Mit dir in der Oase der Sinne - Jackie Ashenden - E-Book

Mit dir in der Oase der Sinne E-Book

Jackie Ashenden

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Beschreibung

Scheich Nazir Al Rasul ist ein Herrscher, der sein Reich entschlossen gegen jeden Feind verteidigt. Für romantische Gefühle ist kein Platz in seinem Leben – bis die süße Ivy vor ihm steht! Ein tragisches Schicksal hat die junge Engländerin zu ihm geführt. Vom ersten Augenblick an ist der stolze Wüstenkönig von ihrer sinnlichen Anziehung gefangen. In seiner luxuriösen Oase in der Wüste verbringen sie Nächte der Lust. Doch Nazir weiß, dass er Ivy in Gefahr bringt, wenn sie in seiner Nähe ist. Um sie zu beschützen, muss er sie freigeben …

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Seitenzahl: 212

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IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2021 by Jackie Ashenden Originaltitel: „The Innocent Carrying His Legacy“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA, Band 2517 11/2021 Übersetzung: Rita Koppers

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 11/2021 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751507080

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Sie ist immer noch da, Herr.“

Scheich Nazir Al Rasul – ein Krieger durch und durch, dem eine der mächtigsten im Verborgenen operierenden Privatarmeen der Welt gehörte – warf seinem Wachmann einen harten Blick zu. Der Soldat war fast noch ein Junge, trug seine schwarz-goldene Uniform jedoch mit Stolz und hatte die Schultern entschlossen gestrafft.

Bewundernswert. Aber Nazir hatte strikte Anweisung gegeben, dass er nicht gestört werden wollte. Er war gerade erst nach einem besonders heiklen Einsatz, bei dem es unter anderem um die Niederschlagung eines Staatstreichs in einem der baltischen Staaten gegangen war, nach Inaris zurückgekehrt. Und nach zwei Tagen ohne Schlaf fand er es schwer erträglich, dass seine Befehle von einem Wachmann missachtet wurden, der noch grün hinter den Ohren war.

Nazir hob ein wenig das Kinn – immer ein Warnzeichen für seine Offiziere.

„Habe ich gesagt, dass ich gestört werden möchte?“ Er erhob seine Stimme nicht. Das war auch nicht nötig.

Der junge Soldat wurde blass. „Nein, Herr.“

„Dann erklären Sie mir Ihre Anwesenheit. Sofort.“

Der Junge trat von einem Fuß auf den anderen.

Nazir starrte ihn an.

Der Soldat zwang sich, stillzustehen. „Sie haben gesagt, man solle Ihnen Bescheid geben, wenn sich etwas ändert.“

Nazir war müde, deshalb brauchte er einen Moment, bis er verstand.

Der Wachmann sprach von einem Gast, der ungebeten draußen vor den Toren seiner Festung aufgetaucht war. Das war im Prinzip nichts Ungewöhnliches – viele Menschen wanderten zu seiner Festung, die mitten in der Wüste lag. Sie trotzten den schrecklichen Gerüchten, die er absichtlich gestreut hatte, um Besucher abzuhalten, die sich entweder seiner Armee anschließen wollten, um seine Unterstützung ansuchten oder von ihm ausgebildet werden wollten. Er war ein Meister in der Kunst des Krieges, besonders in Bezug auf körperliche Auseinandersetzungen, und seine Expertise war sehr gefragt.

Er wies jeden ab, der vor seinen Toren auftauchte, doch davon ließen sich die Menschen nicht abhalten.

Gewöhnlich waren es Männer, die dort standen, doch diesmal handelte es sich um eine Frau. Sie war vor ein paar Stunden in Begleitung eines einheimischen Fremdenführers eingetroffen, der es eigentlich besser wissen sollte.

Nazir ließ niemanden in seine Festung – niemals, auch jetzt nicht –, deshalb hatte er seiner Wache strikte Anweisung gegeben, die Frau zu ignorieren. Normalerweise gingen die Menschen nach ein paar Stunden wieder. Draußen in der brutalen Wüstensonne zu warten war abschreckender als die schärfsten Hunde oder Waffen.

