Mister Anders Thekenboy - Katharina Koch - E-Book
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Mister Anders Thekenboy E-Book

Katharina Koch

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Beschreibung

Als CEO des familieneigenen Unternehmens ist Sadie auf der Karriereleiter ganz oben angekommen. Was ihr noch zu ihrem Glück fehlt, ist die eine große Liebe. Während ihre Freundinnen heiraten und häuslich werden, findet sie einfach niemanden, der es ehrlich mit ihr meint und es nicht nur auf ihr Unternehmen abgesehen hat. Beim Junggesellinnenabschied ihrer Freundin trifft sie auf den gut aussehenden Ryan, der Sadie gehörig den Kopf verdreht. Alle Freundinnen warnen sie vor einem One-Night-Stand mit ihm. Für Sadie wäre er als Barkeeper kein Mann, den sie ihrem Vater vorstellen würde, und doch kann sie ihn nicht vergessen. Sie steht vor dem Dilemma, Herz oder Kopf, wem soll sie folgen? Leseprobe: „Hauptsache, er ist wirklich weg.“ Schnell sah ich mich im Club um, doch ich konnte ihn nirgends entdecken. „Nicht, dass er mir auflauert oder so.“ „Nicht jeder Kerl, der stehengelassen wurde, ist ein Stalker.“ „Aber harmlose Typen nutzen ihre eigenen Fotos. Ich wüsste zu gern, wer der Kerl auf dem Bild war.“ Verträumt schaute ich in die Ferne, ohne wirklich etwas zu sehen. Vor meinem inneren Auge erschienen die Grübchen und der ordentliche Bart, den der Unbekannte auf den Porträts getragen hatte. Schade. Konnte ich nicht einmal Glück haben? Ryan räusperte sich und holte mich so aus meinen Gedanken zurück in die Realität. „Vielleicht also besser etwas ohne Alkohol, sodass du wegrennen kannst, falls er dir draußen auflauert?“ Ich streckte ihm keck die Zunge entgegen. „Solltest du nicht etwas charmanter sein, damit du Trinkgeld kriegst?“ „Noch charmanter wird es hier heute nicht mehr. Ich habe dich schon völlig selbstlos gerettet.“ Er beugte sich über den Tresen und flüsterte: „Für weitere Dienste müssten wir die Lokalität verlassen.“ Er zwinkerte mir zweideutig zu. Mir wurde heiß. Ich presste die Schenkel zusammen, weil seine Worte, so unverschämt sie auch waren, eine Wirkung auf mich hatten, die ich nur zu gern leugnen wollte. Wie schaffte er das nur? „Und wenn ich ja sage?“ Er hielt mitten in der Bewegung inne und schaute mich überrascht an. Ha! Damit hatte er nicht gerechnet. Das Spiel konnte ich auch mitspielen. „Mein Auto steht direkt vor dem Club. Es dauert keine Viertelstunde und wir wären in meiner Wohnung.“ Langsam leckte ich mir über die Lippen. Er verengte seine Augen zu Schlitzen. Ich wusste genau, was ich da machte.... Es handelt sich um einen abgeschlossenen Einzelband. Um in den vollen Lesegenuss zu kommen, sollte die Reihenfolge eingehalten werden.

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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Acht Monate später
BIBLIOGRAFIE
DANKSAGUNG
Über die Autorin

 

 

 

 

 

 

 

Thekenboy

 

 

von

 

Katharina Koch

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Copyright © 2024 Katharina Koch – alle Rechte vorbehalten. Stillektorat und Korrektorat: Melissa Kamp Covergestaltung: Claudia Harnoss

 

Bildlizenzen: Depositphotos,

creative fabrica

 

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. Personen und Handlungen sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Markennamen sowie Warenzeichen, die in diesem Buch verwendet werden, sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Eigentümer.

 

 

Für Frank und Julia

 

Kapitel 1

Zartrosa Krawatten, ein Haarreif mit einem riesigen, verschnörkelten Brideschriftzug und ein kitschiger Schleier outeten uns an diesem Abend als Junggesellinnenabschied. Lynns großer Tag stand schon bald bevor und daher nutzten wir die Gelegenheit, noch einmal richtig die Sau herauszulassen. Wir hatten uns für das Vanish mit seinem modernen Flair und der eher kleinen Tanzfläche entschieden. Mit unseren identischen schwarzen, am linken Bein geschlitzten Kleidern, passten wir perfekt in das stilvolle Ambiente.

Als wir an der Bar anstanden und darauf warteten, eine neue Runde Shots zu bekommen, zupfte ich meine Krawatte zurecht. Jetzt verdeckte sie mein üppiges Dekolleté deutlich besser, denn der Ausschnitt des Kleides überließ nichts der Fantasie.

„Wie lang sind Samuel und du eigentlich schon zusammen?“, fragte ich Lynn, die direkt neben mir stand.

„Im kommenden Winter sind es zwei Jahre.“ Sie lächelte mich an. „Egal, ob zwei, fünf oder zehn Jahre, ob es hält oder nicht, weiß man nie.“

„Dafür, dass du lieber unverbindlich bleiben wolltest, wird es jetzt ganz schön verbindlich“, sagte Emily mit einem breiten Grinsen.

„Man wird eben erwachsen.“ Lynns Wangen färbten sich rot. „Außerdem: Wie hätte ich bei Samuel nein sagen sollen? Er hat letztes Weihnachten vor mir gekniet. Völlig unerwartet. Da sagt man nicht einfach nein.“ Sie machte eine wegwerfende Handbewegung.

„Also fühlst du dich bedrängt?“, fragte Brianna, mit der Lynn und ich zusammen studiert hatten, belustigt.

„Nein, natürlich nicht“, antwortete Lynn.

„Ich hätte auch nicht nein gesagt“, sagte Emily mit einem verträumten Blick.

„Phil wird dich auch noch fragen. Warte es nur ab“, entgegnete Lynn.

Nachdem Lynn aus der gemeinsamen WG ausgezogen war, hatte Emily einen neuen Mitbewohner gefunden. Es hatte bei den beiden sofort gefunkt. Mittlerweile waren sie schon anderthalb Jahre zusammen. Wieso fanden fast all meine Freundinnen einen Partner, während ich immer nur verarscht wurde?

Wir wurden vom Barkeeper unterbrochen. Ich drehte mich ein Stück, um ihn anzusehen und unsere Bestellung aufzugeben. Erschrocken vergaß ich, was ich sagen wollte. Seit wann arbeitete Samuel hinter einem Bartresen? Und warum feierten wir ausgerechnet hier, wenn der Bräutigam Schicht hatte?

Emily kam mir grinsend zur Hilfe, legte einen Arm um meine Taille und zog mich enger an sich. Während sie unsere Bestellung aufgab, sah ich sie fragend an.

„Seit wann arbeitete denn Samuel hier?“, fragte ich, als er weglief.

„Ach Sadie … Das ist doch nicht Samuel.“ Kichernd beugte sie sich näher, sodass ich ihr blumiges Parfüm wahrnahm. „Das ist sein Zwillingsbruder Ryan.“

Ryan? Wieso hatte Lynn das bisher nie erwähnt? Ich musterte ihn genauer. Die beiden Brüder glichen sich wie ein Ei dem anderen, nur Samuels akkurater Anchor Bart fehlte. Verrückt.

Ryan reihte einige Schnapsgläser nebeneinander auf und füllte sie mit Tequila. Dann legte er je einen Zitronenschnitz auf die Glasöffnungen und stellte einen Salzstreuer dazu. Seine moosgrünen Augen funkelten wie Glühwürmchen in der Nacht. Dieses verschmitzte Lächeln auf seinen Lippen sorgte bestimmt nicht nur bei mir für ein feuchtes Höschen. Das war mir noch nie zuvor passiert. Ich hatte schon heiße Typen gedatet, aber bisher war mir keiner wie Ryan unter die Augen getreten, der nur mit einem einzigen Blick solche Reaktionen in meinem Körper auslöste. Mein Magen kribbelte unaufhörlich, als wäre ein wunderschöner Schmetterling mit samt der Familie eingezogen.

