stresses in fiber metal laminate interfaces – A combined approach applying hole-drilling method and energy-dispersive X-ray diffraction”. In: Composite Structures 299 (2022), S. 116071. issn: 0263-8223. doi: https://doi.org/10.1016/j.compstruct.2022.116071.

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Grundlagen

2.1 Kontinuumsmechanik2.2 Homogenisierung und Mikromechanik

3 Entstehung und Bewertung von Eigenspannungen in intrinsisch gefügten FKV-Metall-Hybridsystemen

3.1 Prozessinduzierte Eigenspannungen3.2 Konstitutive Modellierung von Duromer-basierten Matrixsystemen während des Vernetzungsvorgangs
3.2.1 Modellierung der Reaktionskinetik3.2.2 Lineare Viskoelastizität zur Modellierung des mechanischen Aushärteverhaltens3.2.3 Thermische Ausdehnung und chemischer Schrumpf
3.3 Mikroskopische Eigenspannungsanalyse3.4 Numerische Homogenisierung3.5 Makroskopische Eigenspannungsanalyse3.6 Dehomogenisierung des makroskopischen Eigenspannungszustandes

4 Numerische Simulation der Bohrlochmethode auf Basis eines spektralen Galerkin-Verfahrens

4.1 Eigenspannungsmessung in Faser-Kunststoff-Schichtverbunden und Metall-Kunststoff-Schichtverbunden4.2 Spektrale und pseudospektrale Methoden4.3 Validierung des FFT-basierten Galerkin-Verfahrens4.4 Untersuchung der Konvergenzeigenschaften4.5 Computertomographische Analyse4.6 Mesoskopische Bohrlochsimulation4.7 Mikroskopische Bohrlochsimulation

5 Faserwelligkeiten in intrinsisch gefügten Faser-Metall-Laminaten

5.1 Definition und Entstehung von Faserwelligkeiten
5.2 Analyse des Eigenspannungszustandes und der Anwendbarkeit der Bohrlochmethode
5.2.1 Global-lokale Finite-Elemente-Analyse5.2.2 Ergebnisse
5.3 Zusammenfassung

6 Zusammenfassung und Ausblick

Literatur

Kapitel 1

Einleitung

Ressourcenschonung, Reduzierung von Treibhausgasemissionen und Nachhaltigkeit stehen heute mehr denn je im Fokus von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Mit der Vereinbarung des Klimaabkommens von Paris [1], das die globale Erderwärmung auf unter 2 °C beschränken soll, muss die Entwicklung Kohlendioxid(CO2)-armer Technologien und Prozesse forciert werden [2]. In der Europäischen Union rückt damit der Straßenverkehr mit einem Anteil von 26% am Gesamt-CO2-Ausstoß im Jahr 2019 [3] als eine der wesentlichen Ursachen für Umweltbelastungen in den Fokus. Gleichzeitig hat sich das Automobil in der heutigen Gesellschaft neben dem Symbol des ökonomischen Wohlstands mit der einhergehenden Mobilität als relevanten Bestandteil der heutigen Lebensqualität verbunden. Mit zunehmendem Eintritt von Fahrassistenzsystemen hin zum vollständig autonom fahrenden Fahrzeug und mit steigenden Ansprüchen an die individuelle Mobilität wird eine Zunahme der Fahrleistung des Individualverkehrs bis 2030 von 23% in Europa, sowie bis zu 24% in den Vereinigten Staaten von Amerika und in China sogar von bis zu 183% prognostiziert [4]. Der Dekarbonisierung des Verkehrssektors kommt damit eine besondere Bedeutung zu, der mit der am 1. Januar 2020 in Kraft getretenen gesetzlichen Reglementierung von CO2-Emissionsgrenzwerten für Neufahrzeuge Rechnung getragen werden soll [5].

