Moodcooking - Katharina Burkhardt - E-Book

Moodcooking E-Book

Katharina Burkhardt

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Beschreibung

Verliebte kochen anders als Menschen, die tief enttäuscht oder traurig sind. Das ist die Idee zu diesem Buch. Entstanden ist eine Melange aus Kurzgeschichten und kleineren Texten voller „Lebensrezepte“ - in allen Geschmacksrichtungen von heiter bis bitterböse. Probieren Sie, wie Königsberger Klopse schmecken, die mit Verachtung, Zorn und Spott gewürzt wurden. Oder geben Sie sich der verführerischen Wirkung von Pflaumenkuchen hin. Doch Vorsicht! Nicht alles, was gut riecht, ist auch bekömmlich. Der Psychiater entpuppt sich gelegentlich als blutrünstiger Koch, der anderen das Fell über die Ohren zieht. Und zur Abendeinladung bei einem enttäuschten Liebhaber sollte man sich sein Essen besser selbst mitbringen. Wunderbar geeignet für gemütliche Vorleseabende am Kamin. Oder einfach so für zwischendurch zum Schmökern, Schmunzeln und um das Herz zu nähren.

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Katharina Burkhardt & Elke Rathsfeld

Aus dem Suppentopf der Gefühle

Impressum © 2012 Katharina Burkhardt, Elke Rathsfeld 2. Auflage 2016 Coverillustration: Brigitta Knoll, www.brigitta-knoll.com Covergestaltung: Alexander Kopainski, www.kopainski-artwork.weebly.com

Inhalt

Es ist angerichtet. Guten Appetit!

Die Ideenköchin empfiehlt: 4-Gänge-Inspirationsmenü nach Art des Hauses – Köchin: Katharina Burkhardt

Sächsischer Pflaumenkuchen – Katharina Burkhardt

Äpfelchen mit Keks – Elke Rathsfeld

Klöße und Sauerbraten – Katharina Burkhardt

Blutente: Der Koch-Psychologe rät … – Elke Rathsfeld

Pizza Salami – Katharina Burkhardt

Labskaus – Elke Rathsfeld

Gemüseeintopf – Katharina Burkhardt

Pesto – Natürlich kann man Schmetterlinge nicht essen. – Elke Rathsfeld

Reissalat – Katharina Burkhardt

Himbeerschnitten – Katharina Burkhardt

Brause – Elke Rathsfeld

Hühnereintopf – Katharina Burkhardt

Königsberger Klopse – Katharina Burkhardt

Hummer – Elke Rathsfeld

Überraschungsmenü – Katharina Burkhardt

Grießbrei – Elke Rathsfeld

Kleeblattbrötchen und Champagner – Katharina Burkhardt

Ostpreußische Keilchen – Elke Rathsfeld

Gulasch – Elke Rathsfeld

Lammspieß auf Couscous – Katharina Burkhardt

Über die Autorinnen

Katharina Burkhardt kocht schon seit Kindertagen leidenschaftlich gern kleine und große Buchstabenmenüs. Ihre Spezialität sind Alltagsgerichte, die sie kräftig mit Seelenkitzlern abschmeckt, und leichte Snacks, deren scharfe Gewürze gelegentlich eine verführerische Wirkung haben. Mittlerweile hat sie ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht und zeigt Firmen und Einzelunternehmern, wie sie mit wenigen Zutaten köstliche Wortgerichte zaubern können. Dabei ist sie gleichzeitig Handwerkerin und Künstlerin, schnippelt großes Textgemüse schnell und gekonnt klein, verfeinert üppige Wortschwarten perfekt mit einer Prise Rechtschreibung oder kreiert aus einer Handvoll Buchstaben eine wohlschmeckende Mahlzeit.

Katharina Burkhardt lebt und arbeitet in Hamburg. Mehr über ihre Künste erfahren Sie hier: www.katharina-burkhardt.de

Elke Rathsfeld schaut Führungskräften in die Töpfe und hilft beim Auslöffeln schwieriger Suppen, bei der Konzeption strategischer Menüs und würzt mit pfiffigen Ideen. Sie verabscheut Einheitsbrei und kreiert mit ihren Kunden individuelle Geschmackssachen mit durchaus Salz in der Suppe. Dabei legt sie Gerüchteküchen auf Präsentierteller und erweist ich als Trüffelschwein der Ressourcen und Stärken.