Eigentlich war ich nicht der Typ für One-Night-Stands, aber bei ihm würde ich schon eine Ausnahme machen. Brianna stupste mich an und ich ergriff hastig den Salzstreuer, den sie mir reichte. Ich leckte über meinen Daumenballen und streute Salz auf die befeuchtete Haut. „Auf Lynns letzten Ausflug in Freiheit“, rief ich und erhob mein Glas.

„Auf Lynn“, sagten die anderen im Chor und stießen mit den Shots an.

Zuerst schmeckte ich das Salz, das ich viel zu üppig auf meiner Haut verteilt hatte. Der Alkohol brannte mir in der Kehle. Eilig biss ich in den Zitronenschnitz, doch auch das machte es nicht besser. Im Gegenteil: Die Säure ließ alles in mir zusammenziehen.

Die Gläser wurden mit einem leisen Klonk auf den Tresen zurückgestellt.

„Kommen wir zum unterhaltsamen Teil des Abends“, sagte Brianna und rieb sich die Hände.

Da Emily dagegen war, hatten Brianna und ich uns einige Aufgaben für Lynn ausgedacht, um für einen gelungenen Abend zu sorgen. Uns war zwar klar, dass sie sich spätestens bei unseren Junggesellinnenabschieden dafür rächen würde, aber Spaß musste sein. Lynn warf ihr einen fragenden Blick zu und nestelte nervös an ihrem Kleid herum. Normalerweise war sie vollkommen selbstbewusst, aber seitdem sie für die Hochzeit ein paar Pfunde abgenommen hatte, wirkte sie zunehmend unsicherer. Dabei gab es gar keinen Grund für ihre Zweifel. Sie sah umwerfend gut aus. Ich wünschte, ich hätte auch das Durchhaltevermögen wenigstens eine Kleidergröße zu verlieren.

„Lynn, als Meisterin der Verführung in unserem Kreis wollen wir natürlich von dir lernen.“

Lynns tiefblauen Augen weiteten sich. „Ich? Meisterin der Verführung?“ Sie lachte.

„Du bist die Einzige, die ich kenne, die sich die Männer aussucht und sie auch bekommt. Jedes einzelne Mal.“ Sie holte tief Luft. „Die erste Aufgabe: Mache die Nummer eines x-beliebigen Mannes klar.“

Lynns Blick wanderte zum Tresen, hinter dem Ryan Gläser polierte. Ich sah ebenfalls zu ihm. Sein Shirt lag eng an und seine Muskulatur zeichnete sich deutlich unter dem Stoff ab. Nur zu gern würde ich meine Hände auf seiner Brust platzieren und die Härte seiner Muskeln spüren.

„Nein, nicht deinen angehenden Schwager. Das wäre Schiebung.“ Briana streckte die Hände aus. „Jeder andere hier.“

Ich wandte den Blick mühsam von Ryan ab.

Lynn strich sich eine ihrer schwarzen Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Na gut. Dafür brauche ich aber noch einen weiteren Drink.“ Sie drehte sich um, gab Ryan ein Zeichen, der sofort mit der Tequilaflasche kam.

„Ihr kriegt heute auch nicht genug, was?“, fragte er mit einem schiefen Grinsen.

„Ich werde gezwungen, eine Nummer klarzumachen, um den anderen zu zeigen, wie es geht“, sagte Lynn.

Belustigt schaute Ryan in die Runde und sein Blick blieb einen Moment länger bei mir hängen. „Ich sehe nicht, dass auch nur eine von euch das nötig hätte.“

„Trink doch einen mit“, sagte ich eilig, als Ryan schon wieder verschwinden wollte.

Er hielt inne und warf mir einen fragenden Blick zu. Ermutigend nickte ich ihm zu. Mit einer flinken Bewegung stellte er ein neues Glas auf den Tresen, wirbelte die Flasche herum und füllte das Schnapsglas. Während wir tranken, hielt ich den Blick auf Ryan gerichtet, der diesen erwiderte. Hitze breitete sich in meiner Magengrube aus, die bis in meine Körpermitte ausstrahlte. Schon viel zu lange hatte ich keinen Mann mehr mit heimgenommen. Nach der letzten Pleite mit Peter vor über einem Jahr hatte ich die Suche nach Mr. Right aufgegeben.

Lynn löste sich von unserer Gruppierung und lief ziellos durch die Bar. Nachdenklich sah ich ihr nach. Warum hatte sie mir Ryan bisher nicht vorgestellt oder erwähnt, dass ihr Zukünftiger ein Zwilling war? Neben mir begannen zwei Mädels zu kichern. Sie wurden gerade von Ryan bedient und begutachteten seinen Hintern, als dieser sich umdreht und mir ein Lächeln zuwarf. Ertappt drehte ich mich um.

Suchend schaute ich mich im Vanish nach unserer Braut um, die mit einem gut aussehenden Kerl in Hemd und Anzughose redete. Es dauerte nicht lang und Lynn kam strahlend mit einem Zettel, auf dem eine Nummer gekritzelt stand, zurück an den Tisch.

„Wow. Das ging schnell“, sagte Emily mit großen Augen.

„Man verlernt es anscheinend nicht.“ Sie befeuchtete sich die Lippen. „Oder er war einfach nett, weil ich von euch eindeutig als Braut gekennzeichnet wurde und er mich rasch von der Aufgabe erlösen wollte.“ Sie zupfte ihren Schleier zurecht.

„Gut gemacht. Die zweite Aufgabe: Suche dir einen Kerl, den du zum Tanzen aufforderst.“ Ich sah Lynn herausfordernd an.

Die Braut in spe lachte. „Nichts leichter als das.“

Gemeinsam liefen wir zur Tanzfläche und tanzten alle miteinander. Der Bass pulsierte auf meiner Haut. Ich schloss die Augen, drehte Kreise und hatte einfach Spaß mit meinen Freundinnen.

Zwei Songs später löste sich Lynn aus unserem Grüppchen und tanzte mit einem Buchhaltertyp, der trotz der lauten Musik versuchte, sich mit Lynn zu unterhalten. Sehnsüchtig sah ich wieder zu Ryan, der die Flaschen herumwirbelte und Drinks einschenkte. Er schien genau zu wissen, was er da tat, und gleichzeitig fragte ich mich, was er mit diesen Fingern bei mir anstellen könnte. Ich presste die Beine zusammen, um dem Pochen in meiner Körpermitte Einhalt zu gebieten, doch es war zwecklos. Seit einer halben Ewigkeit war ich nicht mehr so wollüstig gewesen. Lag es am Alkohol oder war irgendetwas in der Luft?

Nach einer weiteren Runde Tequila Shots gab es die finale Aufgabe. Lynn sollte einem Mann ihrer Wahl einen Kuss geben.

„Ich kann doch nicht irgendwen küssen. Hallo? Samuel tötet mich.“

„Du sollst ihn doch nur einen kleinen Knutscher geben und nicht die Mandeln mit deiner Zunge untersuchen“, sagte Brianna kopfschüttelnd.

„Das ist für uns aber schon fremdgehen.“ Lynn verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich mache ja viel Scheiß mit, aber Samuel zu verletzen gehört für mich nicht zu einem lustigen Abend.“

Ryan räumte den Teller mit den angebissenen Zitronenschnitzen ab. „Willst du mir ein Kuss auf die Wange geben? Dann bist du fertig und es ist kein Fremdgehen.“

Lynn warf ihm einen skeptischen Blick zu. Schließlich wechselte ihr Ausdruck zu einem Fragenden.

