Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
"Mosaik der Liebe" zelebriert Liebe in allen Formen und Farben: romantisch, platonisch, familiär, die Liebe zum Haustier und die Liebe zum Sternenkind. Mal amüsant, mal traurig, mal ganz klassisch und auch mal toxisch. Die Autor:innen gestalten zusammen ein wahres Mosaik an verschiedenen Geschichten.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 180
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Autor: innenkollektiv Schreibfeder
Mosaik der Liebe
Impressum
© 2024 Autor: innenkollektiv Schreibfeder
Umschlag, Illustration: Noá Lunara
Lektorat, Korrektorat: Laura Pellizzari, Sarah Pfaffeneder
Weitere Mitwirkende: Celine-Michelle Kammer, Christine Kulgart, Elise Marai, Gina Hasse, Isabella Rummel, Jace Moran, Janina Pohl, Laura Pellizzari, Leukia Köcher, Lisa Smolinski, Madelaine Dunschen, Mia Sommer, Mia-Sophie Matzke, Nadine Markovic, Noá Lunara, Sara Schreiner, Sarah Pfaffeneder, Tamara Schillinger
ISBN
Softcover: 978-3-384-15900-7
E-Book: 978-3-384-15901-4
Druck und Distribution im Auftrag des Autor: innenkollektivs Schreibfeder
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist das Autor: innenkollektiv Schreibfeder verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autor: innenkollektivs Schreibfeder, zu erreichen unter: Im Wiblinger Hart 128, 89079 Ulm.
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Herz aus Scherben
Ein Haus voller Liebe
Begegnungen
Eine Frage des Gefühls
Play/Pause
Waiting for a Girl like you
Schlaf gut, Tigerlein
Exophilie
Bergwasserwispern
Eine besondere Freundschaft, die alle Barrieren überwindet
Eine Liebe in allen Leben
Die Liebe ziacht
An meinen kleinen Stern
Medea
Und die Wolken waren rosa
Der Buchtausch
Und Liebe. Immer Liebe.
Fine Line
Über die Autor: innen
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Herz aus Scherben
Fine Line
Cover
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
58
59
60
61
62
63
64
65
66
67
68
69
70
71
72
73
74
75
76
77
78
79
80
81
82
83
84
85
86
87
88
89
90
91
92
93
94
95
96
97
98
99
100
101
102
103
104
105
106
107
108
109
110
111
112
113
114
115
116
117
118
119
120
121
122
123
124
125
126
127
128
129
130
131
132
133
134
135
136
137
138
139
140
141
142
143
144
145
146
147
148
149
150
151
152
153
154
155
156
157
158
159
160
161
162
163
164
165
166
167
168
169
170
171
172
173
174
175
176
177
178
179
180
181
182
183
184
185
186
187
188
189
190
191
192
193
194
195
196
197
198
199
200
201
202
203
204
205
206
207
208
209
210
Herz aus Scherben
Von Leukia Köcher
Weißt Du eigentlich, dass Du mein Herz zusammenhältst?
All die Scherben, die einst ein wunderschönes kleines Herz waren, hältst Du zusammen, weil Du mich liebst. Du hast die Trümmer gesehen, die Tränen und das Blut. Du hast meinen Kampf gesehen, meine Rebellion und mein Brechen. Du hast den Schmerz in meinen Augen gesehen und warst da, als ich mein Herz nicht mehr zusammenhalten konnte. Still hast Du mich gehalten, hast meinen Tränen zugehört und mir geholfen, meine Welt wieder zusammenzubauen.
Mich wieder zusammenzubauen. Mein Herz wieder zusammenzubauen.
Mein Herz aus Scherben.
Stumm und ehrfürchtig hast Du jede Scherbe gesehen und durch Deine warmen Hände aufgetaut. Sie haben die Kälte meiner Erstarrung gelöscht und mein Herz konnte wieder zu schlagen beginnen. Endlich – nach so vielen Jahren.
Toxische Beziehungen hatten zerstört. Haben tiefe Spuren hinterlassen. Geprägt. Sie haben Bilder mit Verzerrungen gemalt und diese als „Realität“ verkauft. Angepriesen als das Muster, das fortan mein Leben bestimmen sollte. Muster, mit dem Gift der Skorpione getränkt, haben mein Herz zerspringen lassen. Immer wieder. Immer wieder kam das Muster in mein Leben. Und mit ihm das Gift.
