Montségur - Rejo J. Ott - E-Book

Montségur E-Book

Rejo J. Ott

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Beschreibung

Vor Jahrhunderten wurde die Glaubensbewegung der Katharer von der katholischen Kirche auf grausamste Weise ausgelöscht. Ein deutscher Tourist begibt sich nach Südfrankreich, um den Spuren der Katharer zu folgen und muss bald um sein Leben kämpfen.

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Zum Autor:

Rejo J. Ott ist das Synonym, unter dem der Autor seinen ersten Roman veröffentlicht.

Der Autor wurde im Jahr 1949 in Bayern geboren, hat nach seinem Abschluss zum Diplom-Bauingenieur bis zu seinem Rentenbeginn im Bereich Wasserwirtschaft gearbeitet. Intensive Beschäftigung mit der Glaubensbewegung der Katharer haben ihn bewogen über einen Kriminalroman diese fast vergessene Glaubensbewegung wieder neu ins Gedächtnis der Menschen zu rufen.

Für meine Frau,

die Sonne in meinem Leben.

Für meine Kinder,

die Sterne an meinem Himmel.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Prolog

Kapital 1

Kapital 2

Kapital 3

Kapital 4

Kapital 5

Kapital 6

Kapital 7

Kapital 8

Kapital 9

Kapital 10

Kapital 11

Kapital 12

Vorwort

Die Glaubensbewegung, die sich ca. ab dem Jahr 1000 nach Christus bildete und sich in nur wenigen Jahrzehnten bis nach England, Flandern, dem Rheinland, Sachsen, Burgund, in die Schweiz, Frankreich (vor allem Südfrankreich im Languedoc) und Italien ausbreitete, wurde von der katholischen Kirche als Häresie verfolgt. Die Angehörigen dieses Glaubens selbst bezeichneten sich als > gute Christen <, > Freunde Gottes < oder nur als > Christen <. Sie sind der Allgemeinheit heute als Katharer bekannt, wobei dieser Begriff der Feder eines Mönches entstammt und von den Angehörigen dieses Glaubens nie benutzt wurde. Die Bezeichnungen der Menschen, deren Glaube in dieser Zeit vom Katholizismus abwich, sind vielfältig: Patarener, Manichäer, Piphles, Tisserands, Poplicains, Bogomilen oder die der Waldenser, die später in der Provence vernichtet wurden.

Diese Glaubensbewegung war keine Sekte, die ihre Anhänger aus der Welt und dem gesellschaftlichen Leben herausriss. Die Menschen lebten ihre Überzeugung auf dem Weg zum Heil, den ihnen ihre > gute Kirche < an die Hand gab.

Die Geschichte der Katharer ist gleichbedeutend mit der Geschichte ihrer Verfolgung, initiiert vom Heiligen Stuhl in Rom. Fast alle Aufzeichnungen über die Menschen dieses Glaubens stammen aus den Protokollen ihrer Verfolgung, von Verhören, der Schilderung der > Albigenserkreuzzüge < (analog zur Stadt Albi) und der Inquisition. Es ist deswegen anzunehmen, dass die Dokumentation ihrer Verfolger parteiisch und für die Verfolgten negativ gefärbt war. Von dieser Glaubensbewegung sind nur drei Rituale und zwei Traktate aufgefunden worden, die als objektiv angesehen werden können und die in Florenz und Lyon aufbewahrt werden. Sie informieren über ihre Glaubensüberzeugungen und ihre Liturgie ohne detailliert auf die Geschichte oder die Entstehung dieser Glaubensbewegung einzugehen. In den langen Zeiten der Verfolgung mit nur wenigen kurzen Friedenszeiten war für die Gläubigen selbst keine Zeit ihre Lebensweise zu schildern. Ein verbliebenes, für alle heute noch sichtbares Zeichen dieser Glaubensbewegung sind die Ruinen der Festungen Puilaurens, Peyrepertuse, Quéribus und Montségur sowie weiterer im Pyrenäenvorland im Süden Frankreichs.

Die in dieser Zeit herrschenden Päpste, Innozenz III. und Gregor IX., um nur zwei zu nennen, wollten nicht nur die alleinigen Herrscher über den Glauben sein, sie wollten auch als Beherrscher des Glaubens die Macht über die weltlichen Herrscher der westlichen Welt besitzen. Demzufolge waren die Kreuzzüge gegen die Häretiker im Süden Frankreichs auch der Versuch die dortigen weltlichen Herrscher unter die Knute des Papsttums zu zwingen. Die Menschen im Languedoc der damaligen Zeit, Katholiken, Juden, Waldenser und Katharer lebten im Wesentlichen friedlich nebeneinander. Sie waren zusammen aufgewachsen, lebten miteinander, waren miteinander verwandt und betrachteten sich gegenseitig als ehrbare Leute. Sie praktizierten eine Lebensweise, die in unserer heutigen Gesellschaft als Religionsfreiheit festgeschrieben ist. Diese mittlerweile im Grundgesetz enthaltene Glaubensfreiheit bedeutet für die jahrhundertelange Forderung der katholischen Kirche nach alleiniger Religionsoberherrschaft eine empfindliche Niederlage.