„Na gut“, sagte Brianna, was mit einem Nicken von mir und Emily bestätigt wurde.

Lynn beugte sich über den Tresen und küsste ihrem angehenden Schwager auf die Wange. Etwas roter Lippenstift blieb zurück. Ein kaltes Gefühl stach in meiner Brust. Warum war ich eifersüchtig? Weder gehörte Ryan mir noch lief etwas zwischen Lynn und ihm. Ich wandte den Blick ab und schaute auf meine ineinander verknoteten Finger.

„Und jetzt setzt ihr euch gleich an die Tanzfläche. Der Showact beginnt bald.“

 

„Heilige Scheiße“, entfuhr es mir, als ein muskelbepackter Typ mit langen Haaren auf die Tanzfläche trat.

Der Kerl war wirklich heiß. Lynn stellte sich zwischen uns.

Wenngleich er tanzte wie ein Gott und genau wusste, wie er sich zu bewegen hatte, damit die Frauen ausflippten, wanderte mein Blick wie automatisch immer wieder zum Tresen, an dem Ryan mit einem Kollegen sprach. Ich hätte viel lieber Ryan beim Tanzen und Strippen zugesehen.

Der Stripper zog mich unversehens auf die Tanzfläche und platzierte mich auf einen Stuhl. Am liebsten wäre ich weggelaufen, weil ich mich in dieser Situation unglaublich unwohl fühlte. Ein unangenehmer Schauder erfasste mich. Mein Widerspruch wurde vehement ignoriert, sodass ich widerwillig auf dem Stuhl sitzen blieb und peinlich berührt versuchte, mich unsichtbar zu machen. Er tanzte über meinem Schoss und rieb seinen warmen Körper an mir, doch das alles ließ mich eiskalt. Ich wollte einfach nur, dass es zu Ende ging.

„Ich tue dir nichts. Lächle wenigstens ein bisschen“, zischte der Stripper mir zu.

Mit einem gequälten Lächeln starrte ich auf seine muskulöse Brust, während er vor mir her tanzte. Dann schaute ich in die Ferne, in dem Versuch Ryan zu entdecken, doch es waren zu viele Leute um die Tanzfläche verteilt, sodass ich ihn nicht sehen konnte.

Als die Prozedur zu Ende war, stand ich erleichtert auf, bedankte mich bei dem Stripper für seine Show und trat zu meinen Freundinnen, die mich jubelnd empfingen.

„Du hast geschaut wie ich, wenn ich den Backofen sauber machen muss“, sagte Brianna und lachte.

„Ich fand das auch echt nicht toll.“

„Wieso denn das?“ Ihre hellbraunen Augen wurden groß und rund.

Mein Blick hing an Ryan, doch ich versuchte, nicht daran zu denken, was ich mit ihm anstellen wollte. „Ich bin CEO. Weißt du, wie das aussieht, wenn Bilder von mir mit einem Stripper auftauchen?“

„Ach was.“ Brianna winkte ab. „So schlimm ist das nicht, aber hattest du nicht gesagt, du willst keine untreuen Typen mehr kennenlernen?“

„Ja?“ Hellhörig geworden, schaute ich sie an.

Einige ihrer blonden Haarsträhnen hatten sich aus ihrem Zopf gelöst. „Sadie, verlieb dich niemals in den Barkeeper. Die sind nie treu.“

Fragend sah ich zu Lynn, die nickte. „Ich hatte lange Zeit vor Samuel einige Barkeeper und keiner von denen war single.“

Überrascht schaute ich meine Freundinnen an. „Und warum erzählt ihr mir das?“

„Weil wir alle sehen, wie du Ryan anstarrst“, entgegnete Lynn.

Anstarren? Ertappt saugte ich meine Unterlippe ein.

„Ryan ist heiß, charmant und irgendwo tief in ihm steckt bestimmt ein netter Typ, aber er ist kein Kerl zum Heiraten und Kinder kriegen. Er legt sich ungern fest, bringt nie Frauen zu irgendwelchen Familienfeiern mit …“ Lynn hielt inne.

„Dafür hat er sicher kein Interesse an dem Unternehmen meiner Familie.“ Ich schluckte schwer.

Lynn zog ihre Stirn in Falten. „Ja, stimmt sicherlich.“

„Verlieb dich nicht in ihn. Er wird dir wehtun“, sagte Brianna.

War zwischen ihr und Ryan etwas gelaufen?

Kapitel 2

Der bittere Geschmack brachte mich erneut zum Würgen. Ich stützte mich auf die Klobrille und versuchte zu ignorieren, wie ekelhaft der geflieste Fußboden war. Das hier war eindeutig keine Glanzleistung meinerseits.

„Geht es wieder?“, fragte Brianna durch die Toilettentür.

„Nein.“ Röchelnd wischte ich mir mit etwas Klopapier über die Mundwinkel.

„Soll ich wirklich nicht hereinkommen und dir helfen?“

„Helfen?“ Ein erneuter Würgereiz brachte mich dazu, mich über die Toilette zu beugen, doch es kam nichts mehr hoch.

„Ja, Haare aus dem Gesicht halten, oder so?“ Brianna klang besorgt.

„Nein, nein.“ Ich atmete tief durch. „Es geht schon wieder.“

„Warum bist du nur immer so stur?“ Sie seufzte.

Ich klaubte mich vom Boden auf und drückte die Spülung. Kurz lehnte ich mich an die Toilettenkabine und schloss die Augen. Alles drehte sich munter im Kreis. Wie im Karussell. Nur mit dem Unterschied, dass dieses Karussell ausschließlich in meinem Kopf existierte.

„Ich bin nicht stur und auch nicht hilflos. Ich bin eine erwachsene Frau und …“

„Ja ja ja.“ Brianna brummte genervt. „Diesen Monolog kennen wir alle in- und auswendig.“

Schwungvoll drückte ich mich von der Kabinenwand ab und schloss die Tür auf. Sie sah mich besorgt an.

„Es geht wirklich wieder. Ich schaffe das schon.“ Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen.

Mir war so furchtbar schwindelig und der Boden schien auch nicht eben zu sein. Brianna folgte mir schweigend zum Waschbecken, an dem ich mir die Hände mit kaltem Wasser wusch und vorsichtig die Haare zurechtzupfte. Ich sah schlimm aus. Wie sollte ich so nochmal durch den Club laufen? Hätte ich bloß die letzten zwei Runden ausgelassen, aber ich wollte kein Spielverderber sein. Normalerweise vertrug ich Tequila. Das war mir seit dem College nicht mehr passiert.

Mit einem Papiertuch tupfte und rieb ich abwechselnd über die verwischte Wimperntusche. Außer dass die Haut rot wurde, änderte sich kaum etwas an meiner Erscheinung.

Sie ergriff meine Schulter und drehte mich langsam um. „Was ist los? Du bist heute irgendwie komisch.“

„Ich bin genervt, dass ihr alle so tut, als wäre ich ein hilfloses Baby.“

Brianna sah mich verwirrt an.

„Ryan.“

Sie legte den Kopf schief. „Natürlich kannst du mit ihm schlafen und dich unglücklich machen, aber möchtest du wieder traurig sein? Er ist nicht der Richtige für dich.“

„Woher willst du das wissen? Kennst du ihn etwa?“

Brianna zog ihre Lippen zu einer dünnen Linie. Was sollte das heißen?

