Mit Kraft, Mut und Besonnenheit - Tanja Wenz - E-Book

Mit Kraft, Mut und Besonnenheit E-Book

Tanja Wenz

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Beschreibung

Immer wieder gab es sie: die Männer, die anders waren und mutig ihren Weg gegangen sind, auch gegen Widerstände. Woher nahmen sie ihren tiefen Glauben? Woher ihre innere Stärke? Dieses Buch stellt sie vor: 16 Männer Gottes, die mit Kraft, Mut und Besonnenheit Geschichte schrieben. Ob bekanntere oder unbekanntere Namen - hinter allen verbergen sich Lebensgeschichten, die immer wieder neue Generationen inspirieren. Ihre Worte und Botschaften treffen bis heute mitten ins Herz. In kurzen, spannend erzählten Briefen, Telefongesprächen, Reportagen oder Monologen lernen wir sie auf ganz neue Art kennen: Die überzeugten Reformatoren, mutigen Widerstandskämpfer, leidenschaftlichen Prediger und stillen Weltveränderer. Die Träumer und Mahner. Die Christen, die zu Vorbildern der Weltgeschichte wurden. So unterschiedlich ihre Rollen in der Kirchengeschichte sind, eins ist allen gemein: das Thema Mut, das sich wie ein roter Faden durch dieses Buch zieht. "Mit Kraft, Mut und Besonnenheit" erzählt von den großen Männern des Glaubens, die das Leben vieler Menschen veränderten und die Kirche bewegten. Mit 16 großen Männern des Glaubens: Franz von Assisi, Martin Luther, Filippo Giordano, Bruno, Galileo Galilei, Sir Isaac Newton, Bischof von Galen, Pierre Teilhard de Chardin, Papst Johannes XXIII, Maximilian Kolbe, Paul Schneider, Dietrich Bonhoeffer, Thomas Merton, Frère Roger, Óscar Romero, Nelson Mandela, Martin Luther King

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Tanja Wenz • Mit Kraft, Mut und Besonnenheit

PROLOG

Ohne die Angst wären wir Menschen vielleicht schon längst ausgestorben. Angst vor dem Säbelzahntiger war für unser Überleben eminent wichtig, und auch heute noch sorgt das Gefühl der Angst dafür, dass wir nicht kopflos in tiefes Wasser springen. Angst baut innere Widerstände auf und hindert uns daran, Dinge zu tun, die gefährlich für uns werden könnten. Angst beruft sich auf Erfahrungen, auf Instinkt und auf Anerzogenes. Aber Angst hindert uns auch daran, die Dinge zu tun, die es wert wären, getan zu werden. Sie hindert uns manchmal daran, Neues zu wagen, Grenzen zu überschreiten und sie steht oftmals zwischen uns und dem Leben, das wir führen könnten, wären wir mutiger. Wieviel glücklicher, unbeschwerter und lebendiger könnten wir ohne sie sein, wieviel mehr könnten wir im Leben erreichen? Es geht also nicht nur um die Angst, sondern vielmehr um die Angstüberwindung. Dabei helfen uns Mut und Tapferkeit. Mit Mut im Herzen und der Tapferkeit im Gepäck können wir die Angst überwinden, neues Terrain beschreiten und über uns hinauswachsen.

WISSENSWERTES: Mut, Wagemut, Tapferkeit oder Beherztheit, bezeichnet ein Verhalten, bei dem man sich in eine gefahrenhaltige, mit Unsicherheiten verbundene Situation begibt. Mut wird als Charaktereigenschaft angesehen, während mit Tapferkeit eher eine durch Erziehung und Einsicht erworbene Tugend gemeint ist, die sich durch Standhaftigkeit und Durchhaltevermögen in schwierigen Situationen auszeichnet.

Angstüberwindung geschieht durch die bewusste Auseinandersetzung mit den Faktoren, die Angst auslösen. Durch die Anwendung von Strategien können die von Ängsten erzeugten inneren Widerstände und Hemmungen überwunden werden.

ÜBRIGENS: Mut rein chemisch?

Die Chemie muss stimmen: Das Gehirn regelt im Angstzentrum, der sogenannten Amygdala, ob wir uns unseren Ängsten stellen oder nicht. Je nach Ergebnis der Analyse schüttet es den Botenstoff Glutamat aus, der die Information der mutigen Entscheidung an weitere Neurotransmitter weitergibt.