Einhergehend mit dem steigenden Anspruch an Leistungsbedürfnisse, sowie an Komfortund Sicherheitssysteme, hat die Fahrzeugmasse in den letzten Dekaden stetig zugenommen (vergleiche Abbildung 1.1). Der Volkswagen Golf I wies bei Markeinführung noch ein Gewicht von 750 kg auf, wogegen das Leergewicht des im Jahr 2012 vorgestellten Modells Golf VII bereits 1205 kg betrug. Bezogen auf das Leergewicht bei Markteinführung bedeutet das eine Zunahme von 60,67%. Der Leistungsbedarf erfolgt aus der Überwindung des am Fahrzeug wirkenden Gesamtfahrwiderstandes. Dieser setzt sich aus den Luft-, Steigungs-, Roll- und Beschleunigungswiderständen zusammen. Da die Masse bei drei der vier am Fahrzeug wirkenden Widerstände linear eingeht, hat sich mit Blick auf die Automobilindustrie der ressourcenschonende Leichtbau als ein Leitgedanke bei der

Abbildung 1.1: Entwicklung der Gesamtfahrzeugmasse in den letzten vier Dekaden betrachtet an den VW Modellreihen Polo, Golf und Passat [6].

Entwicklung von Fahrzeugen zur Einhaltung der strengen gesetzlichen Vorgaben bei verbrennungsmotorisch betriebenen Fahrzeugen etabliert. Die Forderung von nachhaltiger Mobilität hat darüber hinaus das Antriebskonzept an sich in Frage gestellt, sodass innovative, elektrische Antriebskonzepte konventionelle Verbrennungsmotoren zunehmend ablösen. Mit der Verständigung des EU-Umweltrates [7], die nur noch eine Genehmigung zur Neuzulassung von Fahrzeugen mit Verbrennermotoren ab 2035 vorsieht, die CO2-emmissionsfrei sind, wird das Loslösen von fossilen Brennstoffen weiter fokussiert.

Obwohl vollelektrifizierte Fahrzeuge mit Batteriespeicher einen Teil ihrer aufgebrachten Energie zur Beschleunigung des Fahrzeugs während des Verzögerungsvorgangs zurückgewinnen können, zeigen Studien zur Reduzierung des Fahrzeuggewichts, dass, analog zu den konventionell betriebenen Verbrennerfahrzeugen, die Reduzierung der Fahrzeugmasse um 100 kg den Energiebedarf um ca. 4% senkt [8]. Neben der Energiespeicherung wird der Leichtbau damit weiterhin eine Schlüsseltechnologie in zukünftigen Fahrzeugkonzepten einnehmen [6], [9].

Im heutigen Automobilkarosseriebau werden neben Leichtmetallen wie Aluminium oder Magnesium verstärkt moderne hochfeste und ultrahochfeste Stahlwerkstoffe eingesetzt. Aufgrund hoher gewichtsspezifischer Festigkeiten und Steifigkeiten bedienten sich die Entwickler der Fahrgastzelle des BMW i3 erstmals mit Markteinführung vornehmlich kohlenstofffaserverstärkter Kunststoffe [10]. Mit der Baureihe G11 des 7er-Modells setzten die Entwickler die intelligente Mischbauweise aus faserverstärkten Kunststoffen, Stahl und Aluminium fort. Die intelligente Mischbauweise verzichtet hier auf den solitären Einsatz von Faser-Kunststoff-Verbunden (FKV). Stattdessen wird der vergleichsweise teure Leichtbauwerkstoff nur partiell zur lokalen Verstärkung von mechanisch hoch beanspruchten Bereichen (siehe Abbildung 1.2), wie z.B. Säulen oder Dachträgern, eingesetzt, sodass damit das Gesamtgewicht im Vergleich zum Vorgängermodell um bis zu 130 kg reduziert werden konnte.

Abbildung 1.2: Konzept für eine B-Säule mit einemPatch aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff zur lokalen Verstärkung.