Nazir war irritiert, doch er maß dem keinerlei Bedeutung zu. Ein guter Befehlshaber ließ sich nicht von seinen Emotionen oder körperlichem Unbehagen berühren, und Nazir war ein guter Kommandant. Nein, er war sogar exzellent!

„Was hat sich geändert?“, verlangte er zu wissen.

Der Wachmann zögerte eine Sekunde. „Nun … es scheint, dass sie schwanger ist, Herr.“

„Schwanger?“ Nazir starrte ihn verständnislos an. „Was soll das heißen, sie ist schwanger?“

Der Wachmann öffnete den Mund … und schloss ihn wieder. Dann hob er eine Schulter, schien sich zu sammeln und straffte sich.

„Sie hat um Wasser gebeten und … einen Sonnenschirm. Weil sie schwanger sei.“

Nazir zuckte nicht zusammen, nicht einmal, als er von dem Sonnenschirm hörte.

„Die Frau lügt“, behauptete er. „Sie tun nichts dergleichen.“

„Sie hat … ähm …“ Er deutete mir der Hand eine Rundung über seinem Bauch an. „Wir konnten es auf dem Video sehen.“

Nazir hatte zwei Nächte nicht geschlafen. Er hatte gerade einen Einsatz beaufsichtigt, der einiges an Fingerspitzengefühl verlangt hatte, und ihm lagen bereits von der Regierung zweier Nationen Anfragen für seine Dienste vor, zusätzlich zu einigen Privatanfragen. Was er nun dringend brauchte, war Schlaf, nicht wieder einen Idioten, mit dem er sich herumschlagen musste, weil er Gott weiß was wollte. Besonders nicht eine schwangere Idiotin.

„Sie tun nichts“, wiederholte er. „Wenn wir sie einlassen, wird das nur weitere Dummköpfe ermutigen. Und was ihre Schwangerschaft betrifft … das kann man leicht vortäuschen.“

„Sie hat namentlich nach Ihnen gefragt, Herr.“

Nazir blieb ungerührt. „Das tun sie alle.“

Auch wenn das zugegebenermaßen keine schwangeren Frauen einschloss. Die Wahrscheinlichkeit, dass er ein Kind gezeugt hatte, ging gegen null. Schließlich war er beim Sex immer vorsichtig, wobei er seinen Bedürfnissen ohnehin nicht oft nachgab, denn das verweichlichte einen Mann.

Stimmen hallten in dem steinernen Flur wider, dann hörte man schnelle Schritte. Ein weiterer, sehr hektisch wirkender, junger Wachmann erschien. Draußen vor Nazirs Schlafzimmertür blieb er stehen, schlug die Hacken zusammen und stand stramm.

„Herr, die Frau ist in Ohnmacht gefallen“, meldete er atemlos.

Natürlich war sie das. Offenbar war es zu viel verlangt, dass er ein paar Stunden ungestört schlafen konnte. Und offensichtlich war es auch zu viel verlangt, dass diese Männer die Frau ignorierten.

Sicher, sie hatten nicht oft weibliche Gesellschaft. Aber wenn nicht mehr nötig war als eine Frau, die vor den Toren auftauchte, um solch eine Aufregung zu erzeugen, dann brauchten seine Männer entweder eine strengere Ausbildung, oder ein paar würden den Hut nehmen müssen.

Allerdings würde er keinen Schlaf bekommen, bis das Problem mit der Frau gelöst war.

„Bringen Sie sie zum Wachhaus“, befahl Nazir knapp, ohne sich seinen Ärger anmerken zu lassen. „Ich werde mich dort um sie kümmern.“

Beide Wachmänner salutierten und verschwanden durch den Flur.

Nazir fluchte leise, dann griff er nach seinem schwarzen Kaftan, den er über einen Stuhl gelegt hatte, verknotete ihn locker um die Hüften und verließ das Zimmer.

Das war wirklich das Letzte, was er im Moment brauchte!

