0,99 €
Bizarre Mordfälle ereignen sich in einer japanischen Kleinstadt. Die ausgebluteten Opfer haben eines gemeinsam – sie alle tragen dasselbe Symbol auf ihrer Stirn. Die bizarre Fantasy-Kurzgeschichte "Mondpassion" erzählt vom Rachefeldzug des tragischen Samurai-Vampirs Ataru und schlägt dabei eine Brücke zum alten japanischen Volksglauben, in dem die Yokai – mysteriöse Wesen aus der Geisterwelt – durch die Köpfe und die Erzählungen der Menschen spuken.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2017
Eine Fantasy-Kurzgeschichte
von Deva Moon
Copyright © 2016 Deva Moon
Herausgeber: Oliver Rapouch, Wien/Österreich
Cover-Gestaltung: Sunbold Productions
Erstveröffentlichung September 2016
Alle Rechte vorbehalten.
www.devamoon.com
(Japanische Begriffe werden im Glossar im Anschluss an die Geschichte erklärt)
Wenn Rache das Herz vertilgt,
fallen die Blätter
auf blutigen Schnee.
Es war das Ende eines heißen Sommers und die kleine Stadt im Land der aufgehenden Sonne hatte sich bereits zum Schlafen niedergelegt. Das Licht des blutroten Mondes, der rund und satt über den Dächern thronte, verlieh den menschenleeren Straßen eine befremdliche Atmosphäre. All der Schmutz und die Hektik des Tages waren mit einem Mal unter den Teppich der Nacht gekehrt, und die Fassaden der angejahrten Häuser waren in ein warmes, mysteriöses Licht getaucht. Es roch nach frischem Tau und aus der Ferne hörte man die Vögel der Nacht schreien. Dieser Augenblick erweckte jedoch nicht den Anschein, als würde man ihm trauen können. Etwas Bedrohliches lag in der aufgeheizten Sommerluft. Etwas, das dieses beschauliche alte Stadtviertel in einen Platz der Sühne und der Betrübnis verwandeln sollte …
Die junge Frau stöckelte über die holprig gepflasterte Straße, vorbei an den Rollläden, die wie Augenlider zum Schlaf runtergefahren waren und den roten Papierlampions, die aneinandergereiht unter den Dachsimsen schaukelten, wo sie sich bemüht gegen die Dunkelheit wehrten. Die unsicheren Schritte der Frau ließen vermuten, dass sich noch ein paar Drinks eines langen Abends den Weg durch ihr Nervensystem bahnten. Häufig musste sie sich an einer Bank oder einer Hauswand abstützen, nur um nicht umzuknicken. Bei diesen Gelegenheiten zog sie sich dann den engen, schwarzen Rock zurecht, der während des Gehens immer wieder ihre Beine hochkletterte und dabei einen Blick auf ihre schlanken Oberschenkel preisgab.
Dass ihr ein wendiger Schatten anhaftete, der jedoch nicht ihre eigenen Bewegungen spiegelte, entzog sich zunächst ihrer Aufmerksamkeit. Plötzlich strich ein eiskalter Hauch über ihre nackte Schulter und ließ ihren Körper frösteln. Sie drehte sich erschrocken um, konnte aber nichts weiter erkennen, als einen riesigen Nachtfalter, der in der Ferne wie ein eroberungslustiger Verführer um eine Straßenlaterne schwirrte.
„Oh mein Gott, was war das?“, zeigte sie sich verstört. Ihr Herzschlag nahm an Fahrt auf, ihre Fantasie malte düstere Schüttbilder in schwärzestem Schwarz. Sie wollte diesen Ort, der sich so unbehaglich und seltsam anfühlte, so schnell wie möglich verlassen, denn ihr Gefühl sagte ihr, dass sie hier ihr Schicksal herausforderte.
Hastig bog sie um die nächste Ecke, da erfasste sie erneut ein Windhauch, der ihr die langen, dunklen Haare ins Gesicht wehte. Und mit einem Mal spürte sie eine mächtige, unheimliche Präsenz, die aus einer der verlassenen Seitengassen zu kommen schien. Es fühlte sich an, als hätte sie eine verbotene Grenze überschritten, als sollte sie nicht an diesem Ort sein. Dasselbe Gefühl hatte sie vor ein paar Wochen schon einmal wahrgenommen. Ohne es zu wissen, war sie am Schauplatz eines schrecklichen Gewaltverbrechens vorbeigegangen und hatte erst im Nachhinein von der äußerst verstörenden Geschichte erfahren. Ein alter Fischer fand einen völlig ausgebluteten Körper mit offener Halsschlagader. Was die Sache mysteriös machte, war die Tatsache, dass ihm eine große Menge an Blut fehlte. Die Polizei ging von einem rituellen Mord aus, denn dem Opfer wurde das Zeichen des Mondes auf die Stirn gemalt – mit seinem eigenen Blut. Der dienstführende Inspektor gab an, dass es ähnliche Vorfälle bereits in der Vergangenheit gegeben hatte. Auch hier trugen die Opfer stets dasselbe blutige Symbol auf ihrem Gesicht – den Mond. Diese Fälle wurden jedoch nie aufgeklärt. Keine Tatwaffe, kein Verdächtiger – nichts. Dunkelheit schwebte über den Ermittlungen wie eine undurchdringbare Wolkendecke, und der Täter – davon musste man ausgehen – durfte ein pathologischer Fall gewesen sein.