Mountain Men 09: Crow Killer - John F. Cooper - E-Book

Mountain Men 09: Crow Killer E-Book

John F. Cooper

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Beschreibung

Frühsommer 1823. Am Missouri geraten die Mountain Men Jedediah Jones und Malcolm McGruder in ein Gefecht zwischen Arikara-Indianern und Trappern der Rocky Mountain Fur Company. Deren Inhaber William Henry Ashley heuert sie als Scouts an. Es ist der Beginn eines neuen großen Abenteuers, das bald einen anderen Verlauf nimmt, als Jed und Mel erwartet haben. Im Indianerland geht ein Killer um. Die Stämme haben ihre tapfersten Krieger zusammengerufen, um den Unbekannten zu stellen. Doch der Indianerschlächter ist im Besitz einer Waffe, die ihn nahezu unbesiegbar macht. Ein brandneuer Roman aus der Serie Mountain Men, der exklusiv bei BLITZ erscheint. Die Printausgabe des Buches umfasst 256 Seiten. Die Exklusive Sammler-Ausgabe als Taschenbuch ist nur auf der Verlagsseite des Blitz-Verlages erhältlich!!!

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Mountain Men

In dieser Reihe bisher erschienen

4501 John F. Cooper Wind River Gold

4502 John F. Cooper Der goldene Fluss

4503 John F. Cooper Stadt der Pelze

4504 John F. Cooper Bisonkrieg

4505 John F. Cooper Das alte Volk

4506 John F. Cooper Camp des Todes

4507 John F. Cooper Blutfrost

4508 John F. Cooper Die Belagerung

4509 John F. Cooper Crow Killer

John F. Cooper

Crow Killer

Als Taschenbuch gehört dieser Roman zu unseren exklusiven Sammler-Editionen und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt.Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.© 2023 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Alfred WallonTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-359-9

Was bisher geschah ...

Mit knapper Not sind Jed, Mel und Hannah Billings der Rachsucht von Gael Prevost und seinen Hommes du Nord entkommen. Ihre Unternehmung am Wind River ist gescheitert, doch nach einer waghalsigen Flucht durch die frostklirrenden Berge und einem blutigen Kampf um den Handelsposten der Pelzhändler Kershaw und Laplanté fahren sie zusammen mit ihren überlebenden Freunden auf einem Kielboot den Missouri abwärts. Ihr Ziel ist St. Louis, die Stadt der Pelze ...

Prolog

Die Rocky Mountains, Jagdgründe der Crow, Frühling 1823

Das Land war zum Sterben schön, doch an beides verschwendeten die drei Indianerjungen keine Gedanken. Weder an die rauen Berge, deren Gestein an diesem Morgen aus den Farben des Frühlings zusammengepresst schien, noch an die weißen Blüten der Felsenbirnen, die mit dem letzten Schnee konkurrierten, der in den Schatten von Lärchen und Kiefern dahinschmolz. Ans Sterben dachten die halbwüchsigen Crow ohnehin nicht, denn sie fühlten sich als Jäger, nicht als Beute, und sie waren aufgebrochen, um eine Heldentat zu vollbringen.

Sie gehörten zum Stamm von Brave Crow, der die tapfersten Krieger unter den Absaroka hervorbrachte, davon waren die Jungen überzeugt. Sie selbst waren noch keine Krieger. Little Fox, der jüngste von ihnen, zählte erst ein Dutzend Sommer. Racoon und Fleeing Rock waren ein Jahr älter. Bis sie auf ihren ersten Kriegszug gehen durften, würden noch viele Monde vergehen. Aber die Krieger des Stammes waren nicht verfügbar, also hatten die drei beschlossen, die Angelegenheit in ihre eigenen Hände zu nehmen.

Sie würden den Monstervogel töten.

Ein fliegendes Ungetüm, schwarz wie schillernde Rabenfedern und größer als jeder der drei jungen Crow, war über die Frauen des Stammes hergefallen. Eine Handvoll von ihnen war zum Baden an den Gebirgsbach gegangen, der in der Nähe des Lagers floss. Sie hatten geschwatzt und gelacht, wie Frauen es nun einmal taten, und sie waren zu sorglos gewesen.

Der Riesenvogel stieß aus dem Himmel herab und hatte versucht, ein Kleinkind zu entführen, das in seinem Wiegen­gestell vor sich hin kicherte. Ein Mädchen natürlich.

Das Gekreisch der Frauen hatte den Vogel vertrieben. Das Baby blieb unverletzt, aber die Frauen trauten sich nicht mehr alleine zum Bach, denn der fliegende Räuber konnte jederzeit zurückkehren.

Häuptling Brave Crow hatte angeordnet, den Vorfall zu untersuchen. War es möglich, dass der Vogel ihnen ein Zeichen senden wollte? Immerhin waren sie Absarokee, Kinder des langschnäbeligen Vogels, und wenn man den Beschreibungen der Frauen vertraute, hatte der Angreifer einen Mordsschnabel besessen. Lame Deer, der Medizinmann, vertrat die Auffassung, dass es sich um eine Warnung handelte, die man nicht leichtfertig abtun durfte. Er zog sich in sein Zelt zurück, um darüber nachzudenken, und hatte angewiesen, dass man ihn mit den besten Fleischstücken versorgte, so lange es dauerte.

