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Die meisten Krisen und psychischen Störungen sind mit Scham- und Schuldgefühlen verknüpft. Wenn quälende Selbstabwertung und soziale Ängste überhand nehmen, hilft dieser aus der therapeutischen Praxis entstandene Ratgeber. Er ermutigt Betroffene, sich wohlwollend mit diesen Gefühlen auseinanderzusetzen und eignet sich sowohl als Begleitbuch für die Therapie als auch als Anleitung zur Selbsthilfe. Warum fühlen wir uns schuldig, welche Funktionen erfüllen Schuld und Scham, wie sehen die verinnerlichten Regeln aus, und machen diese noch Sinn? Das eigene, individuelle Scham- und Schulderleben zu reflektieren und seine Entstehung zu erforschen heißt auch, die Verbindung zu den eigenen Bedürfnissen herzustellen. Man kann lernen, sie angemessen zu artikulieren und für ihre Befriedigung Sorge zu tragen. Denn: Wer zu Scham- und Schuldempfindungen fähig ist, verfügt über Empathie und kann sie auch für sich selbst nutzen. Zahlreiche Fallbeispiele und Übungen zeigen, wie.
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Seitenzahl: 232
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Maren Lammers und Isgard Ohls
Mit Schuld, Scham und Methode
Ein Selbsthilfebuch
BALANCE
Maren Lammers und Isgard Ohls
Mit Schuld, Scham und Methode
Ein Selbsthilfebuch
1. Auflage 2017
ISBN-Print: 978-3-86739-160-3
ISBN-PDF: 978-3-86739-879-4
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.ddb.de abrufbar.
Dieses Buch enthält therapeutische Informationen und medizinische Empfehlungen. Sowohl der Verlag als auch die Autorinnen übernehmen keine Verantwortung und keine daraus folgende Haftung, die auf irgendeine Weise aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen daraus entstehen.
Alle Übungen und Impulse dieses Buches finden Sie im Internet auf dieser Seite:
www.balance-verlag.de/buecher/detail/book-detail/mit-schuld-scham-und-methode.html
Der Zugangscode lautet: Schuld und Scham
© BALANCE buch+medien verlag, Köln 2017
Der BALANCE buch+medien verlag ist ein Imprint der Psychiatrie Verlag GmbH, Köln.
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werks darf ohne Zustimmung des Verlags vervielfältigt, digitalisiert oder verbreitet werden.
Lektorat: Karin Koch, Köln
Illustrationen: Till Runkel, www.tillustration.de
Foto, Umschlagkonzeption und -gestaltung: GRAFIKSCHMITZ, Köln, unter Verwendung eines Fotos von Michael Schmitz
Typografiekonzeption und Layout: Iga Bielejec, Nierstein
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017
Wir widmen das Buch unseren Patientinnen und Patienten, Mitmenschen und Wegbegleitern.
Wir danken ihnen von Herzen für ihren Mut, ihr Vertrauen und die Offenheit.
Cover
Titel
Impressum
Widmung
Vorwort
Unliebsame Zeitgenossen kennen- und schätzen lernen
Scham und Schuld machen Sinn
Die guten Seiten von Scham und Schuld
Wann sind Scham und Schuld ein Problem?
Unterschiede zwischen Scham und Schuld
Den wichtigen Unterschied zwischen Person und Verhalten machen
Denken kann helfen, muss aber nicht hilfreich sein
Scham blockiert, Schuld aktiviert
Der Körper sendet Signale
Unser Gegenüber fühlt mit
Der kleine Unterschied und seine Folgen
Soziale Prägungen von Scham und Schuld
Die Familie
Mögliche Veränderungen durch ein neues soziales Umfeld
Können Eltern Emotionen?
Kulturelle und gesellschaftliche Einflüsse
Kulturelle Aspekte von Scham
Kulturelle Aspekte von Schuld
Religiöse Aspekte
Schuld, Sünde und Vergebung
Scham, Reue und Ehre
Verzeihen und Loslassen lernen
Der Beitrag der Weltreligionen
Normen und Werte
Was sein soll
Was man tun soll
Ein Gewissen ist kein Ruhekissen
Die verinnerlichten Erwartungen
Scham- und Schulderleben
In den Lebensthemen verborgen
Durch Krankheit plötzlich scham- und schuldlos
Veränderungen sind möglich
Wie Scham- und Schuldempfinden sich entwickeln
Ohne Empathie geht nichts
Der Einfluss von frühkindlichen Erfahrungen
Wie Grundbedürfnisse und frühes Scham- und Schulderleben zusammenhängen
Die Grundbedürfnisse
Bindung und Kontakt
Lustgewinn oder Unlustvermeidung
Selbstwertschutz, Selbstwerterhöhung und Selbstwertbehauptung
Grenzen, Kontrolle, Orientierung
Autonomie
Mangelnde Selbst(für)sorge
Bedürfnisse und Emotionen bilden ein Team
Auswirkungen auf das Selbstwerterleben
Überlebensstrategien und ihre Kosten
Die Gegenspieler zu Scham und Schuld
Selbstfürsorge, Selbstliebe und Selbstakzeptanz
Das eigene Scham- und Schulderleben kennen- und verstehen lernen
Informationen aus der Zeit rund um die Geburt sammeln und ordnen
Die familiären Werte und das eigene Verhalten
Welche Neigung mit Scham oder Schuld zu reagieren, hat sich entwickelt?