Die katharische war ähnlich gegliedert wie die katholische Kirche. Die allgemeinen Gläubigen wurden betreut von den Perfecti oder (weiblichen) Perfectae und, ihnen übergeordnet, von Diakonen, die einem Bischof unterstanden. Jedoch anders als die Pfarrer, Mönche oder Äbte der katholischen Kirche gingen die Perfecti und Perfectae einem Beruf nach und verdienten sich ihren Lebensunterhalt selbst. Sie aßen kein Fleisch und töteten deswegen auch keine Tiere, geschweige denn Menschen. Sie lehnten die Völlerei der katholischen Priester und Mönche ab, insbesondere die Kurtisanen der Bischöfe, Kardinäle und Päpste, denen sie wegen ihres gotteslästerlichen Lebens das Recht absprachen Sakramente zu spenden. Sie leiteten ihre Glaubenslehre aus der Interpretation von Bibelstellen des Neuen Testamentes und des Evangeliums ab, die sie weit strenger und teilweise auch anders interpretierten als die katholische Kirche und die sie viel restriktiver befolgten. Die Zugehörigkeit zu ihrem Glauben war freiwillig.

Der gläubige Adel sah sich als Beschützer der einfachen Gläubigen. Viele Adlige sowie deren Frauen, Schwestern, Töchter und Söhne waren Perfecti oder Perfectae. Der Widerstand der Katharer gegen die Kreuzzüge und die Inquisition beruhte hauptsächlich auf dem Widerstand des Adels, der im Zuge der Vernichtung dieses Glaubens auch seines Besitzes beraubt werden sollte. Der bekannteste Führer der Kreuzzüge war Simon de Montfort, ein bedeutungsloser Grundherr aus dem Tal von Chevreuse, der mit Unterstützung des Papstes die Gelegenheit ergriff, sich als Beute aus den Kreuzzügen erhebliche Ländereien im Languedoc anzueignen. Über zehn Jahre lang überzog er das Languedoc rücksichtslos mit Krieg und sicherte sich die Feudalherrschaft des Landes, auch mittels der Vergabe der verschiedensten Landesteile an seine Vasallen. Nach seinem Tod gingen diese Ländereien jedoch schnell wieder verloren.

Die katholischen Kreuzritter und ihre Soldaten waren in Verbindung mit dem in der katholischen Kirche oft praktizierten Ablasshandel hauptsächlich an Gewinn und Plünderung interessiert. Das Leben der Menschen, auch der Katholiken, war für sie ohne Belang. So metzelten sie alle Bewohner der Stadt Bézier, von Marmande und anderer Dörfer nieder, Männer, Frauen und Kinder. Welcher Religion diese Menschen angehörten, spielte für sie keine Rolle.

Die philosophischen und theologischen Details der Glaubenslehre der Katharer und die Unterschiede zu denen der katholischen Kirche sollen hier nicht näher betrachtet werden, der interessierte Leser findet hierzu verschiedene Fachliteratur. Hervorzuheben ist, dass diese Glaubensbewegung kein Oberhaupt, dem Papst vergleichbar, hatte. Dadurch entstanden einige unterschiedliche Interpretationen ihres Glaubens, die im Wesentlichen regional positioniert waren und sich teilweise überschnitten. Eines war jedoch allen diesen > guten Christen < gemeinsam: sie sahen ihren Glauben als den einzig wahren Glauben an ohne den das Heil nicht erlangt werden konnte. Anders als die katholische Kirche setzten sie zur Verbreitung ihres Glaubens nicht auf Krieg, Mord, Totschlag und Scheiterhaufen, sondern auf Predigten, Überzeugungen und vorgelebten Glauben.

Während der zweihundert Jahre langen Verfolgung schworen immer wieder Gläubige ihrer Religion ab. Teils um schlichtweg am Leben zu bleiben, teils um (bei Adligen) ihre Ländereien behalten zu können, teils um bei nächster Gelegenheit ihre unter Zwang abgelegten Schwüre zu brechen. Mehrere Hundert Menschen, Männer, Frauen und auch Kinder jedoch blieben standhaft und büßten ihre Standhaftigkeit und ihre Glaubensüberzeugung mit dem Tod auf dem Scheiterhaufen oder mit langjährigem Gefängnis. Diese Scheiterhaufen wurden vom Rheinland bis zum Languedoc und auch in Italien entzündet und waren eher die Folgen der Kreuzzüge als der Inquisition.

Die Verfolger zielten mit Beginn der Inquisition vornehmlich darauf ab die Köpfe der katharischen, der > guten Kirche <, zu beseitigen, was dazu führte, dass im 14. Jahrhundert diese Glaubensbewegung zunächst in Okzitanien und schließlich ganz verschwand.

Prolog

Langsam löste sich die Gruppe der Männer aus dem Schatten des kleinen Wäldchens mehrere hundert Meter südlich des Dorfes Villeneuve d`Olmes und ging den ankommenden Reitern entgegen. Der Anführer der vier Reiter glitt aus dem Sattel, ebenso wie einer seiner Sergeanten, der die Zügel dessen Pferdes übernahm. Der Anführer sah ihn kurz an und nickte zum Zeichen des Dankes. Er blickte zu der näher kommenden Gruppe und trat auf den ersten Mann zu. Der Anführer der Reiter, Raymond de Péreille, beugte dreimal das Knie zum Gruß:

> Segnen Sie mich, mein Herr, und bitten Sie Gott für mich, dass er mich zu einem guten Christen macht und zu einem guten Ende führt. <

> Gott sei gebeten, dass er aus Ihnen einen guten Christen macht und zu einem guten Ende führt <, erwiderte Guilhabert de Castres, der katharische Bischof, den rituellen Gruß.

