Mountain Men 05: Das alte Volk - John F. Cooper - E-Book

Mountain Men 05: Das alte Volk E-Book

John F. Cooper

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Beschreibung

Spätsommer 1821 Auf den Plains tobt eine Schlacht zwischen den Blackfeet und ihren Verbündeten gegen indianische Büffeljäger von jenseits der Berge. Mittendrin: Die Trapper Jedediah Jones und Malcolm McGruder. Sie sind noch immer auf der Suche nach Hannah Billings, der unehelichen Tochter des Pelzhändlers Auguste Chouteau, die in den Rocky Mountains verschwunden ist. Je näher Jed und Mel den Verschollenen kommen, desto mehr dämmert ihnen die Erkenntnis, dass die kleine Expedition neben Bibern noch etwas ganz anderes gefunden hat. Bisonkrieg (Teil 3) Die Printausgabe des Buches umfasst 244 Seiten. Die Exklusive Sammler-Ausgabe als Taschenbuch ist nur auf der Verlagsseite des Blitz-Verlages erhältlich!!!

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Mountain Men

In dieser Reihe bisher erschienen

4501 John F. Cooper Wind River Gold

4502 John F. Cooper Der goldene Fluss

4503 John F. Cooper Stadt der Pelze

4504 John F. Cooper Bisonkrieg

4505 John F. Cooper Das alte Volk

John F. Cooper

Das alte Volk

Dritter Band der Bisonkrieg-Trilogie

Diese Reihe erscheint als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2022 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Alfred WallonTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-769-6Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Was bisher geschah ...

Die Trapper Jedediah Jones und Malcolm McGruder werden von dem Pelzhändler Auguste Chouteau angeheuert, seine uneheliche Tochter Hannah Billings zu finden, die zusammen mit einem Spähtrupp in den Rocky Mountains verschollen ist. Verfolgt von einer Bande weißer Abenteurer, die hinter dem Geheimnis eines unterirdischen Flusses voller Gold her sind, fahren sie mit einem Dampfboot den Missouri aufwärts und reisen später über Land weiter. Jed und Mel werden von André, einem schwarzen Sklaven und Louis Breton, einem ehemaligen Grenadier aus Napoleons Alter Garde begleitet, die beide in den Diensten der Chouteau-Familie stehen.Sie retten einen jungen Sioux aus einer Fallgrube und nennen ihn Steinmagen, weil er Unmengen an Essen verdrücken kann. Abseits des Kochfeuers erweist sich ihr neuer Freund als Aufschneider. Er möchte dem Kriegerbund der Kitfox-Warriors beitreten, scheint jedoch wenig zu Heldentaten aufgelegt zu sein. Sie treffen auf Allan Cabot, ihren zwielichtigen Bekannten von der ­Hudson’s Bay Company, der mit einem Kampftrupp unterwegs ist, um auf amerikanischem Boden Pelze bei den Indianer­stämmen einzutauschen. Aber die Zeichen der Zeit stehen nicht auf Handel, sondern auf Krieg. Mithilfe des heiligen Büffelsteins, einem nicht ganz freiwilligen Geschenk von Jed, hat der Kriegshäuptling Bloody ­Buffalo die Stämme der Blackfeet vereint, um indianische Büffeljäger von der pazifischen Seite des Gebirges zu bekämpfen. Sogar Little Eagle, der Crow, reitet mit seinen Kriegern diesmal aufseiten der Schwarzfüße. Als auf den Plains die Schlacht zwischen den verfeindeten Indianerhorden entbrennt, finden sich Jed und Mel auf der falschen Seite wieder ...

Kapitel 1

Die Great Plains, Spätsommer 1821

Little Eagle steckte in einem Dilemma. Es hatte vor Wochen mit dem Besuch von Bloody Buffalo begonnen und hielt bis zum heutigen Tag an, denn Little Eagle war kein Befürworter des Bündnisses mit den Blackfeet. Er hatte sich gefügt, weil es die Entscheidung der Ältesten war und weil er einsah, dass der Pakt den Crow Vorteile brachte.

Auch den Crow waren die Jäger von jenseits der Berge ein beständiges Ärgernis, doch bislang hatten sie nicht die Mittel besessen, die Bisonräuber zu vertreiben. In manchen Jahren hatten sie ihren Zorn hinuntergeschluckt, in anderen hatten sie gekämpft. Mal hatten sie gewonnen, mal verloren. So war es über Generationen gewesen, und so würde es bis in alle Ewigkeit bleiben, doch dann war Bloody Buffalo gekommen und hatte ihnen einen Ausweg angeboten. So absurd der Gedanke an ein Bündnis mit ihren Erzfeinden anmutete, so verlockend war er auch. Gemeinsam würden sie die fremden Bisonjäger in die Ewigen Jagdgründe schicken, und danach konnten Crow und Blackfeet wieder ihre eigenen Pfade beschreiten. Nicht selten würde es der Kriegspfad sein.