Elke Rathsfeld lebt in Frankfurt und arbeitet bundesweit als Management-Trainerin und Coach. Mehr über ihre Künste erfahren Sie hier: www.rathsfeld.com

Brigitta Knoll schwingt in ihrem Wiener Atelier die Pinsel in die Farbtöpfe und bringt die Gerichte auf den Punkt. Die großen und die kleinen Gefühle verarbeitet sie mit feiner Würze, frischen Farben und zarten Formen, sodass sie niemals schwer im Magen liegen.

Weinflaschen verschönt sie ebenso wie die Räume großer Weindomänen der Wachau, sie betreibt die Zweigstelle einer Glücksmeldestelle, bebildert Glückstrainings und Kinderbücher und verabreicht genüsslich gezeichnete Geheimtipps und königliche Speisen.

Mehr über ihre Künste erfahren Sie hier: www.brigitta-knoll.com

Liebe geht durch den Magen, das ist bekannt. Aber wissen Sie auch, wie Sehnsucht schmeckt und was man kocht, wenn man richtig wütend ist? Nicht? Dann sollten Sie »Moodcooking« lesen. Tauchen Sie Ihre Neugier tief in den Suppentopf voller Stimmungen und Gefühle ein, die, fein gewürzt mit Humor und frischen Kräutern, nach Liebe, Lust und Einsamkeit duften.

Verliebte kochen anders als Menschen, die tief enttäuscht oder traurig sind. Das ist die Idee zu diesem Buch. Die Autorinnen gehen den Gelüsten in den verschiedensten Gefühlslagen nach. Die beiden Meisterköchinnen bereiten selbst aus den schäbigsten Angeboten vom Wochenmarkt der Gefühle raffinierte Speisen zu. Sie spielen mit Kochrezepten, Worten und, ja, Gefühlen. Entstanden ist eine Melange aus Kurzgeschichten, kulinarischen Häppchen und fantasievollen Gebrauchsanweisungen. Üppige Menüs wechseln sich mit leichten Snacks ab. Manche Geschichte wird zum Rezept, und manches Rezept mutiert zum philosophischen Salat.

Probieren Sie, wie Königsberger Klopse schmecken, die mit Verachtung, Zorn und Spott gewürzt wurden. Oder geben Sie sich der verführerischen Wirkung von Pflaumenkuchen hin. Doch Vorsicht! Nicht alles, was gut riecht, ist auch bekömmlich.

Der Therapeut entpuppt sich als blutrünstiger Koch, der anderen das Fell über die Ohren zieht, und zur Abendeinladung bei einem enttäuschten Liebhaber sollte man sich sein Essen besser selbst mitbringen.

Manchmal steckt das eigene Glück in einer Tiefkühltruhe im Supermarkt fest. Eine Mutter erklärt ihrer Tochter mit Brausepulver das Leben. Und gelegentlich findet sich in Gelatine ein Geheimrezept für die Liebe.

Dieses Buch schmeckt bunt, frech, verführerisch, mal zärtlich, mal melancholisch, boshaft und lustig. Stöbern Sie nach Lust und Laune darin, lassen Sie sich im Fluss Ihrer Emotionen treiben und entdecken Sie dabei Gerichte und Geschichten für jede Lebenslage, gemäß dem Motto: Die nächste Stimmung kocht bestimmt.

Köchin: Katharina Burkhardt

knackiger Silbensalat an pfeffrigem Ideendressing

***

feine Buchstabensuppe

aus hausgemachten Vokalen und Konsonanten

***

zartes Filet vom jungen Text,

eingelegt in einer kreativen Marinade

aus Wünschen, Ideen und Möglichkeiten,

auf den Punkt genau gegrillt

Dazu reichen wir originelle Wortschöpfungen

mit geraspelten Ausrufezeichen

und unkonventionelle Lösungsvorschläge,

kross gebacken in glühender Leidenschaft.