Nach dem Stand der Technik wird die Herstellung von Kunststoff-Metall-Schichtverbunden durch einen nachgelagerten Fügeprozess der FKV- und Metallkomponente realisiert. Bei einer direkten Hybridisierung werden vorimprägnierte FKV-Halbzeuge auf Basis duroplastischer Matrixsysteme in die bereits umgeformte Metallkomponente eingelegt und bei definierter Temperatur ausgehärtet. Ein nachgeschalteter Fügeprozess entfällt, indem die stoffschlüssige Anbindung zwischen Metall und FKV durch das duromere Harzsystem erfolgt [11]. Neben dem Einsatz von vorimprägnierten Halbzeugen sind Untersuchungen von Injektions- (engl.: Resin Transfer Moudling, RTM) und Schleuderverfahren für die Herstellung hybrider Strukturen in der Vergangenheit bereits untersucht worden [12], [13]. Thermische Eigenspannungen entstehen dabei als Folge der Differenz der thermischen Ausdehnungskoeffizienten von Faser und Metall und der Differenz zwischen Aushärtungstemperatur der Matrix und Betriebstemperatur des ausgehärteten Schichtverbundes. Die thermischen und mechanischen Eigenschaften von Faser und Metall, die Lagenarchitektur des FKV sowie das Gesamtvolumenverhältnis von Metall zu FKV und die Aushärtetemperatur determinieren dabei im Wesentlichen die Höhe der Eigenspannungen [14]. In faserverstärkten Kunststoffen resultieren prozessbedingte Eigenspannungen aus der Inhomogenität des Mehrschichtverbundes (MSV). Die Einteilung der Eigenspannungen wird in [15] nach ihrer Entstehung in drei Hauptgruppen vorgenommen. Ausgehend von der mikromechanischen Ebene werden Eigenspannungen durch den chemischen Schrumpf der Matrix während der Aushärtung sowie durch die Differenz der Ausdehnungskoeffizienten von Faser und Matrix induziert. Die Analyse von repräsentativen Einheitszellen (Volumenelementen), vornehmlich unter Anwendung der Finite-Elemente-Methode, liefert in diesem Zusammenhang Informationen über die Verteilung und den Betrag von Eigenspannungen in stochastisch verteilten Faser-Matrix-Verbunden. Die effektiven transversal-isotropen Eigenschaften resultieren auf Laminatebene in makroskopischen Eigenspannungen, wenn die Orientierung im Laminataufbau variiert wird. In dicken Laminaten führen Gradienten hinsichtlich der Temperatur und der Abkühlgeschwindigkeit zu globalen Eigenspannungen. Eine frühzeitige Aushärtung der Randlaminate führt dazu, dass die noch nicht vollständig ausgehärteten inneren Lagen in ihrem Schrumpfverhalten beschränkt und folglich Eigenspannungen induziert werden. Arbeiten auf Basis numerischer Untersuchungen zeigen nachweislich, dass die Struktureigenschaften bezüglich Festigkeit und Lebensdauer mitunter von den mikro- und makroskopischen Eigenspannungen determiniert werden [16], [17], [18].

Vor diesem Hintergrund wird der Bedarf nach geeigneten Berechnungsmethoden zur ganzheitlichen Bewertung von Eigenspannungsverteilungen in stoffschlüssig hergestellten Faserverbund-Metall-Laminatwerkstoffen (FML) deutlich. Des Weiteren besteht ein großes Interesse an der Verfügbarkeit schneller und zuverlässiger Messverfahren. Für metallische Werkstoffe sind mechanische und röntgenographische Verfahren weitestgehend erforscht und haben sich in der experimentellen Eigenspannungsmessung als zuverlässige Methode etabliert. Für faserverstärkte Kunststoffe sind röntgenographische Verfahren nicht anwendbar, sodass auf teilzerstörende Verfahren wie das Bohrloch- und das Ring-Kern-Verfahren zurückgegriffen werden muss. Neben der spanenden Bearbeitung von FKV bzw. FKV-Metall-Schichtverbunden, die sich in Bezug auf die Maßhaltigkeit von Bohrungen, die definierte Beschaffenheit der Bohrungswände und den Werkzeugverschleiß komplex darstellt, ergeben sich aus der Inhomogenität weitere Herausforderungen: So stellen die anisotropen mechanischen Eigenschaften der faserverstärkten Kunststoffe, die im Bereich der Grenzschichten vorliegenden steilen Eigenspannungsgradienten mit einer sprungförmigen Änderung der mechanischen Eigenschaften, die lokale Varianz von Defektdichten sowie die insgesamt grob mehrphasige Mikrostruktur der faserverstärkten Kunststoffe eine besondere Herausforderung dar, sodass die konventionellen Verfahren bzw. bisherige Auswerteroutinen an ihre Grenzen stoßen.