> Ich danke Euch, dass Ihr meiner Bitte gefolgt seid um mich und unsere Brüder Perfecti nach Montségur, Eurer Festung, zu geleiten. Ihr kennt die drei uns begleitenden Ritter, Raymond Sans de Rabat, Isarn de Fanjeaux und Pierre de Mazerolles? Sie haben sich erboten uns bis zum Fuß Eurer Festung zu begleiten und für unseren Schutz zu sorgen. Wir mussten uns für längere Zeit im Wald von Gaja und in den dortigen Höhlen vor der Verfolgung verstecken.<

Nachdem sich alle Männer beider Gruppen begrüßt hatten, bestiegen Raymond de Péreille und sein Sergeant die Pferde, wendeten und ritten langsam nach Süden, gefolgt von der größeren Gruppe der Fußgänger und der sie begleitenden Ritter. Die Reiter hoben sich auf den Pferden, mit ihren Waffen und Rüstungen von den Perfecti ab, die als Handwerker und Händler einfache Kleidung trugen.

Nach einer halben Stunde Marsch verließen Sie das Tal des Touyre und wandten sich nach Osten entlang eines spärlichen Zuflusses zum Bach Lardit. Der staubige Weg führte in stetigen Windungen langsam aufwärts. Nach zwei weiteren Stunden bog die schmale Straße um die Flanke eines Hügels und sie sahen in geringer Entfernung die Festung Montségur auf der Kuppe des hohen, fast senkrecht aufragenden Berges liegen.

Guilhabert de Castres dankte den drei Rittern für ihren Schutz. Sie wendeten ihre Pferde und ritten in die beginnende Dämmerung hinein.

Dieser Tag Anfang Oktober des Jahres 1232 war heiß und trocken gewesen, die Sonne brannte vom wolkenlosen, blauen Himmel. Das dennoch saftige Gras, die grünen Äste und Blätter der Sträucher, Eichen und Buchen bewiesen, dass trotz des heißen Sommers diese Landschaft nördlich der Pyrenäen fruchtbar und regenreich war. Kein Windhauch war zu spüren, der den Wanderern ein wenig Erleichterung verschafft hätte. Die Kastanienbäume hingen voller Früchte, die Pfirsichbäume waren abgeerntet, die Ernte der Äpfel war im Gang. Die Bewohner des Dorfes, das sich unterhalb der Festung entwickelt hatte, hatten ihre Gemüsegärten bereits umgegraben und teilweise schon für den Winter vorbereitet.

Raymond de Péreille führte die Männer den steilen Weg zur Bergspitze hinauf und durch das Burgtor, unter dem Fallgitter hindurch in den Hof der Festung. Er bat den herbei eilenden Verwalter Bernard Marty seinen Gästen die Quartiere zuzuweisen und ihnen den Weg in den Hauptsaal zu zeigen, damit sie sich dort an Speisen und Getränken stärken konnten.

Der Bischof Guilhabert de Castres bat den Hausherrn um eine kurze Unterredung.

> Unsere Kirche hat in den vergangenen zwanzig Jahren sehr leiden müssen. Viele Perfecti und Perfectae und auch Gläubige sind auf den Scheiterhaufen gestorben, wurden ins Gefängnis geworfen oder mussten in der Fremde Zuflucht suchen. Wir haben kein Zentrum mehr für unsere Kirche. Ich bitte Euch, mich und meine Gefährten bei Euch aufzunehmen, damit unsere > gute Kirche < in Zukunft hier ihren Sitz haben kann und wir von hier aus unsere Prediger aussenden und beschützen können. Einige meiner Gefährten werden schon in wenigen Tagen wieder in ihre Gemeinden zurückkehren um dort für unsere Glaubensbrüder tätig zu werden. <

Raymond de Péreille überlegte mehrere Minuten.

> Ich möchte Euch nicht sofort eine Antwort geben. Lasst mich über Euren Wunsch nachdenken. Ich werde Euch alsbald meine Entscheidung mitteilen. Vorerst kann Euch mein Verwalter das Nachtlager zeigen und dann das große Loch in Eurem Bauch beseitigen <, sagte er schmunzelnd.

Raymond de Péreille, der viel auf die Meinung seiner Frau Corba hielt, teilte ihr am späten Abend den Wunsch des Bischofs mit. Nach einigem Nachdenken bestätigte sie ihm seine bereits getroffene Entscheidung.