Ich stützte mich am Waschbecken ab, weil ich taumelte. „Hast du mit ihm geschlafen?“

„Nein, natürlich nicht. Nur fand ich Lynns Aussage sehr eindringlich. Außerdem sind alle Barkeeper gleich. Sie flirten für das Trinkgeld und wenn sie dicke Eier haben, begleiten sie auch mal einen Gast nach Hause. Sei doch froh, dass wir dich beschützen wollen, damit du nach Peter keine weitere Enttäuschung ertragen musst.“ Brianna ergriff meine Hand. „Ich meine es doch nur gut mit dir. Wirklich.“

Ich musterte sie mit einem durchdringenden Blick, aber ihre Augen verrieten nichts. Erschöpft überwand ich die Distanz zwischen uns und lehnte meine Stirn an ihre Schulter. „Wieso will mich denn keiner? Warum sind immer alle nur an meinem Erbe interessiert?“

„Männer sind eben Arschlöcher.“ Brianna zog mich in ihre Arme und streichelte mir sanft über den Rücken.

„Peter war so perfekt. Er war kultiviert, intelligent, charmant und sah sogar ganz gut aus.“

„Ja, dazu war er hinterhältig, ein Lügner und Betrüger.“

„Ich weiß.“ Meine Augen füllten sich mit Tränen, aber ich wollte nicht weinen. Nicht hier, in dem stinkigen Klo des Vanish. „Ich habe ihn trotzdem geliebt, doch er wollte von Anfang an nicht mich, sondern meinen Posten.“

„Das hast du zum Glück verhindert.“

„Stell dir vor, ich wäre nicht dahinter gekommen, dass er mir die ganze Zeit fremdgegangen ist.“

„Ich sagte ja bereits: Arschloch! Aber da draußen gibt es noch ganz andere Männer. Die sind ja nicht alle so. Vergiss ihn.“

„So einfach ist das nicht.“ Ich atmete tief durch.

„Ich weiß, ich habe mich ja auch schon so oft in Beziehungen verrannt, aber das mit Lynn und Samuel gibt mir irgendwie Hoffnung.“

„Echt?“ Ich löste meine Stirn von ihrer Schulter und sah sie an.

Sie nickte und strich mir mit dem Daumen zärtlich über die Wange.

„Es fühlt sich trotzdem so an, als gäbe es in ganz Boston niemanden für mich.“

„Der Richtige kommt schon noch und dann ist es ihm egal, dass du CEO bist. Vertrau mir.“

 

An der Theke bestellte mir Brianna ein Glas Mineralwasser. Ryan warf mir einen Blick zu, den ich im ersten Moment nicht einzuordnen wusste. War er etwa besorgt? Oder interpretierte ich mehr hinein, als da war, weil ich mich so sehr nach der Aufmerksamkeit eines Mannes sehnte? Gierig trank ich das kühle Getränk.

„Wo sind die anderen?“, fragte ich Brianna, die auf ihrem Smartphone herumtippte.

„Heimgefahren.“

Wie bitte? Hatten sie uns ernsthaft zurückgelassen?

„Wollen wir auch bald los?“, fragte Brianna und sah vom Display auf.

Ich nickte und leerte mein Wasserglas.

Brianna gab Ryan ein Zeichen, bezahlte unsere beiden letzten Getränke und sah mich besorgt an. „Du bist schon wieder so blass.“

Ich schüttelte den Kopf und erhob mich vom Barhocker. „Alles gut. Ich brauche nur frische Luft.“ Plötzlich drehte sich der Raum. Auf einmal spürte ich einen harten Aufprall und ein Schmerz durchfuhr meine Hüfte.

„Sadie!“ Brianna hockte sich neben mich und sah mich besorgt an. „Was ist los?“

Ehe ich wusste, wo oben und unten war, hob mich ein kräftiges Paar Hände hoch und setzte mich auf eine mit lederbezogenen Sitzbank. Als ich aufsah, schaute ich in ein vertrautes Augenpaar und roch den herben Duft eines männlichen Aftershaves. Ryan.

„Alles okay?“, fragte er und besah mich mit einem prüfenden Blick.

Ich war nicht in der Lage, auch nur ein Wort über die Lippen zu bringen. Zum einen wusste ich nicht, wieso ich gefallen war. Zum anderen wollte ich mir nicht die Blöße vor ihm geben. Er sah mit seinen markanten Wangenknochen so gut aus. Just in diesem Moment bemerkte ich eine Narbe an der Augenbraue. Ob er sie wohl von einer Kneipenschlägerei hatte?

„Sadie hat zu viel getrunken“, antwortete Brianna für mich und für diese fünf Wörter könnte ich sie erwürgen.

Sofern ich denn dazu in der Lage wäre. Das ging Ryan nichts an. Wie konnte sie ihm das so brühwarm erzählen? Ich rieb über meine schmerzende Hüfte.

„Brauchst du etwas Eis?“, fragte Ryan, dem offensichtlich nichts entging.

Ich schüttelte den Kopf.

„Ihr solltet heim“, entgegnete Ryan an Brianna gewandt.

„Das war jetzt auch der Plan. Sadie, schaffst du es, aufzustehen, oder soll ich dir helfen?“

Dankbar nahm ich ihre Hand, die sie mir hingehalten hatte, und drückte mich vom Tisch ab. Meine Beine waren wackelig, aber ich schaffte es, stehenzubleiben. Erneut war mir unglaublich schwindelig, doch ich meisterte es, trotz der hohen Absätze einen Fuß vor den anderen zu setzen. Hätte mich das Erbrechen nicht ausnüchtern müssen?

„Glaubst du, dass du sie so heim kriegst?“, fragte Ryan leise hinter mir.

„Ich fahre mit ihr im Uber nach Hause und passe auf sie auf.“ Brianna redete über mich, als wäre ich gar nicht da. Was fiel ihr eigentlich ein?

An der frischen Luft angekommen, lehnte ich mich an eine Laterne. Das Metall war angenehm kühl. Eine leichte Brise erweckte meine Geister und das lahmende Gefühl in meinem Kopf besserte sich. Auch die Umdrehungen in meinem Schädel klangen langsam wieder ab.

„Und ihr seid euch sicher, dass ihr keine Begleitung braucht? Ich habe ohnehin gleich Schluss.“

„Nein!“

Das war alles schon peinlich genug. Er sollte gehen. Brianna lächelte amüsiert. Was war denn so lustig?

„Na gut.“ Er räusperte sich. „Dann gute Heimfahrt.“ Mit den Worten wandte er sich ab und verschwand wieder im Inneren des Vanish.

„Warum bist du denn so grob zu ihm?“, fragte Brianna.

„Weil ihr gesagt habt, dass er für mich gefährlich ist.“ Ich schüttelte den Kopf, bereute es jedoch direkt wieder, da diese kleine Bewegung das Karussell in meinem Schädel von neuem beschleunigte. Ungeduldig rieb ich mir die Stirn. „Erst warnt ihr mich alle eindringlich vor dem Thekenboy und dass man sich niemals in einen von ihnen verlieben sollte. Jetzt wäre es aber völlig in Ordnung, wenn dieser Fremde mich heimbringt und vielleicht die Situation ausnutzt?“ Ich schnaubte. „Euch soll mal einer verstehen.“

 

Am nächsten Morgen erwachte ich mit dem schlimmsten Kopfschmerz meines Lebens. Wieso zum Teufel hatte ich nur so viel getrunken? Ein Blick auf mein Smartphone machte mich darauf aufmerksam, dass es bereits Mittag war. Brianna hatte mir mehrfach geschrieben, ob alles in Ordnung war, doch ich hatte keinen Antrieb ihr zu antworten. Ich war völlig erledigt.