Little Eagle hatte sich noch aus einem anderen Grund gefügt. Nach dem Tod von Hunting Coyote schien die Rivalität unter den Blackfoot-Stämmen überwunden, und Bloody Buffalo konnte viele Krieger in die Schlacht führen. Little Eagle fürchtete Bloody Buffalos Zorn, sollten die Crow nicht an seiner Seite reiten. Es war besser, einen zweifelhaften, aber mächtigen Freund zu haben als einen übermächtigen Feind. Also hatte er zugestimmt, die Krieger von Brave Crow an der Seite der Blackfeet gegen die Bisonräuber der Shoshonen, Flathead, Pend d’Oreilles und aller anderen Banden zu führen, die sich in diesem Sommer über die Berge wagten.

Ihr Kriegszug war bisher erfolgreich verlaufen, aber Little Eagles Zweifel waren nicht verflogen. Es hatten sich keine anderen Crow-Stämme ihrem Bündnis angeschlossen, Bloody Buffalo hatte nicht die versprochenen fünftausend Krieger mobilisieren können, und jetzt standen sie zum ersten Mal Männern gegenüber, die Little Eagle nicht töten wollte. Er betrachtete die weißen Trapper Jones und McGruder als Freunde. Über die Jahre hatte Little Eagle dem älteren Mountain Man ein paar Mal Pferde gestohlen, und Jones hatte sich auf gleiche Weise revanchiert. Aber sie hatten immer Respekt füreinander empfunden.

Im letzten Herbst hatten die Trapper Little Eagles Sohn vor einem durchgehenden Büffel gerettet, und auch wenn sein Sohn inzwischen nicht mehr unter den Lebenden weilte, so war es doch eine Tatsache, dass Grey Otter im Kampf an der Seite des jungen Mountain Man gefallen war. Das machte diesen Malcolm McGruder beinahe zu einem Ersatzsohn für Little Eagle. Er wollte ihn nicht töten müssen.

Doch was konnte er tun? Er hatte den Ältesten sein Wort gegeben. Auch Bloody Buffalo gegenüber stand er in der Pflicht. Ritt er mit seinen Kriegern fort, erwies er sich als Feigling. Stellte er sich auf die Seite der Trapper, würde er für seine Feinde, die Flathead, Shoshonen und Pend d’Oreilles kämpfen müssen. Undenkbar und selbstmörderisch dazu, denn die Blackfeet waren stark. Stärker als ihre Gegner annahmen.

Es kam Little Eagle gerade recht, dass Bloody ­Buffalo heute besondere Pläne mit seiner Crow-Streitmacht hatte. Früh am Morgen hatte er die achtzig Krieger auf einen langen Ritt geschickt. Bloody Buffalo hatte vorher­gesehen, dass ihre Feinde sich vor ihrem Lager aufstellen und das Lager selbst nur durch eine kleine Gruppe absichern würden. Die Crow sollten einen weiten Bogen schlagen, außer Sichtweite ihrer Feinde von den Pferden steigen und durchs hohe Gras zum Lager schleichen. Der Plan war aufgegangen.

Als Little Eagle sich jetzt halb aufrichtete und über die sanft wogenden Halme des Präriegrases spähte, sah er das feindliche Lager direkt vor sich. Alte, Frauen, Kinder und die zur Bewachung abgestellten Krieger starrten in die Richtung, aus der das Gejohle und die Jubelrufe der Hauptstreitmacht zu ihnen herüberdrangen. Nicht einmal die Hunde achteten auf die Crow, sondern liefen unruhig winselnd zwischen den Zelten umher und richteten ihre Ohren immer wieder auf den Kampflärm aus, als könnten sie die Stimmen ihrer Herren aus der Kakofonie herausfiltern.

Die Crow näherten sich dem Lager von der Seite. Es wurde von Shoshonen bewacht. Gut, dachte Little Eagle, diese Kojoten hatten sie gestern schon einmal besiegt.

Die tags zuvor noch weit auseinandergezogene Zeltstadt war zum großen Teil abgebaut worden, viele Tipis lagerten zusammengeschnürt am Rand des Lagers, wo die Packen eine Brustwehr gegen Angreifer bildeten, aber natürlich konnten auch die Angreifer diese Ballen als Deckung nutzen, wenn sie als Erste dort Stellung bezogen.

Was Little Eagle vorhatte.

Ein Shoshone schlenderte außen an der Barrikade entlang. Er rechnete nicht mit einem Überfall und reagierte zu spät, als ein Crow aufsprang und ihm seinen Tomahawk in die Stirn hieb. Der Schädel des Shoshonen klappte auseinander wie ein Kürbis, und Blut und Hirnmasse spritzten im hohen Bogen über die aufgereihten Packen. Eine Flathead-Frau auf der anderen Seite bekam etwas davon auf die Wange. Verwirrt blickte sie sich um, und als sie über die Ballen schauen wollte, wurde sie von zwei Crow hinübergezerrt. Der eine hielt der Frau den Mund zu, der andere stieß ihr ein Messer in den Leib, dreimal, viermal, bis sie nicht mehr zuckte.