Die Selbsteinschätzung
Hören Sie sich zu
Was Sie selbst wahrnehmen und wie Sie darüber denken
Ein regelmäßiger Check-up der Fehlerfreundlichkeit
Meine individuellen Muster der Scham- und Schuldreaktion aufdecken
Meine typischen Scham- und Schuldthemen
Über Umwege zu Scham und Schuld
Neid, Hass und Rachegefühle
Primäre und sekundäre Emotionen
Überlebensstrategien und Kompensationsmechanismen
Erdulden
Bekämpfen
Vermeiden
Ich denke, wie ich fühle
Die Grundbedürfnisse hinter Scham und Schuld
Neue Wege für altes Scham- und Schulderleben finden
Scham- und Schuldempfinden von den alten Verletzungen trennen lernen
Stellvertreter finden
Den Körper und die Mimik nutzen
Die Intensität der Gefühle einordnen
Individuelle Scham- und Schuldreaktionen verändern lernen
Keine Veränderung ohne Veränderung
Unterstützen Sie sich
Probieren Sie sich aus
Empathie regulieren lernen
Zuhören
Abstand schaffen
Den Auftrag abwarten
Nähe tut gut, aber zu nahe macht uns manchmal handlungsunfähig
Selbstempathie entwickeln
Wertfreies Wahrnehmen
Sich selbst anders beschreiben
Sich verzeihen und wertschätzen lernen
Selbstliebe, Selbstfürsorge und Selbstakzeptanz lernen
Scham- und Schuldempfinden nutzen, um sich anderen Menschen zuzuwenden
Kontakte zu anderen Menschen besser gestalten
Gehen Sie raus
Menschen sind positiv
Nein und Stopp sagen mit Mitgefühl
Gemeinsamkeiten beachten
Bedürfnisse und Emotionen kommunizieren
Sich ohne Scham- und Schulderleben abgrenzen
Den alten emotionalen »Heimatfilm« unterbrechen
Nebenwirkungen
Einen eigenen Umgang mit den familiären, kulturellen und religiösen Voraussetzungen finden
Anhang
Emotionsliste
Wo Sie Informationen und Hilfe finden
Literatur
Die Autorinnen
Alle Impulse und Übungen finden Sie auch im Internet auf dieser Seite: www.balance-verlag.de//buecher//detail//book-detail/mit-schuld-scham-und-methode.html – Das Codewort lautet: Schuld und Scham
Jeder glaubt, die Scham und das Schuldgefühl ganz genau zu kennen. Beide Emotionen erleben Menschen jedoch sehr unterschiedlich. Ihnen gemeinsam ist, dass Menschen Angst vor der unangenehmen emotionalen Qualität von Scham und Schuld haben. Daher stellen beide Emotionen uns Menschen vor eine große Herausforderung.
Nichts beschäftigt Menschen im Alltag mehr als die Vermeidung von Scham und Schuld. Deshalb entschuldigen wir uns vorsorglich, kleiden uns angemessen, übernehmen vorausschauend Verantwortung, lassen Menschen den Vortritt, bekunden Reue im Falle eines Fehlverhaltens. Viele kleine Alltagssituationen haben die Scham- und Schuldvermeidung zum Ziel. Und interessanterweise fühlen wir häufiger Schuld und Scham, als es notwendig ist. Unsere individuellen familiären, kulturellen und religiösen Prägungen tragen maßgeblich zur Entwicklung und Aufrechterhaltung von Scham- und Schulderleben bei. Diese einzelnen Aspekte werden in diesem Ratgeber in den Blick genommen.
Die oft einhergehende Rat- und Hilflosigkeit im Umgang mit den beiden Emotionen resultiert daraus, dass frühes und intensives Scham- und Schulderleben meist ein sehr negatives Selbstbild begünstigt. In der Folge spielen Scham und Schuld auch bei der Entstehung von psychischen Erkrankungen eine große Rolle. Genauso halten unbearbeitete Scham und Schuld psychische Erkrankungen aufrecht und können mit diesen entstehen.
Wir können die biografischen Erlebnisse, die zu frühem und intensivem Scham- und Schulderleben geführt haben, leider nicht ungeschehen machen. In früher Kindheit wiederholte oder auch traumatische Frustrationen der Grundbedürfnisse sind erfolgt. Erst wenn die Verletzungen aus diesen Zeiten ausreichend gewürdigt werden, sind Veränderungen möglich. Dieses Buch möchte Menschen darin unterstützen, die Folgen und den bisherigen Leidensdruck zu mildern, indem es eine sinnstiftende Auseinandersetzung fördert. Dazu gehört es aus unserer Sicht auch, einen guten Umgang mit dem Erlebtem zu finden. Nach unseren Erfahrungen mit Patientinnen und Patienten ist das möglich.