Mühsam klaubte ich mich aus dem Bett. Nachdem ich im Bad gewesen war, fühlte ich mich wenigstens wieder wie ein Mensch. Zwar mit einem matschigen Schädel, der unaufhörlich brummte, und einer ausgedörrten Kehle, als hätte ich eine Safari durch die Wüsten dieser Erde hinter mich gebracht. Ich trank gierig eine Flasche Mineralwasser und sank auf einen Barhocker an der Kücheninsel. Meine Hüfte schmerzte, doch mir war nicht klar, wieso. Erschöpft drückte ich die kühle Wasserflasche an meine Stirn. Dann klingelte es. Widerwillig stand ich auf und schlurfte den Flur entlang zur Freisprechanlage.

„Ja?“

„Brianna hier. Schön, dass du noch lebst.“

„Was möchtest du?“

„Ich habe Katerfrühstück dabei.“

Appetit hatte ich zwar keinen, ließ sie aber dennoch hinein. Sie stürmte gut gelaunt in mein Apartment, als hätte es den Junggesellinnenabschied letzte Nacht nicht gegeben. Wieso ging es ihr nur so verdammt gut, während ich so fertig war, als käme ich aus dem Krieg zurück?

Kaum saß ich wieder auf meinem Platz in der Küche, da fragte ich: „Wieso bist du so fit?“

„Ich habe viel früher aufgehört, zu trinken.“

Ich zog die Augenbrauen hoch, doch bereute es sofort. Selbst diese winzige Regung schmerzte wie tausend Messerstiche in den Schläfen. Wie hatte sie aufhören können, zu trinken, während wir Runden bestellt hatten? Wer hatte ihre Shots getrunken?

„Iss jetzt erst mal einen Bagel, dann geht es dir auch gleich besser.“

„Bagel?“ Ich zog die Nase kraus.

Schon bei dem Gedanken, etwas zu essen, rumorte mein Magen unaufhörlich. Vielleicht hätte ich doch Ryan mit heimnehmen sollen, statt auf meine Freundinnen zu hören und mich so heftig zu betrinken. Letztlich hatte ich doch nur die Erinnerung an ihn auslöschen wollen, wie bei einer überspielten Videokassette. Augenscheinlich hatte das aber nicht funktioniert.

„Ich habe Frischkäse und Lachs dabei.“

„Lachs?“ Galle stieg unaufhaltsam meine Kehle hinauf.

Über den Flur rannte ich zum Bad. Allein das Wort brachte mich dazu, mich tief über die Toilettenschüssel zu beugen und alles herauszulassen.

 

Eine Viertelstunde später ging es mir besser. Ich kam zurück in die Küche, in der zum Glück weder Lachs zu sehen noch zu riechen war.

„Und ich dachte, du hättest letzte Nacht schon alles im Vanish gelassen.“ Sie legte ihre Hand auf die meine. Ihre perfekt manikürten Fingernägel waren mit Blumenmustern bemalt. „Wir meinen es wirklich nur gut. Ryan ist ein Schlitzohr.“

„Woher wisst ihr das alle? Ich meine, ich wusste bis gestern Abend nicht einmal, dass Samuel einen Zwillingsbruder hat. Wieso wurde er vor mir versteckt?“

„Niemand hat Ryan vor dir versteckt.“

Ich presste meine Lippen skeptisch zu einer Linie zusammen.

„Sadie … Ich habe ihn zufällig kennengelernt und nur einmal gesehen.“

„Und wieso warnt ihr mich alle vor ihm, wenn ihr ihn auch nur flüchtig kennt?“

„Du hast doch gehört, was Lynn gesagt hat. Außerdem hatten wir alle schon mal etwas mit dem Kerl hinter der Theke und keine von uns ist mit diesem Typ Mann glücklich geworden.“ Brianna legte den Kopf schief.

Vielleicht hatte sie recht und wollte mich tatsächlich nur beschützen. Dennoch war ich alt genug, selbst zu entscheiden, welche Fehler ich begehen wollte und um welche ich einen großen Bogen machte.

„Woher wollt ihr denn wissen, dass ich ihn nicht ausschließlich für einen One-Night-Stand missbrauchen wollte? Einfach nur Spaß.“

„Weil wir dich kennen, Sadie. Du bist kein Typ für eine Nacht. Du glaubst an die große Liebe und wir wissen alle, dass du dich danach sehnst.“

„Vielleicht bin ich eine neue Sadie? Die sich nicht scheut ein Risiko einzugehen und die Liebe aufgegeben hat?“

„Das soll ich dir glauben?“ Sie schnaubte. „Letzte Nacht klang das aber völlig anders.“

Ich biss die Zähne zusammen. Was machte ich uns hier vor? Sie kannte mich einfach zu gut.

„Denkst du ernsthaft, dass du ihn danach noch normal behandeln könntest? Du wirst ihn bei der Hochzeit wiedersehen.“

„Klar. Ich kann ihm da doch aus dem Weg gehen. Immerhin ist Emily die Ehrenbrautjungfer und Lynn will ohnehin auf den großen Kader am Altar verzichten.“

Ich wollte eine Nebenfigur bleiben und weder ein hässliches, buntes Brautjungfernkleid tragen, noch eine wichtige Funktion einnehmen. Hoffentlich vergaß Lynn das nicht.

Vorsichtig biss ich ein kleines Stück vom Bagel ab, den Brianna für mich aufgeschnitten und mit Frischkäse bestrichen hatte.

„Ryan ist übrigens Samuels Trauzeuge.“

„Das ist ja noch viel schlimmer“, sagte ich kauend.

„Ach?“ Sie grinste schelmisch über das ganze Gesicht. „Und jetzt stell dir mal vor, wir hätten dich nicht aufgehalten und du hättest dir das Hirn wegvögeln lassen.“

„Brianna …“

„Ist doch wahr.“

Ich wollte gar nicht darüber nachdenken und schüttelte den Kopf. „Lass uns lieber über etwas anderes reden …“

Kapitel 3

Zweimal überkam mich der Drang, nach der Arbeit ins Vanish zu fahren, um Ryan aus der Ferne anzuschmachten. Wenngleich ich ihn vergessen wollte, gelang es mir nicht. In jeder ruhigen Minute überfiel mich die Erinnerung an ihn. Seine moosgrünen Augen, die markanten Wangenknochen und sein perfekter Body ließen mir kaum Zeit für andere Gedanken. So kannte ich mich nicht. Das war völlig untypisch für mich. Normalerweise schwärmte ich nicht wie eine Dreizehnjährige für irgendwelche dahergelaufenen Typen oder für deren Muskelpakete, die ich nur zu gern ablecken wollte.

Er hatte nichts gemacht. Nur dieser eine intensive Blick, den er mit mir getauscht hatte, reichte aus, um mich in Tagträumereien zerfließen zu lassen. Zu gern würde ich ihn einfach vergessen oder anfassen und mich auf ihm verlieren. Verdammt. Meine Freundinnen hatten mich eindringlich gewarnt, dass Ryan nicht das war, was ich brauchte. Irrten sie sich nicht? Vielleicht war ich die Eine für ihn, die ihn änderte.

 

Eilig fuhr ich durch die überfüllten Straßen von Boston. Erst als ich in einer Parklücke zum Stehen kam und den Schlüssel aus der Zündung zog, wurde mir klar, wo ich hingefahren war. Ich stand vor dem Vanish. Zögerlich starrte ich zum Eingang, vor dem sich noch keine Schlange gebildet hatte. Nach einer gefühlten Ewigkeit löste ich den Anschnallgurt. Kurz schaute ich in den Rückspiegel, zupfte ein paar meiner roten Haarsträhnen zurecht und schloss die Augen. Ein tiefer Atemzug. Dann stand ich auf, ergriff meine Louis Vuitton und marschierte ins Vanish. Immerhin waren doch alle guten Dinge drei, oder?