Immer wieder kamen Menschen zur Festung, aber er ließ sie nie ein und wollte auch jetzt nicht damit anfangen. Besonders nicht bei einer Frau, die zuerst einen Sonnenschirm verlangt hatte und dann in Ohnmacht gefallen war. Wahrscheinlich war sie irgendeine dämliche Touristin, die von den Gerüchten gehört hatte, die er bewusst streute, um die Menschen abzuschrecken, die vor seinen Toren erschienen. Gerüchte über den unbeugsamen Kriegsherrn und seine Armee mutiger Kämpfer, die er sich überall aus den Gefängnissen holte. Ein Kriegsherr, der in der Wüste ein Nomadenleben führte, um nicht entdeckt zu werden. Und wehe denen, die ihm in die Quere kamen, denn seine Männer kannten keine Gnade.

Ein Gerücht, das auch ein Körnchen Wahrheit enthielt. Denn er war ein unbarmherziger Kriegsherr und ließ keine Gnade walten, weil er darin keinen Sinn sah. Die mordenden Schläger und das Nomadenleben waren natürlich erfunden, hielten jedoch die meisten nutzlosen Idioten ab.

Diese Frau war offenbar ein Dummkopf, der sich nicht hatte abhalten lassen.

Eins war jedoch sicher: Sie war bestimmt nicht schwanger. Und falls doch, war sie dümmer, als er bisher angenommen hatte. Welche Frau würde sich schon mitten in die Wüste begeben, um ihn zu suchen, trotz der Gerüchte, und dann ein paar Stunden vor den Toren in der Sonne stehen, und all das nur, weil sie schwanger war?

Nazir verließ die große, steinerne Festung, die er sein Zuhause nannte, marschierte durch den staubigen Innenhof und steuerte auf das kleine Wachhaus zu, das neben den massiven Stahltoren stand.

Es war ein stabiles Steinhaus, ausgestattet mit der gleichen Hightech-Überwachungsanlage, die auch auf dem gesamten Gelände installiert war. Es war auch mit einer Klimaanlage versehen, anders als die Festung, die dank der mittelalterlichen Bauweise mit ihren dicken Mauern die schlimmste Hitze abhielt. Die Hitze hier war brutal, und Nazir zog es vor, dass seine Männer nicht geröstet wurden, besonders dann nicht, wenn sie Wachdienst hatten.

Als er näher kam, salutierten die beiden Wachen, die draußen standen. Automatisch unterzog Nazir sie einer kritischen Prüfung. Die diensthabenden Wachen wurden in der heißesten Zeit des Tages jede Stunde ausgetauscht, und nach der Gesichtsfarbe der beiden zu urteilen, würde dies bald der Fall sein. Außerdem waren die beiden Rekruten junge Männer, die ihm ihr Können beweisen wollten, was oft zu ungewollten Komplikationen führte.

„Sorgen Sie dafür, dass Sie Wasser bekommen, wenn Sie dienstfrei haben“, meinte er knapp. „Soldaten, die nicht auf sich aufpassen können, sind nutzlos für mich.“

„Ja, Herr“, sagten die beiden wie aus einem Mund.

Nazir zog die schwere Eisentür des Wachhauses auf und trat ein.

Ein weiterer Wachmann stand neben der Tür, während ein zweiter vor der Anlage saß, mit der die gesamte Festung überwacht wurde.

Der Kommandant einer der gefragtesten und gefürchtetsten Privatarmeen der Welt zu sein hatte den Nachteil, dass er sich sehr viele Feinde gemacht hatte. Es gab viele Menschen, die ihn und seine Armee zum Teufel wünschten.

Seine Festung war auf keiner Karte verzeichnet, konnte auch nicht durch Drohnen aufgespürt werden, und alle Gespräche wurden verschlüsselt. Für den Rest der Welt existierte sie schlicht nicht. Trotzdem gab es Menschen, die nach der Festung und nach ihm suchten.

Fast immer erfolglos. Das Schöne an der Wüste war, dass sie die meiste Arbeit für ihn erledigte, wenn es darum ging, seine Feinde auszusortieren.