***

luftig-leichtes Gedankensoufflé

aus hauchfeinen Zukunftsvisionen und frischen Fantasien,

garniert mit einem fruchtig-roten i-Tüpfelchen

aus eigenem Anbau

***

Getränkeempfehlung:

ein wohltemperierter Esprit, Jahrgang 1967

humorvoll, zart, elegant im Abgang

***

Spezialität des Hauses:

ein erfrischender Hessengeist von 1964

temperamentvoll, herzerwärmend,

mit südländischer Note

Katharina Burkhardt

Die Hitze lag an diesem Samstag im August 1963 drückend auf dem kleinen sächsischen Ort. Der Marktplatz war menschenleer, als Richard Krempin ihn überquerte, und auch er wäre lieber in der Kirche geblieben, hinter deren dicken Mauern es angenehm kühl war. Doch er konnte unmöglich den ganzen Nachmittag dem Organisten zuhören, der für den Gottesdienst am nächsten Morgen probte; schließlich hatte er noch Termine. Als er in die Poststraße einbog, kam ihm eine junge Frau entgegen, die einen Kinderwagen vor sich herschob.

»Guten Tag, Herr Pfarrer«, grüßte sie freundlich, und als sie sah, dass Richard trotz der hochsommerlichen Temperaturen einen dunklen Anzug trug, fügte sie mitfühlend hinzu: »Ach, müssen Sie denn an so einem heißen Samstag unbedingt noch arbeiten? Ein bisschen Ruhe täte Ihnen doch auch gut, oder?«

Richard lächelte höflich und erwiderte den Gruß. Annemarie Stegmann kam regelmäßig in seine Bibelstunden.

»Nun ja«, fügte er hinzu, »wir Pfarrer sind ja sozusagen immer im Dienst. Und heute wartet eine schöne Aufgabe auf mich. Die alte Frau Hempel wird neunzig, da möchte ich ihr gratulieren.«

Er verabschiedete sich freundlich von Frau Stegmann und öffnete das schmiedeeiserne Gartentor zur Poststraße Nummer vier.

Mit raschen Schritten ging er durch den Vorgarten bis zur Haustür und wischte sich dabei mit einem Taschentuch den Schweiß von Stirn und Nacken. Das Haus zeugte von einer Zeit, in der man noch großzügig gebaut hatte, mit hohen Decken, Bogenfenstern und Stuckverzierungen. Doch wie überall im Osten fehlte es den Eigentümern auch hier an Geld und Baumaterial. Feine Risse durchzogen den grau gewordenen Putz, und an Fensterrahmen und Haustür blätterte die Farbe ab. Nachdenklich musterte Richard die Tür, während er darauf wartete, dass ihm geöffnet wurde. Es dauerte lange, bis er Schritte vernahm. Endlich stand Gertrud Engelmann vor ihm, die Tochter der Jubilarin.

»Ach, Herr Pfarrer Krempin!«, rief sie erfreut, und statt ihrer Hand streckte sie ihm eine große Kuchenplatte entgegen, auf der sich eine beachtliche Menge quadratisch geschnittener Stücke Pflaumenkuchen befand. »Was für ein Glück, dass ich Sie überhaupt gehört habe, denn wir sitzen alle im Garten. Aber ich musste mal ein bisschen Nachschub für die hungrigen Mäuler holen.«

Richard atmete den köstlichen Duft von frisch gebackenem Hefeteig ein, und ihm wurde bewusst, dass es lange her war, seit er ein bescheidenes Mahl zu sich genommen hatte. Er nahm Gertrud Engelmann die Kuchenplatte ab, und der Geruch des Kuchens umhüllte ihn sanft und verführerisch. Ein wenig benommen folgte Richard Frau Engelmann in den Garten, wo sich zahlreiche Gäste im Schatten eines Apfelbaums um eine Geburtstagstafel versammelt hatten. In der Mitte thronte auf einem schweren Lehnstuhl, den man eigens aus dem Wohnzimmer nach draußen geschafft hatte, Erna Hempel, das Geburtstagskind. Richard überreichte ihr eine Karte mit den üblichen Segenswünschen und ein Gebetsbüchlein. Erna Hempel war trotz ihres hohen Alters noch bei guter Gesundheit, und ihre Augen blitzten lebhaft hinter den Brillengläsern.

»Das ist unser neuer Pfarrer«, erklärte sie ihren Gästen. »Er arbeitet hier, seit Pfarrer Mayer in Ruhestand gegangen ist. Sie sind ja noch recht jung«, fügte sie mit einem Augenzwinkern an den schlanken, hochgewachsenen Richard hinzu, »aber mir scheint, Sie machen Ihre Sache gut.«

»Vielen Dank.« Richard schaute in schmunzelnde Gesichter, die ihn neugierig musterten.