Fast alle Crow hatten die Barrikade jetzt erreicht. Neben der Ballenreihe stand ein Tipi, und davor erkannte Little Eagle einen alten Flathead-Krieger mit einer ramponierten Muskete im Schoß. Der Lauf der Waffe war abgesägt worden, und der beschädigte Schaft wurde von straff gespannter Tierhaut zusammengehalten. Der Flathead schien völlig versunken dem Lärm des nahen Schlachtfelds zu lauschen, als könne er den Verlauf des Kampfes anhand der Geräusche bestimmen.

Little Eagle schlich zur Rückseite des Tipis, schlitzte leise die Zelthaut auf und kroch ins Innere. Er näherte sich dem alten Krieger von hinten, legte ihm einen Arm um den Hals und zerrte ihn rücklings ins Zelt, wo er ihm sein Messer über die Kehle zog. Es ging schneller als bei der Frau, aber das Blut des Alten spritzte hoch an die Zeltwände und in Little Eagles Gesicht.

Zwei Crow waren ihm gefolgt. Einer brachte Little Eagles Kentucky-Rifle mit. Little Eagle nickte ihm zu, dann spähte er durch die Zeltöffnung ins Lager seiner Feinde. Die meisten Familien schienen alles für einen raschen Aufbruch vorbereitet zu haben. Ihre Habseligkeiten lagerten auf Travois, Transportgestängen, die von Pferden gezogen wurden. Frische Büffelhäute, obwohl noch nicht vollends bearbeitet, lagen zu Ballen verschnürt bei der anderen Ausrüstung. Nur das frische Bisonfleisch war noch nicht soweit. Die langen Fleischstreifen hingen auf den Trockengestellen, die man vom Schlachtplatz weggeholt und im Lager aufgestellt hatte. Das Fleisch würde noch einige Tage in der warmen Luft benötigen, ehe es zu Pemmikan verarbeitet werden konnte, den haltbaren und nahrhaften Rationen aus Fleisch, Beeren und Fett, die den Stamm über den Winter bringen würden.

Little Eagle sah aber auch etliche Zelte, deren Bewohner keine Vorkehrungen für einen Abmarsch getroffen hatten. Er wusste, dass sie realistisch dachten. Für die Flathead und ihre Verbündeten hieß es, an diesem Ort zu siegen oder zu sterben. Auf dem Weg in die Ewigen Jagdgründe würden sie kein Gepäck mitnehmen können.

Little Eagle zielte mit der Muskete des Alten auf einen kräftigen Shoshonen, der aussah, als könne er den Crow einigen Ärger machen. Dann drückte er ab. Der Feuerstein schlug Funken, das Pulver in der Pfanne entzündete sich zischend, und einen Herzschlag später raste die Kugel aus dem Lauf und fuhr dem Shoshonen in den Rücken. Little Eagle hatte nur grob gezielt, aber das Bleistück traf das Rückgrat des Kriegers, brach es und fällte den Mann wie einen Baum.

Little Eagle warf die erbeutete Muskete weg, griff nach seiner eigenen Waffe und erschoss einen weiteren ­Shoshonen, der sich nach seinem gefallenen Stammes­bruder umsah. Gleichzeitig richteten sich die Crow an der Außenseite der Brustwehr auf und schossen mit Musketen und Bogen ins Lager. Sie töteten viele Feinde. Shoshonen-Krieger fielen unter dem Hagel aus Blei und Stein ebenso wie Flathead-Frauen und alte Pend ­d’Oreilles. Dann sprangen die Crow über die Zeltballen hinweg und griffen mit Tomahawks und Messern an. Es war ein Gemetzel.

Little Eagle sah einen Shoshonen, der gegen ein Holzgestell gelehnt im Gras saß und ihn anstarrte. Es war Drei Federn. Little Eagle kannte den Namen nicht, doch er erkannte den Mann wieder. Es war ein Häuptling. Einer der Crow hatte ihn am gestrigen Tag mit einem Pfeil verwundet, aber der Shoshone lebte noch immer. Er machte eine abfällige Bemerkung über Little Eagles Eltern. Little Eagle erwiderte, es sei eine geringere Schande, eine läufige Wölfin zur Mutter zu haben als die blumenhafteste Shoshonen-Prinzessin. Aber er bewunderte die trotzige Tapferkeit des Shoshonen-Häuptlings, der wusste, dass er sterben würde.

Zwei Krieger stellten sich Little Eagle entgegen, um ihren Häuptling zu verteidigen. Little Eagle erschoss den ersten mit seiner wieder geladenen Kentucky Rifle, wehrte den Tomahawk des zweiten mit dem Lauf ab, und stieß ihm sein Messer in den Bauch. Der Shoshone sank zusammen. Dem Schlitz in seinem Unterleib entwich der Gestank von warmen Därmen wie eine Wolke, die die Welt verpesten will.

Der Shoshonen-Häuptling hielt den Blick unentwegt auf den Crow gerichtet. Seine Augen funkelten hass­erfüllt, und Little Eagle stach sie ihm aus. Er war jetzt im Blutrausch, doch er wusste, dass er sich nicht darin verlieren durfte wie ein Blatt, das von einem Strudel erfasst und in die Tiefe gezogen wird. Sie hatten einen Plan, an den sie sich halten mussten.