Doch irgendwann, irgendwann kamst Du in mein Leben. Du hast nicht das Muster oder verzerrte Bilder gesehen.
Du hast mich gesehen. Mich, mein Herz und meine Fähigkeit, trotzdem noch zu lieben.
Und Du hast mir gezeigt, wie das Leben ohne toxische Beziehungen und mit echter Liebe aussehen kann. Geduldig hast Du meinen Reden zugehört, die nur so trieften vor Angst und Gift. Du hast meine Art mit Menschen umzugehen gesehen, die ich gelernt hatte, als mir von außen nichts Gutes gewollt wurde. Eine Art, die das Überleben als Ziel hatte und nicht die Liebe. Du hast gesehen und geliebt.
Du hast ausgehalten und erklärt. Du hast eine Welt erschaffen, die mir zuvor verloren gegangen war. Immer wieder hast Du mich in Deinen Armen gehalten, als ich Dich aus Trotz und Angst wegstoßen wollte. Immer wieder hast Du mir gezeigt, dass es jetzt anders werden würde.
Du hast durchgehalten. So lange, bis ich endlich zur Ruhe kam. Bis mein Kampf zur Ruhe kam. Bis ich Dir endlich glauben konnte. Bis ich die neue Welt, die Du mir gezeigt hast, annehmen konnte.
Du hast mich gesehen und nicht mein Gift. Du hast mein Herz gesehen, mein Herz aus Scherben, das durch unsere Liebe zu einem wunderschönen Mosaik wurde. Meinem Mosaik aus Liebe.
Ein Haus voller Liebe
Von Lisa Smolinski
Wenn die Welt aus den Fugen gerät, will ich da sein. Da sein für ihn. So gut ich es kann. Und er brauchte mich. Kyrian brauchte mich viel mehr als jemals zuvor. Denn seine Welt war aus den Fugen geraten. Selbst im Schlaf wälzte er sich umher, nuschelte etwas vor sich hin.
Ich kuschele mich dann besonders eng an ihn heran. Versuche, ihm Nähe und Wärme zu geben. Spreche ihm gut zu, auch wenn er schläft. Es tut weh, jemanden so leiden zu sehen, dem man so nahesteht. Ich wünschte, dass ich ihm noch mehr helfen könnte.
„Warum streiten sie nur immerzu?“, Kyrians Tränen fallen auf meine Haare.
„Ich weiß es nicht, manchmal leben sich Menschen wohl auseinander.“ Das waren nicht die tröstenden Worte, die Kyrian hören wollte.
„Sie sprechen von Scheidung“, Kyrians Stimme war dünn und sehr schwach. „Was bedeutet das?“, einige Stellen meiner Haare waren schon ziemlich nass. Aber es machte mir nichts aus. Vielleicht half es ihm.
„Das heißt wohl, dass sie in Zukunft getrennte Wege gehen wollen.“ Ich wollte Kyrian nicht belügen. Selbst und gerade jetzt nicht.
Es waren seit mehreren Tagen dieselben Gespräche am Abend. Kyrian traute sich nicht, diese Fragen seinen Eltern zu stellen. Aber das war ohnehin schwer möglich, denn wenn sie nicht gerade stritten, glänzten sie mit Abwesenheit. Es war Zeit, dass sich etwas änderte. Und dass sie ihr Vorhaben nun umsetzten. Denn Kyrian brauchte wieder etwas Ruhe. Wieder etwas Kraft.
„Wenn du nicht immer nur arbeiten würdest, wären wir nicht in der Lage, in der wir sind“, drang es aus der Küche an mein Ohr. Wenn ich es hörte, hörte es Kyrian auch. Aber entweder schlief er schon oder er tat so. Die liebevolle Schlafbegleitung fiel angesichts der ständigen Streitereien immer kürzer aus.
„Ach ja, wenn du nicht immer so mies gelaunt wärst, wäre ich vielleicht auch lieber zu Hause gewesen!“, brüllte es inzwischen ebenfalls aus der Küche.