Menschen können auch noch im fortgeschrittenen Erwachsenenalter durch die Auseinandersetzung mit Scham und Schuld lernen, viel besser für sich zu sorgen, als für sie gesorgt wurde. Es ist uns ein persönliches Anliegen, dass diese Menschen sich mit mehr wohlgemeinter Zuneigung, Achtung und Respekt begegnen können, als sie in ihrer Kindheit erfahren haben.
Wir möchten mit dem vorliegenden Buch Betroffene ganz ausdrücklich dazu ermutigen, sich dem eigenen Scham- und Schulderleben zu stellen. Die vielfältigen Anregungen, sich mit biografischen Erfahrungen auseinanderzusetzen und so alte, frühe Scham- und Schuldmuster zu erkennen, ist ein wesentlicher Bestandteil dieses Ratgebers. Das erleichtert es Ihnen zukünftig, die Vorläufer von Scham und Schuld zu erkennen, wertzuschätzen und für sich zu nutzen. So können angemessene Scham- und Schuldreaktionen für viele Menschen wichtige Signale liefern, wie der Kontakt zu anderen Menschen besser und bedürfnisorientiert gestaltet werden kann.
Das Buch ersetzt keine Therapie, wenn intensives und häufiges Scham- oder Schulderleben bereits zu psychischen Erkrankungen geführt hat. Jedoch kann es als begleitende Lektüre zu einer Therapie eingesetzt werden. Im Verlauf des Textes geben wir an den entsprechenden Stellen immer wieder Hinweise, wie und wann Sie sich professionelle Hilfe suchen und gönnen sollten.
Das vorliegende Buch ist als Ratgeber und als Selbsthilfebuch konzipiert. Zunächst soll in einem psychoedukativen Einleitungsabschnitt Wissen für ein besseres Verständnis und einen leichteren Zugang zu den Begriffen Scham und Schuld vermittelt werden. In der Folge wird es darum gehen, einen Umgang mit frühen Scham- und Schuldreaktionen zu erlernen und hellhörig auf individuelle Warnhinweise zu reagieren. Sie können hierdurch lernen, Ihre Emotionen als Warnhinweise zu verstehen, um schließlich zu einer sinnstiftenden Auseinandersetzung mit den eigenen Anlagen und Erfahrungen zu gelangen. Im Text werden Sie immer wieder Fallbeispiele, Übungen und Abschnitte finden, die durch einen Ballon gekennzeichnet sind. Diese Impulse in Form von Gedanken und Bildern möchten Sie einladen, sich ganz praktisch auf eine Auseinandersetzung mit Ihren eigenen Scham- und Schuldthemen einzulassen. Diese Ideen sind zumeist unserem praktischen und therapeutischen Alltag entwachsen und diesem entnommen worden.
Da der Text von zwei Autorinnen konzipiert wurde, finden sich im Text gelegentlich stilistische Unebenheiten, die wir zu entschuldigen bitten, frei nach dem Motto: Ich schäme mich, denn diese Freiheit bin ich mir selbst schuldig.
Uns hat die Arbeit an diesem Ratgeber sehr viel Freude bereitet, von der wir hoffen, dass sie für Sie spürbar ist und wir sie weitergeben können. Fühlen Sie sich eingeladen, sich auf den spannenden Weg Ihrer eigenen biografischen Entwicklung zu begeben, und die jeweiligen Anteile Ihres individuellen Scham- und Schulderlebens zu ergründen. So können Sie bestimmt (vielleicht) Ihre eigenen Scham- und Schuldthemen besser verstehen lernen, die eigenen Themen damit erkennen und mit mehr Verständnis für den Sinn und sich selbst durchs Leben gehen.
Maren Lammers & Isgard Ohls
Sie schämen sich oder haben Schuldgefühle? Herzlichen Glückwunsch! Sie erfüllen damit eine der wichtigsten Voraussetzungen, um mit Ihren Mitmenschen grundsätzlich gut zurechtzukommen. Sie haben außerdem das Potenzial, sich persönlich weiterzuentwickeln.
Sie sind überrascht? Vermutlich haben Sie das Buch in der Hand, weil Sie im Umgang mit Scham oder Schuld immer wieder an Ihre Grenzen stoßen. Vielleicht kommen Sie gar nicht gut zurecht, schon gar nicht mit anderen Menschen. Vielleicht setzen Ihnen auch die ewigen Verantwortungsverweigerer und scheinbar schuld- und schambefreiten Menschen im Alltag mächtig zu.