> Mein Gemahl, wir verehren unsere > gute Kirche < und leben nach den Richtlinien ihres Glaubens. Viele Eurer und meiner Brüder, Schwestern, Anverwandte und Freunde sind Perfecti oder Perfectae. Unser Glaube erwartet, dass wir unsere Brüder und Schwestern in allen Lebenssituationen unterstützen. Ich würde meinen Glauben verraten, wenn ich diese gewünschte Unterstützung nicht gewähren würde. <

> Ich danke Euch für Eure Beurteilung, die der meinigen entspricht <, bestätigte der Burgherr ruhig, > ich werde den Bischof morgen früh von meiner Entscheidung, die auch Eure ist, unterrichten. <

Nach dem morgendlichen Gebet und dem Frühstück bat der Burgherr den Bischof, dessen filius maior, Bernard de Lamothe, und dessen filius minor, Jean Cambiaire, zu sich um ihnen seine Entscheidung mitzuteilen. Alle drei zeigten sich überaus erfreut und erleichtert.

> Ich werde Euch in der Festung einen Raum zuteilen, den Ihr für alle Gespräche, Besuche und kirchlichen Verrichtungen nutzen könnt. Für die weltlichen Belange werdet Ihr die entsprechenden Räume mit den anderen Mitbewohnern teilen. Wir sind hier in der Feste etwas beengt. <

> Ich danke Euch, Raymond de Péreille, ich habe von Euch keine andere Entscheidung erwartet. Ihr seid wahrhaftig ein guter Christ. Ich habe für übermorgen einige Glaubensbrüder hierher gebeten um über eine nach meiner Meinung wichtige Entscheidung zu beraten. Ich bitte auch Euch an dieser Beratung teilzunehmen. <

> Ich werde Eurem Wunsch gern entsprechen. <

Am Morgen des zweiten Tages hatten sich mehrere Männer im Turm des Burgfrieds, im unteren Turmsaal, versammelt. Die Fenster waren geöffnet um den an diesem Tag warmen Herbstwind durch den Raum wehen zu lassen. Der Himmel war leicht bewölkt, die Sonne hatte ihre Kraft noch nicht entfaltet. Um den Burgfried drehten krächzend einige Dohlen ihre Kreise. Aus dem Dorf war, trotz der Entfernung, das Lachen und Schreien spielender Kinder zu hören und die Stimme eines Mannes, der die zu übermütigen Kinder zur Mäßigung aufrief. Nach Süden zu konnte man in der Ferne den Gipfel des Pic de St. Barthélemy erkennen, um den einige Bartgeier auf der Suche nach Aas kreisten und sich vom Aufwind immer höher in den Himmel tragen ließen. Die dicken Wände des Burgfrieds waren aus dem Kalkgestein der umliegenden Berge gehauen und hatten auf der Innenseite eine raue Oberfläche. Der große Tisch war aus mächtigen Eichenbalken gezimmert und passte nicht so richtig zu den stilvoll geschreinerten fast zierlichen Stühlen mit den geschnitzten Armlehnen, deren Sitzflächen mit Leder bezogen waren. Auf dem Tisch standen mehrere Krüge mit Wasser und eine Reihe von Bechern.

Guilhabert de Castres blickte sich um und musterte der Reihe nach Raymond de Péreille, Bernard de Lamothe, Jean Cambiaire, Tento, den Bischof des Agenais, dessen filius maior, Vigouroux de La Bacone, und die drei Diakone Pons Guilhabert, Bernard Bonnafous und Taymond de Montouty. Nach der rituellen Begrüßung bat der Bischof die Anwesenden sich zu setzen.

> Meine Brüder, zuerst möchte ich dem Burgherrn Raymond de Péreille im Namen aller unserer Glaubensbrüder danken, dass er uns seine Festung als Haupt unserer Kirche für die Zukunft zur Verfügung gestellt hat. Wir werden zukünftig hier alle wichtigen Entscheidungen treffen und von hier aus die Perfecti und Perfectae zu ihrer Predigertätigkeit aussenden. <

Er verneigte sich dankbar vor dem Burgherrn, hielt kurz inne und trank einen großen Schluck Wasser.

> Die vergangenen dreiundzwanzig Jahre haben durch die Kriegszüge des Simon de Montfort und durch die Verfolgung unseres Glaubens durch die katholische Kirche viel Leid über unsere Glaubensbrüder gebracht. Die Häupter der katholischen Kirche in Rom wollen in ihrem unersättlichen Machtstreben nicht nur ihren Glauben sondern auch die feudale Oberherrschaft, auch über die Könige von Frankreich und Katalonien, durchsetzen. Sie sind nicht bereit unseren reinen Glauben zu akzeptieren und werden weiterhin nichts unversucht lassen unseren Glauben und alle wahren Christen zu vernichten. Dabei zeigen uns die Vertreter der katholischen Kirche, dass sie sich selbst nicht an ihre eigenen Glaubensregeln halten wollen: es gibt wegen ihrer Völlerei und Unterdrückung der Bevölkerung fast nur fette Pfarrer, Mönche und Äbte. Bischöfe, Kardinäle und sogar die Päpste können ihre Konkubinen nicht mehr zählen. Die feudalen Herren unseres Landes, die uns bisher nicht nur toleriert sondern sogar unterstützt haben, konnten diesen ersten Versuch unseren Glauben zu vernichten, verhindern. Ich befürchte jedoch, dass der französische König in die Angriffe auf unser Land eingreifen wird, weil sie ihm die Möglichkeit verschaffen sein Reich bis an die Pyrenäen auszudehnen und den König von Katalonien bis an den Südrand des Gebirges zurück zu drängen. Simon de Montfort hat nicht nur unsere Glaubensbrüder bekämpft, sondern versucht unser ganzes Land zu besetzen und alle unsere Reichtümer in seinen Besitz und den seiner Helfershelfer zu bringen. Von Glaubensbrüdern aus Paris habe ich erfahren, dass der König mit Unterstützung des Papstes einen Einfall in unser Land beabsichtigt um dieses in sein Reich einzugliedern.