Little Eagle befahl den Rückzug. Die Crow beendeten das Töten und lösten sich vom Feind. Letzte Pfeile ­flogen. Ein tollkühner Shoshone rannte hinter Little Eagle her, in dem er den Anführer der Feinde ausgemacht hatte. Einer der Crow warf seine Kriegskeule. Sie traf den Shoshonen seitlich am Kopf und fegte ihn im Lauf von den Füßen, als habe eine Hand aus dem Totenreich nach ihm gegriffen.

Die Crow sprangen über die Brustwehr und eilten davon. Der Krieger, der Little Eagle gerettet hatte, ließ seine Keule zurück. Es war ein herber Verlust, aber wenn sie siegreich blieben, würde er später hundertfachen Ersatz finden.

Die Shoshonen-Krieger sammelten sich und versuchten, eine Verfolgung zu organisieren. Ein junger ­Shoshone überwand das Durcheinander, das der Überraschungsangriff der Crow und der Tod von Drei Federn hinterlassen hatten, als erster. Der junge Mann galt erst seit einem Jahr als vollwertiger Krieger, doch jetzt, im Chaos der Schlacht, bewies er einen kühlen Kopf. Die Crow hatten sich angeschlichen wie Schlangen. Das hieß, dass sie keine Pferde dabeihatten, sonst wären sie nicht unentdeckt geblieben. Folglich mussten sie zu Fuß fliehen, und man würde sie rasch einholen.

Der junge Krieger erteilte mit barscher Stimme einige Befehle. Die anderen Shoshonen stellten seine Autorität nicht infrage. Sie waren froh, dass jemand Anweisungen gab, denen sie folgen konnten.

Sie liefen zu ihren Pferden, doch ehe sie bei den Tieren anlangten, wurden sie ein weiteres Mal von den Crow überrascht. Little Eagle hatte nicht alle seiner Krieger zum Lager geführt. Etwa ein Dutzend von ihnen hatten sich zu der Weide geschlichen, auf der die Ersatztiere der Flathead grasten. Die Crow hatten die Wachen getötet, junge Burschen, die wie Krieger umherstolzierten, aber wie Squaws starben, und dann hatten sie die Pferde davongetrieben. So kamen die sich zurückziehenden Crow zu Reittieren, und als die Shoshonen auf ihren eigenen Ponys herbeieilten, sahen sie ihre Feinde in einer Wolke aus wirbelndem Staub und Grasfetzen entkommen.

„Ihnen nach!“, brüllte der junge Krieger.

Er hatte vor, die Schmach, die ihnen die Crow zugefügt hatten, zu tilgen. Heute würde er zum geachteten Krieger werden oder am Abend tot sein.

*

„Verdammt, was ist da los?“

Mel hörte den Tumult, der aus dem Lager zum Schlachtfeld herüberdrang. Mit Jed an der Seite eilte er einige Schritte hinter die Formation der Flathead. Die Tipis befanden sich gut hundert Meter entfernt, und Mel sah, dass dort ein Handgemenge ausgebrochen war.

„Little Eagle“, erkannte Jed. „Er greift das Lager an.“

Deshalb also hatten sie die Crow den ganzen Morgen über nicht zu Gesicht bekommen. Insgeheim hatte Mel gehofft, dass sich Little Eagle mit seinen Kriegern zurückgezogen hatte, weil er nicht gegen seine alten Freunde kämpfen wollte, aber nun wurde ihm klar, dass er sich geirrt hatte. Little Eagle war keineswegs abgezogen. Er war geblieben und hatte sie mit heruntergelassenen Hosen erwischt.

„Man konnte diesem Scheißer nie trauen“, grollte Jed. „Ein typischer Crow. Edles Getue bis in die Haarspitzen, aber die Gelegenheit für einen Hinterhalt lässt er sich nicht entgehen.“

„Natürlich, Jed, was hast du erwartet? Er reitet mit den Blackfeet.“ Mel verschwieg, dass er selbst etwas anderes erwartet hatte. Fieberhaft überlegte er, was jetzt zu tun war.

Wenn sich die Flathead dem Lager zuwandten, würde ihre Front hier vorne zusammenbrechen, und die Blackfeet würden sie alle niedermetzeln. Sie mussten darauf vertrauen, dass die Shoshonen die Lage allein in den Griff bekamen. Zahlenmäßig waren die Krieger von Drei Federn den Crow ebenbürtig. Darüber hinaus befanden sich noch etliche alte Krieger im Lager und eine Anzahl Jungen, die zwar noch keine Krieger waren, aber bereits kämpfen konnten. Das musste reichen, um den Überraschungsangriff der Crow zurückzuschlagen.

Es schien, als würden Mels Hoffnungen diesmal erfüllt. Der Kampflärm im Lager ebbte ab, das Handgemenge wurde übersichtlicher. Erste Krieger setzten sich aus dem Getümmel ab und liefen davon. Dann wurden es immer mehr.

Die Crow zogen sich zurück!