Little Fox, Racoon und Fleeing Rock wussten, dass es meistens eine sehr lange Zeit beanspruchte, wenn Lame Deer nachdachte und gutes Fleisch im Spiel war. Also hatten sie beschlossen, den Riesenvogel auf eigene Faust zu jagen. Ein Tier, das sich an einem Kleinkind vergriff, konnte nichts Gutes im Schilde führen. Sie würden sich mit seinen Federn schmücken und so ihre Aufnahme in den Kreis der Krieger beschleunigen.

Normalerweise wäre es Sache von Männern gewesen, sich mit dem Problem zu befassen. Aber Little Eagle, ihr bester Kämpfer, war im Herbst zum Oberlauf des Yellow­stone gegangen, wo weiße Händler einen Handelsposten errichtet hatten. Er wollte sich als Jäger verdingen und herausfinden, ob die Fremden vertrauenswürdig waren. Dann, als der Frühling Einzug hielt, hatte der Häuptling einen starken Kriegstrupp unter Führung von White Elk mit einer besonderen Mission zu den Dörfern der Mandan geschickt. Zurückgeblieben waren nur ein paar unerfahrene Krieger, die abwarten würden, zu welchem Ergebnis Lame Deer gelangte.

Irgendwer musste etwas unternehmen, hatte Fleeing Rock erklärt. Seinen Namen hatte er bekommen, als er sich vor einem Steinschlag erschrocken hatte und einen hundert Meter langen Hang hinuntergerollt war. Ein würdeloses Bild, das er vergessen wollte. Ein junger Crow konnte sich durchaus einen neuen Namen verdienen, und Kreischender Vogel klang besser als Fliehender Felsen.

Auch Racoon war auf ein Abenteuer aus, und Little Fox machte bei allem mit, was seine Freunde ausheckten. Am Morgen hatten sie sich aus dem Lager geschlichen und waren dem Bachlauf in Richtung der Berge gefolgt.

Die schwarzen Monstervögel waren den Crow nicht unbekannt. Stammeslegenden berichteten, dass es vor zahllosen Generationen zu Zusammenstößen gekommen war, und einige Alte behaupteten, in ihrer Kindheit solch einen Vogel gesehen zu haben, der aus einem Land im Westen gekommen war. Offenbar war jetzt erneut einer über die Berge geflogen, und die Jungen hatten nicht vor, ihn ungeschoren verschwinden zu lassen.

„Was glaubt ihr, wie sein Fleisch schmeckt?“, fragte Little Fox, während sie dahinschlenderten.

Racoon sagte: „Er ist ein Raubvogel, bestimmt schmeckt es scheußlich.“

Fleeing Rock zuckte mit den Schultern. „Das kann man nicht wissen. Es ist ein besonderer Vogel. Wir werden von seinem Fleisch kosten.“

„Und für Lame Deer lassen wir nichts übrig“, meinte Little Fox feixend, doch seine Freunde meinten, dass sie darüber noch einmal beraten sollten, schließlich könne es von Vorteil sein, sich mit dem Schamanen gutzustellen.

Als ein Knacken aus dem Unterholz am gegenüberliegenden Ufer ertönte, verstummten sie. Was konnte das gewesen sein? Der Riesenvogel? Fleeing Rock schüttelte den Kopf. Ein so großer Vogel würde sich zwischen Bäumen und Sträuchern mit seinen Schwingen hoffnungslos verheddern.

Irgendein anderes Tier also.

Fleeing Rock machte eine Geste, und Racoon bestätigte das mit einem Nicken. Vielleicht wäre es keine dumme Idee, sich ein bisschen Wegzehrung zu besorgen.

Little Fox deutete auf einen Baumstamm, der über dem reißenden Gebirgsbach lag und die beiden Ufer miteinander verband. Niemand würde später behaupten können, dass der Jüngste in ihrer Gruppe nicht seinen Anteil an der erfolgreichen Jagd geleistet hatte.

Allerdings war ihre Jagd beinahe zu Ende.

Die drei Indianerjungen sprangen auf den Baumstamm, um auf die andere Seite zu balancieren.

Fleeing Rock warf einen bangen Blick nach unten, weil er an seine unfreiwillige Rutschpartie auf dem langen Hang denken musste. Was er sah, ließ ihn verwundert die Stirn runzeln.

An seinem Ende wies der Baumstamm helle Stellen auf. Axtspuren. Er war nicht vom Hochwasser angeschwemmt, sondern von Menschenhand gefällt worden. Wer hatte das getan, hier im Land der Crow, und warum?

Als das Schnappen einer Bogensehne erklang, lag die Antwort auf der Hand. Es handelte sich um eine Falle. Doch diese Erkenntnis kam zu spät für die jungen Jäger. Sie standen hintereinander auf dem Stamm, und der Pfeil fuhr mit ungeheurer Wucht durch ihre mageren Körper.

Durch alle drei.

Wer baut so mächtige Bogen? fragte sich Fleeing Rock. Noch immer dachte er nicht ans Sterben, doch genau das passierte. Er starb.

Sie alle starben.

Kapitel 1

Am Missouri, 2. Juni 1823

Einhundert Männer waren ausgezogen, um den Westen zu erobern, doch jetzt sah es so aus, als sei ein schlammi­ges Ufer am Missouri der westlichste Punkt, den sie je erreichen sollten.

Hier würden sie alle sterben.