Unsere Glaubensbrüder haben in den vergangenen Jahrzehnten durch den Handel vom Mittelmeer aus das Rhonetal nordwärts und vom Mittelmeer zum Atlantik – wir liefern unseren Wein sogar bis nach England – sowie durch die Arbeit der Handwerker und die Gaben unserer feudalen Herrscher große Reichtümer gesammelt. Dazu ist auch der Salzhandel, ausgehend vom Mittelmeer bis in alle Länder der westlichen Welt zu nennen. Zudem haben unsere Glaubensbrüder bei Empfang des Consolaments vor ihrem Tod jeweils einen Teil ihres Besitzes in Form von Gold, Silber und Schmuck unserer Kirche gespendet. Dies alles ist an den verschiedensten Orten verwahrt. Es wurde schon immer dazu verwandt die Menschen unseres Landes, die in Not geraten sind – auch die Menschen anderen Glaubens – zu unterstützen.

Sollte die katholische Kirche mit ihren raffgierigen Handlangern wieder in unser Land einfallen, werden sie nichts unversucht lassen diese Reichtümer an sich zu reißen. Ich fürchte, dass diese Zeit bald kommen wird.

Aus diesem Grund schlage ich vor unsere Glaubensbrüder, den bekannten Steinmetz Pierre de St.Guilhem und den Schmied und Mechaniker, Roger Laplace, zu beauftragen eine sichere Höhle zu finden, die mit einem Steintor verschlossen werden kann. Der Eingang muss so beschaffen sein, dass Uneingeweihte den Zugang niemals entdecken können. Nur einer geringen Anzahl unserer Glaubensbrüder darf dieser Ort und der Zugang bekannt sein. Wir sollten dort den Großteil unseres Schatzes, Goldmünzen, Silber, Edelsteine, Schmuckstücke, Geld und die wertvollen Schriften unserer Glaubenslehre sicher verwahren um im Notfall darauf zurückgreifen zu können. <

Erregtes, aber auch nachdenkliches Murmeln erfüllte den Raum und wollte nicht enden. Keiner der Anwesenden konnte sich den Ausführungen entziehen, aber auch keiner mochte sich zu dem Vorschlag äußern.

Nach längerer Zeit ergriff Raymond de Péreille das Wort.

> Meine Brüder, was die Gefahr eines kriegerischen Einfalls in unser Land betrifft, stimme ich mit dem Bischof überein. Auch damit, dass wir Vorsorge treffen und wachsam sein müssen. Was die Vorgehensweise zur Sicherung unserer finanziellen Werte betrifft, sollten wir heute noch keine Entscheidung treffen. Jeder von uns soll sich in den kommenden Tagen eine eigene Meinung bilden, wobei auch einzelne Gespräche untereinander hilfreich sein können. Ich schlage vor, dass wir uns in einer Woche hier wieder versammeln. Vielleicht können wir dann Einigkeit erzielen und eine Entscheidung herbeiführen. <

Dieser Vorschlag wurde von allen akzeptiert, weil so manchem die Situation und die zukünftigen Gefahren erst richtig ins Bewusstsein getreten waren.

Die kommenden Tage fanden die Führer der katharischen Kirche mit Fasten und Gebeten sowie mit Gesprächen untereinander. Der Sonnenschein und das milde Wetter dieser Tage trugen dazu bei das Problem in hellerem Licht zu betrachten. Der frisch gekelterte Wein, ein hervorragender Jahrgang, ließ zudem keine Trübsal aufkommen. Die Kirchenführer waren alle Lebens erfahrene Männer mit scharfem Verstand, lebenslustig ohne leichtsinnig zu sein und sie waren sich ihrer Verantwortung für das Wohl ihrer Glaubensbrüder sehr wohl bewusst. Sie mischten sich unter die Bewohner des Dorfes um in Gesprächen über andere Themen einerseits Abstand zur bevorstehenden Entscheidung zu gewinnen, andererseits um aus den Lebensumständen, Freuden und Sorgen dieser Menschen eine Grundlage zur Lösung ihres Problems zu finden.

Nach Ablauf einer Woche trafen sich alle wieder in dem Turmzimmer. Der Regen, der an die Fensterscheiben und auf das Dach trommelte, ließ die umliegenden Hügel und Berge im Dunst verschwimmen. Die tief hängenden Regenwolken, die um die Festung wogten, verstärkten die düstere Stimmung.

> Ich danke Euch für Euer Erscheinen um unsere Entscheidung zu treffen. Um die trübe Stimmung durch das Wetter etwas aufzuhellen, habe ich uns Wein auftischen lassen <, begrüßte der Hausherr die Anwesenden.

Nachdem sie ihre Becher gefüllt hatten, ergriff der Bischof das Wort.