Von irgendwoher tauchten Pferde auf, die Angreifer schwangen sich auf ihre Rücken und galoppierten davon.

Mel atmete auf.

Einige Herzschläge später sah er, wie die Shoshonen den fliehenden Crow nachsetzten. Sie sprangen auf ihre Pferde und nahmen die Verfolgung auf.

„Nein“, murmelte Mel. „Verdammt noch mal, nein, lasst das Lager nicht ungeschützt.“

Doch er hatte keinen Einfluss auf die Handlungen der Shoshonen, und dann wurde seine Aufmerksamkeit erneut von den Geschehnissen auf dem Schlachtfeld in Anspruch genommen.

Die Blackfeet hatten genug davon, Coups zu landen.

Sie griffen wieder an.

*

Diesmal kamen sie auf ihren Pferden.

Die erste Attacke auf das Kadaverfeld vor zwei Stunden hatten fünfzig Blackfeet zu Fuß ausgeführt, doch eigentlich waren auch diese Krieger beritten. Für den Angriff hatten sie ihre Pferde zurücklassen müssen, und nach dem Rückzug hatten sie sich erleichtert wieder auf ihre Tiere geschwungen. In der Prärie kämpften Indianer fast ausschließlich vom Rücken ihrer zähen Ponys aus. Bei der Büffeljagd hatte Mel gesehen, welchen Grund es dafür gab. Sie waren virtuose Reiter, die eins mit ihren Tieren wurden, als seien die Zentauren aus den griechischen Sagen nicht nur eine Legende.

Bloody Buffalos Streitmacht bestand noch aus knapp vierhundertfünfzig Kriegern, wenn man die Crow nicht mitrechnete. Das waren fast doppelt so viele, wie die Verbündeten noch hatten, und die Hälfte schickte Bloody Buffalo jetzt auf ihren sehnigen Ponys gegen den zusammengeschmolzenen Kriegshaufen der Pend d’Oreilles.

Die Blackfeet kamen als dichte Masse von Männern und Pferden, die wie ein aus unzähligen Armen, Beinen, Köpfen und Hufen zusammengesetztes Zentauren-Ungeheuer aussah, das schnaubte und schrie, Grasbatzen und Staub in die Luft schleuderte und mit Lanzen, Keulen und Tomahawks drohte. Die Pend d’Oreilles kannten die Zentaurensagen nicht, aber sie kannten den Ruf der Blackfeet, und sie waren zu Fuß, getrennt von ihren Pferden, und es musste ihnen so vorkommen, als hätten sie der Wut der Angreifer nichts entgegenzusetzen. Mel fürchtete, dass sie nicht standhalten würden.

„Wolfsarm!“, rief er.

Der Flathead, noch immer berauscht von seinem doppelten Coup gegen den als Vielfraß verkleideten Krieger, tänzelte vor seinen Männern umher und schrie den Blackfeet Beleidigungen entgegen, die diese im Lärm der trampelnden Hufe weder verstanden noch wahrnahmen. Dass sie ihn ignorierten, deutete Wolfsarm höhnisch in Feigheit um, obwohl er wissen musste, dass das nicht stimmte.

„Kommt und kämpft“, rief Wolfsarm in der Sprache seines Volkes. „Ihr habt Angst vor den großen Flathead, deshalb meidet ihr uns wie Kojoten, die den Schwanz zwischen ihren Eiern einklemmen!“ Er machte eine kurze Pause, ehe er weiterbrüllte. „Ihr wisst nicht, wovon ich rede? Das liegt daran, dass die meisten von euch keine Eier haben!“

„Was schreit er da?“, wollte Mel wissen.

„Ist schwer zu übersetzen“, sagte Jed.

„Wolfsarm!“, rief Mel noch einmal. Er ging hin und packte den Flathead bei den Schultern. „Wolfsarm! Schießt auf die Bastarde, los!“

Wolfsarm schien aus einem Rausch zu erwachen, begriff aber sofort, was Mel von ihm wollte.

„Ja“, grinste er. „Ja.“ Und er gab seinen Kriegern den Befehl, einen Pfeilregen auf die im Pulk angreifenden Blackfeet niedergehen zu lassen. Sehnen schnappten, die Federn an den Pfeilschäften erzeugten ein Rauschen wie ein aufgeschreckter Vogelschwarm, der aus der Prärie zum Himmel steigt.

Mel wusste nicht, ob das Geräusch der Pfeile über das Getrampel der Hufe und das Schreien der Angreifer hinweg bis zu den Pend d’Oreilles hinüberdrang, aber im selben Moment besannen sich die Verbündeten der Flathead darauf, weshalb sie hier dichtgedrängt und ohne Pferde standen. Ihre Häuptlinge brüllten Ermunterungen, und die Pend d’Oreilles handelten als Bogenschützenhaufen und schickten den Blackfeet eine Salve entgegen. Diesmal mussten sie nicht hochhalten wie die Flathead, denn die Angreifer kamen genau auf sie zu, eine Menge aus wippenden Federhauben, grell bemalten Schilden und blitzenden Lanzen. Absolut furchteinflößend, aber dann schlugen die Pfeile ein.