Natürlich gab es immer auch ein paar entschlossene Seelen, die sich vom Sand und der sengenden Hitze nicht abhalten ließen. Seelen wie diese Frau, die in einem schmutzigen weißen Gewand auf einem behelfsmäßigen Feldbett lag, das man ins Wachhaus gestellt hatte.

Kaum trat Nazir ein, standen die beiden Wachen stramm.

Er ignorierte sie und ging zu dem Feldbett, auf dem die Frau lag.

Sie war klein, ihr Körper in das Gewand gehüllt. Offensichtlich hatte sie es auf dem Touristenbasar in Mahassa gekauft, denn der Baumwollstoff war dünn und billig und bot keinen Schutz vor der Sonne. Ihre Haare waren mit einem Baumwolltuch bedeckt, doch ihr Gesicht war unverschleiert. Sie hatte ein spitzes Kinn, eine kleine Nase und gerade, dunkle Augenbrauen. Ihre Züge hatten beinahe etwas Katzenhaftes, waren allerdings nicht im Geringsten hübsch. Doch ihr Mund war fesselnd, voll und sinnlich, auch wenn die Lippen gesprungen waren.

Ihre dichten und seidigen Wimpern ruhten reglos auf ihren sonnenverbrannten Wangen …

Nein, eigentlich nicht reglos. Sie flackerten leicht, und Nazir entdeckte ein schwaches Leuchten dahinter.

Eine seltsame Erregung erfasste ihn, doch was es war und was es zu bedeuten hatte, konnte er nicht sagen. Eines jedoch war sicher: Diese Frau war nicht bewusstlos.

Und sie beobachtete ihn.

Ivy Dean wollte gerade so tun, als würde sie aufwachen, als die Tür des kleinen Wachhauses, in das man sie gebracht hatte, geöffnet wurde und der beeindruckendste Mann, den sie je gesehen hatte, eintrat.

Ihr blieb die Luft weg, und die Angst, die sie auf ihrer langen Reise von England bis nach Inaris bisher nicht verspürt hatte, erfasste sie plötzlich mit aller Macht. Es war nicht nur seine Größe (sicher mehr als ein Meter neunzig) oder die Tatsache, dass er wie ein Rugbyspieler gebaut war (eher wie ein römischer Gladiator), sondern vielmehr die Aura, die ihn umgab. Kaum dass er eingetreten war, schien sich der Luftdruck zu verändern.

Gefahr ging von ihm aus. Schiere, schreckliche Gefahr. Er strahlte eine gezügelte Gewalttätigkeit aus, wie ein Drache, der seinen Schatz bewacht. Und sie war das Kaninchen, das ihm zum Mittagessen serviert wurde.

Reglos blieb sie auf dem Feldbett liegen und hielt die Luft an. Während er vor ihr aufragte, bedauerte sie im Stillen, eine Ohnmacht vorgetäuscht zu haben. Zweifellos hatte er schnell gemerkt, dass sie nur etwas vorspielte. Er schien ein Mann zu sein, der alles sah.

Unter verhangenen Lidern fing sie seinen Blick auf. Sein Gesicht sah aus, als wäre es aus Granit gemeißelt. Seine Nase war schief, sein Kiefer ausgeprägt. Sein wohlgeformter Mund, der sinnlich hätte wirken können, war grimmig verzogen.

Es war ein strenges, unglaublich männliches Gesicht, aber nicht im Geringsten hübsch.

Doch es waren seine Augen, die sie wirklich in Schrecken versetzten. Sie waren von einer erstaunlichen Farbe – ein helles, klares Türkis – und umrahmt von dichten, schwarzen Wimpern. Auf dem Touristenbasar in Mahassa hatte sie Augen von dieser Farbe gesehen, bei den Menschen, die von den alten nomadischen Wüstenstämmen abstammten. Ungewöhnliche, schöne Augen.

Im Gesicht dieses Mannes wirkte die Farbe wie gefroren und so eisig wie die Tundra im Norden. In diesen Augen lag keine Gnade, keine Freundlichkeit oder Wärme.