Pulverschwaden waberten als unheilvoller Nebel über den Fluss, während die Sonne allmählich den Himmelsbogen erklomm. Der Morgen war bereits fern, und einen weiteren würden die Männer der Rocky Mountain Fur Company vermutlich nicht mehr heraufdämmern sehen.

Ihre Feinde waren übermächtig. Arikara-Indianer mit Bogen und Musketen, mit Kriegswut im Bauch und Tapfer­keit im Herzen, von denen sie so viel besaßen, dass der Überschuss ihre Leiber als schauriges Kriegsgeheul verließ. I-ie-iee-iieee! Es war absolut furchteinflößend.

„Los, los, los!“, brüllte ein in Leder gehüllter Mann. Er trug einen Schlapphut, war Anfang zwanzig, ein Jungspund, doch in diesem Gefecht am Zusammenfluss des Grand River und des Missouri hatte er bereits ­Führungsqualitäten bewiesen. Die anderen hörten auf ihn. Im Angesicht von Tod und Chaos folgten die Männer jedem, der nach den Zügeln griff.

Zwei der Trapper hatten einen Ausfall gewagt und eine kleine Gruppe Krieger aus einem Gebüsch an ihrer Flanke vertrieben. Dabei waren sie selbst unter Beschuss geraten, und der Mann mit dem Schlapphut hatte gedankenschnell ein Deckungsfeuer organisiert.

Kentucky-Rifles krachten, Kugeln sirrten dem Feind entgegen, als sei ein Heer wütender Hornissen in der Luft. Der Youngster rief seine vorgepreschten Kameraden zurück.

„Los, jetzt, los!“

Einer schaffte es. Der andere stolperte sterbend in ihre Stellung. Ein Pfeil steckte zwischen seinen Schulter­blättern.

„Verdammte Büffelscheiße!“ Der Junge fluchte auch wie ein Alter.

Die Trapper kauerten hinter Treibholz, das der Fluss ans Ufer gespült hatte, sie suchten Deckung hinter toten Pferdeleibern, doch immer wieder pflückten Kugeln und Pfeile einen aus ihrer Mitte. Acht oder zehn Männer waren bereits tot und die doppelte Anzahl Pferde, und sie konnten kaum mehr tun, als ihre Köpfe unten zu behalten. Die meisten ihrer Gegner saßen sicher hinter einer Brustwehr. Indianer, die ihr Dorf mit einer Palisade aus vier Meter hohen Zaunstangen umgaben, das war neu.

Vor fünfzig Jahren hatten die einst mächtigen ­Arikara durch die Pocken so viele Angehörige ihres ­Volkes ­verloren, dass sie ihre letzten Dörfer mit Barrikaden umgeben mussten, um sich der Angriffe durch kriegerische Sioux zu erwehren. Nun wurden diese Schutzmaßnahmen den weißen Männern zum Verhängnis, obwohl sie in Frieden gekommen waren und nichts weiter wünschten, als Handel zu treiben.

Tags zuvor hatten sie den Arikara vierzig Pferde abgekauft. Zwar waren sie in Kielbooten unterwegs, doch William Henry Ashley, ihr Anführer, musste Packtiere für die zweite Expedition besorgen, die sein Partner Andrew Henry ins Biberland geführt hatte. Die Arikara wollten sich nur im Tausch gegen Pulver und Blei von ihren Pferden trennen. Das war verdächtig, doch was hätte Ashley tun sollen? Die Indianer gaben sich freundlich, und Captain Henry wartete mit einem Drittel der Company am Yellowstone auf Lasttiere, die er für den Transport seiner Ausrüstung und Pelze dringend benötigte.

Sie waren sich handelseinig geworden, doch am Morgen hatten die Indianer ihre offenen Gesichter gegen Kriegsbemalung getauscht und die Trapperbrigade angegriffen, die mit den Pferden am Ufer lagerte. Die Männer warfen sich in Deckung und hofften, dass Ashley Hilfe von den Kielbooten schickte, die er in weiser Voraussicht in der Flussmitte hatte ankern lassen. Doch die Boote kamen nicht.

„Wo bleiben die, zur Hölle?“ Ein bärtiger Trapper drehte sich zum hundertsten Mal zum Fluss um, wo die rettenden Boote wie Särge im Wasser dümpelten. Als ungute Erinnerung an einen früheren Zusammenstoß mit den Arikara hatte er eine geschlitzte Nase zurück­behalten. Ein weiterer Hagelschauer aus Musketen­kugeln zwang ihn in seine Deckung zurück. Wenigstens besaßen die Indianer keine zielgenauen Büchsen. Ihre Waffen mit den glatten Läufen verloren mit jedem Yard Distanz an Genauigkeit.

„Wenn sie näherkommen, machen sie sich zum Ziel für die Rees“, sagte der junge Trapper. Rikarees war ein anderer Name für die Arikara.

„Aye. Aber ich kenne den General. Der würde uns nie im Stich lassen.“

Die Männer nannten Ashley einen General, weil er diesen Rang in der Missouri-Miliz bekleidete.

Draußen auf dem Fluss wurde jetzt ein Ruderboot zu Wasser gelassen. Die Besatzung legte sich hart in die Riemen. Kaum, dass der Kiel über das schlammige Ufer schrammte, liefen die Gestrandeten hin und versuchten, an Bord zu kommen. Die Arikara mussten nichts weiter tun, als in das Knäuel aus Leibern und wild gestikulierenden Armen zu feuern.