Ein kleiner Blick würde nicht schaden. Oder ein Absacker zum Feierabend. Oder ein kurzes Gespräch. Mehr brauchte und wollte ich gar nicht.

Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als ich die stickige Luft wahrnahm. Hoffentlich würde er heute überhaupt arbeiten. Ich hörte leise Musik, aber das Rauschen meines Blutes in meinen Ohren war so viel lauter. Mein Blick wanderte sofort zur Theke, doch Ryan war nicht zu sehen. Ich blieb stehen, schaute mich suchend um, sah ihn jedoch nicht. Sollte ich wieder gehen? Ganz so, als wäre ich niemals hier gewesen?

„Ach, schau an, was die Katze von draußen hereingetragen hat.“

Ich wirbelte herum und sah direkt in Ryans Gesicht, der mich höhnisch anlächelte.

„So begrüßt ihr also Stammgäste?“

„Stammgäste? Wie oft warst du denn schon hier?“ Er stellte das Bierfass ab, das er getragen hatte, und sah mich herausfordernd an.

Ich spürte das vertraute, kribbelnde Gefühl in meinen Wangen, das mir verriet, dass mein Körper die Prozesse für Erröten gestartet hatte. „Oft genug.“

Er befeuchtete sich die Lippen und sah mich einen Moment an, als würde er abwägen, was er antworten sollte. Schließlich hob er das Fass wieder an und lief zur Theke. Schnell folgte ich ihm und ließ mich auf einen der Barhocker sinken.

„Was darf es denn sein?“, fragte er ächzend, während er das Fass unter die Theke schob.

„Ein Ginger-Ale“, sagte ich.

„Ein Ginger-Ale für unsere Ginger.“

„Für unsere Ginger?“

„Du hast doch rote Haare oder ist das gefärbt?“

Empört riss ich die Augen auf. Was war das denn für eine Frage?

„Nur für dich zur Info: Meine Vorfahren stammen aus Schottland.“

„Ich hätte auf Irland getippt.“ Er stellte das Glas vor mir hin.

„Irland?“ Wie kam er denn darauf?

„Die roten Haare.“

Ich verdrehte die Augen. „Nicht nur die Iren haben rote Haare.“

„Also sind sie nicht gefärbt?“

Mit einem prüfenden Blick taxierte ich ihn. Wozu war das wichtig? Ich überschlug das eine Bein mit dem anderen und trank ein Schluck von der kühlen Brause.

„Ich kann es auch anders herausfinden.“ Er zwinkerte mir zu.

„RYAN!“ War das sein Ernst?

War er neulich Abend genauso gewesen? Hatte ich mir die Anziehungskraft zwischen uns nur eingebildet? War es bloß die magische Kraft des Alkohols gewesen, die ihn so anziehend gemacht hatte?

„Ginger, reg dich ab.“ Belustigt wischte er mit dem Lappen über den Tresen und schaute mir tief in die Augen. „Das bleibt ein Geheimnis. Nur du und ich, sonst wird es keiner erfahren.“ Mit den Worten verschwand er ans andere Ende der Theke und bediente zwei männliche Gäste, die eine neue Runde Bier forderten.

Nachdenklich sah ich ihm nach. Vielleicht hatte ich mich getäuscht und es war wirklich nur die Lust gewesen. Er war absolut nicht charmant oder war das die Quittung für mein unrühmliches Verhalten, als ich betrunken draußen auf den Uber gewartet hatte?

Ich nippte an meinem Ginger-Ale und ließ Ryan nicht aus den Augen. Irgendetwas an ihm hatte mir gefallen und körperlich zog er mich immer noch an, aber menschlich war er ganz anders als in meinen Träumereien. Hatte ich ihn auf ein Podest gehoben, dessen er unwürdig war?

Als mein Glas fast leer war, kam er zu mir und sah mich fragend an. Ich schüttelte den Kopf, da ich nur noch nach Hause wollte. Zurück in meine Festung der Einsamkeit, in die sich schon seit einer halben Ewigkeit kein Mann mehr hinein verloren hatte. Ich holte meine Geldbörse aus meiner Louis Vuitton und legte zwanzig Dollar auf den Tresen.

„Verlässt du uns etwa schon?“, fragte Ryan und wirkte tatsächlich überrascht.

Ich nickte. „Der Rest ist für dich.“ Mit den Worten stand ich auf.

„Ginger, sei doch nicht eingeschnappt.“

Eingeschnappt? Ich machte auf dem Absatz kehrt und sah ihm tief in die Augen. „Wieso sollte ich das sein?“

Er hob beschwichtigend die Hände. „Normalerweise kommen die Leute unter der Woche in die Bar, um sich etwas von der Seele zu plaudern oder einen Erfolg zu feiern. Du hast weder das eine noch das andere getan.“

„Und?“ Was ging es ihn an, warum ich hier war? Meine wahren Beweggründe würde ich ihm ohnehin nicht auf die Nase binden. „Erstens nennst du mich die ganze Zeit Ginger, dabei kennst du meinen Namen ganz genau.“

Ryans Augen weiteten sich.

„Zweitens wollte ich einfach gedanklich etwas abschalten und dabei ein Ginger-Ale trinken.“

Drittens fiel mir nicht mehr ein, aber musste es immer drei gute Gründe geben? Wieso rechtfertigte ich mich überhaupt vor ihm? Einem Kellner. Was anderes war er nicht. Ich unterdrückte ein Schnauben. Meine Mädels hatten recht gehabt. Ryan war nicht meine Kragenweite, aber nicht, weil er besser aussah als ich mit meinen Rundungen, sondern aus dem Grund, dass ich einer völlig anderen Gehaltsklasse angehörte. Wahrscheinlich war er nach der Highschool von der Schule abgegangen, ohne auch nur einen Fuß in ein College gesetzt zu haben. Ich brauchte einfach mehr als sexuelle Anziehungskraft. Er musste intellektuell mit mir mithalten können. Ryan war kein Mann, den ich meinem Vater vorstellen würde.

„Sadie, was ist dir über die Leber gelaufen? Komm, setz dich und rede mit mir.“ Seine Augen funkelten mich an.

Ich atmete tief durch und sah ihn lange an.

Er beugte sich vor und sagte so leise, dass nur ich ihn hören konnte: „Bist du etwa hergekommen, weil du am Samstag etwas vergessen hast?“

Meine Beine führten mich nicht von ihm fort, sondern ließen mich wieder auf dem Barhocker Platz nehmen. Was konnte er damit denn meinen? Verunsichert rieb ich meine Lippen aneinander. Seine Hand legte sich auf die meine, sodass ein angenehmer Schauder über meinen Rücken rann.

„Was habe ich denn vergessen?“ Ich fühlte mich atemlos.

„Mich.“ Sein Blick durchbohrte mich regelrecht, sodass ich das Gefühl bekam, er könnte bis in die Untiefen meines Gehirns schauen und all die perversen Gedanken lesen, die meine Fantasie in den letzten Tagen entwickelt hatte.

Ehe ich etwas antworten konnte, rief einer seiner Kollegen nach ihm und er löste sich von mir. Ich sah ihm nach, wie er lässig ans andere Ende der Theke lief. Es dauerte einen Moment, bis ich mich wieder fing. Der spielte doch eindeutig mit mir. Dann ergriff ich meine Tasche und verließ grußlos den Club. Was hatte ich mir nur dabei gedacht, hier vorbeizufahren?

 

Am Donnerstagabend saß ich bei Samuel und Lynn auf der Couch. Spontan hatte Lynn mich gebeten, vorbeizukommen. Ich ahnte Übles, aber wartete geduldig, bis Samuel mir ein Glas Weißwein eingeschenkt hatte.

„Warum bin ich hier?“, fragte ich Lynn, die neben mir saß.