„Es wird Zeit, dass wir die Trennung auch vollziehen“, sagte Kyrians Mutter laut, aber nicht hysterisch.
„Du hast Recht. Wir haben Glück, dass Kyrian schon schläft. Er sollte das nicht jede Nacht von uns mitbekommen“, Kyrians Vater klang auch viel weniger aufgebracht, aber unheimlich traurig.
„Weil es kein ‚Uns‘ mehr gibt. Nicht mehr geben wird.“ Ich konnte hören, dass Kyrians Mutter nun in Tränen ausgebrochen war.
„Wie konnte es nur so weit kommen?“ Die Stimmen waren nun immer schwerer zu verstehen. Die Wut war einer Trauer gewichen und Kyrian war endlich eingeschlafen. Ich hüpfte von seinem Bett und ging leise in die Küche.
Kyrians Eltern nahmen mich gar nicht wahr. So, wie sie Kyrian weniger wahrnahmen und seinen Schmerz. Sie waren zu sehr mit ihrem eigenen Schmerz beschäftigt.
„Ich weiß es nicht. Ich liebe dich doch“, sagte er leise mit Tränen in den Augen, aber er sah seiner Noch-Ehefrau nicht in die Augen. Er saß auf einer Ecke eines Stuhls und hatte sein Gesicht in den Händen vergraben.
„Ich liebe dich auch.“ Seine Frau ging zu ihm herüber.
„Warum können wir dann nur noch streiten?“, fragte er, während er seine Ellenbogen von seinen Oberschenkeln nahm, um ihr Platz zu machen.
„Wie gerne ich die Antwort darauf wüsste. Es zerbricht mir das Herz, dass wir kaum noch ein friedliches Wort miteinander wechseln können.“ Sie nahm Platz auf seinem Schoß.
Auf einmal fühlte es sich für mich falsch an, hier zu sein. Denn Kyrians Mutter setzte sich breitbeinig auf den Schoß ihres Mannes. Sie sahen sich tief in die Augen. Aber meine Befürchtung, dass gleich das passieren würde, was zwischen erwachsenen Liebenden manchmal passierte, löste sich auf. Sie gab ihm einen Kuss auf die Lippen und drückte ihn fest. Er erwiderte die Umarmung. Sie war innig. Und voller Liebe. Ihm und ihr liefen Tränen aus den Augen. Sie weinten. Arm in Arm.
Es war ein schönes Bild. Nach wochenlangen Streitereien, Worten voller Hass, ohne Respekt und Liebe. Gab es doch noch Hoffnung? Könnte Kyrians Welt wieder in seine Angeln zurückgebracht werden? Von mir? Was sollte ich schon tun? Für seine Eltern war ich unsichtbar.
„Vielleicht sind wir uns zu selbstverständlich geworden?“, sie schaute ihm in die Augen und wischte ihm mit ihrem Handrücken eine Träne von der Wange.
„Wann hat das angefangen?“, er blickte zu ihr auf, und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht hinter ihr Ohr.
„Als du immer öfter bis spät in den Abend auf der Arbeit gewesen bist. Und zu Hause angekommen hast du dich nur für den Fernseher und YouTube interessiert“, flüsterte sie fast und blickte bedrückt zu Boden. „Hast du eine andere?“, sie schaute weiter zu Boden.
Er nahm ihr Kinn in seine Hände und richtete es auf seine Augen aus. „Nein!“, sagte er bestimmt.
Ich glaubte ihm. „Es war einfach viel los. Mir sind die Kinder nicht egal. Wenn ich das nicht erledige, dann tut es keiner“, sagte er, während er ihr weiter in die Augen schaute.
„Wir kommen zu kurz. Ich vermisse dich. Kyrian vermisst dich.“ Sie hielt seinem Blick diesmal stand.
„Wenn ich nach Hause komme, dann bin ich einfach ausgelaugt. Was ich da erfahre, was mir die Kinder erzählen, das lässt mich nicht los. Dann hilft oft nur Ablenkung … Ich vermisse dich auch. Und Kyrian.“
Die Antwort auf das, was er sagte, war ein inniger Kuss, gefolgt von einer noch innigeren Umarmung.