Tod lag darin.

War er wirklich der mächtige Kriegsherr, über den all diese Gerüchte verbreitet wurden? Der unbeugsame Scheich, der mit einer Armee in der Wüste lebte, die entweder Leute verschleppten und durch einen illegalen Menschenhändlerring verkauften oder sie auf der Stelle töteten?

„Halten Sie sich von der Wüste fern, Miss“, hatten die Angestellten in der Touristeninformation zu ihr gesagt. „Niemand geht in die Wüste.“

Aber sie verstanden nicht. Sie musste in die Wüste, denn es war der Krieger, den sie finden musste. Auch wenn sie es nicht gewollt hatte und ihr Selbsterhaltungstrieb vehement dagegensprach.

Zumindest musste sie es versuchen, um Connies willen.

Gnadenlos starrte er sie nun an, und Ivys Mund wurde staubtrocken. Ohne sich dessen bewusst zu sein, legte sie schützend eine Hand auf ihren leicht gerundeten Bauch.

Seine Raubtieraugen flackerten, als er die Bewegung bemerkte.

„Sie können jetzt aufhören, uns etwas vorzumachen“, ordnete er in perfektem, akzentfreiem Englisch an. „Ich weiß, dass Sie wach sind.“

Seine Stimme klang tief und hart, beinah wie ein Beben, das unter der Erde rumorte.

Er war ein Mann, der es gewohnt war zu befehlen. Er verströmte eine Autorität, die manche Menschen schon von Geburt an besaßen.

Erst verspätet wurde ihr bewusst, dass sie sich gerührt und die Augen geöffnet hatte.

Der Kriegsherr sagte kein Wort, sondern sah sie nur mit eisigem Blick an, womit er deutlich machte, dass es an ihr war, sich zu erklären.

Kalte Angst erfasste sie. Während sie sich aufsetzte, ließ sie die Hand auf ihrem Bauch, als könnte sie das kleine Leben darin so vor diesem Mann beschützen und ihre Angst loswerden.

Solchen Gefühlen nachzugeben war nie hilfreich, das wusste sie. Daher blieb sie, wo sie war, obwohl ihr Verstand sie drängte, zur Tür zu stürzen und um ihr Leben zu rennen. Pragmatisch zu denken, das war jetzt angesagt. Sie würde nicht weit kommen, wenn sie davonlief, weil die Festung voller Soldaten war.

Außerdem, wo sollte sie schon hin? Es gab nichts als Wüste. Ihr Führer hatte sie sofort verlassen, als ihm klar geworden war, dass sie die Festung nicht nur aus sicherer Distanz betrachten wollte, sondern vorhatte, hineinzugehen und mit dem Kriegsherrn höchstpersönlich zu sprechen.

Trotzdem, sie durfte keine Angst zeigen. So verhielt man sich, wenn man sich einem Raubtier gegenübersah. Wenn man weglief, wurde man nur gefressen.

Ivy ignorierte, dass ihr eiskalt war.

„Ich sollte mich bei Ihnen bedanken“, begann Ivy kühl. „Für Ihre …“

„Name und Anliegen“, schnitt er ihr mit tiefer Stimme das Wort ab, und sein Ton machte deutlich, dass dies keine Bitte war.

Also gut, wenn er tatsächlich Scheich Nazir Al Rasul war, der berüchtigte Kriegsherr, dann würde sie vorsichtig sein müssen. Aber sie würde sich auch nicht einschüchtern lassen. In England leitete sie erfolgreich ein ganzes Kinderheim, und manche der Bewohner hatten ernsthafte Verhaltensstörungen und psychische Probleme.

Ein Mann, egal wie groß und beängstigend er war, würde sie nicht in die Knie zwingen.