FRANZ VON ASSISI:

Leben wie Christus

»Wo Liebe und Weisheit sind, gibt es keine Furcht oder Ignoranz.«

UND DIESER GEDANKE setzte sich fest und grub tief seine Wurzeln: Mit Kraft, Mut und Besonnenheit kann man Wege beschreiten, die für andere unmöglich sind zu gehen.

Radioreportage aus der Reihe: Große Heilige einer großen Epoche – heute: Franz von Assisi – Revolutionär mit Weitsicht oder verkappter Irrer?

Ein Beitrag von Prof. Dr. Dr. Dominik Bettelmann, Dr. der Geschichte und Dr. der Theologie am Franzinstitut zu Benedikt.

Franz von Assisi war eine der kontroversesten Figuren des Mittelalters und gilt bis heute als einer der größten Heiligen der katholischen Kirche. Aber er war auch ein Revoluzzer, ein zerlumpter Habenichts, der die Kirche anprangerte und ihre Grundfesten ins Wanken brachte. Seit über 800 Jahren fasziniert und inspiriert er unzählige Menschen in ihrem Leben und in ihrem Glauben. Was war das für ein Mensch, der die Power hatte, bis heute unvergessen zu bleiben? Woher nahm er seinen Mut, sich der Institution Kirche entgegenzustellen und sein Leben zu riskieren?

Bei seiner Geburt war nicht abzusehen, dass sich durch ihn eine der größten Ordensbewegungen des Mittelalters entwickeln würde. Als Franz von Assisi um 1181 als Sohn eines reichen Tuchhändlers in Assisi geboren wurde, schien sein Leben vorgezeichnet. Assisi, das in Umbrien liegt, war zu dieser Zeit ein Handelszentrum, das Verbindungen in ganz Europa hatte. Die Umgebung war durch Agrarlandschaft geprägt, die Städte waren reich und die Handelszünfte versprachen Macht. Dieser Reichtum zeigte sich in großen und herrschaftlichen Häusern, die mit eindrucksvollen Türmen bewehrt waren. Diese sogenannten Geschlechtertürme waren ein Zeichen für Geld, Tradition und Macht.

Franz wurde in diesen Reichtum hineingeboren: Als Giovanni di Bernardone sollte er Stammhalter des elterlichen Besitztums werden. Sein Vater, der oft auf Handelsreisen in Frankreich war, änderte den Namen Giovanni in Francesco, da er Frankreich als kulturelles Land sehr schätzte. Francesco – kurz Franz – wuchs in Reichtum auf, er lernte Lesen und Schreiben und führte ein ausschweifendes Leben. Seine zahlreichen Freunde mussten für die aufwendigen Partys nichts bezahlen und er war bei ihnen hoch angesehen. Mit Francesco hatte man stets viel Spaß. Doch auch schon in dieser Lebensphase gab Francesco den Armen und Kranken aus der Ladenkasse. Ein Schlüsselerlebnis war der Rauswurf eines stinkenden Bettlers aus seinem Laden. Es reute ihn aber so sehr, sodass er dem Bettler nachlief und ihm Münzen in die Hand drückte. Auch die Kriegsgeschehnisse mit der mächtigen Nachbarstadt Perugia zeichneten ihn. Als Sohn der Stadt Assisi, war es seine Pflicht, seine Stadt zu verteidigen und sich als Ritter zu beweisen. Doch die Stadt Perugia war übermächtig und Assisi verlor den Kampf. Bei einem Gefecht in Collestrada wurde Francesco gefangen genommen und in den Kerker geworfen. Das war eine ganz neue Erfahrung für den reichen Lebemann. Dunkelheit, Hunger, Einsamkeit und Lumpen am Leib. Nach einem Jahr wurde er entlassen. Man munkelte, dass sein Vater ihn für eine große Summe freigekauft habe, da dieser großes Interesse daran hatte, dass sein Sohn die elterlichen Geschäfte fortführte. Wie so oft im Leben, sind es die einschneidenden Ereignisse, die einen Menschen aus der Bahn werfen. Dem Tod ins Auge zu schauen verändert. Und so war es auch bei Francesco. Als er sich zu Fuß auf den Heimweg nach Assisi machte, war er krank und ausgezehrt. Und auch sein Gemüt hatte sich verändert. So wie bisher wollte er auf keinen Fall weiterleben.