Formulieren Sie hier ganz spontan und in Stichworten Ihre Themen in Bezug auf Scham und Schuld:
Meine Themen mit Scham und Schuld sind:
Wann melden sich die Themen in meinem Alltag?
Sie haben vielleicht schon ein paar Worte für Ihre Schwierigkeiten mit Scham und Schuld gefunden. Wenn nicht, möchten wir Sie bitten, es noch mal mit folgender Anregung zu probieren:
Versprechen Sie sich selbst, mindestens fünf Minuten an den Übungen zu arbeiten. Sie können sich dafür einen Aspekt aussuchen oder nur die Fragen beantworten, die Sie ansprechen. Allerdings ist es wichtig, sich keine Ablenkungen oder Gedanken an Lustlosigkeit zu erlauben. Nach fünf Minuten ziehen Sie Bilanz. Macht die Übung Spaß, bringt sie neue Erkenntnisse, dann bleiben Sie dran. Will sie nicht richtig gelingen, vertagen Sie die Übung. Vielleicht brauchen Sie noch etwas Zeit oder mehr Wissen.
Wir haben mit diesem Vorschlag von MÜLLER-BRAUNSCHWEIG und STILLER (2010) in Therapien gute Erfahrungen gemacht. Deshalb haben wir viele kleine Aufgaben und Übungen, die Ihnen helfen können, sich mit den eigenen Scham- und Schuldthemen auseinanderzusetzen, mit dieser Uhr versehen.
Der »kleine Ballon« vor einigen Abschnitten lädt Sie ein, mal ganz anders und vielleicht überraschend auf Scham und Schuld zu schauen. Niemand zwingt uns, einen Ballon festzuhalten. Wir können ihn einfach loslassen oder weitergeben oder mit einer Nadel und einem Knall platzen lassen. So kann es auch in der Arbeit mit den Emotionen Scham und Schuld gehen. Auch unsere symbolischen Ballons sind für Überraschungen gut.
Doch bevor es an die Arbeit geht, wollen wir für die beiden bislang unliebsamen Zeitgenossen Scham und Schuld ein bisschen Werbung machen, um Ihnen ihre sinnvollen und hilfreichen Seiten zu verdeutlichen. Widmen wir uns zunächst den guten Nachrichten, ehe es an die Arbeit geht. Aus unserer therapeutischen Arbeit wissen wir, wenn das Ziel klarer ist, lassen sich notwendige Veränderungen viel leichter angehen. Deshalb einige wichtige Informationen vorab.
Scham und Schuld treten meist im Kontakt mit anderen Menschen auf. Daher werden sie auch als soziale Emotionen bezeichnet.
Natürlich kann ich mich auch alleine vor mir selbst schämen und mich mit Schuldgedanken beschäftigen. Das Besondere daran ist jedoch, dass ich mir oft ganz unbewusst dabei vorstelle, wie andere über mich denken oder gar reden würden. Ich meine zu wissen, wie andere mich und mein Verhalten bewerten. Wir versuchen, uns im Alltag ganz automatisch so zu verhalten, dass die Emotionen gar nicht erst entstehen können – beziehungsweise nur als von außen nicht wahrnehmbares Hintergrundprogramm ablaufen.
Werte, Normen und Regeln zu kennen, hilft, Scham und Schuld zu vermeiden.
Gesellschaften brauchen verbindliche Normen und die damit verbundene Ablehnung sozialer Verhaltensweisen, derer man sich zu schämen hat, wie etwa Egoismus, Dominanz, autodestruktive Aggressionen oder Freiheitsbeschränkung einzelner Gruppenmitglieder. Normen sichern den sozialen Frieden, den eine Gesellschaft für ihre Fortexistenz benötigt. Mitglieder einer Gemeinschaft erlernen diese Werte, Normen und Regeln bereits in der Kindheit.
Der soziale Charakter von Scham und Schuld führt dazu, dass wir diese Emotionen häufig erleben, denn wir sind soziale Wesen. Manchmal reicht die Erinnerung an bestimmte Situationen, um die Emotionen wieder spürbar zu machen. Ähnlich wie bei Stolz oder Mitleid oder Neid. Diesen komplexen Emotionen gemeinsam ist ein verwobenes Netz von Gedanken, welches Wissen über sich und die Welt, deren Regeln und Normen, Erinnerungen und frühere Erfahrungen, Bewertungen, Körperempfindungen, Handlungsimpulse und vieles mehr enthält.
Die soziale Funktion der Scham wird auch beim sogenannten »Fremdschämen« deutlich. Jeder von uns hat sich schon im Alltag oder in einer dieser bloßstellenden Talkshows für jemanden stellvertretend geschämt. Dazu benötigen wir eine große Portion Einfühlungsvermögen, auch Empathie genannt (siehe das Kapitel »Ohne Empathie geht nichts«). Es beruht unter anderem auf tief verinnerlichten Werten, Normen und Regeln. Fremdschämen oder uns stellvertretend schuldig fühlen können wir, weil wir denken, dass für die Person, die wir beobachten, dieselben Regeln, Werte und Normen gelten wie für uns und sie genauso fühlt wie wir. Werden Schuld und Scham im sozialen Zusammenhang mit Empathie und Mitgefühl verstanden, so verlieren sie ihren Schrecken.