Krieger fielen. Ihre Körper zuckten, als sie von Spitzen aus Stein oder Eisen getroffen wurden. Ponys wieherten im Schmerz, brachen aus und stürzten, wobei sie die Pferde neben sich zu Fall brachten, die wiederum ihre Reiter abwarfen. Wer am Boden war, geriet in Gefahr, totgetrampelt zu werden, falls er nicht an einer Pfeilwunde starb.

Einige Blackfeet wehrten die Pfeile mit ihren Schilden ab, andere glitten vom Rücken ihrer Ponys seitwärts auf deren Flanke, wo sie scheinbar mühelos hingen, während sie sich mit einer Hand in der Mähne festkrallten oder sich nur mit einer Hacke am Rücken ihres Reittiers festhielten. Das gab ihnen Deckung vor direkt gezielten Pfeilen. Aber dann stürzten die zuvor von den Flathead im hohen Bogen abgefeuerten Geschosse wie ein schwarzer Schauer auf sie nieder, und diese Pfeile trafen im spitzen Winkel auf, vorbei an den nach vorn gerichteten Schilden. Auch die an der Flanke ihrer Ponys hängenden Krieger wurden getroffen. Weitere Blackfeet fielen.

Die Angreifer hatten offenbar nicht damit gerechnet, dass die Pfeile der Flathead Schaden anrichten konnten, denn Wolfsarms Krieger waren zu weit entfernt von der angreifenden Horde. Die meisten indianischen Bogen schossen keine hundertfünfzig Meter weit. Sie waren aus Hickoryholz gemacht und auf Handlichkeit ausgelegt, sodass ein Krieger sie bequem vom Pferd aus benutzen konnte, aber das ging zulasten der Reichweite.

Gute Bogen waren mit Bisonsehnen verstärkt, was ihnen mehr Kraft verlieh, und mit ihnen konnte man einen Pfeil durch den Körper eines Büffels jagen, während man neben ihm her ritt. Aber Distanzen von mehr als zweihundert Metern vermochten auch diese Bogen nicht zu überwinden. Es sei denn, man benutzte sie wie die Bogenschützen des mittelalterlichen Europa und schoss seine Pfeile hoch in den Himmel. Und so war es Mels Interesse für Geschichte zu verdanken, dass die Flathead mit ihrer Salve die Blackfeet ein weiteres Mal überrumpelten.

Von den zweihundert Kriegern dieser Welle waren jetzt mehr als dreißig tot, doch der Rest hätte noch immer ausgereicht, um das Häuflein der siebzig Pend d’Oreilles in Grund und Boden zu reiten. Aber ein Kampf wird auch von der Moral entschieden, und die Kampfmoral der Blackfeet schien plötzlich gebrochen.

Der Krieger neben Bloody Buffalo schwang das Federbanner und stieß wieder durchdringende Schreie aus. Die Signale riefen die Blackfeet zurück. Die Pend d’Oreilles jubelten, Wolfsarms Flathead fielen ein, und zum ersten Mal glaubte Mel, dass sie diese Schlacht gewinnen ­konnten.

„Die Scheißer verziehen sich“, rief er gutgelaunt.

„Mon Dieu, du hast Recht.“ Breton nahm seine Bärenfellmütze ab und fächelte sich Luft zu.

André wirkte erleichtert. Die Anspannung hatte ihn auf den Beinen gehalten, wenngleich er nichts zu tun hatte, da seine Schrotflinte im Distanzkampf nutzlos war. Nun ließ er sich schnaufend ins Gras sinken.

„Ich weiß nicht“, murmelte Jed. „Rückzug sieht diesem Bastard Bloody Buffalo gar nicht ähnlich.“

Und er behielt Recht.

*

Die Entfernung zu den Blackfeet betrug etwa vierhundert Meter. Trotz dieser Weite sah Mel, dass Bloody Buffalo etwas vorhatte. Der Kriegshäuptling wartete, bis die geschlagenen Reiter sich wieder der Hauptstreitmacht anschlossen, dann glitt er vom Rücken seines weiß und grau gescheckten Ponys und zog einen langen Gegenstand aus einem der Köcher, die an seinem Pferd hingen.

Mel hob sein Fernrohr. Es war ein weißer Bogen.

Vor Wochen, bei ihrer ersten Begegnung, hatte Mel einen Blick auf diese seltsame Waffe werfen können. Damals hatte er vermutet, dass der Bogen aus Knochen bestand. Nun sah er, wie Bloody Buffalo eine Handvoll Pfeile vor sich in den Boden steckte.

Der Blackfoot nahm den ersten, legte ihn an die Sehne, spannte den bleichen Bogen und ließ los. Der Pfeil stieg in den Himmel, ein Schemen, so flüchtig wie der Schatten einer Schlange. Bloody Buffalo benutzte dieselbe Schusstechnik, die Mel den Flathead und Pend ­d’Oreilles nahegelegt hatte. Der Pfeil würde weit fliegen, doch er konnte unmöglich die Kriegshaufen der Verbündeten erreichen. Oder? Mel war sich plötzlich gar nicht mehr so sicher.