„Na schön“, sagte sie. „Mein Name ist Ivy Dean. Ich habe meinen Aufenthaltsort im britischen Konsulat in Mahassa angegeben, also wissen sie dort genau, wo ich bin.“ Sie zwang sich, dem schrecklich kalten Blick dieses Mannes zu begegnen. „Und wenn ich nicht in ein paar Tagen zurück bin, wissen sie auch genau, warum.“

Er sagte nichts, sondern starrte sie weiter mit eisigem Blick an, während sein Gesicht keinerlei Regung zeigte.

„Ich bin hier, weil ich mit Scheich Nazir Al Rasul sprechen muss“, fuhr sie fort und hielt bewusst seinen Blick fest. „Es geht um eine Privatangelegenheit.“

Der Mann stand so reglos da, als wäre er aus Stein. „Welche Privatangelegenheit?“

„Das geht nur mich und Mr. Al Rasul etwas an.“

„Sagen Sie es mir.“ Es war ein Befehl, und er erwartete offensichtlich, dass er fraglos befolgt wurde.

Sie hätte eingeschüchtert sein sollen. Jede andere Frau, die klar bei Verstand war, wäre es gewesen. Besonders, nachdem sie stundenlang draußen vor den Toren einer Wüstenfestung in der heißen Sonne gestanden und darauf gewartet hatte, mit dem furchterregendsten Mann zu sprechen, von dem sie je gehört hatte.

Aber Ivy hatte nicht umsonst mehr als zwei Wochen in Mahassa verbracht, um einen Führer zu finden, der sie in die Wüste bringen würde, auf ihrer Suche nach dem mysteriösen Kriegsherrn. Sie hatte ihre mageren Ersparnisse darauf verwandt, diesen Mann zu finden, und sie würde jetzt nicht aufgeben – vor allem deshalb nicht, weil sie so nah am Ziel war. Wenn sie mit ihrer Vermutung richtiglag, stand ihr Ziel direkt vor ihr.

Allerdings musste sie genau wissen, ob er tatsächlich der Mann war, den sie suchte. Denn sollte er es nicht sein, könnte das Ganze sehr schlecht ausgehen, nicht nur für sie, sondern auch für das Baby, das sie in sich trug.

Ivy legte die Hände in ihrem Schoß zusammen und setzte die gleiche nüchterne Maske auf wie bei den störrischsten Jungen im Kinderheim.

„Ich werde mit Mr. Al Rasul sprechen“, erklärte sie fest. „Wie ich schon sagte, es ist eine Privatangelegenheit.“

Immer noch stand er reglos da und sah sie weiter mit eisigem Blick an. Es fühlte sich an, als sei die Luft im Wachhaus plötzlich kälter geworden.

Die zwei Wachmänner wirkten beunruhigt. Offensichtlich kam es nie vor, dass man diesem Mann nicht gehorchte.

Ein ängstliches Zittern durchlief sie, doch gleichzeitig verspürte sie noch etwas anderes: ein unbekanntes Flattern, eine leichte Erregung. Das ergab keinen Sinn. Sie war allein in einer Festung, in der es nur Männer gab, die sie leicht töten könnten. Und egal, wie selbstbewusst sie über das britische Konsulat gesprochen hatte, könnte sie von dort im Moment keine Hilfe erwarten, wenn etwas schieflaufen sollte. Was durchaus möglich war, wenn die Gerüchte über den Mann, der vor ihr stand, der Wahrheit entsprachen.

Also gab es doch überhaupt keinen Grund, diesen Anflug von Erregung zu spüren. Nur weil sie sich mit jemandem maß, der den gleichen starken Willen hatte und genauso entschlossen war wie sie?

Vielleicht war die Schwangerschaft schuld an ihren seltsamen Gefühlen. Sie hatte vor einiger Zeit erst mit Connie darüber gesprochen …

Connie.

Trauer überkam sie, doch Ivy zwang sich, das Gefühl zu verdrängen. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Connies letzter Wille war gewesen, dass Ivy Mr. Al Rasul fand, und genau das würde sie nun tun. Wenn all das vorbei war, könnte sie richtig um ihre Freundin trauern.