Weitere Trapper fielen, doch sieben kletterten ins Boot und wurden zu den Kielbooten hinübergerudert.

„Wir kommen wieder“, rief einer der Ruderer. „Haltet dur...“ Eine schwere Musketenkugel fuhr ihm in den Mund und ertränkte das letzte Wort in Blut und zersplitternden Zähnen.

„Zurück in Deckung!“, brüllte der Mann mit dem Schlapphut seinen Kameraden zu. Zumindest davon hatten sie genug, denn inzwischen waren fast alle Pferde tot. Um eine Flucht der Weißen zu verhindern, hatten die Arikara nicht gezögert, die Tiere zu erschießen, statt sie sich später einfach zurückzuholen. Sie meinten es wirklich ernst.

„Verdammt, Smith, wir müssen hier weg!“, schrie ein pickelgesichtiger Jüngling. Seine Finger zitterten so stark, dass der Ladestock im Lauf seiner Kentucky-Rifle klapperte, während er versuchte, das Gewehr wieder schussbereit zu machen. Es war eine gute Waffe, doch in den Händen des Jungen war sie nicht wirkungsvoller als eine der rostigen Handelsmusketen, mit denen ihre Feinde schossen.

Die Männer der Rocky Mountain Fur Company waren nur zum Teil erfahrene Waldläufer. Die meisten hatten noch vor kurzem in St. Louis als Handwerksburschen oder Schauermänner an den Docks geschuftet, falls sie überhaupt einer Arbeit nachgingen. Sie waren Abenteurer, abgerissen, aber begierig darauf, das geheimnisvolle Land im Westen kennenzulernen. Ashley hatte sie unter Vertrag genommen, weil sie tatkräftig aussahen und forsch daherredeten, aber jetzt, im Angesicht einer Horde blutrünstiger Rothäute, war es um ihre Furchtlosigkeit geschehen.

I-ie-iee-iieee!

Erneut verließ eine Handvoll Arikara den Schutz der Palisade. Sie bezogen an der Uferböschung Stellung und nahmen das Ruderboot unter Beschuss, das seine Passagiere bei einem der Frachtkähne abgeliefert hatte und sich zur Rückkehr ans Ufer anschickte.

„Wir müssen dorthin!“ Die Stimme des Pickelgesichtigen überschlug sich beinahe. Mit Laden war er noch immer nicht fertig.

„Die Köpfe unten halten“, sagte der Mann mit dem Schlapphut. An seiner Seite waren neben dem Kerl mit der geschlitzten Nase noch zwanzig Trapper. Ein Dutzend waren tot, ganze sieben in Sicherheit. Sie konnten sich ausrechnen, wie lange es dauern würde, um sie alle zu evakuieren.

Der Junge hielt es nicht mehr aus. Er sprang auf und wollte zum Ufer laufen, schnellte jedoch mitten in eine Salve hinein. Die Indianer hinter der Brustwehr hatten sie abgegeben, um die Trapper bei den toten Pferden festzunageln, damit sie den Kriegern auf der Uferböschung nicht gefährlich werden konnten. Von Kugeln durchsiebt, tanzte der Junge wie eine Vogelscheuche im Sturm.

Ein weiterer Mann war tot, und auf dem Fluss machte das Rettungsboot kehrt, nachdem einer der Ruderer getroffen zusammengesackt war.

„Was nun?“, murmelte der Mann mit der geschlitzten Nase, und auch der tapfere Jungspund unter seinem Schlapphut musste erkennen, dass sie verloren waren.

I-ie-iee-iieee! Die Arikara jubelten.

Auf der Palisade stand ein finsterer Krieger, der die Angreifer befehligte. Er trug ein Bärenfell, dessen Schädel so hoch über seinem Kopf aufragte, dass sie den Mann zunächst für einen echten Bären gehalten hatten. Der Kriegstruppführer hatte sein Haar über der Stirn zu einem Horn gebunden, eine beliebte Tracht unter den Rees. Er benutzte das Horn, um sich unter seinem Fell größer erscheinen zu lassen.

Knarrend öffnete sich ein Verschlag in der Palisade, und der Bärenkrieger schickte ein weiteres Dutzend Krieger nach draußen. Gemeinsam mit den Männern an der Uferböschung sollten sie die Trapper überrennen.

Es würde ihnen wahrscheinlich gelingen.

Der Mann mit dem Schlapphut sandte ein Stoßgebet zum Himmel. Er holte tief Luft, roch Schwefelgestank und ahnte, dass sie auf halbem Weg in die Hölle waren. Er legte seine Büchse an, eine nagelneue Waffe aus der Werkstatt der Gebrüder Hawken, die ihn vierzig Dollar gekostet hatte, fast alles, was er besaß. Er wollte einen der Schützen auf der Böschung treffen, doch ein Pfeil, der in den Baumstamm schlug, hinter dem er kauerte, zwang ihn in Deckung. Es klang, als würde man mit der stumpfen Seite einer Axt auf totes Holz schlagen. Und dann bekam das Tock! ein Echo.

Ka-wumm!

Draußen auf dem Fluss blitzte es inmitten der Pulverschwaden auf, und das Wunder, um das der junge Trapper gebetet hatte, geschah.

*

Eine Ladung aus gehacktem Blei fegte die Indianer von der Böschung. Die Krieger, die hinter der Palisade hervorgestürmt waren, warfen sich zu Boden. Die Schützen auf der Brustwehr zogen ihre Köpfe ein.