»Und das hier sind meine Enkelkinder«, fuhr Erna Hempel mit unüberhörbarem Stolz in der Stimme fort. »Die Margot und die Ingrid. Die leben beide im Westen, genauso wie der Günther mit seiner Frau Barbara. Nur das Nesthäkchen, die Erika, lebt auch im Osten, in Berlin.«

Die jungen Leute grüßten Richard freundlich. Sie trugen alle leichte Sommerkleidung, und Richard war froh, dass er sein Jackett ebenfalls ausziehen durfte.

»Es ist heute zu heiß für Förmlichkeiten«, sagte Günther und deutete Richard an, die Hemdsärmel auch noch aufzukrempeln.

»Sie möchten doch sicher auch ein Stück Kuchen, nicht wahr?«, fragte Ingrid, und Richard nahm Platz auf einem Klappstuhl, ließ sich Kaffee einschenken und einen Teller mit Pflaumenkuchen und frischer Schlagsahne reichen.

Die geviertelten Pflaumen lagen dicht aneinander und waren leicht in den luftigen Hefeteig eingesunken und zusätzlich in Streuseln eingebettet. Um dem Kuchen noch mehr Süße zu verleihen, hatte Gertrud Engelmann ihn nach dem Backen mit Zucker bestreut. Richard spürte den süßsauren Geschmack der Früchte auf seiner Zunge, noch bevor er den ersten Bissen kostete. Am liebsten hätte er vor Genuss die Augen geschlossen. Dieser Kuchen war der beste Kuchen, den er jemals gegessen hatte, ein Gedicht, die Krone sächsischer Backkunst sozusagen. Dazu gab es echten Bohnenkaffee, den Margot aus Nürnberg mitgebracht hatte, und dessen voller, herber Geschmack perfekt mit dem fruchtigen Kuchen harmonierte.

Richard beantwortete mit vollem Mund Fragen zu seiner Arbeit. Es war seine erste Pfarrstelle nach dem Vikariat. Ihm gefiel der kleine Ort gut und er konnte sich durchaus vorstellen, hier noch einige Jahre zu verbringen.

Die Kinder der Engelmanns waren schon lange aus dem Haus und er begegnete ihnen allen zum ersten Mal.

»Und wo leben Sie?«, fragte er Ingrid, die ihn mit denselben lebhaften Augen wie ihre Großmutter ansah.

»In Hamburg. Ich bin Krankenschwester an einer großen Klinik.«

»Ach, das ist ja interessant.« Richard wäre eigentlich gerne Arzt geworden, aber er engagierte sich nicht in der Partei und hatte daher nur einen Studienplatz für Theologie erhalten.

»Der Schwarzwald ist auch wunderschön.« Jetzt mischte sich Günther mit in das Gespräch ein. »Da kann man herrliche Ausflüge machen.«

»Das kann ich mir denken.« Richard leckte sorgfältig seine Kuchengabel ab. Er litt nicht so sehr unter dem Reiseverbot wie andere DDR-Bürger, aber manchmal wünschte auch er sich, dass das Leben leichter und unkomplizierter wäre.

Ingrid servierte ihm ein zweites Stück Kuchen, und statt sich mit politischen Fragen zu befassen, gab Richard sich wieder ganz dem Genuss dieser wunderbaren Köstlichkeit hin. Das zweite Stück schmeckte fast noch besser, denn nun war der erste Heißhunger gestillt und Richard verlor sich in dem wohligen Gefühl vollkommenen Glücks. Er ließ das fröhliche Geplänkel der Familie über sich hinweg gleiten und widmete sich ganz seinem Kuchen.

Auf einmal brach Hektik aus. Margot musste zum Bahnhof, sie wollte noch heute mit dem Abendzug zurück nach Nürnberg fahren.

»Kinder, jetzt müsst ihr aber machen«, rief Gertrud Engelmann aufgeregt, als Margot immer noch in ein Gespräch mit ihrer jüngsten Schwester Erika vertieft war, von der ihr die Trennung besonders schwer zu fallen schien. Endlich lief Margot ins Haus, um ihr Gepäck zu holen. Die restliche Familie folgte ihr und überhäufte sie mit guten Wünschen und Ratschlägen. Selbst Erna Hempel erhob sich schwerfällig aus ihrem großen Stuhl, um der Enkelin vom Gartentor aus hinterher zu winken.