Weiterhin scheinbar unsichtbar, schmiedete ich einen Plan. Alle trauten mir immer zu wenig zu. Bis auf Kyrian. Er behandelte mich voller Respekt. Auf Augenhöhe. Ich schlich ins Büro. Der Laptop war noch eingeschaltet. Es war alles andere als leicht, die Tasten zu treffen. Die Feinmotorik für derlei Angelegenheiten war mir nicht in die Wiege gelegt. Aber ich gab mein Bestes. Voller Leidenschaft haute ich in die Tasten. Als ich Schritte näherkommen hörte, schickte ich den Text ab. Und versteckte mich. Seit Wochen schlief Kyrians Vater im Büro und Kyrians Mutter mit Kyrian im Ehebett.
Aber es kam niemand hinein. Ich huschte durch den Flur ins Schlafzimmer, wo Kyrian gerade von seinem Vater in sein Kinderzimmer und Bett hinübergetragen wurde. In der Dunkelheit sahen sie mich nicht im Flur. Aber ich konnte schon immer gut im Dunkeln sehen.
Und ich sah, wie Kyrian erst einen Kuss auf die Stirn von seiner Mutter und dann von seinem Vater bekam. Zu schade, dass er schon schlief. Aber er schlief ruhig und würde sich diese Nacht nicht hin- und herwerfen. Seine Eltern gingen händchenhaltend ins Bett. Sie sprachen zwar nicht miteinander, aber diese Stille war gehaltvoller und bedeutungschwangerer als jede der lauten, durchgestrittenen Nächte der letzten Wochen.
Ich legte mich wieder zu Kyrian und hoffte, dass mein Eingreifen die Hoffnung von heute weiter am Leben halten würde. Dass es die Hoffnung noch gab. Denn es gab so viel Liebe.
Kyrian war eher wach als ich. Und er kraulte meinen Kopf auf so schöne Art und Weise, dass ich nicht anders konnte, als zu schnurren und zu kneten. Als ich meine Augen öffnete, sahen mich die großen Augen von Kyrian zufrieden an.
„William, ich liege in meinem Bett!“, sprach er grinsend. „Das heißt, dass das Ehebett wohl gebraucht wurde. Mama und Papa haben in einem Bett geschlafen. Das erste Mal seit Wochen!“, jubelte er und richtete sich auf.
„Ich weiß, Kyrian. Ich habe sie gestern gesehen. Vielleicht gibt es ja doch noch Hoffnung.“ Ich war selbst erstaunt, diese Worte aus meiner schnurrenden Kehle zu hören.
„Wie schön!“, frohlockte Kyrian, während er so aus der Decke herausschlüpfte, dass ich weiter auf dem Bett liegen bleiben konnte. Er wusste, dass ich ein Langschläfer war.
Als ich ausgeschlafen hatte, war der halbe Tag schon rum. Und alle waren ihrer Wege gegangen und vermutlich kurz davor, nach Hause zu kommen. Und es wurde auch Zeit. Ich hatte großen Hunger. Wenn ich gute Laune habe, habe ich besonders großen Hunger. Aber ich war auch zunehmend aufgeregt. Wie würde sich meine kleine Unterstützung auswirken? Was würde Kyrians Vater dazu sagen?
Schon hörte ich, wie sich der Schlüssel im Loch drehte. Es war kurz nach 16 Uhr. Ich musste wirklich gut geschlafen haben. Während ich mich streckte und reckte und schon mal auf den Weg zu meiner Futterschüssel machte, kamen sie rein. Alle auf einmal. Sehr ungewöhnlich. Kyrian begrüßte mich gewohnt liebevoll mit eleganten Streichelbewegungen über meinen Rücken. Aber was noch ungewöhnlicher war: Gleich nach Kyrians Streicheleinheiten bedachten mich auch noch Kyrians Eltern mit liebevollen Liebkosungen.
„Du bist ja heute zeitig da“, sagte sie und umarmte ihren Mann überschwänglich.
„Ich wollte dich überraschen“, antwortete er.