Er wurde sich in aller Dramatik der Leere in seinem Leben bewusst. Reichtum und Besitz waren ihm nicht mehr wichtig und auch sein Kindheitstraum, Ritter zu werden, erschien ihm nicht mehr erstrebenswert. Das Kriegserlebnis hatte ihn innerlich zutiefst erschüttert und er zog sich in den folgenden beiden Jahren zunehmend aus seinem Freundeskreis zurück. Immer wieder geriet er mit seinem Vater aneinander, denn Francesco verschenkte immer öfter Geld und Waren an Bettler und Waisen. So hatte sich sein Vater das nicht vorgestellt. Francescos Vater vermittelte seinem Sohn sehr deutlich, was er von alldem hielt. Er schenkte seinem Sohn ein Pferd und eine teure Rüstung, damit er sich abermals einem Kriegszug nach Süditalien anschließen konnte. Franz willigte ein, um seinen Vater nicht noch mehr zu erzürnen, doch seine Gedanken kamen nicht zur Ruhe. Unterwegs hatte er dann, so wird es überliefert, einen Traum.

Gott sagte ihm, dass er umkehren solle, dann würde er ihn mit geistlicher Weisheit erfüllen. Kurzerhand tat Franz wie ihm geheißen. Dem erstbesten Bettler schenkte er Pferd und Rüstung und kehrte abermals in Lumpen gehüllt in seine Heimat zurück. Francesco wusste nicht, wie diese Weisheit, die Gott ihm versprochen hatte, ihn ereilen sollte und blieb unglücklich in der Rolle als Sohn eines reichen Tuchhändlers. Bei einer einsamen Wanderung jedoch stolperte er förmlich über die Lösung. Er fand die verfallenen Reste der kleinen Kapelle San Damiano. Bei einem Gebet in der Ruine hörte er eine Stimme, die ihn aufforderte, Gottes Haus wieder aufzubauen. Er bezog diese Aufforderung erst nur auf die kleine Kirche, bald jedoch auf die gesamte Institution.

Endlich, das war das langersehnte Zeichen, das ihm Kraft gab, nach und nach alles hinter sich zu lassen, Kraft, um seinen Weg der völligen Besitzlosigkeit zu leben. Nun begann sein zweites Leben. Francesco erbettelte sich Baumaterial und arbeitete hart auf der Baustelle der Kapelle. Wenn das Geld nicht reichte, holte er es sich aus der Ladenkasse seines Vaters – und das immer ungehemmter. Francesco, der sich mittlerweile in ärmlichen Kutten kleidete, war seinem Vater zunehmend suspekt geworden. Das sollte sein Nachfolger werden? Hatte er nicht viel Geld in die Ausbildung seines Sohnes gesteckt? Und nun war alles umsonst, jetzt war sein Sohn sogar zum Dieb geworden. Francescos Vater hatte genug. Er brachte seinen Sohn vor dem Dom von Assisi vor Gericht. Auch der Bischof war anwesend. Und hier geschah etwas Unerhörtes. Nach der Verlesung der Anklage durch seinen Vater, legte Francesco seine Kleidung ab und stand nackt vor der Menge, dem Bischof und seinem Vater. Nackt und ohne Besitz wie Christus am Kreuz. Francesco gelobte mit klarer Stimme, dass er sich hiermit von seinem Vater lossagte und fortan nur noch den Vater im Himmel seinen Vater nennen würde.