Die ganzheitliche Analyse und Bewertung von Eigenspannungen in intrinsisch gefügten Faser-Metall-Laminaten auf Basis mikromechanischer Ansätze stellt das Thema dieser Arbeit dar. Im zweiten Kapitel wird zunächst eine Übersicht über die theoretischen Grundlagen der Kontinuums- und Mikromechanik gegeben, sodass im dritten Abschnitt dieser Arbeit mit der Analyse von Eigenspannungszuständen in ausgewählten intrinsisch gefügten Faser-Metall-Laminaten fortgefahren werden kann. Nach der Definition und Einteilung von Eigenspannungen im Kontext der hybriden Werkstoffverbunde wird zunächst die konstitutive Modellierung von duromeren Harzsystemen während des Vernetzungsvorgangs vorgestellt. Mit dem vorgestellten Modell wird der Einfluss des Härtungsprozesses auf die Ausbildung von mikroskopischen Eigenspannungen, also im Faser-Matrix-Verbund unter Anwendung von repräsentativen Einheitszellen, vorgestellt und analysiert. Zur skalenübergreifenden Betrachtung der Eigenspannungsverteilung folgt eine numerische Homogenisierung mit der effektive Elastizitätskonstanten in Abhängigkeit vom Vernetzungszustand ermittelt werden, was die Grundlage für die Bewertung der im makroskopisch betrachteten Verbund auftretenden Eigenspannungsverteilung bildet. Der letzte Abschnitt des Kapitels schließt die Kopplung von Mikro- und Makro-Ebene, indem mittels Dehomogenisierung die globalen Deformationen an ausgewählten Lokalitäten auf repräsentative Einheitszellen aufgebracht werden. Dies erlaubt die Bewertung des Einflusses von mikroskopischen und makroskopischen Eigenspannungen auf den Deformationszustand der Einheitszelle und kann somit beispielsweise Rückschlüsse auf den Ort der Schädigungsinitiierung geben, indem lokale Spannungsüberhöhungen an Grenzschichten bewertet werden können.

Das vierte Kapitel widmet sich der Analyse von Eigenspannungsverteilungen in Dickenrichtung mittels inkrementeller Bohrlochmethode. Vor dem Hintergrund, dass grundlegende Zusammenhänge zwischen Faser-Matrix-Architektur, Defekten und Anwendbarkeit der Bohrlochmethode nicht bekannt sind und experimentelle Verfahren nur bedingt in der Lage sind Informationen darüber bereitzustellen, folgt die Motivation zur Entwicklung numerischer Modelle. Das Ziel besteht darin, eine Analyse zum Einfluss von mikro- und mesoskopischen Charakteristika der Verbundstruktur bei Anwendung der Bohrlochmethode vorzunehmen und kritische Defektdichten und -lokalitäten zu identifizieren. Da skalenübergreifende Ansätze auf Basis der FEM in diesem Fall nicht anwendbar sind, ist die Entwicklung von alternativen Berechnungsverfahren auf Basis von pseudospektralen Galerkin-Methoden ein Ansatz, der hier erforscht wird. Wesentlicher Vorteil im Vergleich zur FEM ist, dass die FFT-basierten Solver keine geometrische Diskretisierung benötigen. Stattdessen dienen dreidimensionale computertomographische oder lichtmikroskopische Bildaufnahmen als Rechengitter. Nach einer Übersicht zur experimentellen Eigenspannungsmessung wird die Idee des mikromechanisch-motivierten Ansatzes auf Basis der FFT-basierten Galerkin-Methode vorgestellt. Im nachfolgenden Abschnitt werden die Vorteile gegenüber der klassischen FEM anhand von Beispielen bezüglich Laufzeit und Diskretisierung veranschaulicht. Das Kapitel schließt mit der simulierten Bohrlochmethode unter Berücksichtigung von mesoskopischen und mikroskopischen Porenstrukturen sowie deren Analyse und Bewertung hinsichtlich der Anwendbarkeit der Methode.