„Aber wie? Ich dachte, dass du noch so viel zu tun hast?“ Sie löste sich aus seiner Umarmung und sah mich besorgt an.
„Ich weiß gar nicht, was genau geschehen ist und warum, aber mein Chef hat mich heute in sein Büro gerufen“, fing er an zu berichten. Sie sah noch besorgter aus. Und ich schwor mir, noch etwas Geduld zu zeigen, bevor ich alle auf meinen immer stärker werdenden Hunger lautstark hinweisen würde.
„Er hat mir einen neuen Arbeitsvertrag gegeben. Er meinte, dass ich in letzter Zeit zu viel gearbeitet hätte. Er hätte Angst, mich auf lange Sicht zu verlieren, wenn nicht etwas Druck von meinen Schultern genommen werden könne. Er hat mir für das gleiche Geld acht Stunden weniger Arbeit in der Woche und einen Assistenten angeboten!“, sein Gesicht strahlte. Er hatte ja keine Ahnung, dass ich meine Pfoten im Spiel hatte. Niemand hatte das.
Außer vielleicht Kyrian, der grinsend zu mir hinübersah und, nachdem er seine Eltern drückte, mir Futter in die Schüssel gab, ohne, dass ich erst betteln musste. Kyrian war ein besonderer Junge, der die Liebe der ganzen Welt verdient hätte.
„Das ist ja wundervoll!“, hörte ich Kyrians Mutter aus dem Flur.
„Kyrian, du darfst dann erstmal dein Spiel spielen. Mama und ich müssen etwas im Schlafzimmer besprechen. Wir holen dich dann zum Abendessen!“, hörte ich Kyrians Vater.
Während Kyrian sich einfach darüber freute, dass er satte anderthalb Stunden spielen konnte, wusste ich genau, was dieser Code bedeutete. Mein Plan ging auf. Und meine E-Mail musste überaus überzeugend gewesen sein. Schade, dass ich diesen stummen Zeugen löschen musste, um mich nicht zu verraten. Aber es war schön, dass ich da sein konnte. Da sein konnte für Kyrian.
Die Scheidung war vom Tisch, wenn auch Frau und Herr Paluke einsehen mussten, dass es mehr war als die ehemals ausufernden Arbeitszeiten von Herrn Paluke. Aber anstelle sich weiter anzuschreien und abends zu streiten, suchten sie sich Hilfe. Na ja, ich suchte sie und positionierte sie geschickt in der Wochenwerbung. Kyrians Kuschelzeit mit seinen Eltern war wieder länger. Und Kyrian schlief seelenruhig mit seinen Armen neben seinem Kopf, während ich auf seiner Brust ausruhen konnte. Ich war selten so stolz auf mich, wie zu dieser Zeit. Und ich war so glücklich und so hungrig. Kyrian gab mir besonders leckere Naschereien, streichelte mich noch liebevoller, länger und inniger als je zuvor.
Es war wieder so viel Liebe im Haus. Kyrian war glücklich. Seine Eltern auch. Und ich war es erst recht. Manchmal braucht Liebe ein wenig Hilfestellung. Und manchmal von einer Samtpfote wie mir.
Begegnungen
Von Isabella Rummel
1
Ich ließ mich auf meinen Bürostuhl sinken und notierte mir das Wichtigste aus der Besprechung mit meinem Chef. Die ersten drei Wochen in meinem neuen Job waren bis jetzt sehr gut gelaufen. Mein Chef war so zufrieden, dass er mir mehr Projekte zugewiesen hatte.
Ich sollte mich am besten noch heute mit der anderen Abteilung absprechen, um das Event entsprechend planen zu können.
Es kostete mich Überwindung hinzugehen, da ich mit Simone bisher noch nichts zu tun gehabt hatte. Ich wusste nicht einmal, wie sie aussah. Ein Blick auf die Firmenhomepage zeigte mir zum Glück ein Foto von ihr als Abteilungsleiterin. Ich traute meinem Gesichtsgedächtnis zu, sie im wahren Leben wiederzuerkennen, vorausgesetzt, sie war in ihrem Büro, auf dessen Tür ihr Name stand.