Man könnte sagen, dass Francesco ein guter Schauspieler war. Er setzte in seinem Leben immer wieder auf die Kraft des lebendigen Bildes, wie wir später noch hören werden. Das prägte ein, das bewegte und berührte die Menschen. Die Menge war schockiert, aber der Bischof verstand den jungen Francesco als Vorreiter einer neuen Bewegung. Irgendwie ahnte er wohl, dass von diesem jungen Mann, der den Mut aufbrachte, sich öffentlich von seinem Vater und damit von seinem bisherigen Leben zu distanzieren, etwas ganz Besonderes ausgehen würde. Diesen Menschen wollte er im Auge behalten. Der Bischof nahm seinen Mantel, ging zu Francesco und hüllte ihn damit ein. Eine Geste der Annahme vor Gott. Von nun an lebte Francesco außerhalb der Stadtmauern und erbettelte sich sein Essen und auch weiterhin Baumaterial für die Kapelle. Den Menschen in seiner Umgebung fiel dieser Mann auf, der einen ganz neuen Weg beschritt. Francesco predigte vor den Kirchen der Stadt und sprach in einfachen Worten zu den Menschen. Er predigte von Christus und dem Evangelium, vom Weg der Armut und der Besitzlosigkeit. Damit traf er sprichwörtlich den Nerv der Zeit. Denn die Menschen wussten, wie reich die Institution Kirche war. Francesco forderte nicht nur von sich und seinen Mitbrüdern, die ihm mittlerweile auf seinem Weg folgten, radikale Armut, sondern er forderte diese auch von der Kirche. Es wäre wohl ein neues Christentum entstanden, wenn sich die Kirche auf die Forderung nach Besitzlosigkeit eingelassen hätte. Gott selbst hatte Franz den Auftrag gegeben, bei Papst Honorius III. um einen vollständigen Ablass zu bitten, der ihm 1223 auch gewährt wurde. Jedes Jahr, am zweiten August, wurde fortan Sündern, die ehrliche Reue zeigten, beichteten, das Vaterunser, oder das Credo sprachen und auch einer Heiligen Messe beiwohnten, die Sünden erlassen. Kein Wunder, dass es schon am Vortag des zweiten Augustes zu Massenansammlungen vor der Kapelle kam. Der Ruf von Francesco zog immer weitere Kreise und seine Gefolgsleute wurden immer zahlreicher, sehr zum Leidwesen der Priester, denn die sogenannten Franziskaner predigten vor der Kirche und erhielten Essen und Zuwendungen, die normalerweise die Priester bekommen hätten.

Franz war schon jetzt zur Legende geworden. Doch die Geschichten um ihn nahmen kein Ende. Für Francesco waren alle Dinge dieser Welt beseelt. Er predigte den Vögeln auf einem Strauch, sprach von Bruder Mond und Schwester Sonne und redete angeblich sogar mit einem Wolf. Da gab es einen Wolf im Orte Gubbio, der die Einwohner in Angst und Schrecken versetzte, denn er trieb dort in den Wäldern und auch auf den Feldern sein Unwesen. Francesco hörte davon und suchte den Wolf auf. Dieser erzählte ihm von seinem unstillbaren Hunger und Franz erzählte ihm von Gott. Beide schlossen einen Handel: Die Menschen von Gubbio sollten den hungrigen Wolf mit Nahrung versorgen und im Gegenzug würde dieser keine Jagd mehr auf Vieh und Mensch machen. Es war ein Handel, der der Legende nach, von beiden Seiten treu eingehalten wurde.

Francesco konnte aber nicht nur mit Tieren sprechen. Er konnte auch gut singen und dichten. Sein Sonnengesang »Laudato si« ist bis heute weltbekannt. All dies tat er zu Ehren seines Vaters im Himmel. Er bekam dafür immer mehr Anhänger, auch weibliche. Mit einer angesehenen Frau des Ortes, Klara von Assisi, verband ihn seit seiner Jugend eine zarte Freundschaft. Auch sie stammte aus reichem Hause, und die Vorstellung, ohne Besitz und in völliger Armut zu leben, faszinierte sie. Eines Tages riss sie mit einer Bekannten von Zuhause aus und ging zu Francesco in die Kapelle Portiuncula. Dort schnitt Francesco höchstpersönlich Klaras Haare ab und kleidete sie in ein einfaches Wollgewand. Da es einer Frau nicht gestattet war, auf Wanderschaft zu gehen, zog sie in die Räumlichkeiten von San Damiano ein. Später folgten ihre Schwester, ihre Mutter und weitere Frauen in die Kapelle. Die ungewisse Zukunft schreckte sie anscheinend nicht ab, im Gegenteil, die Klarissenbewegung war geboren, der weibliche Abzweig der Franziskaner. Francesco besuchte Klara regelmäßig und es entstand eine tiefe Freundschaft, ja sogar eine geschwisterliche Liebe auf Augenhöhe. Oft holte sich Francesco Rat von Klara und umgekehrt.