„Vielleicht verstehen Sie nicht“, sagte der Mann eisig. „Sie werden es mir sagen. Jetzt.“

Ivy weigerte sich, sich einschüchtern zu lassen. „Was ich zu sagen habe, ist nur für Mr. Al Rasuls Ohren bestimmt.“

Etwas Gefährliches leuchtete in seinen Augen auf. „Ich bin Mr. Al Rasul.“

Natürlich. Irgendwie hatte sie es schon in der Sekunde gewusst, als er bemerkt hatte, dass ihre Ohnmacht nur vorgetäuscht war.

Dennoch, sie hatte nicht sicher sein können, und das musste sie sein.

„Beweisen Sie es“, forderte Ivy.

Warum forderst du ihn derart heraus? Bist du verrückt?

Gut möglich. Vielleicht hatte sie einen Sonnenstich oder stand kurz davor, zu dehydrieren. Trotzdem konnte sie keinen Rückzieher machen, denn das Kind in ihr war von ihr abhängig. Und wenn sie sich gegen eine Horde übellauniger Teenagerjungen behaupten konnte, die man beim Ladendiebstahl erwischt hatte, dann könnte sie sicher auch gegen den berüchtigten Kriegsherrn aus der Wüste bestehen.

Übellaunige Teenagerjungen töten dich aber nicht.

Wie wahr. Doch jetzt war es zu spät.

Der Mann sah sie weiter mit kaltem Blick an. Dann neigte er kurz den Kopf.„Sie sprechen mit dem Befehlshaber, Scheich Nazir Al Rasul“, erklärte der Wachmann zu seiner Linken. Er sprach zwar Englisch, allerdings mit starkem Akzent.

„Das ist Ihr Beweis?“, fragte Ivy. Den Kommentar konnte sie sich nicht verkneifen. „Der Mann ist eine Ihrer Wachen und hat offensichtlich Angst vor Ihnen!“

„Mehr Beweise werden Sie nicht bekommen“, sagte Al Rasul. „Ich bin es nicht gewohnt, mich zu wiederholen, aber Sie haben offenbar Probleme, mich zu verstehen.“

Sein Blick wurde schärfer, und Ivy stockte der Atem, als die ausdruckslose Maske fiel und sie einen Blick darauf erhaschte, was sich dahinter verbarg.

Tod. Chaos. Gewalt. Gefahr.

Dieser Mann war ein Killer.

„Sie werden mir auf der Stelle sagen, welches Anliegen Sie haben“, fuhr er ausdruckslos fort. „Sonst lasse ich Sie hinauswerfen, und dann können Sie sich selbst Ihren Weg zurück in die Stadt suchen.“

Es wäre ein Todesurteil, das wussten sie beide.

Diesmal war es schwerer, ihre Angst zu bezwingen, und als sie instinktiv über ihren Bauch strich, zitterten ihre Hände.

„Also schön“, meinte sie so ruhig, wie sie konnte. „Aber wie ich schon sagte, es ist eine Privatangelegenheit.“

„Um meine Wachen müssen Sie sich keine Sorgen machen.“

Gut. Sie musste die Sache hinter sich bringen, je eher, desto besser.

Ivy atmete durch, wappnete sich und begegnete seinem grausamen Blick.

„Ich bin schwanger. Und ich bin gekommen, um Sie darüber zu informieren, dass es Ihr Kind ist.“

2. KAPITEL

Eisiges Entsetzen erfasste Nazir, dann setzte sein Verstand wieder ein.

Sie log, obwohl er sich nicht vorstellen konnte, warum. Wenn er sich auf eine Frau einließ, war er immer sehr darauf bedacht, sich zu schützen. Kinder hatten in seinem Leben keinen Platz. Er war zum Soldaten erzogen worden, und das war sein Leben. Eine Familie mit Frau und Kindern waren ausgeschlossen.

Abgesehen von allem anderen erinnerte er sich an jede Frau, mit der er geschlafen hatte. Die Frau, die vor ihm auf dem Feldbett saß und deren kupferfarbene Augen nicht die geringste Furcht zeigten, zählte ganz sicher nicht dazu.