Wie jede andere Emotion stellen Scham und Schuld sozusagen situationsbezogene »Antworten« des Organismus auf bestimmte Reize, Erfahrungen oder auch Gedanken dar. Unser Körper kann uns keinen Brief schreiben, er hat nur bestimmte Möglichkeiten, uns Signale zu senden. Emotionen sind Signale (vgl. das Kapitel »Der Körper sendet Signale«).
Die Emotion Freude signalisiert uns zum Beispiel, dass uns ein nettes Gespräch mit dem Nachbarn gutgetan hat. Ärger zeigt uns, dass wir es nicht okay finden, wenn uns jemand den Parkplatz vor der Nase wegschnappt. Die Traurigkeit, die uns überkommt, wenn wir verlassen worden sind, verdeutlicht, wie wichtig der andere Mensch für uns war. Schuld zeigt, dass wir wissen und bedauern, dass durch unser Verhalten Schaden beim Gegenüber entstanden ist. Scham ist Ausdruck dafür, dass wir uns anders zeigen, als wir es für uns wünschen oder es von uns erwartet wird.
Die Palette möglicher Emotionen ist groß (vgl. die Emotionsliste im Anhang, S.211). Emotionen treten schnell auf, sind gut spürbar und klingen zeitnah wieder ab, insbesondere wenn wir sie erkennen und etwas dafür tun können. Bei Schuld hat sich im Alltag eine Entschuldigung oder eine kleine Wiedergutmachung als entlastend bewiesen. Scham kann weniger werden, wenn wir uns wohlwollend vornehmen, kleine Entwicklungsschritte zu gehen, an denen wir reifen.
Scham und Schuld, die zeitlich befristet und im Zuge bestimmter Ereignisse oder Erlebnisse entstehen, sind ein Ausdruck von Gesundheit.
Scham und Schuld begleiten uns alltäglich bei allen Kontakten mit anderen Menschen, auch wenn uns das nicht immer bewusst ist. Da diese Emotionen unangenehme Zeitgenossen sind, versuchen wir, uns in der Regel so zu verhalten, dass wir diese Emotionen so selten wie möglich zu spüren bekommen. Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass wir uns Konsequenzen unseres Handelns überlegen, korrekte Kleidung tragen, uns an allgemeine zwischenmenschliche Regeln halten, uns im Restaurant angemessen benehmen und schon im Vorfeld eine kurze Entschuldigung per SMS schicken, wenn wir absehen können, dass wir zu spät kommen.
Wir vermeiden das Entstehen von Scham- und Schuldgefühlen nicht nur bei uns, sondern versuchen auch, darauf zu achten, dass niemand, der uns wichtig ist, sein Gesicht verliert. Der Erhalt der Ehre und Würde spielt in einigen Kulturen und Religionen eine zentrale Rolle, zum Beispiel im Islam. Wir alle kennen das unangenehme Erleben, das sowohl Scham als auch Schuld begleitet. Deshalb versuchen wir, ein Familienmitglied, eine Freundin oder einen Kollegen davor zu schützen, sich schuldig oder beschämt zu fühlen.
Dennoch brauchen wir Scham- und Schuldgefühle. Jede Emotion hat ihren Sinn. Sich schuldig zu fühlen, Schuld wiedergutzumachen, fördert das Gemeinschaftsgefühl. Unserem Gegenüber zu zeigen, dass wir uns schuldig fühlen, ist enorm wichtig. Die Geschädigten erleben Entlastung und fühlen, dass wir den Schaden anerkennen. Erst dann können sie uns vielleicht verzeihen, unsere Entschuldigungen annehmen.
Menschen, die Scham und Schuld erleben und zeigen können, werden von anderen Menschen als besonders sozial wahrgenommen. Man umgibt sich gerne mit ihnen, weil man sich sicher sein kann, dass sie Werte, Normen und Regeln des Miteinanders kennen und versuchen, diese einzuhalten.
Umgekehrt meidet man im Alltag den Kontakt mit Menschen, denen ein Schulderleben zu fehlen scheint, obwohl für Außenstehende deutlich ist, dass sich hier ein Mensch durch Tun oder Unterlassen schuldig gemacht hat.
Ein anderer wichtiger Aspekt kommt ebenso häufig zum Tragen. Sich schuldig für ein Verhalten zu fühlen, kann bisweilen so unangenehm sein, dass Menschen sich lieber gleich freundlich oder doch besser als beim letzten Mal verhalten.
Scham zu zeigen, bedeutet auch, dass wir mit uns selbst noch nicht zufrieden sind und wissen, dass wir uns noch entwickeln können. Das lässt Mitmenschen wohlgesinnt sein und sich mitfühlend verhalten.