Als einer der am häufigsten auftretenden Defekte in Faser-Kunststoff-Verbunden wird in Kapitel 5 die Auswirkung von Faserwelligkeiten sowohl auf die Ausbildung des Eigenspannungszustandes an sich als auch auf die Anwendbarkeit der inkrementellen Bohrlochmethode bewertet. Hierzu werden Modellansätze des dritten Kapitels um eine sinusförmigverlaufende Faserwelligkeit ergänzt. Die Ausrichtung der Faserwelligkeit berücksichtigt dabei in Bezug auf den hybriden Laminataufbau eine Orientierung in Dickenrichtung und Laminatebene sowie zwei Amplituden und Wellenlängen.

Die vorliegende Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der erzielten Ergebnisse ab und gibt einen Ausblick auf weiterführende Untersuchungen, die im Rahmen dieser Arbeit noch nicht behandelt wurden.

Kapitel 2

Grundlagen

2.1 Kontinuumsmechanik

Im folgenden Abschnitt sollen als Basis für die nachfolgenden Modelle und Theorien die Grundzüge der Kontinuumsmechanik einführend vorgestellt werden. Inhalt der klassischen Kontinuumsmechanik ist die materielle Beschreibung von Körpern, die aus dem Gebiet mit der Oberfläche bestehen (vergleiche Abbildung 2.1). Das Gebiet ist ein Zusammenschluss von materiellen Teilchen, wobei die diskrete Struktur (z.B. die atomare Gitterstruktur) dieser materiellen Punkte vernachlässigt wird. Jedem Teilchen wird entsprechend lediglich eine Materialeigenschaft zugewiesen. Der vom Körper umfasste Zusammenschluss materieller Teilchen wird als Kontinuum bezeichnet. Die Form des Körpers bedarf für die Herleitung keiner weiteren Definition und wird erst im späteren Verlauf im Zusammenhang mit der zu untersuchenden Problemstellung konkretisiert.

Die Kinematik beschreibt die Bewegung des Körpers über die Zeit t, indem jedem materiellen Punkt ein Positions- oder Ortsvektor x(t) im Euklid’schen Raum E3 zugeordnet wird. Entsprechend der Abbildung 2.1 wird die Referenzkonfiguration des Körpers zum Zeitpunkt t0 mit dem Ortsvektor X gekennzeichnet. Im Gegensatz zum Ortsvektor x(t) behält dieser seine Position hinsichtlich des fest gewählten Bezugspunktes bei und ändert sich nicht. Die Momentankonfiguration beschreibt die Bewegung des Körpers mithilfe des funktionalen Zusammenhangs nach

der die Positionen zu einem Zeitpunkt t aller materiellen Punkte des Körpers beinhaltet. Das Verschiebungsfeld u wird als Differenz aus Momentan- und Referenzkonfiguration definiert

Abbildung 2.1: Geometrische Beschreibung der Bewegung eines Körpers .