> Meine Brüder, wir haben in der vergangenen Woche viel miteinander gesprochen und aus den Meinungen, die ich bereits gehört habe, will ich meinen bereits vorgestellten Vorschlag etwas ergänzen. Meinen Rat, ein Versteck für das Vermögen unserer Kirche zu suchen, halte ich weiterhin aufrecht. Es sollte aber jeder Gemeinde die Entscheidung vorbehalten bleiben, ob sie ihre Geldreserven in ihrer Obhut behält oder in ein gemeinsames Versteck bringt. <

Er sah sich in der Runde um.

> Wer sich meinem Vorschlag anschließt, möge die Hand heben. Wer damit nicht einverstanden ist oder einen anderen Weg für sinnvoller erachtet, möge dies bitte mitteilen. <

Alle Anwesenden, bis auf Bischof Tento und seinen filius maior, hoben die Hand und bewiesen damit ihre Zustimmung zu dem Vorschlag des Bischofs Guilhabert de Castres.

Bischof Tento, auf den sich nun aller Augen richteten, sah sich ebenfalls in der Runde um.

> Meine Brüder, ich bin der Bischof des Agenais. Mein Bistum ist mehrere Tagesreisen von hier entfernt. Ich sehe ebenfalls die von meinem Bruder vorgeschlagene Notwendigkeit der Vorsorge. Ich kann jedoch nicht über die Glaubensbrüder meines Bistums bestimmen ohne vorher mit ihnen darüber gesprochen zu haben. Ich bitte deshalb mir und meinem filius maior eine Festlegung zu ersparen bis wir das Thema in unserem Bistum abschließend diskutiert haben. Falls unsere Entscheidung in gleicher Weise fallen wird wie die eurige, werden wir uns Euch anschließen. Wir werden Euch bald möglichst über unsere Entscheidung eine Information zukommen lassen. <

> Ich danke Euch, mein Bruder, wir erwarten also Eure Entscheidung. Ich werde nun unsere Brüder Pierre de St. Guilhem und Roger Laplace beauftragen ihre Suche nach einem geeigneten Ort zu beginnen. Weiterhin werde ich alle Perfecti und Perfectae um Entscheidung bitten, ob sie die Geldreserven ihrer Gemeinden ganz oder teilweise in ein gemeinsames Versteck bringen werden. Sobald eine geeignete Höhle gefunden ist und die dafür erforderlichen Arbeiten abgeschlossen sind, werde ich Euch verständigen, auch wann mit der Einlagerung des Schatzes begonnen werden kann. <

Er erhob sich.

> Ich danke Euch, meine Brüder, ich werde umgehend Boten zu allen Gemeinden schicken. <

Monate später erreichte ein Bote Montségur und benachrichtigte Guilhabert de Castres, dass mehrere Männer mit zwei Maultieren, beladen mit Schmuck, Goldstücken und Silber in Holztruhen, nach drei Nächten heimlicher Reise in einer engen bewaldeten Schlucht unweit des Dorfes Pélail angekommen seien. Mit Einbruch der beginnenden Nacht begaben sich vier Männer aus Montségur zu der Gruppe mit den Maultieren. Die abgezäumten Maultiere wurden wieder aufgezäumt und beladen und verschwanden mit den Männern in der Nacht. Diese brachten die Maultiere am nächsten Morgen zu ihren Besitzern zurück.

Immer wieder wurden beladene Maultiere, zwei, drei, oder vier, bei Einbruch der Nacht übergeben und am darauf folgenden Morgen wieder zurück gebracht.

Zwei Jahre später endeten Bischof Tento und sein filius maior Vigouroux de La Bacone auf dem Scheiterhaufen.

Montségur wurde am 16. März 1244 nach verbissenem Kampf den Angreifern des Kreuzzuges übergeben. 224 Perfecti und Perfectae starben auf dem Scheiterhaufen, ohne Tribunal, ohne Prozess, ohne Urteilsspruch.

Vier Überlebende, Amiel Aicard, Peytavi Laurent, Hugues Domergue und Pierre Sabatier, ließen sich in der Nacht vor der Übergabe an einem Seil von der Festungsmauer zu den auf dem Berg Montségur versteckten Karsthöhlen hinab. Dort verbargen sie sich den Tag über um in der folgenden Nacht die Kette der Belagerer, die durch die Siegesfeier und den Wein nachlässig geworden waren, zu überwinden und um in der Nacht unterzutauchen. Ob sie weitere wertvolle Gegenstände bei sich hatten, ist nicht verbürgt. Sie verschwanden ebenso wie die Kenntnis von der Lage des Schatzes.

1

> Ich verstehe dich nicht, Bianca, warum gibst du Pietro keine Chance? Er ist attraktiv, nett und zuvorkommend, hat ein gutes Herz und sein schicker Sportwagen zeigt, dass seine Eltern genug Geld haben um ihm nicht nur sein Studium zu finanzieren. Du bist richtig hübsch, sogar schön, groß und schlank, überaus intelligent und ihr zwei würdet ein wunderschönes Paar abgeben. <

> Ich weiß schon, dass du mich gern mit Pietro verkuppeln würdest. Du bist zwar meine beste Freundin, Claudia, aber über mein Liebesleben bestimme immer noch ich selbst. Ich gebe dir Recht, Pietro sieht wirklich sehr gut aus, aber es knistert nicht, wenn ich ihn ansehe. Warum versuchst du nicht dein Glück bei ihm? Du bist doch auch überaus attraktiv. Und die Ergebnisse deiner Klausuren zeigen, dass auch du ein wenig Gehirn unter deiner schwarzen Haarpracht hast <, neckte Bianca ihre Freundin und trank ihren Kaffee aus.