Auf dem Missouri war ein drittes Kielboot aufgetaucht, das sich von den Booten der Rocky Mountain Fur Company in dreierlei Hinsicht unterschied: Erstens kam es aus dem Norden, fuhr also mit dem Strom, und ließ sich geschmeidiger manövrieren. Zweitens schien seine Besatzung keine Furcht zu haben, geentert zu werden. Das mussten die Neuankömmlinge auch nicht, denn drittens verfügte ihr Boot über eine Drehbasse, ein schwenkbares Geschütz, das mit einem Zapfen im Dollbord verankert war.

Ka-wumm!

Erneut regnete es Metallsplitter, die wie Hagel unter die Arikara fuhren. Wer noch stand, wurde von den Füßen gerissen. Die anderen blieben tot liegen oder traten kriechend den Rückzug zur Palisade an, hinter der sie die Sicherheit ihres Dorfes wussten.

Nun war es an den Trappern, zu jubeln.

Ein Windstoß riss eine Lücke in die Pulverschwaden über dem Fluss, und für einen Moment erhaschten die Männer einen Blick auf den Namen des Bootes, das ihnen zu Hilfe kam.

Moi’selle.

*

Die Moi’selle war eines von zwei Kielbooten, die für die Pelzhändler Olivier Laplanté und Zacharias Kershaw fuhren. Diese hatten im vergangenen Jahr einen Handelsposten am Yellowstone errichtet, doch die Unternehmung hatte unter keinem guten Stern gestanden. Das kleine Fort war zerstört, die Besatzung massakriert, auch Laplanté und Kershaw weilten nicht mehr unter den Lebenden. Sie alle waren Opfer der Rachsucht eines berüchtigten Pelzjägers namens Gael Prevost geworden, der mit seinen Männern Tod und Zerstörung über sie gebracht hatte. Die Hommes du Nord waren eine beinharte Mannschaft von Voyageuren aus dem eisigen Norden Kanadas gewesen, Abtrünnige der Northwest Company, die keine Gnade kannten. Aber auch sie hatten ihr Schicksal gefunden.

Die Männer, die das zuwege gebracht hatten, kauerten hinter der Reling der Moi’selle und feuerten aus ihren Büchsen auf die Arikara.

Jedediah Jones, ein Mountain Man mit dem zerfurchten Gesicht einer dreihundertjährigen Eiche.

Malcolm McGruder, sein jungenhafter Begleiter, der sich einst als Greenhorn an Jeds Fersen geheftet, nach drei Jahren in den Bergen aber nicht bloß einmal die Führung in ihrer Partnerschaft übernommen hatte.

Little Eagle, ein berühmter Krieger der Crow.

Und Chankoowashtay, ein Sioux, den sie Steinmagen nannten, da er ständig auf der Suche nach der nächsten Mahlzeit war und sich bei der Wahl seiner Nahrung nicht zimperlich zeigte.

„Siehst du den Kerl da oben auf der Böschung?“, brummte Jed.

Mel spähte übers Dollbord. „Den mit dem Blitz auf der Brust?“

„Mhm. Der gehört mir.“

Ein Schuss krachte, einen Sekundenbruchteil später ein zweiter, wie ein perfekter Doppelknall aus einer zweiläufigen Schrotflinte. Der weiße Blitz auf der Brust des Arikara färbte sich rot.

„Ha! Chankoowashtay schneller Schütze!“, verkündete Steinmagen.

Little Eagle, von dem der erste Schuss gekommen war, runzelte die Stirn. Seit dem Kampf gegen die Hommes du Nord trugen die beiden Indianer einen gutmütigen Wettstreit darüber aus, wer der bessere Krieger war. Eigentlich stand dies außer Frage. Little Eagle war ein erfahrener Kämpfer, der sich schon oft hervorgetan hatte. Er war ein hochgewachsener Mann mit breitem Brustkorb und ausgeprägten Wangenknochen, auf eine wilde Art gutaussehend. Wie eine Kreuzung aus Hengst und Adler, wobei die Ladys in den Salons im Osten vermutlich vor allem die Anteile des Hengstes in seinem Blut hervorgehoben hätten. Er war zudem ein ausgezeichneter Schütze. Seine Treffsicherheit konnte es nicht mit der von ­Jedediah Jones aufnehmen, aber das mochte sich in nächster Zeit ändern, da Little Eagle seit kurzem eine Baker-Rifle sein Eigen nannte, ein erstklassiges Gewehr aus den Beständen der Hudson’s Bay Company.

Seine alte Handelsmuskete mit überlangem Lauf hatte er trotzdem behalten. Jetzt zog er ihren Kolben an die Wange, zielte, atmete aus, drückte ab. Als sich der Pulverdampf verzog, lag ein weiterer Arikara reglos am Ufer. Steinmagen, der mit Nachladen beschäftigt war, ignorierte es.

Es stand außer Zweifel, dass Little Eagle seine Waffen beherrschte. Der junge Sioux hingegen musste diesen Beweis erst noch antreten. Auch er war mit einer Baker-Rifle ausgerüstet, einem Geschenk von Mel, doch er brauchte meist viele Kugeln, um einen Mann zu Fall zu bringen.