Scham zu erleben ist eine Chance, seine Persönlichkeit weiterzuentwickeln.
Dabei werden an verschiedene Alters- und Lebensphasen unterschiedliche Maßstäbe angelegt. So wird einem Teenager manch ein Ausreißer wohlwollend verziehen, weil jeder von uns weiß, dass die Pubertät eine echte Ausnahmezeit ist. In dieser Phase entwickelt sich die Persönlichkeit noch mal deutlich. Dasselbe Verhalten von einem Mitvierziger löst dagegen allgemeines Kopfschütteln aus, weil in dem Alter mehr Umsicht und Wissen erwartet wird. Schämt sich der Mitvierziger aber offensichtlich, sind die Urteile meist viel milder.
Scham und Schuld zu erleben und zu zeigen, verhindert, aus der Gemeinschaft verstoßen zu werden. Das ist zweifelsohne heute nicht mehr ganz so brisant wie vor vielen, vielen Jahrtausenden, als es den Tod bedeutete, wenn Menschen aus der Sippe verstoßen wurden. Damals war es kaum möglich, alleine in der Wildnis zu überleben. Heute fühlen sich Menschen äquivalent dazu sehr einsam. Deshalb sind Scham, Schuld und Einsamkeit eine häufige und ungeliebte Kombination von Emotionen.
Wie bei jeder anderen Emotion kommt es auf die Häufigkeit und Intensität an. Sich ständig für alles schuldig zu fühlen, ist weder gesund noch hilfreich. Quälende Schuldgedanken, aus denen es kein Entrinnen gibt, ewiges Grübeln über die eigene Unzulänglichkeit ist genauso wenig sinnvoll. Manchmal stehen Scham- und Schuldgefühle so im Vordergrund, dass andere Emotionen wie Freude, Glück, Trauer oder Ärger nicht mehr zu spüren sind.
Weniger leicht als das Übermaß an Scham- und Schuldgefühlen, aber genauso häufig ist das Gegenteil zu erkennen. Es gibt Menschen, die behaupten, an nichts schuld zu sein, für nichts Verantwortung zu tragen. Sie können für nichts etwas und suchen die Verantwortung für ein Fehlverhalten oder entstandenen Schaden stets bei anderen Menschen oder im Schicksal. Diese Menschen strapazieren mit dieser Haltung auf Dauer das Gemeinschaftsgefüge sehr deutlich. Niemand kann scham- und schuldfrei durchs Leben gehen. Das ist eine Illusion. Schuld und Scham begleiten uns dennoch unser Leben lang. Erst recht, wenn wir versuchen, beide Emotionen immer zu vermeiden.
Ein vereinfachtes Bild soll helfen, das besser zu verstehen.
Stellen Sie sich Scham oder Schuld als Wasserball vor. Das Leben findet im Wasser statt und Sie müssen versuchen, den Wasserball immer unter Wasser zu halten. Das kostet viel Energie und zwingt Sie, immer aufzupassen, dass der Ball nicht an die Wasseroberfläche kommt. Es wäre viel einfacher, den Ball an die Oberfläche zu holen, damit zu spielen. Jeder kann den Ball sehen, weiß, wie es ist, solche Emotionen zu haben, weil wirklich jeder sie kennt. Jeder weiß, dass mit Scham und Schuld zu leben nicht immer ganz einfach ist. Doch nur wenn Scham und Schuld zu sehen sind, können uns andere durch kleine Gesten oder Worte von empfundener Schuld oder Scham befreien, uns also zeitweise den Ball abnehmen. Wenn Sie mit dem Ball spielen, sind Sie freier, als wenn Sie versuchen, immer die Kontrolle über den Ball zu behalten.
Da Sie nun wissen, dass Schuld- und Schamgefühle nicht nur für das Miteinander wichtig sind, sondern auch für die persönliche Weiterentwicklung: Wollen Sie Ihren Ball an die Wasseroberfläche holen?
Lassen Sie uns noch mal zu der ersten Übung zurückkehren:
Versuchen Sie, Ihre Notizen zu den Themen Scham und Schuld (S.13) zu ergänzen. Sind neue Ideen oder Gedanken dazugekommen?
Doch bevor Sie Ihre persönlichen Themen unter die Lupe nehmen, lassen Sie uns noch schauen, was Psychologie, Theologie und Soziologie über die Emotionen Scham und Schuld wissen – dann fällt die Einordnung der eigenen Probleme leichter.
Obwohl Scham und Schuld ziemlich viel gemeinsam haben, sind es doch zwei verschiedene Emotionen. Scham und Schuld zu unterscheiden, ist jedoch gar nicht so einfach, auch weil die Emotionen mit zunehmendem Alter immer komplexer werden und häufiger zusammen auftreten (vgl. das Kapitel »Scham- und Schulderleben«). Aufgrund der vielen verschiedenen Erscheinungsformen sprechen wir daher auch lieber von Scham- und Schulderleben.