> Ich hätte nichts dagegen ihn näher kennen zu lernen, aber er ist fasziniert von deinen blonden langen und lockigen Haaren. Ich habe bei ihm keine Chance. <

> Nun, er soll sich ein wenig anstrengen. Ein schickes Auto und ein attraktives Aussehen sind nicht alles. Ich will mehr von einem Mann. Soviel, dass es für ein ganzes Leben reicht. <

Bianca seufzte.

> Du hast ja Recht. Ich will auch kein Spielzeug sein. Hast du übrigens heute Abend schon etwas vor? Wir könnten irgendwo in der Stadt ein Glas Wein trinken und uns unterhalten. Keine Sorge, ohne Pietro. <

Bianca blickte auf ihre Uhr.

> Mein Gott, ich muss noch einkaufen. Papa hat mich darum gebeten. Ich rufe dich wegen des Glases Wein an. Ciao! <

Sie stand hastig auf und griff nach ihrer Tasche mit dem Notebook.

> Bringst du bitte meine leere Kaffeetasse zum Tresen zurück? Vielen Dank. <

Sie drängte sich hastig durch die anderen Studenten und Studentinnen, die die Cafeteria bevölkerten, zum Ausgang durch, sprang die drei Stufen hinunter und lief den Fußweg zwischen zwei Gebäuden hindurch. An der Viale Giovan Battista Morgagni wandte sie sich nach links, am Kreisverkehr vorbei und bog in die Via Giulio Caccini ein, wo sie auf dem Parkplatz eines kleinen Hotels, der Besitzer war ein Jugendfreund ihres Vaters, ihren Peugeot 205 CC geparkt hatte. Sie war stolz auf dieses kleine, weiße Cabriolet, das ihr Vater ihr zu ihrem dreiundzwanzigsten Geburtstag geschenkt hatte. Als sie den Kreisverkehr passiert hatte, in die ruhige Seitenstraße einbog und an einer dicken Platane vorbeiging, die zwischen Gehweg und Straße stand, spürte sie plötzlich eine Bewegung neben sich. Ehe sie den Kopf drehen und reagieren konnte, legte sich eine schwielige Männerhand auf ihren Mund und sie spürte den Druck eines harten Gegenstandes an ihrer Wirbelsäule.

> Keinen Laut! Schreien Sie bitte nicht, drehen Sie sich nicht um und machen sie bitte auch keine falsche Bewegung. Was Sie in Ihrem Rücken spüren, ist ein Pistole mit Schalldämpfer. Ich will Sie nicht verletzen, aber wenn Sie mich dazu zwingen, schieße ich Sie in Ihre Wirbelsäule. Sie werden dann nicht sterben, aber Sie werden ein Leben lang gelähmt sein. Sie können mir glauben, ich weiß, wohin ich schießen muss. <

Bianca verkrampfte sich und biss sich auf die Lippen um nicht zu schreien. Vor Schreck hatte sie ihre Tasche mit dem Notebook fallen lassen. Sie sah sich vorsichtig in den Augenwinkeln um, aber niemand war da, der ihr hätte zu Hilfe kommen können.

> Nehmen Sie Ihre Tasche wieder an sich, vorsichtig und langsam. <

> Was wollen Sie? Ich habe nicht viel Geld dabei, das können Sie haben und auch mein Notebook ….und mein Auto. Aber bitte, bitte, tun Sie mir nichts. <

> Keine Angst, ich will Ihnen nichts tun und Ihr kleines Auto interessiert mich auch nicht. Ich brauche Sie für etwas anderes. <

Sie hob ihre Tasche mit dem Notebook auf und bevor Bianca eine weitere Frage stellen konnte, hielt ein alter, verrosteter Transporter neben ihnen auf der Straße an. Ihr Bewacher riss die Seitentür auf, stieß sie in den Laderaum und auf eine staubige Sitzbank. Er knallte die Tür zu und setzte sich auf den Sitz ihr gegenüber, die Pistole auf sie gerichtet. Der Transporter setzte sich mit lautem Getöse sofort in Bewegung.

> Nehmen Sie Ihr Handy aus Ihrer Tasche und schalten Sie es aus. <

Bianca suchte krampfhaft in ihrer Handtasche, bis sie es in dem Durcheinander gefunden hatte. Sie schaltete es aus. Der Mann nahm es und kontrollierte ob sie es tatsächlich ausgeschaltet hatte. Dabei fiel ihr auf, dass der Mann dünne schwarze Handschuhe trug.

> Haben Sie noch ein Mobiltelefon? Nein? Leeren Sie den Inhalt Ihrer Handtasche auf den Sitz. Wenn Sie noch ein Handy irgendwo versteckt haben, werde ich Sie in ein Knie schießen. <

> Nein, nein, ich habe keins mehr. Sie können mich durchsuchen. <

Angstvoll öffnete sie den Reißverschluss ihrer Handtasche und kippte den gesamten Inhalt auf die Sitzbank. Sie öffnete auch ihre Tasche mit dem Notebook und ließ den Mann hineinschauen. Er nickte zufrieden.