„Lassen Sie uns allein“, befahl er den beiden Wachen in ruhigem Ton. Sie mussten ihre kostbare Zeit nicht damit verschwenden, sich den Schwachsinn dieser Frau anzuhören.

Sie verließen das Gebäude wie Rennpferde, die aus der Startmaschine schossen.

Die Frau – Ivy Dean – bewegte keinen Muskel und wandte auch den Blick nicht ab.

Nein, mit dieser Frau hätte er niemals geschlafen. Sie war klein und hatte etwas Zartes an sich, er hingegen bevorzugte Kriegerfrauen. Frauen, bei denen er keine Sorge haben musste, dass er ihnen aus Versehen wehtat, und die sich im Bett und außerhalb behaupten konnten.

Trotzdem konnte er nicht leugnen, dass ihr Widerstand, ihm zu gehorchen, etwas beinahe … Faszinierendes hatte.

Doch all das nützte ihr nichts. Er hatte hier nun einmal die Befehlsgewalt, und auch wenn sie keine körperliche Bedrohung für ihn war, dann doch vielleicht auf einer anderen Ebene. Er hatte viele Feinde – einschließlich ganzer Länder –, und jemand könnte sie benutzen, um ihn auszuschalten. Es wäre ein neuer Ansatz, doch man konnte nie wissen. Das bedeutete, dass er unbedingt herausfinden musste, warum sie tatsächlich hier war.

„Sie lügen“, sagte er tonlos.

„Das tue ich nicht“, schoss sie zurück.

„Beweisen Sie es.“

Missmutig verzog sie den hübschen Mund. „Also gut.“

Sie rutschte vom Feldbett und stand auf, schwankte jedoch ein wenig, weil sie sich plötzlich unsicher auf den Beinen fühlte. Egal ob sie die Ohnmacht vorgetäuscht hatte oder nicht, das Warten draußen in der heißen Sonne schien ihr nicht gut bekommen zu sein.

Der Junge, der er einst gewesen war, hätte sich deshalb Sorgen gemacht, doch der Mann, zu dem er herangewachsen war, hatte in seinem Herzen keinen Platz dafür. Deshalb war er selbst überrascht darüber, dass er plötzlich ihren Ellbogen nahm, um ihr Halt zu geben.

Leise schnappte sie nach Luft und erstarrte wie eine Gazelle unter der Pranke eines Löwen. Ihr Keuchen hallte in dem kleinen Raum wider, und er spürte es auch in sich. Sie fühlte sich sehr warm an – und trotz ihrer spitzen Gesichtszüge auch sehr weich.

Es ist Jahre her, dass du etwas Weiches hattest … ein ganzes Leben …

Befremdet über seine Reaktion, ließ Nazir sie los. Er hatte seine Impulse perfekt unter Kontrolle und war es nicht gewohnt, körperlich auf etwas zu reagieren, über das er nicht die vollständige Kontrolle hatte.

Vielleicht war es die Müdigkeit. Er brauchte wirklich ein wenig Schlaf.

Hastig rückte Ivy von ihm ab, als könnte sie nicht schnell genug Abstand zwischen ihnen schaffen. Sie ging zu der abgenutzten Ledertasche, die an dem Tisch in der Ecke lehnte. Vermutlich hatte sie die mitgebracht, als man sie in das Wachhaus geführt hatte.

Der schmutzige, weiße Kaftan bauschte sich um ihre Füße, als sie sich bückte, um die Tasche aufzuheben. Dann wühlte sie darin herum, zog ein Papierbündel heraus und wedelte damit in seine Richtung.

„Hier“, sagte sie mit einer gewissen Schärfe. „Ihr Beweis.“

Nazir nahm die Papiere und warf einen Blick darauf.

Obenauf lag ein Ausdruck von einer Kinderwunschklinik in England. In klarer, deutlicher Schrift standen dort seine physischen und persönlichen Daten, einschließlich seines Namens. Er sah auch eine Reihe von ausgewerteten Vaterschaftstests und eine wohl persönliche Bemerkung in zittriger Handschrift.

Kälte erfasste ihn.