Weiterhin folgt jeweils die Einführung des Deformations- und Verschiebungsgradienten F und H zu

und

Zur Beschreibung der Deformation eines Körpers ist der Deformationsgradient ungeeignet, da dieser ebenfalls die Starrkörperbewegungen, die keine Formänderung hervorrufen, enthält. Mit der Definition des Deformationsgradienten können jedoch alternative Verzerrungsmaße eingeführt werden, die die reine Formänderung des Körpers beinhalten. Der auf die Referenzkonfiguration bezogene Green-Lagrange’sche Verzerrungstensor E wird häufig herangezogen, da sich für die Elemente des Verzerrungstensors physikalische Bedeutungen finden lassen [19].

Bei Betrachtung des genannten Dehnungstensors (2.5) kann eine anschauliche Unterteilung in lineare und quadratische Anteile vorgenommen werden. Für infinitesimal kleine Verschiebungen verschwinden die quadratischen Terme bei Linearisierung um die Referenzkonfiguration, sodass das lineare Deformationsmaß, auch bekannt als technische Verzerrung,

resultiert.

Neben der geometrischen Beschreibung des Körpers sind die lokalen Erhaltungsgleichungen, die zu erfüllen sind, wesentlicher Bestandteil der Kontinuumsmechanik. Neben der Massenerhaltung, die besagt, dass die Dichte in der Referenz- und Momentankonfi-guration unverändert bleiben muss

sind weiterhin die Kontinuitätsgleichungen des Impulses in allgemeiner Form

zu erfüllen. Der Spannungsvektor t ist nach dem Fundamentaltheorem Cauchys als das Produkt des Spannungstensors σ und des auf der Oberfläche gerichteten Normalenvektors n

definiert. Begrenzt man sich auf das statische Gleichgewicht und unter Vernachlässigung der Volumenlasten verschwinden die Beschleunigung und die spezifische Volumenkraft b, sodass lediglich

zu erfüllen bleibt. Unter Berücksichtigung des Gauß’schen Integralsatzes kann die Kontinuitätsgleichung in ein Volumenintegral überführt werden

sodass die lokale Form der Gleichgewichtsbedingung zu

folgt. Mit der Erhaltung der Drehimpulsbilanz

folgt die Symmetrie des Spannungstensors

Mit den aufgestellten kinematischen und kinetischen Gleichungen (siehe Gleichungen (2.6) und (2.12)) ist das resultierende Differentialgleichungssystem noch nicht lösbar. Mit der Einführung eines Konstitutivgesetzes wird die Verknüpfung von Deformation und Spannung vorgenommen, die sich aus experimentellen Beobachtungen ableitet. Ziel des Konstitutivmodells ist es, das mechanische Verhalten eines Werkstoffes zu beschreiben. Bekannte Kategorien der Konstitutivmodelle sind neben vielen weiteren die Elastizität, Plastizität sowie die Viskoelastizität und -plastizität [20]. Weiterhin werden zur Lösung des Differentialgleichungssystem Anfangs- und Randbedingungen benötigt. Die Nichtlinearität der Differentialgleichung erfolgt bei kleinen Deformationen lediglich aus dem Konstitutivgesetz.

2.2 Homogenisierung und Mikromechanik

Im nachfolgenden Abschnitt sollen die Grundbegriffe der Homogenisierungstheorie einleitend beschrieben und die Grundkonzepte erläutert werden.

Typische Konstruktionswerkstoffe werden auf der makroskopischen Ebene als homogen betrachtet, bei genauerer Auflösung weisen jedoch die Meso-, Mikro- und Nanostrukturen eine Heterogenität auf. In homogen geschichteten Verbunden bewirkt die unterschiedliche Orientierung der einzelnen Lagen beispielsweise eine Heterogenität der Meso-Ebene, wogegen der Faser-Matrix-Verbund ein Beispiel für die mikroskopische Heterogenität eines makroskopisch homogen erscheinenden Werkstoffes ist. In metallischen Werkstoffen sind die in Kristallgitterstrukturen bestehenden Defekte und die Kristallorientierungen Ursache für die feinskalige Heterogenität. Die effektiven