Wenn wir uns die zeitlichen Umstände anschauen, in denen Francesco gelebt hat, lässt sich für uns heute vielleicht besser verstehen, was er damit gewagt hatte, sein normales Leben hinter sich zu lassen und Bettelmönch im Büßergewand zu werden. Nur 100 Jahre nach dem Tod von Francesco wurden Franziskaner öffentlich verbrannt, nur weil sie in Armut leben wollten. Das heißt, schon zu Francescos Lebzeiten bestand die Gefahr, dass die Kirche bzw. der Papst diesen Orden ablehnen und ihn mit Waffengewalt bekämpfen würde. Orden, die sich der Armut verschrieben und diese Armut auch von der Kirche forderten, konnten dieser schnell gefährlich werden. Die Grenze zwischen geduldetem Orden und einem Orden, deren Anhänger als Häretiker galten, war oft fließend. Deshalb wollte Francesco für sich und seine Mitbrüder geregelte Verhältnisse und eine Bestätigung der Lebensform in Armut von Papst Innozenz III. Wie schaffte es aber ein zerlumpter Mönch, der weder Einfluss noch Geld besaß, eine Audienz beim Papst in Rom zu bekommen? Wahrscheinlich hatte Guido II., der Bischof von Assisi, seine Hände im Spiel und empfahl dem Papst Francesco. Innozenz III. war ein sehr gelehrter Papst und er überlegte lange, was er mit diesem Bettelmönch anfangen sollte. Aber da Francesco sich selbst nicht als Mönch bezeichnete, sondern als Buß- und Wanderprediger, genehmigte Innozenz III. ihm zumindest mündlich, diese Lebensform. Das gab Francesco Sicherheit und Ruhe.

Die Zeit Francescos war auch die Zeit der großen Kreuzzüge, der Reisen. Und so führte ihn seine Wanderschaft auch an den Nil, wo er den Sultan von Ägypten traf. Dieser zeigte sich mächtig beeindruckt von dem zerlumpten Kerl vor ihm, ließ sich aber zum Leidwesen von Francesco nicht zum christlichen Glauben bekehren. Aber wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass mitten in der Belagerung der Hafenstadt Damiette, ein Bettelmönch Zutritt zum Lager des Sultans bekam? Zuerst einmal war Francesco unbewaffnet und er hatte weder Pferd noch Rüstung. Er war also ganz offensichtlich kein Kreuzritter. Aber was wollte er dann in Palästina, dem gelobten Land? Francesco orientierte sich Zeit seines Lebens stark an Jesus und wollte ihm überall hin folgen. So kann auch seine Reise in das gelobte Land interpretiert werden. Er wollte sehen, wo Jesus geboren und gestorben war. Nach Hause zurück kehrte Francesco mit einem Signalhorn, das er zum Abschied vom Sultan geschenkt bekam.

Francesco hatte, wie wir bei dem Kleiderwurf schon hörten, eine Vorliebe für die Bildsprache. Daraus resultierte, dass er in einer Höhle in der Nähe von Assisi einen Esel, einen Ochsen und eine einfache Krippe mit Heu brachte und so die Geburt Christi zu Weihnachten nachstellte. Auch an ein Kind wurde gedacht. So wurde Francesco der Erfinder des Krippenspiels. Da nicht jeder einen Ochsen und einen Esel hatte, um die Krippe nachzustellen, schnitzte Franz die Figuren aus Holz. Dazu kamen Josef und Maria, die Schafe und ein Engel, wie wir es heute noch kennen.

Im Laufe der Jahre folgten in ganz Europa Ordensleute der Lebensform von Francesco nach. Reibereien blieben da nicht aus. Die karge und entbehrungsreiche Lebensweise wollten nicht alle mitmachen. Francesco nahm das sehr mit. Er hatte nie einen Orden gründen wollen, keine Regeln aufstellen wollen außer der einen: so leben wie Jesus. Dennoch fühlte er sich für die Brüder des Ordens verantwortlich.

Durch das strenge Fasten und das Leben in vollständiger Askese ging es ihm immer schlechter. Sein Magen konnte kaum noch Nahrung fassen und er sagte selbst, dass er seinen Körper zu schlecht behandelt habe. Er zog sich vom Orden zurück und siedelte in eine kleine Höhle auf dem Monte La Verna um. Hier erlebte er in einer Vision einen Seraph, einen sechsflügligen Engel, der aussah, als wäre er gekreuzigt worden. Kurz darauf fanden sich auch bei Francesco die Stigmata, die Wundmale Christi. Er war der erste Heilige, der damit gezeichnet wurde. Heute wird eher wissenschaftlich diskutiert, ob er sie sich in tranceähnlicher Entrückung selbst zugefügt habe. Diejenigen, die aber heute noch an ihn und seine Lebensweise glauben, halten die Legende für wahr.