Oft verwenden wir als Erwachsene die Formulierung »Ich schäme mich«, wenn es eigentlich um Schuld geht, oder »Ich fühle mich schuldig, wieso habe ich das bloß getan?«, wenn es um Scham geht. Wenn Sie ganz genau hinsehen und über zwei, drei Ecken denken, erkennen Sie bereits in der Sprache einen wichtigen Unterschied.
»Ich schäme mich« bezieht sich auf uns als gesamte Person. Ich als Person bin so nicht okay oder nicht gut genug.
Schuld bezieht sich hingegen auf unser Verhalten oder eben nicht gezeigtes Verhalten.
Dieser wichtige Unterschied wird seit den Siebzigerjahren in der Fachliteratur gemacht (LEWIS 1971) und ist nicht so kompliziert, wie es zunächst erscheinen mag. Schuld erlebe ich immer dann, wenn ich nicht korrekt gehandelt oder etwas unterlassen habe, das ich hätte tun sollen. Es geht um ein konkretes Verhalten, das infrage gestellt wird, nicht um meine Person als Ganzes. Mit Handlungen und Verhalten sind auch Äußerungen gemeint.
Zwei kleine Beispiele aus dem Alltag sollen Schulderleben verdeutlichen.
BEISPIEL Frau A. ist mit einer Freundin verabredet. Sie kommt zu spät und lässt ihre Freundin warten. Ihre Freundin ist verärgert. Frau A. kommt zum vereinbarten Treffen und entschuldigt sich. An diesem Tag sei alles »schiefgegangen«: Sie hätte den Bus verpasst und das Handy vergessen. Es täte ihr leid, dass ihre Freundin auf sie warten musste. Für die Freundin von Frau A. ist diese Entschuldigung ganz wichtig, denn so kann sie erkennen, dass Frau A. sehr wohl bewusst ist, dass ein »Schaden«, nämlich Zeitverlust und Ärger durch ihr Zuspätkommen entstanden ist. Die Entschuldigung signalisiert ihr, dass es Frau A. zum einen leidtut, dass sie so spät ist, und zum anderen, dass sie sehr wohl weiß, dass ihrer Freundin Pünktlichkeit wichtig ist und dass es im Falle einer Verspätung üblich ist, sich kurz zu melden. x
BEISPIEL Herr B. wohnt in einem Mehrfamilienhaus neben einer sehr alten Dame. Wann immer sich die Gelegenheit ergab, unterstützte Herr B. seine Nachbarin. So trug er gelegentlich deren Einkauf mit nach oben oder den Müll mit in den Müllraum. Aufgrund akuter Rückenprobleme kann Herr B. seiner Nachbarin seit ein paar Tagen den Einkauf nicht abnehmen. Obwohl Herr B. wirklich gute Gründe hat, warum er nicht wie gewohnt bei seiner Nachbarin klingelt, um ihr seine Hilfe anzubieten, fühlt er sich schuldig. x
Das letzte Beispiel zeigt, wie fließend die Grenzen zwischen Schuld- und Schamerleben sind.
Herr B. hat ein Selbstbild von sich – nämlich hilfsbereit zu sein –, dem er im Moment nicht entsprechen kann. Das kann auch Scham auslösen. Ganz schlimm wäre es allerdings, wenn Herrn B. durch diese kleine Begebenheit gleich seine gesamte Person infrage gestellt sehen würde.
Mit ein bisschen Abstand lässt sich gut erkennen, dass diese Reaktion zu heftig wäre. Aber den Abstand haben Menschen meist nicht, wenn es um das eigene emotionale Erleben geht. Bei Schuld gelingt es uns leichter, nur die Situation zu sehen. Wir können abwägen, die Perspektiven wechseln, uns auch mal bei uns selbst entschuldigen. Wenn wir fürchten, einem anderen Schaden zugefügt zu haben, versuchen wir, unsere ursprünglichen Absichten zu verdeutlichen. Scham entsteht dagegen, wenn wir uns immer wieder infrage stellen oder unserem erwünschten Selbstbild nicht genügen. »Wir« erscheinen uns selbst in dem Moment als inakzeptabel und kommen gar nicht auf die Idee, nach Entschuldigungen oder guten Absichten zu suchen. Scham geht mit weniger und nicht so differenzierten Gedanken einher und diese kreisen fast ausschließlich um Defizite der eigenen Person.
Wenn Scham sehr intensiv und quälend ist, beschämen wir uns oft selbst durch eigene abwertende Gedanken. Wir neigen in den Momenten dazu, besonders streng und kritisch mit uns zu sein. Leider verschwenden wir dabei so viele gedankliche Kapazitäten, dass es uns kaum noch möglich ist, die tatsächlichen Probleme zu erkennen oder gar zu lösen. Durch unsere kritischen Gedanken distanzieren wir uns schlicht von uns selbst. Einsamkeits- und Isolationserleben sind typische Folgen.