Nur Richard blieb auf seinem Klappstuhl an der großen, nunmehr leeren Geburtstagstafel sitzen. In all dem Trubel hatte er die Gelegenheit verpasst, sich ebenfalls zu verabschieden, damit die Familie noch ein wenig unter sich sein konnte. Niemand hörte ihm zu, niemand beachtete ihn. Man hatte ihn einfach vergessen.

Richard trank den letzten Schluck Kaffee aus seiner Tasse und verscheuchte ein paar Wespen, die sich auf dem Kuchen niedergelassen hatten. Fünf Stücke lagen noch auf der Platte. Ob es auffallen würde, wenn gleich nur noch vier da lagen? Von der Straße her hallten Stimmen herüber. Der Abschied von Margot schien sich noch etwas hinzuziehen. Rasch nahm Richard sich eins der Kuchenstücke und aß es gleich aus der Hand. Dieser Pflaumenkuchen war wahrhaftig ein göttliches Geschenk.

Da bog Ingrid überraschend um die Hausecke. Hastig schluckte Richard den letzten Bissen hinunter und stand auf.

»Entschuldigen Sie vielmals«, rief Ingrid, »mir fiel eben erst auf, dass wir Sie ganz vergessen haben. Sie Ärmster müssen sich ja völlig verlassen vorkommen.«

»Das macht überhaupt nichts.« Richard fühlte beim Sprechen die letzten Kuchenkrümel auf der Zunge. »Ich wollte mich ohnehin auch verabschieden.«

»Möchten Sie nicht noch ein Stück Kuchen essen, Herr Krempin? Kommen Sie, der muss weg.«

Richard zierte sich nicht lange, sondern setzte sich wieder hin und reichte Ingrid seinen Teller. Die Schlagsahne war mittlerweile in der Wärme zerlaufen und umhüllte die Pflaumen nun wie ein fließender Crememantel. Ingrid setzte sich Richard gegenüber und schenkte Kaffee ein.

»Dieser Kuchen ist ehrlich gesagt eine Wucht«, sagte Richard. »Ihre Mutter ist eine großartige Bäckerin.«

Ingrid lachte und versprühte Energie und Lebendigkeit. Während Richard sich mit der Gabel ein weiteres Stück süßer Verführung in den Mund schob, fing er ihren Blick auf. Ihre Augen hatten die Farbe frischer, junger Pflaumen, und als er nun das weiche Fruchtfleisch in seinem Mund erspürte, war ihm, als würde er Ingrids volle, rote Lippen küssen. Auf einmal schien die Welt stillzustehen. Richard vergaß, dass er im Dienst war, und er vergaß die ganze Geburtstagsgesellschaft. Er schmeckte die Süße auf seiner Zunge und fühlte sie gleichzeitig in seinem Herzen. In seinem Mund mischte sich der Teig mit dem saftigen Obst und der Sahne. Er kostete das zarte Fleisch und die samtige Schale einer Pflaume und die verführerische Süße zerlaufenen Zuckers. Die leichte Säure der Früchte sorgte für eine wunderbare Erfrischung, die auf einmal seinen ganzen Körper zum Prickeln brachte.

Ingrid sprach unablässig zu ihm, aber Richard nahm keines ihrer Worte wahr. Er ertrank in ihren pflaumenblauen Augen und verschmolz mit ihr wie die Butterstreusel in seinem Mund mit der Sahne. Die Hitze des Sommernachmittags schlug über ihm zusammen und nahm ihm den Atem.

»… das letzte Stück teilen«, hörte er Ingrid sagen und fragte verwirrt:

»Was, schon das letzte Stück?«

Die Kuchenplatte war leer bis auf ein letztes, besonders mächtiges Stück, das Ingrid nun in zwei Hälften teilte und eine auf Richards Teller legte und die andere auf ihren eigenen. Sie lächelte Richard unablässig an, während sie gleichzeitig mit ihm die Kuchengabel zum Mund führte.

- Ende der Buchvorschau -

Impressum

Texte © Copyright by Katharina Burkhardt, Elke Rathsfeld Blücherstraße 22 22767 Hamburg [email protected]

Bildmaterialien © Copyright by Katharina Burkhardt, Elke Rathsfeld

Alle Rechte vorbehalten.

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