Als Francesco spürte, dass es ihm schlechter ging und er dem Tode nahe war, ließ er sich zum Sterben nackt auf den Boden der Kapelle Portiuncula legen. So sagte er sich nochmal in aller Deutlichkeit von der Welt los, genauso wie er sich damals von seinem Vater losgesagt hatte und begab sich ganz in Gottes Hände. Er wollte damit verdeutlichen, dass er nackt auf die Erde gekommen war und nackt wieder gehen würde – arm und ohne Besitz und doch so reich beschenkt. Franz von Assisi hatte ein großes Ziel im Leben, er wollte Jesus Weg folgen, ihm dabei immer näherkommen, ja am liebsten sein Zwillingsbruder werden. So kann man heute mit Fug und Recht sagen, dass er aus dieser Vision seinen Mut, seinen unerschütterlichen Glauben und seine Tatkraft bezog.

Kurz nach seinem Tod wurde er heiliggesprochen und ist als Franz von Assisi in die Kirchengeschichte eingegangen. Noch heute dient er vielen Menschen als Vorbild.

Sie hörten: Eine Reportage aus der Reihe: Große Heilige einer großen Epoche – heute: Franz von Assisi – Revolutionär mit Weitsicht oder verkappter Irrer?

Ein Beitrag von Prof. Dr. Dr. Dominik Bettelmann, Dr. der Geschichte und Dr. der Theologie am Franzinstitut zu Benedikt.

STECKBRIEF: FRANZ VON ASSISI

1181 Geburt in Assisi, Italien

1201 Kriegsdienst beim Kampf gegen Perugia

1204 Entlassung aus dem Gefängnis

1205 Botschaft von Gott im Traum

1206 In der verfallenen Kapelle San Damiano hört er die Stimme Christi und renoviert die Kapelle

1207 Gerichtsverhandlung auf dem Domplatz, Francesco sagt sich von seinem Vater los (Kleiderwurf)

1208 Renovierung der Kapelle Portiuncula

1209 Reise nach Rom zum Vatikan

1210 Bestätigung seiner Lebensweise durch Papst Innozenz III.

1212 legt Klara vor Francesco ihr Gelübde ab

1219 Begegnung mit dem Sultan von Ägypten bei Damiette

1220 Abgabe der Leitung des Ordens

1224 Erscheinung eines gekreuzigten Seraphs in einer Vision und Stigmatisierung auf dem Monte La Verna Dichtung des Sonnengesangs

1226 Tod in der Kapelle Portiuncula

1228 Heiligsprechung durch Papst Gregor IX.

WISSENSWERTES: Franz von Assisis Weg erscheint aus heutiger Sicht ungewöhnlich. Aber zu seinen Lebenszeiten war es für den Nachwuchs von Adligen durchaus normal, ins Kloster zu gehen, wenn man beispielsweise nicht heiratete. Warum dann nicht auch etwas völlig Neues wagen und andere Wege gehen? Franz von Assisi erreichte die Menschen mit seinen einfachen und ehrlichen Worten. Er erhob sich nicht über sie, sondern stand mit ihnen auf Augenhöhe. Das imponierte, das schaffte Vertrauen. Nach der mündlichen Genehmigung durch den Papst für dieses Leben in Armut, verselbständigte sich der Orden sehr schnell und weltweit entstanden Franziskanerorden. Das hatte Franz von Assisi nie im Sinn gehabt.

Wegen seiner Liebe zur Natur, den Tieren, Pflanzen und den Menschen, sowie dem Beginn des allgemeinen Umweltbewusstseins, wurde er 1979 von Papst Johannes Paul II. zum Patron des Natur- und Umweltschutzes ernannt. Seitdem wird am 04. Oktober, dem Gedenktag von Franz von Assisi, auch der internationale Tag des Tierschutzes begangen.