Lernen Sie, Scham und Schuld anhand der typischen Gedanken zu unterscheiden. Erinnern Sie sich an eine Situation, in der Sie Scham und / oder Schuld erlebt haben. Identifizieren Sie nun Ihre typischen Gedanken. Sie können daraus ableiten, ob es sich eher um Scham oder Schuld handelt.
Welche Situationen, in denen Scham oder Schuld entstanden sind, fallen Ihnen konkret ein? Beschreiben Sie kurz die Situationen.
Situationsbeschreibung
Typische Gedanken: Beziehen sich diese auf mich als Person oder auf mein Verhalten?
Um welche Emotion handelt es sich wahrscheinlich? Um Scham oder um Schuld?
Im Alltag können wir beobachten, dass unterschiedliche Personen in ähnlichen Situationen entweder mit Scham oder mit Schuld reagieren. Eine Ursache für die unterschiedliche emotionale Reaktion lässt sich oft im Selbstwerterleben der Menschen finden. Wer sich grundsätzlich akzeptiert und einen stabilen Selbstwert hat, entwickelt tendenziell eher Schuldgefühle. Ist das Selbstwerterleben jedoch wackelig und unbeständig, können kleinste Auslöser dazu führen, dass man sich selbst noch stärker infrage stellt und darüber Scham entstehen kann.
Entscheidend ist ferner die Art und Weise, wie man an nicht eingetretene Ereignisse oder Optionen denkt. Charakteristisch für den Umgang mit verpassten Möglichkeiten ist die Frage »Was wäre wenn …«. Zwei Beispiele sollen dieses sogenannte kontrafaktische Denken verdeutlichen.
BEISPIEL Den geplanten Zug zu verpassen, kann im ersten Moment Ärger auslösen. »Wäre ich doch etwas früher aufgestanden, dann hätte ich den Zug noch erwischt!« Steht aber der Freund, der uns vom Zug abholen wollte, im Stau oder hat er eine Autopanne, ist es okay, den Zug verpasst zu haben. Vielleicht kommt sogar ein bisschen Erleichterung auf, nicht an einem fremden Ort lange warten zu müssen. x
BEISPIEL Ein Konfliktgespräch mit einer Kollegin führt dazu, dass diese sich zurückhaltender und weniger kooperativ verhält. Es ist geradezu menschlich, darüber nachzudenken, ob es sinnvoll gewesen wäre, bestimmte Dinge anders zu sagen oder anders zu betonen. Jeder wünscht sich ein gutes Arbeitsklima. Das Nachdenken darüber, was vielleicht am Verhalten der Kollegin nun anders wäre, wenn man selbst beispielsweise weniger auf seinem Standpunkt beharrt hätte oder ihr weniger Vorwürfe gemacht hätte, kann in solch einem Fall zukünftig sogar sinnvoll sein. x
Kontrafaktisches Denken kann Schuld bewusst machen und helfen, sich zu entschuldigen, Reue zu zeigen oder etwas wiedergutzumachen. Manchmal verursacht es aber auch Scham und Schuld an Stellen, an denen man sich, sein Verhalten oder die anderen Optionen zu sehr hinterfragt.
Den Ausgangspunkt für die Frage, »was wäre wenn …« stellt dabei immer der tatsächliche Ausgang dar. Würde sich die Kollegin unauffällig verhalten, gäbe es vielleicht gar keinen Anlass, über einen anderen Verlauf des Gespräches nachzudenken. Es sei denn, man selbst ist mit sich unzufrieden, weil man eigene Bedürfnisse oder Dinge, die einem persönlich wichtig sind, nicht angesprochen hat. Manchmal hat man auch schon andere Überlegungen und Optionen im Kopf und vergleicht dann den realen Ausgang mit diesen potenziellen Möglichkeiten (ROESE 2007).
Manche Menschen denken zu viel darüber nach, »was wäre wenn …«. Sie fühlen sich für fast alles verantwortlich. Dabei entstehen häufig Schuld- und Schamgefühle, die nicht notwendig sind.
Natürlich hilft es, ab und zu über Ereignisse und andere Optionen nachzudenken, sich gegebenenfalls zu entschuldigen, vielleicht auch neue Erkenntnisse zu erlangen oder sich weiterzuentwickeln (ROESE 2007). Aber nicht immer ist Denken hilfreich, es verursacht auch häufig emotionale Probleme.
Entdecken Sie kontrafaktisches Denken bei sich: Wann haben Sie das letzte Mal über sich und Ihr Verhalten nachgedacht? Beschreiben Sie kurz die Situation.
Auf welche Art und Weise haben Sie das getan? Grüblerisch, wohlwollend, unzufrieden, etc.
Haben Sie sich Alternativen für Ihr Verhalten überlegt? Wenn ja, welche?
Hätten Sie gern im Nachhinein anders gehandelt?