Der Schlangenschatten schlug unter den dichtgedrängten Flathead ein. Mel konnte nicht sehen, was passierte, aber das entsetzte Gemurmel der Krieger verriet ihm, dass der Pfeil ein Opfer gefunden hatte.

„Ein verdammter Knochenbogen“, knurrte Jed. „Ich habe das Ding bei ihm gesehen, aber ich habe es nicht glauben wollen.“

„Ein Knochenbogen?“, fragte Breton.

„Aus verleimten Bisonrippen, verstärkt mit Sehnen. Ein Holzfäller könnte den nicht spannen. Dieser Bastard schon.“

Bloody Buffalos Knochenbogen war ein Monster. Mel schätzte, dass er mindestens die Maße eines englischen Langbogens besaß. Die Waffe war zu unhandlich, um sie vom Pferderücken aus zu benutzen, aber ihre Reichweite war unübertroffen, und die Verbündeten bekamen es zu spüren.

Ein zweiter Pfeil fiel vom Himmel. Er traf einen Flathead in die Brust, ging mit einem Geräusch wie reißendes Papier durch ihn durch und fuhr dem hinter ihm stehenden Krieger in den Bauch. Zwei Treffer mit einem Schuss. Und Bloody Buffalo war noch nicht fertig.

Durch sein Fernrohr sah Mel, dass der Blackfoot einem seiner Männer etwas zurief. Der Krieger kam mit einem weiteren Bündel Pfeile, die er vor Bloody Buffalo in die Erde steckte. Der Kriegshäuptling spannte seinen Knochen­bogen.

Mel fiel wieder der indianische Wettkampf ein, bei dem die Krieger einen Pfeil hoch in die Luft schossen und so lange weitere Pfeile folgen ließen, bis der erste den Boden traf. Die besten Krieger schafften es, sieben oder acht Pfeile gleichzeitig in der Luft zu haben. Nun spielte Bloody Buffalo dieses Spiel mit ihnen, und er war ein außergewöhnlicher Krieger. Er schickte Schlangenschatten auf Schlangenschatten zum Himmel, und als die Giftzähne herabstießen, begann das Sterben unter den Flathead.

Ein Krieger bekam einen Pfeil quer durch den Hals und taumelte gegen seinen Nebenmann, während er sein Blut einem anderen Krieger ins Gesicht hustete. Der Nebenmann wurde beiseitegeschoben und entging dadurch dem zweiten Pfeil, der beinahe bis zum Boden kam, vorher aber doch ein Ziel fand. Die Spitze durchbohrte den Fuß eines Flathead und nagelte ihn fest. Der Krieger schrie und bückte sich, um seinen Fuß zu befreien, da fuhr ein dritter Pfeil herab, schlug glatt durch seinen gebeugten Rücken und spießte auch seinen zweiten Fuß am Boden fest.

Diesmal hatte Bloody Buffalo drei Pfeile gebraucht, um zwei Gegner zu töten. Auf die weite Distanz von vierhundert Metern konnte er nicht gezielt schießen, aber Mel wusste, dass die Pfeile nicht verschwendet waren, denn jeder einzelne Treffer verbreitete Panik unter Wolfsarms Kriegern. Der Sieg, den Mel vor wenigen Augenblicken noch für möglich gehalten hatte, entglitt ihnen wieder.

Ein Pfeil fiel fast senkrecht aus dem Himmel und durchschlug das Schädeldach eines Flathead. Die Pfeilspitze trat am Unterkiefer wieder aus und nagelte das Kinn des Mannes auf seine Brust. Ein anderer Pfeil fuhr mit einem dumpfen Geräusch in die Halsbeuge eines Kriegers und verschwand in seinem Körper, wo er Organe zerfetzte wie reife Früchte in einem Sack. Nur die Pfeilfedern schauten noch oben heraus. Ein Krieger hatte einen kleinen Rundschild dabei, den er instinktiv hob, aber ein weiterer Pfeil durchschlug den Schild ebenso mühelos wie den Schildarm und die Brust des Mannes. Die Spitze trat am Rücken wieder aus, und der Krieger hinter dem sterbenden Mann starrte schockiert auf sie, als sei sie der Kopf einer sprechenden Viper.

Die Flathead wussten nicht, wie sie auf den Beschuss reagieren sollten. Ein paar Krieger schossen zurück, aber weder ihre Bogen noch ihre Musketen konnten es an Reichweite mit dem Knochenbogen aufnehmen. Wolfsarm rief seinen Kriegern zu, sich auseinanderzuziehen, was sie auch taten, aber ihre Verunsicherung wuchs, und Bloody Buffalo schoss noch immer.

Ein Pfeil verfehlte Wolfsarm um Haaresbreite, seine Wange wurde geritzt, und während er mit der gesunden Hand nach dem Schnitt tastete, schrie ein Krieger hinter ihm gequält auf. Mit einem Krachen wie von einem berstenden Ast hatte der Pfeil die Kniescheibe des Mannes zertrümmert.