„Übung macht den Meister“, hatte ihm Mel auf ihrer langen Fahrt den Missouri abwärts erklärt. Steinmagen kannte das Wort Meister nicht und Übung, nun, davon hatte er in den Kämpfen an der Seite der beiden ­Mountain Men mehr als genug abbekommen, nicht wahr? An seinem Gürtel hingen drei Irokesenskalps, genauso viele, wie der vielgerühmte Little Eagle in der Schlacht gegen die Nordleute errungen hatte.

Wer wusste, wie Steinmagen an die Skalps gelangt war, neigte freilich zu der Vermutung, dass Little Eagle den Krieger mit dem Blitz gefällt hatte.

„Da unsere Injuns das hier allein durchziehen wollen, geh ich mal wieder ans Ruder“, meinte Jed. Er lief zum Heck, um die Pinne aus den Händen einer jungen Frau zu übernehmen, die ihn aus seegrünen Augen anfunkelte.

„Mister Jones, ich habe alles im Griff.“ Hannah ­Billings machte keine Anstalten, ihren Platz am Steuer zu räumen. Sie war eine schöne Frau mit braunem Haar, das unter der zehrenden Sonne der Wildnis ausgebleicht war und zum Blond tendierte. Mel fand sie atemberaubender denn je.

Er und Hannah waren ein Paar geworden im Überlebens­kampf in den Bergen, doch mittlerweile wusste er nicht mehr, wo sie standen. Zuletzt hatte sich Hannah distanziert verhalten. Nicht abweisend, aber kühl. Wie roter Wein, der mit Eiswürfeln serviert wird.

Es mochte mit dem erlittenen Trauma zu tun haben, als sie mitansehen musste, wie ein Irokese ihre kleine Tochter erschlagen hatte. Oder mit ihrem Wesen, das ihr gebot, Stärke zu zeigen und sich auch gegenüber Männern durchzusetzen. Vor allem Männern gegenüber.

Hannah Billings war die Bastard-Tochter des großen Auguste Chouteau, des Pelzmagnaten und Mitbegründers von St. Louis. Um ihren Vater zu beeindrucken, hatte sie eine Expedition in die entlegenste Wildnis der Rocky Mountains angeführt, war von einem vergessenen Indianerstamm gefangen genommen und von Jed und Mel befreit worden. Statt sich in der Zivilisation zu verkriechen, hatte sie das Kommando über eine Trapperbrigade eingefordert und die rauen Männer mit eiserner Hand und weiblichem Charme geführt. Bis Gael Prevost gekommen und alles den Bach hinuntergegangen war.

Vielleicht gibt sie mir die Schuld, dachte Mel manchmal. Für das, was sie für ihr Versagen hält und für den Tod von Hope.

Schließlich war Prevost hinter ihm her gewesen.

Indem sie Jed vom Ruder fernhielt, zeigte sich Hannah von ihrer energischen Seite. Von Selbstvertrauen beseelt, ließ sie sich nicht herumkommandieren, sondern kommandierte lieber selbst.

„Mister Jones, es könnte hilfreich sein, die Kanone wieder zu bemannen.“

Unwirsch gab Jed zurück, dass sie nah ans Ufer steuern mussten, jedoch nicht so nahe, dass sie auf Grund liefen. Er hatte vor, die Männer, die am Strand festsaßen, aufzunehmen, was für diese nicht ohne nasse Füße abgehen würde. „Ist ein kompliziertes Manöver, Missy.“

Jed liebte es, Hannah Paroli zu bieten.

„Das weiß ich. Ich hatte auf unserer Fahrt ausreichend Zeit, mich mit den Tücken dieses Gefährtes vertraut zu machen.“

„Aye. Was ist mit Ankerwerfen?“

„Sie wird mir helfen.“ Mit einer Kopfbewegung deutete Hannah auf eine zierliche Indianerin, die sich zum Schutz vor feindlichen Kugeln in den Schatten der hütten­artigen Decksaufbauten kauerte. Sie hieß Kimimela, war so reizend wie ihr Name und Steinmagens Frau.

„Die Kanone, Mister Jones“, erinnerte Hannah.

„Das ist eine Drehbasse.“

Als Hannah tief Luft holte, wandte Jed sich grinsend ab und ging das kleine Geschütz laden. Eine halbe Minute später zerfetzte eine Handvoll Hackblei den Ufer­bewuchs und die Gesichter zweier Arikara, die hinter ein paar Grasbuckeln gelauert und mit ihren Musketen nach Zielen gesucht hatten, verschwanden in einem Nebel aus Dreck und Blut.

Das Kielboot hielt aufs Ufer zu, Hannahs Ruf ertönte, und wenig später platschte der Anker ins Wasser.

An Land befanden sich die Indianer weiterhin auf dem Rückzug. Die Trapper, die bis eben noch festgesessen hatten, erkannten ihre Chance und rannten zum Fluss. Der Mann mit dem Schlapphut und Geschlitzte Nase bildeten die Nachhut. Alles sah danach aus, als würde das Rettungsmanöver der Moi’selle exakt nach Plan verlaufen.

Bis der Bärenmann erneut ins Geschehen eingriff.