„Wie du weißt, wollten wir im Alden Castle feiern.“

„Und?“ Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass es damit ein Problem gab. Worum handelte es sich, dass ausgerechnet ich für die Lösung des Problems in Betracht gezogen wurde?

„Die letzte Gesellschaft hat am Wochenende … nun ja …“ Lynn warf einen Hilfe suchenden Blick zu ihrem Verlobten.

„Sagen wir mal, zu ausgiebig gefeiert, sodass die Location nicht zur Verfügung steht“, half er ihr weiter.

„Und wie kann ich euch helfen?“ Immerhin war ich weder Veranstalter, noch hatte ich auch nur ansatzweise Räumlichkeiten anzubieten, die man ersatzweise nutzen könnte.

„Wir hatten gehofft, dass du uns mit deinen Kontakten behilflich sein könntest. Du kennst halb Boston.“

Das war richtig. Frasers Inc. war ein erfolgreicher und internationaler Versicherungskonzern, allerdings zählte weder die Veranstaltungsbranche noch die Gastronomie zu unseren Kunden.

„Woran hattet ihr denn gedacht?“

Samuel und Lynn tauschten einen Blick.

„Wir haben rund einhundert Gäste zu bewirten und haben alle bekannten Adressen in Boston abtelefoniert. Wir sind froh um jede Alternative, die an unseren Termin noch verfügbar ist.“

Nachdenklich sah ich zu Boden und ging die Liste meiner Kontakte durch, doch spontan kam mir niemand in den Sinn, der in dieser Situation behilflich sein könnte. Viele unserer Industriekunden hatten zwar moderne, große Kantinen, aber für eine Hochzeit war das nicht das richtige Ambiente. Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

„Meine Schwester Mariana hat ein Ferienhaus in Cocoa Beach, Florida. Mit großem Grundstück, einer traumhaften Pergola und direkten Blick aufs Meer. Sofern es nicht Boston sein muss, könnte ich sie anrufen.“

Lynns Augen sahen verdächtig danach aus, als würden ihr fast die Tränen kommen. „Das würdest du für uns tun?“

„Aber kriegt ihr die einhundert Gäste dazu, so kurzfristig umzuplanen und nach Florida zu reisen? Die müssen ja auch alle eine Übernachtungsmöglichkeit finden.“

Samuel zuckte mit den Schultern. „Ein Schritt nach dem anderen würde ich sagen.“

Ich stand auf. „Gut, ich rufe sie eben an. Ich gehe in die Küche, okay?“

Samuel und Lynn nickten unisono. Ich schritt durch das Wohnzimmer in die Küche, schloss die Tür und wählte die Nummer meiner Schwester.

 

„Ich habe gute Nachrichten“, sagte ich theatralisch, als ich zurück ins Wohnzimmer kam.

Lynn sprang auf und zog mich in eine stürmische Umarmung. „Ich wusste, du würdest unseren großen Tag retten.“

„Es gibt aber einen Haken.“

Lynn hielt mitten in der Bewegung inne und sah mich mit großen Augen an.

„Die Pergola ist neulich bei einem Sturm kaputtgegangen. Daher müsstet ihr euch noch um etwas kümmern, unter dem ihr heiraten könnt, wenn ihr irgendetwas Festlicheres wollt als eine leere Fläche auf der Wiese.“

Lynn atmete hörbar aus. „Das kriegen wir hin.“ Sie warf einen Blick zu Samuel, der beruhigend nickte.

„Wenn es nur das ist.“

„Ich habe dir eben die Nummer meine Schwester geschickt, dann kannst du alles Weitere direkt mit ihr besprechen“, sagte ich an Lynn gewandt, die mich schon wieder stürmisch in ihre Arme zog.

„Du bist die Beste!“

„Stets bemüht und so.“

„Das ist nicht selbstverständlich. Danke!“ Lynn zog mich nochmal in eine herzliche Umarmung. „Weißt du was? Eigentlich wollte ich ja nicht so ein riesiges Tamtam am Traualtar … Aber möchtest du nicht als meine Brautjungfer mit dabeistehen? Ich meine, Emily ist zwar meine Ehrenbrautjungfer … Da Samuel auch seinen Bruder und seinen Cousin neben sich stehen hat, würde das sogar ganz gut passen. Und keiner wäre bei dieser riesigen Hilfe sauer oder meinst du, Bri würde es mir übel nehmen?“

Durfte ich sagen, dass ich es ihr übelnahm, wenn ich ein hässliches Brautjungfernkleid in Anwesenheit ihres verboten gut aussehenden Schwagers tragen musste?

„So kurzfristig bekommen wir doch gar kein zweites Brautjungfernkleid mehr“, sagte ich in dem Versuch, das Leid von mir abzuwenden.

Lynn machte eine wegwerfende Handbewegung. „Das kriegen wir schon hin. Helen näht die Kleider. Ein Traum aus Violett. Atemberaubend schön. Das wird dir großartig stehen. Ich rufe sie gleich an und frage, wann wir zum Maßnehmen vorbeikommen sollen.“

Resigniert sah ich ihr nach, als sie ihr Smartphone vom Couchtisch holte und direkt ihre Schwiegermutter in spe anrief. Womit hatte ich das nur verdient? Ich warf Samuel einen Hilfe suchenden Blick zu, doch der ignorierte mich gekonnt.

Statt sie aufzuhalten, versuchte ich, zu lächeln und mich für Lynn zu freuen. Zwar hatte ich keine Lust den Abend, in einem hässlichen Kleid verbringen zu müssen, aber zumindest rettete mich das vor dem ätzenden Singletisch, den es auf jeder Hochzeit gab. Nur wo fand ich auf die Schnelle eine Begleitung für dieses Ereignis, damit ich wenigstens nicht wie das fünfte Rad am Wagen am Brauttisch würde sitzen müssen?

Kapitel 4

Ein schönes Kleid in Violett? Wie viel hatte Lynn gesoffen, dass sie diesen Fetzen schön nannte? Der Chiffon erinnerte mich an eine Gardine, die ich während meines Studiums bei einer Freundin am Fenster hing. Zumindest kaschierte der Schnitt meine Kurven ein wenig, sodass ich nicht wie ein lila Knallbonbon aussah. Lynns Schwiegermutter steckte den Saum ab, damit ich nicht auf das bodenlange Kleid treten würde.

„Schön nach oben sehen“, sagte sie immer wieder, sobald ich kurz zu ihr hinabsah. „Und den Rücken durchstrecken.“

Ich setzte ein Lächeln auf, dabei wäre ich gern woanders. Wieso hatte ich nicht einfach nein gesagt? Lynn telefonierte im Hintergrund mit irgendwelchen Leuten. Sie sprach von Stühlen und Tischen. Zum Glück konnte sie sich mit meiner Schwester Mariana schnell einigen und der große Tag würde in ihrem Ferienhaus stattfinden.

„Das sieht wirklich gut aus“, sagte Lynn, die soeben aufgelegt hatte.

Ich setzte ein Lächeln auf. Der Schnitt war auch schön, aber der Stoff und die Farbe gefielen mir ganz und gar nicht.

„Beißt sich das nicht mit meiner Haarfarbe?“, fragte ich so höflich wie möglich.

„Nein, das Kleid ist doch sehr dunkel. Wenn ich dir einen Pastellton gegeben hätte, dann vielleicht. Aber die Farbe steht dir echt gut.“

Helen trat vom Kleid zurück. „Lauf mal ein Stück, damit ich schauen kann, ob es so passt.“

Vorsichtig lief ich ein paar Schritte vorwärts.

„Aufrecht gehen“, ermahnte sie mich und ich schaute schnell wieder geradeaus, statt auf meine Füße.

„Perfekt“, sagte Helen.