Ich atmete einmal tief durch, bevor ich anklopfte. „Herein!“, tönte mir eine fröhliche Stimme gedämpft entgegen. Ihr Gesicht sah exakt aus wie auf dem Foto. Sie war sehr schlank und für eine Frau relativ groß. Sie kam auf mich zu und schüttelte mir euphorisch die Hand. „Darf ich du sagen?“, fragte sie mich direkt und ich nickte. Ihre Offenheit irritierte mich ein wenig.
Andererseits fiel es mir so leichter, meine eigene Schüchternheit abzulegen. Mein wortkarges Verhalten störte sie anscheinend nicht und sie sprach fröhlich weiter: „Wir gehen ins Besprechungszimmer. Mimi, ich bin spätestens in einer halben Stunde zurück.“ Erst jetzt bemerkte ich die junge Frau hinter dem Monitor. „Ist gut!“, sagte diese beiläufig, während ihr Kopf neben dem Bildschirm auftauchte und unsere Blicke sich trafen. Sie lächelte mich an und ich strahlte zurück. Mir kam ein leises „Hi“ über die Lippen und sie sagte: „Freut mich!“
Simone schnappte mich am Unterarm und drehte mich Richtung Tür: „Na, na, nicht, dass du deine wenigen Worte an Mimi verbrauchst.“ Mit diesem Satz brachte Simone mich in Verlegenheit und ich war froh, dass Mimi nicht sehen konnte, wie ich rot anlief.
Während der Besprechung taute ich schnell auf, über Geschäftliches konnte ich immer sprechen, nur Small Talk fiel mir schwer. Allerdings bekam ich diese Mimi nicht aus dem Kopf. Ich konnte gar nicht sagen, warum. Ich ließ kurz einen schrecklich kitschigen Gedanken zu: „Ihr Lächeln hatte mich verzaubert.“ Ich schüttelte mich vor Widerwillen.
Ich musste unbedingt mehr über sie erfahren. Leider konnte ich schlecht Simone ausfragen, dafür wirkte ihr Verhältnis zu vertraut und ich hatte Angst, dass Mimi von meinem „Gedankenstalking“ erfahren könnte. Was war denn mit mir los?
2
Die Tage vergingen und ich ärgerte mich über meine Unkonzentriertheit. Ich saß wie auf Nadeln und hoffte auf eine weitere Begegnung mit Mimi. Aber nichts … Wie besessen ging ich ohne Grund, aber bei jeder sich mir bietenden Gelegenheit, an Simones Büro vorbei oder holte sie von dort ab.
War Mimi vielleicht nur als externe Fachkraft in die Firma gekommen? Warum hatte ich sie vorher nie gesehen und wohin ist sie nach unserer ersten Begegnung verschwunden?
Nachdem ich gefühlt das komplette Internet und alle Social-Media-Kanäle nach ihr abgesucht hatte, ohne jegliche Spur, versuchte ich sie zu vergessen. Trotzdem hoffte ich jedes Mal, wenn ich mit Simone zu tun hatte, dass sie Mimi erwähnte. Aber das tat sie nicht.
Zwei Wochen später, kurz vor der Projektfinalisierung, bekam ich in der Früh eine Nachricht: „Es tut mir so leid, aber ich liege komplett flach, das volle Programm. Ich schicke dir für die Finalisierung meine Assistentin vorbei. Mimi ist informiert. LG Simone“
Als ich die Buchstaben M-I-M-I las, sprang ich auf. Mein Herz begann zu rasen und meine Hände wurden feucht. Wenige Sekunden später klopfte es an meiner Tür. Ich drückte die Klinke hinunter und durch den sich ergebenden Spalt sah ich bereits ihre braunen Haare. Ihre hellen Augen blickten mich an und ich konnte nicht anders, als zu lächeln. Sie tat es mir gleich und ein wohliges Gefühl erfüllte meine Brust.
War ich total übergeschnappt?
Ich machte einen Schritt zurück und sagte mit erhöhter Stimme: „Guten Morgen! Komm doch rein!“
„Sorry, dass ich dich in der Früh schon belagere, aber Simone meinte, ich solle mich besser gleich mit dir kurzschließen. Sie hasst es, krank zu sein und dann auch noch genau jetzt. Das macht sie nervös.“