*

Der Grizzlyschädel tauchte über der Palisade auf, als würde er sich aus einem Stapel Treibholz wühlen. Der Zaun bestand aus jungen Silberbirken, deren Rinde sich in Fetzen ablöste. Der Krieger hatte sich hinter die Barrikade zurückgezogen, um sich vor dem Beschuss vom Kielboot aus in Sicherheit zu bringen, doch nun spürte er, dass es seiner Führung bedurfte, sollte die Schlacht gegen die weißen Männer nicht verlorengehen. Er stieß martialisch klingende Rufe aus, die den Rückzug der Arikara im Freien beendeten. Gleichzeitig erschienen Kämpfer mit Musketen und Bögen hinter der Brustwehr und schossen auf die zum Ufer flüchtenden Trapper.

Ein weiterer Ruf, und die Schützen schwenkten ihre Waffen auf das Kielboot. Der Bärenmann hatte erkannt, woher die eigentliche Bedrohung für den Sieg der ­Arikara kam. Die Trapper wollten bloß noch weg.

Klopfend schlug ein halbes Dutzend Pfeile in den Rumpf der Moi’selle. Kugeln zischten über Jed hinweg. Eine riss ihm die Pelzmütze vom Kopf.

„Gebt mir verdammt noch mal Deckung!“

Ein dreifacher Büchsenknall schickte eine Ladung Blei gegen die Palisade, ohne Schaden anzurichten. ­Nachdem Mel sein Forsyth-Gewehr abgefeuert hatte, griff er nach Jeds Waffe, einer Ferguson-Rifle und sandte noch einen Schuss hinterher. Dann lud er sie als Erstes nach. Die Ferguson-Rifle war ein Hinterlader, sodass er seine Deckung nicht aufzugeben brauchte. Little Eagle und Steinmagen mussten Verrenkungen machen, um sich nicht zu exponieren, während sie ihre Vorderlader mit Pulver und Blei stopften. Die Palisade war sechzig Meter entfernt. Auf diese Entfernung konnten sogar Handelsmusketen gefährlich werden. Die Moi’selle schaukelte auf den Wellen, was den Männern auf dem Boot das Zielen erschwerte.

Jed hatte die Drehbasse indessen mit einer Eisen­kugel geladen. Er hielt die glimmende Lunte ans Zündloch und jagte ein Geschoss von der Größe einer Kinderfaust gegen den Zaun. Das Bollwerk erzitterte. Für einen Moment hörte das Gegenfeuer auf, bis der Bärenmann seine Krieger mit neuem Gebrüll zum Weiterkämpfen trieb.

„Wann erschießt endlich jemand diesen Kerl?“, rief Jed. Er schwenkte das Rohr, um das Bordgeschütz wieder schussbereit zu machen.

„Gleich. Erst laden“, kam es von Steinmagen.

Little Eagles Handelsmuskete krachte, aber der glatte Lauf und der Wellengang gestatteten ihm lediglich einen Fehlschuss. Mel feuerte mit der Ferguson-Rifle, ebenfalls ohne zu treffen, da er die Waffe nicht gewöhnt war.

Jed riss der Geduldsfaden. „Komm her!“, befahl er Steinmagen. Selbst wenn der Sioux seine Büchse ­irgendwann fertig geladen hatte, würde er bloß Blei vergeuden. Steinmagen kam herübergerobbt. Es dauerte, weil er nur eine Hand frei hatte. Mit der anderen hielt er seine Kopfbedeckung fest, eine Kappe aus Fuchsfell, deren Aussehen die Frage aufwarf, ob das Tier durch eine grobe Schrotladung oder an einer Seuche gestorben war.

„Du musst schon aufstehen“, sagte Jed.

Eine weitere Salve von der Palisade strich über die Moi’selle. Steinmagen blieb wie tot liegen. Jed musste ihn auf die Füße ziehen.

„Wenn ich es sage, feuerst du die Kanone auf die Palisade ab. Ziel einfach auf die Mitte. Wenn wir Glück haben, brechen ein paar Pfähle. Wenn nicht ...“

„Was mit Drehbasse?“, fragte Steinmagen.

„Kanone, Drehbasse, das ist beides das Gleiche.“

„Aber Miss Hannah ...“

„Konzentrier dich. Wenn du diesen verdammten Zaun bloß zum Wackeln bringst, auch gut. Dann zieht dieser mottenzerfressene Bär seinen Schädel ein und wenn er wieder hochkommt, schnappe ich ihn mir.“

Jed drückte Steinmagen den Luntenstock in die Hand, rannte geduckt zu Mel und Little Eagle und nahm seine Ferguson-Rifle entgegen.

„Ist geladen“, sagte Mel.

Jed stützte den Lauf auf die Reling. Er versuchte, ein Gespür für das Schaukeln des Bootes zu bekommen. Als er sich bereit fühlte, rief er: „Jetzt, Steinmagen, Feuer!“

Der Sioux senkte die Lunte zum Spundloch.

Tock!

Ein Pfeil hämmerte gegen die Bordwand der Moi’selle. Steinmagen duckte sich instinktiv. Er verlor den Luntenstock, doch dieser fiel direkt aufs Zündloch. Funken sprühten.

Ka-wumm!

Die Drehbasse ging los und Jeds Plan ging zum Teufel. Der Bärenkrieger zog seinen Kopf nicht ein, denn sein Kopf war nicht mehr da. Steinmagen hatte den Lauf des Geschützes verrissen, die Kugel raste aus dem Rohr und enthauptete den Bärenmann, dessen Kopf mitsamt des Grizzlyfells von seinen Schultern gerissen wurde. Der Leib des Arikara blieb noch einige Sekunden stehen, dann kippte er langsam nach hinten von der Brustwehr.