Froh fertig zu sein, öffnete ich den Reißverschluss an der Seite und stieg vorsichtig aus dem Kleid. Ich sah fragend zu Lynn, die schon wieder am Telefon hing und hastig auf jemanden einredete. Dabei gestikulierte sie wild herum. Brauchte sie mich wohl noch oder konnte ich verschwinden? Eilig zog ich meine dunkelblaue Marlenehose und meine weiße Bluse an. Kaum hatte ich alle Knöpfe geschlossen, klingelte mein Smartphone. Eine neue Nachricht von dem Typen, den ich bei Tinder entdeckt hatte. Wenn ich nicht allein auf der Hochzeit auftauchen wollte, musste ich schließlich für eine Begleitung sorgen, auch wenn ich für die Reisekosten würde aufkommen müssen.

 

Lance, 07:43 p.m.: Hast du deinen letzten Termin beendet? Treffen wir uns dann um halb neun im Vanish?

 

Ich sah zu Lynn, doch die diskutierte noch immer unaufhaltsam am Telefon. Zögerlich antwortete ich.

 

Sadie, 07:45 p.m.: Ja, das schaffe ich. Bis später.

 

Da ich mich nicht verspäten wollte, eilte ich kurz ins Bad, um mich frisch zu machen. Ich war ein wenig nervös. Lance war beim Chatten so lustig gewesen. Hoffentlich würde er im echten Leben kein Reinfall sein. Wenn es um die Liebe ging, brauchte ich wirklich mal wieder ein Erfolgserlebnis.

Lynn wirkte sichtlich genervt. Ihre Wangen waren gerötet und sie schüttelte unaufhörlich mit dem Kopf. Dabei rieb sie sich die Stirn.

„Was ist los?“

„Der DJ möchte nicht nach Florida fliegen, obwohl wir ihm alles bezahlen würden. Jetzt muss ich auch noch einen neuen DJ finden. Es nervt nur noch.“ Sie seufzte.

„Ruf Mariana an. Die wird jemanden kennen.“

„Findest du, damit kann ich sie auch behelligen?“

„Sie wird dir sagen, wenn du sie nervst. Mariana ist da sehr direkt.“ Gehetzt zupfte ich noch ein letztes Mal an meiner Bluse. „Allerdings muss ich jetzt auch los.“

„Echt? Schon?“ Sie sah mich neugierig an. „Wo musst du denn noch hin?“

„Ich habe ein Date.“

„Ein Date? Mit wem?“

„Lance.“

Ihre tiefblauen Augen durchbohrten mich fast. „Erzähl mir mehr.“

„Ich habe ihn vor ein paar Tagen zufällig bei Tinder entdeckt.“

„Zufällig?“

Ich unterdrückte den Drang, die Augen zu verdrehen. „Erwischt. Ich war gezielt auf der Suche nach einem Begleiter für euren großen Tag. Nach der Beförderung zur Brautjungfer wollte ich nicht allein am Tisch sitzen.“

Lynn winkte lächelnd ab. „Das Problem können wir auch einfacher lösen. Du bist nicht die Einzige, die keinen Tischnachbarn mitbringt.“

„Oh Lynn, bitte nicht. Ich will keinen Vetter dritten Grades neben mir sitzen haben, der mir den ganzen Abend über irgendwelchen langweiligen Stuss erzählt.“

Lynn lachte. „Na gut, dann viel Glück mit Lance. Und vergiss nicht, mir anschließend zu berichten.“

Nach einer kurzen Verabschiedung stieg ich in mein Auto. Ich sah Lance direkt vor meinem inneren Auge. Er war ein Traum, mit seinen blonden Haaren, dem sportlichen Körperbau und dem förmlichen Kleidungsstil. Körperbetonte Hemden und Chinohosen gefielen mir bei Männern sehr. So jemanden konnte ich mir an meiner Seite wirklich gut vorstellen.

Im Vanish war es voller als bei meinem letzten Besuch. Ich sah mich im Halbdunklen um, konnte den smarten Blonden, mit dem ich verabredet war, jedoch nirgendwo ausmachen.

Die Musik war heute poppig und lief angenehm im Hintergrund. Ich blickte kurz zur Tanzfläche, doch die lag völlig verlassen da. Kein Mensch tanzte. Auch das bunte Licht der Scheinwerfer war noch ausgeschaltet. Gab es heute etwa nur Drinks und keine Party?

Plötzlich tippte mir jemand auf die Schulter und ich wirbelte herum. In der Erwartung, in wunderschöne helle blaugraue Augen zu sehen, taxierte ich sofort die fremden Iriden, die zwar auch schön waren, aber eben nicht blaugrau, sondern braun. Irritiert sah ich den Unbekannten an. Normalerweise war ich schlagfertiger, doch darauf war ich nicht vorbereitet gewesen.

„Hi“, sagte der Brünette zu mir.

„Hi, sorry, ich bin schon verabredet“, entgegnete ich gehetzt und sah zur Tür in der Hoffnung, Lance zu entdecken.

„Ja, mit mir.“

„Mit dir?“ Verblüfft ließ ich mein Blick über seinen Körper wandern.

Der Kerl hatte einen leichten Bierbauch, trug Cargohosen und dreckige, ausgelatschte Vans. Er hatte mit dem Lance, dessen Bilder ich bei Tinder Ewigkeiten angeschmachtet hatte, nichts zu tun.

„Das muss eine Verwechslung sein“, sagte ich mit einem höflichen, aufgesetzten Lächeln.

„Ich bin Lance.“

Entsetzt klappte mir wie automatisch der Mund auf. „D-Du bist Lance?“

Konnte das denn wahr sein? War ich wirklich über einen Betrüger gestolpert, der falsche Bilder benutzte? Wahrscheinlich war er der Ehemann von irgendeiner armen Frau, die zu Hause saß und darauf wartete, dass er von den angeblichen Überstunden heimkam.

„Genau. Freut mich, dich kennenzulernen, Sadie.“ Er zog mich in eine ungelenke Umarmung, die ich über mich ergehen ließ.

„Was magst du trinken?“

„Ähhh …“ Hilfe suchend sah ich mich um.

Wie kam ich nur aus dieser Nummer heraus? Ich war zwar nicht oberflächlich, aber für die Hochzeit einer meiner besten Freundinnen wollte ich nicht so einen Typen mitbringen. Sollte ich einfach einen schnellen Drink mit ihm nehmen und dann verschwinden? Allerdings sah er mit dem fleckigen T-Shirt nicht besonders vertrauenerweckend aus.

Unversehens sah ich den rettenden Strohhalm. Das Blut rauschte mir in den Ohren. Ryan. Wie konnte er mir helfen?

„Einen Moment … ich … ich hab jemanden gesehen, den ich kenne“, sagte ich an Lance gerichtet und eilte zu Ryan.

Er räumte einen Tisch ab. Ohne Vorwarnung umschlang ich ihn von hinten und drückte ihn fest an mich. Ich roch seinen herben Duft, den er bereits beim letzten Mal getragen hatte.

„Hä? Was soll das denn?“, fragte Ryan und löste sich von mir. „Sadie? Bist du schon wieder betrunken?“

„Rette mich bitte vor dem ekeligen Tinderdate!“

Ryan warf einen Blick über meine Schulter. „Der Typ, der dich anstarrt?“

„Ja, wieso lasst ihr so schmuddelige Kerle überhaupt rein?“

„Hat er dir etwas getan, außer, dass du ihn nicht attraktiv findest?“

Ich schnalzte mit der Zunge. „Ryan bitte. Hilf mir. Schmeiß ihn raus oder keine Ahnung. Hilf mir einfach.“

Ryan schnaubte.

---ENDE DER LESEPROBE---