Franz von Assisis großes Vorbild war Jesus Christus und er suchte, ihm nachzufolgen. Die prunkvolle Überbauung der kleinen Kapelle Portiuncula, in der er begraben liegt, wäre ihm sicher nicht recht gewesen. Heute gibt es noch Franziskanerorden in rund 120 Ländern auf der Welt mit ungefähr 14.000 Mitgliedern.

ÜBRIGENS: Im Gebiet des heutigen Palästinas kam es 1202 zu einem starken Erdbeben, das rund 30.000 Opfer forderte. In China wird Schlafmohn für medizinische Zwecke angebaut.

MARTIN LUTHER:

Für ein Leben in der Welt

»Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.«

UND DIESER GEDANKE setzte sich fest und grub tief seine Wurzeln: Mit Kraft, Mut und Besonnenheit kann man die Kirche verändern und im Heute leben.

Dunkle Wolken waren wie aus dem Nichts aufgezogen, Regen peitschte das Gras der Wiese und der einzige Baum weit und breit ächzte im Wind. Es wurde immer dunkler. Martin Luther, der gerade auf dem Rückweg von einem Besuch bei den Eltern war, hatte wahrlich keine gute Laune.

»Wieso«, fragte er sich, »wieso muss immer mir so etwas passieren? Es sind nur noch wenige Stunden bis nach Erfurt, der größte Teil des Weges ist geschafft und nun das!«

Mit eiligen Schritten lief er auf den Baum zu und suchte Schutz unter dem dichten Blätterdach. Doch der Regen fand auch hier nach kurzer Zeit schon den Weg hinunter auf Martins Haar und Kleidung. Mit hängenden Schultern und genervtem Gesichtsausdruck stand er unter dem Baum. Ein stattlicher junger Mann, der Regen einfach nicht ausstehen konnte. Es blieb aber nicht bei Wind und Regen. Martin hörte ein leises Grollen in der Ferne.

»Oh nein«, dachte er, »nicht das auch noch.«

Aber schon leuchteten die ersten Blitze am dunklen Himmel und erhellten die Umgebung.

»Licht und Dunkelheit ganz nah beieinander«, dachte Martin gerade, als es so laut krachte, dass er vor Schreck zusammenfuhr. Das Gewitter kam näher. Der Regen hatte ihn mittlerweile bis auf die Knochen durchnässt und er schüttelte sich gerade wie ein Hund, als ein greller Blitz direkt neben dem Baum in den Boden einschlug. Martin hatte das Gefühl, dass seine Ohren platzten, während er einige Meter zur Seite geschleudert wurde. Er hielt sich die Hände schützend über den Kopf und hatte nur noch einen Gedanken: »Hilf, Heilige Anna, hilf. Wenn ich das hier überlebe, werde ich Mönch!« Er wusste nicht, ob er diese Worte in den Sturm geschrien hatte oder ob sie nur in seinen Gedanken gewesen waren. Äußerst unsanft war er auf der Seite gelandet und lag nun dort mit angezogenen Knien, wie ein Neugeborenes, das hilflos den Elementen ausgeliefert war.

Während das Gewitter sich über ihm austobte und es sich anfühlte, als würde der Himmel sämtliche Schleusen öffnen, blieb Martin auf dem nassen und schlammigen Boden liegen. Er selbst war so nass, dass er sich eins fühlte mit der Natur, mit der nassen Erde, dem Regen, der noch immer mit aller Macht auf ihn einprasselte. Es schien ihm, als wäre es ein fließender Übergang von Mensch zu Natur, von ihm zu den ihn umgebenden Elementen. Martin hielt sich die Ohren zu und hatte die Augen fest geschlossen. Würde er sterben oder leben? Er war sich da nicht sicher. Würde ihm die Heilige Anna helfen? Er hatte schon viele Gewitter erlebt, aber das hier schlug doch eindeutig dem Fass den Boden aus. Es war etwas völlig anderes, einem Gewitter aus einem trockenen Zimmer zu lauschen oder gar vom Fenster aus zu bestaunen, als mutterseelenallein auf einer Wiese liegend, dem Unwetter ausgesetzt zu sein.

Immer wieder durchzuckten Blitze den Himmel, von denen schließlich einer auch den Baum traf, der sofort in Flammen aufging. Trotz des prasselnden Regens hörte Martin das Fauchen der Flammen. Er öffnete leicht die Augen und dachte: »So könnte es im Fegefeuer sein. Die Hölle auf Erden.«