Das entschied die Schlacht. Die Indianer liefen davon.

Kapitel 2

„Mein Gott, Jones, wer hätte gedacht, dass tausend Rees einmal vor ein paar Dutzend Männern aus St. Louis davonlaufen?“

William Henry Ashley, Brigadegeneral der Miliz, Vizegouverneur von Missouri und Gründer der Rocky Mountain Fur Company, stand auf dem Wehrgang der eroberten Palisade und blickte auf das verlassene Arikara-Dorf, eine Ansammlung halbkugelförmiger Erdhütten, die sich ohne große Ordnung auf dem Steilufer verteilten. Mel schien es enger zuzugehen als in den Zeltlagern der Prärieindianer, die er kennengelernt hatte. Das mochte an der Größe der Behausungen liegen, von denen viele zwanzig Meter Durchmesser erreichten, vielleicht aber auch daran, dass die Bewohner sämtliche Hütten hinter ihrem Schutzwall versammeln wollten, dieser aber nicht zu lang werden sollte. Um ihn zu errichten, hatten die Arikara ein komplettes Birkenwäldchen abgeholzt, das als traurige Brachfläche unweit des Dorfes zurück­geblieben war.

Am Ende hatte ihnen die Palisade wenig genützt. ­Nachdem Steinmagens versehentlicher Kunstschuss ihren Kriegsführer enthauptet hatte, war die durch die Ankunft der Moi’selle ohnehin angeschlagene Moral der Angreifer zusammengebrochen. Sie waren durch ihr Dorf zurückgeflutet und auf der anderen Seite übers offene Land geflohen. Ashley vermutete, dass sie bei ihren Brüdern flussaufwärts Unterschlupf suchen würden. „Da ist ein zweites Dorf, ein bisschen kleiner als dieses hier“, sagte er.

Ashley war ein energischer Mann Mitte vierzig mit dunkelblondem Haar, dessen akkurate Frisur die Form zu verlieren begann, weil er sich seit dem Aufbruch in St. Louis die Haare nicht geschnitten hatte. Ein Schnauzbart verlieh ihm das Aussehen eines Walrosses und milderte sein für gewöhnlich strenges Auftreten. Vor zwei Jahren waren sie ihm in einem Saloon in St. Louis begegnet. Ashley hatte Jed über die Möglichkeiten der Biberjagd im Westen ausgefragt, und hier war er nun, mit seiner eigenen Mannschaft.

„Gibt nicht mehr so viele Rees heutzutage“, sagte Jed.

„Zweieinhalbtausend, mehr oder weniger“, erwiderte Ashley. „Meinen Berichten zufolge haben sie aber immer noch sechshundert waffenfähige Männer. Sie hätten uns überrannt, wenn ihr nicht gekommen wärt. Meinen Dank dafür.“

„Na ja, wir hatten Hilfe von einem großen Krieger der Sioux“, sagte Jed. Sein Tonfall war neutral, aber Mel wusste, dass es ironisch gemeint war. Steinmagen hatte sich schreckhaft geduckt und den Bärenmann nur durch Zufall erwischt. Jetzt stolzierte er durch die Reihen der Trapper, ließ sich beglückwünschen und an ihrem Kochfeuer verköstigen. Nur die besten Fleischstücke für den Helden des Tages.

„Schätze, er gehört einem Kriegerbund an“, meinte Ashley.

„Das wird er bestimmt mal“, sagte Mel diplomatisch. Steinmagen versuchte seit einer Weile, in die Reihen der Kitfox-Warriors aufgenommen zu werden. Bis jetzt war es ihm nicht gelungen. Im letzten Jahr hatte er offenbar vor dem Ritual des Sonnentanzes gekniffen, bei dem die Brust mit Holzpflöcken durchstochen wurde, und das eine Voraussetzung für die Aufnahme in die Kriegerelite war. Steinmagen war, nun ja, ein Thema für sich.

„Ich könnte noch ein paar erfahrene Leute gebrauchen“, sagte Ashley. „Meine Männer sind eifrig, aber jung. Viele sind zum ersten Mal in ihrem Leben mehr als hundert Meilen von St. Louis entfernt.“

„Ihr habt Nez Coupé“, sagte Jed. Er meinte den Mann mit der geschlitzten Nase. Edward Rose, so sein ­richtiger Name, war ein anerkannter Kundschafter. Er und Jed hatten sich mit einem Nicken begrüßt. Sie respektierten einander, mochten sich offenbar aber nicht besonders.

„Ja, natürlich. Auch ein paar meiner jungen Jäger sind gute Leute.“ Ashley deutete auf den Mann mit dem Schlapphut, der die Trapper am Ufer während des Kampfes zusammengehalten hatte. Jetzt stand er am Feuer und lauschte Steinmagens Erzählungen, der mit seinen Irokesen­skalps angab. „Das ist Jedediah Smith. Er wird mit jedem Tag besser. Bis vor kurzem war er Bootsmann. Als er sich bei mir einschrieb, tat er das gleich hinter einem jungen Schmiedegehilfen. Ihr versteht, was ich meine?“

„Dieser Schmied, hieß er zufällig Bridger?“, wollte Mel wissen. Sie waren dem Jungen in der Werkstatt des hochgeschätzten James Baird begegnet. Er hatte sie bewundert und ebenso ausgefragt, wie Ashley es später getan hatte.

„In der Tat, Jim Bridger.“