„Jed“, rief Mel. „Wir müssen Bloody Buffalo aufhalten.“

„Sehe’ ich genauso“, knurrte Jed und feuerte seine Baker-Rifle ab. Er hatte nicht gezielt und die Waffe nur grob in Richtung der Blackfeet gehalten, als hoffe er, dass er mit der verirrten Kugel einen Zufallstreffer landete.

„Guter Schuss“, meinte Breton ironisch und schickte sich an, ein Loblied auf Mademoiselle Marie, seine französische Militärmuskete zu singen, aber Mel wusste, was Jed vorhatte.

Die Baker-Rifle war mit dem Pulver aus einer Papierpatrone geladen gewesen. Es war gutes Pulver, aber zu grob für einen Kunstschuss. Jed lud bereits nach, und nun benutzte er das feine Pulver aus seinem Horn, das höchste Präzision garantierte. Er klappte die Messingplatte am Gewehrkolben auf und entnahm dem dort eingelassenen Fach ein Stück gefettetes Leder, das er um die Bleikugel wickelte. Das Leder würde die Züge im Lauf abdichten und dafür sorgen, dass der gesamte Gasdruck des explodierenden Pulvers auf die Kugel wirken konnte.

Jed legte sich auf den Bauch und zielte auf Bloody Buffalo. Er stützte sich auf den Ellenbogen und stabilisierte die Baker-Rifle mit der linken Hand, aber dann überlegte er sich anders, wälzte sich auf den Rücken und drehte sich, sodass seine Beine in Richtung der Blackfeet zeigten. Er legte den Büchsenlauf über die gekreuzten Füße und zielte erneut.

Angus McPattern, der Schotte in Diensten der ­Hudson’s Bay Company, hatte ihnen von Thomas Plunkett erzählt, einem Riflemen, der in dieser Haltung einen französischen General erschossen hatte. Das war in Spanien gewesen, und die Distanz hatte angeblich sechs­hundert Meter betragen. Jed hatte nur vierhundert Meter zu überbrücken, aber niemand wusste, wie übertrieben die Geschichten über Plunketts Meisterschuss waren.

Jed konzentrierte sich. Er holte tief Luft, atmete aus, verharrte kurz und holte noch einmal Luft. Mel hatte gelernt, dass man vor einem Schuss ausatmen sollte, weil sich dann der Pulsschlag kurz verlangsamt. ­Offenbar hatte Jed den richtigen Moment zum Feuern verpasst. Vielleicht hatte sich Bloody Buffalo bewegt. Doch nun visierte Jed ihn erneut an.

Mel bedauerte es zum wiederholten Mal, dass Steinmagen seine Forsyth-Rifle gestohlen hatte. Er hielt sich für einen passablen Schützen, und vielleicht hätte es ihre Chancen auf einen Treffer erhöht, wenn er jetzt neben Jed im Gras liegen und zeitgleich mit ihm auf ihren Feind schießen könnte.

Bloody Buffalo bot nur ein kleines Ziel, doch er war in helles Hirschleder gekleidet und hantierte mit seinem weißen Knochenbogen, und so war er trotz der Ent­fernung gut zu sehen. Er schoss noch immer Pfeile ab, und das größte Problem für einen Schützen war, dass Bloody Buffalo sich ständig bewegte. Doch wenn einer es schaffen konnte, dann Jed.

Jed atmete ein. Langsam ließ er die Luft aus seinen Lungen entweichen. Sein Finger krümmte sich um den Abzug.

Mel hielt den Atem an.

Doch mit einem Mal änderte sich alles.

Kriegsschreie erklangen. Sie kamen von hinten, aus Richtung des Lagers der Verbündeten. Mel fuhr herum und sah die Crow herangaloppieren. Little Eagles Krieger waren zurückgekehrt! Doch wo waren die ­Shoshonen, die ihnen auf den Fersen sein sollten? Mel konnte sie nirgendwo sehen.

Ein Schuss fiel, Rauch wölkte von der Baker-Rifle auf.

Jed fluchte. Er hatte verfehlt. Im selben Moment als die Kugel auf Bloody Buffalo zuraste, hatte dieser sich zu seinen Kriegern umgewandt und sich damit aus der Schusslinie gedreht. Der heiße Bleiklumpen schlug irgendwo ins Erdreich ein, ohne Schaden anzurichten. Bloody Buffalo schwang sich auf sein fahles Pferd und sagte etwas zu seinem Bannerträger. Der Krieger gab ein Signal. Angriff! Die Blackfeet ritten an und schrien und jubelten, als hätten sie auf diesen Augenblick gewartet.

Mel wurde klar, dass es sich genauso verhielt.

Denn im Rücken der Verbündeten galoppierten die Crow heran, und sie waren nicht allein. Hunderte Krieger folgten ihnen, halbnackte Wilde mit Lanzen, Keulen und Tomahawks. Die Hufe ihrer Pferde donnerten wie tausend Teufel mit Trommeln. Die ersten Krieger feuerten ihre Musketen ab, andere ließen einen Pfeilhagel folgen. Es waren Blackfeet, der Rest von Bloody Buffalos Streitmacht.