> Räumen Sie ihre Tasche wieder ein, lassen aber das Telefon ausgeschaltet auf dem Sitz liegen. Gut, und nun setzen Sie sich ganz in die Ecke. <

Der Mann holte aus der rechten äußeren Brusttasche seines Overalls ein Mobiltelefon, und, während er die Pistole weiterhin auf sie gerichtet hielt, tippte er nur die Zahl >1< ein und verschickte die SMS.

Langsam gewöhnte sich Bianca an das Halbdunkel in dem Transporter. Durch die zwei kleinen schmutzigen Scheiben in den Hintertüren drang nur wenig Licht in das Auto. Sie musterte vorsichtig ihr Gegenüber. Der Mann trug einen relativ sauberen Arbeitsoverall. Seine Gesichtsfarbe wirkte seltsam fahl, wie geschminkt. Seine dunklen Sportschuhe sahen, ebenso wie die grüne Baseballkappe ohne Aufschrift, sauber aus. Unter seinem Sitz sah sie einen größeren Kanister aus Kunststoff. Der Laderaum war durch eine Blechwand vollständig von der Fahrerkabine getrennt.

Irgendwie spürte Bianca keine Angst, konnte ihre Anspannung aber nicht verdrängen. Langsam wurde sie nervös und glaubte ihr Herz so laut schlagen zu hören, dass auch ihr Gegenüber es hören musste. Ihr fiel auf, dass der Transporter nur etwa drei Minuten lang gefahren war bis er anhielt.

Im städtischen Museum Florenz wartete der Museumsdirektor Dr. Angelo Bertolino ungeduldig auf das Ende seiner Arbeitszeit. Seine Tochter Bianca sollte heute Nachmittag einkaufen. Nach einem gemeinsamen, frühen Abendessen wollte er sich mit seiner neuen Bekannten treffen. Es war das erste Mal seit dem Tod seiner Frau vor sechs Jahren, dass er wieder mit einer Frau ausgehen wollte. Er lehnte sich bequem auf seinem Bürostuhl zurück, schloss die Augen um sich das Gesicht seiner neuen Bekanntschaft ins Gedächtnis zu rufen.

Die Tür zu seinem Büro öffnete sich. Ein schlanker, hoch gewachsener Mann mit dunklem Hut betrat sein Büro, legte einen Aktenkoffer auf seinen Schreibtisch, öffnete ihn, holte eine Pistole mit Schalldämpfer heraus und richtete sie auf Dr. Bertolino. Trotz seines Schreckens konnte Dr. Bertolino eine Coltpistole erkennen.

> Wenn gleich ihr Mitarbeiter vom Sicherheitsdienst herein kommt, teilen Sie ihm mit, dass wir beide noch ungefähr eine Stunde zu tun haben werden. Denken Sie bitte nicht daran Alarm zu schlagen. Wir haben ihre Tochter in unserer Gewalt. Wenn Sie Dummheiten machen, müssen wir ihre Tochter so verletzen, dass sie für den Rest ihres Lebens gelähmt sein wird. <

Dr. Bertolino erbleichte und die Angst schoss ihm in alle Glieder.

> Was wollen Sie? Wir haben hier im Museum nichts, was sich problemlos für Jedermann zu Geld machen lässt. <

Der Besucher hob nur die Hand um seinem Gegenüber zu bedeuten zu schweigen. Er legte den leichten Sommermantel, den er über der Schulter getragen hatte, über die Pistole. Aus seinem Jackett holte er ein Mobiltelefon und wählte. Als an einem anderen Telefon das Gespräch angenommen wurde, sagte er nur:

> Bianca. <

Dann hielt er Dr. Bertolino das Mobiltelefon hin.

> Hallo, wer ist da? <

> Papa! <, hörte er.

> Bianca, bist du das? Ist dir etwas geschehen? <

> Nein, Papa, mir ist nichts geschehen. Aber der Mann mir gegenüber hat eine Pistole auf mich gerichtet. <

Das Gespräch brach ab als die Verbindung unterbrochen wurde, der Bewacher hatte Bianca das Handy einfach aus der Hand genommen und die Verbindung unterbrochen. Der Besucher nahm sein Mobiltelefon wieder an sich und beendete seinerseits die Verbindung.

> Dr. Bertolino, ich will ihr Handy sehen. Schalten Sie es aus und legen Sie es auf den Schreibtisch. Wir warten auf Ihren Wachdienst. <

Dr. Bertolino gehorchte. Sie mussten nur wenige Minuten warten bis die Tür geöffnet wurde.

> Guten Abend, Herr Peroni. Heute dauert es bei mir leider etwas länger. Das Gespräch mit meinem Besucher wird noch etwa eine Stunde dauern. Ich schließe beim Hinausgehen selbst ab. Sie können inzwischen Ihren Rundgang fortsetzen. <

Aus Angst um seine Tochter konnte Dr. Bertolino ein Zittern nicht unterdrücken, aber er hoffte, dass der Wachmann keinen Verdacht schöpfte.

> Guten Abend, Herr Peroni, bis morgen. <