Mutig weiter! - Florence Marie Guesnet - E-Book

Mutig weiter! E-Book

Florence Marie Guesnet

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Beschreibung

Mut ist lernbar: Vom Konzept der Mutzone über das mutige Mindset hin zu den schwierigen Momenten, in denen uns der Mut (fast) verlassen will - hier lernst du, Mut zu mobilisieren und zu stärken. Für dich persönlich. Und mit und für andere Menschen. Die besten Führungskräfte denken und handeln mutig und ermutigen andere. Wie geht das und in welcher Verantwortung stehen Führungskräfte: moralisch, im persönlichen Miteinander und für das Bewältigen der Zukunftsaufgaben? Persönliche Geschichten, Konzepte und Übungen liefern dir Rüstzeug für mutiges Denken, Handeln und Führen.

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Seitenzahl: 189

Veröffentlichungsjahr: 2022

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„Die Transformation unserer Wirtschaft enthält und verlangt tiefgreifende Veränderungen. Digitalisierung, Dekarbonisierung und mehr (Geschlechter-)Gerechtigkeit fordern neues Denken und Handeln von uns. Muster und Rezepte der Vergangenheit reichen nicht, um Unternehmen in die Zukunft zu führen. Das geht nur mit Mut, nur wenn wir die Energie aufbringen, persönlich mutig zu sein und auch andere ermutigen, sich den Mut zuzutrauen. Das Buch von Florence Guesnet lädt zu diesem Mut ein, hinterfragt Glaubenssätze der Wachstumslogik und bietet in praktischen Beispielen und mit persönlichen Geschichten eine ermunternde Anleitung zum mutigen Führen. Ein wichtiger, ein lesenswerter, ein ermutigender Beitrag in der Zukunftsdebatte unseres Landes.“

Susanne Fabry

Vorstand und Arbeitsdirektorin bei RheinEnergie AG

„Ohne Mut kann man gar nicht führen. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Mit diesem Buch eröffnet Florence Guesnet mehr Menschen den Weg zu ihrem ganz persönlichen Mut. Die starken Konzepte, inspirierenden Geschichten und praktischen Übungen von Florence Guesnet empfehle ich allen Menschen, die Verantwortung übernehmen und besser führen wollen.“

Oliver Kastalio

CEO und Chairman der WMF Gruppe

„Die großen Fragen unserer Zeit brauchen uns alle mutig, nicht ängstlich. Ob mit ihrer Einladung in die Mutzone, ihrem Manifest zum „Nein-Sagen“ oder ihrer Diagnose zu „Angst in Organisationen“ – Florence Guesnet konfrontiert Gewohnheitstiere, Verzagte und Zyniker*innen mit ihrem Aufruf und ihrer Anleitung zu mehr Mut. Ein Buch, dass ich allen in Verantwortung und Führungspositionen von Herzen empfehlen möchte.“

Dr. Markus Klimmer

Deputy Chair von HH2E

„Führung braucht Mut. Als Geschäftsführer der Magnetec spüre ich das jeden Tag: unsere Schlüsseltechnologie für Entkarbonisierung bietet uns riesige Wachstumschancen, die wir systematisch und mit viel Mut nutzen. Dieses Buch inspiriert, befähigt und unterstützt Menschen, die mehr bewirken wollen, Widerstände zu überwinden und überalterte Systeme zu transformieren. Die Mischung persönlicher Geschichten aus dem Konzernleben mit Coaching-Werkzeugen überzeugt und bewegt.“

Marc Nicolaudius

Geschäftsführer der Magnetec Group

INHALTSVERZEICHNIS

Einführung

1. Teil: Individueller Mut

Was ist Mut?

Mut formt! Unser Leben.

Mut ist lernbar

Mut – wozu?

Und noch ein Mut-Macher: Neugierde

Was sind wesentliche Mutfresser?

Wenn Misstrauen und Herabsetzung dominieren

Deinen inneren Kompass stabilisieren

Die Situation ist unübersichtlich

„Stahlbeton-Umfeld“

Menschen, die Angst auslösen

Die Mutzone – von der Angst zum Handeln

Erster Schritt in die Mutzone: „Angst-Neugierde“

Zweiter Schritt: Hand aufs Herz! Die Hotline zu deinen Wünschen

Dritter Schritt: Realitäten wahrnehmen!

Der vierte Schritt: Der Entschluss

Der fünfte Schritt: der magische Moment

Dein Zukunfts-Camp

Mindset für Mut

Mut-Buchhaltung

Mutschmelztiegel: Persönliche Mutlegenden

Innere Glaubenssätze

Mutiger Umgang mit Fehlern

Akzeptanz, Verzeihen und Selbstliebe

Mutmacher für die ganz besonderen Momente

Chancen sehen statt in Dramen quälen

Der Zauber von „Nein“

Dein Körper kann dir helfen

„Nach dem Mut“ visualisieren

Das richtige Timing

Aua, das tut weh! Oder auch nicht.

Dein Mut und die anderen

Respekt vom Harvard-Professor

„Halt einfach mal den Mund!“

Progressiv kommunizieren

Intrigen, Giftigkeiten und solche Realitäten

„Du bist aber mutig!“ Von der Einsamkeit der Mutigen

Verbündete finden und aktivieren

2. Teil: Mut in Organisationen

Wie schaffst du ein mutiges Umfeld?

Mut in der VUCA-Welt

Mut und Vertrauen und Führung

Führung, Mut und Moral

Höher, schneller, weiter – was leitet uns?

Angst in Organisationen

Ängste wegen externer Entwicklungen

Intern verursachte Ängste

Kompass einer mutigen Organisation: Sog, Leitlinien und eine Strategie

Grundlagen herstellen: warum, was und wie?

Das Erfolgsbild „malen“

Das „Wie“ verabreden: Werte, Leitlinien, Governance

Strategie entwickeln und umsetzen

Ziele, die für alle passen

Der Kompass und die VUCA-Welt

Mut-Werkzeuge für viele

Verbindlichkeit herstellen

Wir oder ich?

Ergebnisse statt Seilschaft

Etikettierungen und Urteile weglassen

Menschen zu mehr Mut führen

Im Team zum Mut einladen

Einzelne ermutigen

Zur Seite treten, bitte

Die Mutigen fördern

Nochmals: Fehlerfixierung ist Führung für Anfänger*innen

Mut zur Veränderung – wenn es größer werden muss

Hoch den Arsch: wenn das Haus brennt

Mut für Innovation und Wandel – für die Bewahrer

Mut für Innovation und Wandel – für die Rebell*innen

Scheitern gehört dazu

Kein Kinderspiel, aber auch kein Hexenwerk: Zivilcourage

Über mich

Schlusswort

EINFÜHRUNG

Da ist er: Der Moment, in dem wir Widerstände, Ängste und Risiken spüren, und doch unsere Kräfte sammeln, den Entschluss fassen und über diese Kluft hinwegschreiten. Das Ergebnis ist unbekannt, wir sind nur entschlossen, ins Risiko zu gehen und aktiv zu werden. Weil wir für unsere Werte einstehen, eine Neugierde befriedigen, eine Sehnsucht erfüllen wollen. Das ist Mut.

Über mich selbst habe ich immer wieder gesagt: „Ich bin die mutigste ängstliche Person, die ich kenne“. Ja, ich bin sehr aufmerksam gegenüber Risiken und unerwünschten Ergebnissen. Die Worte „gefährlich“, „ich fürchte“ oder „aufpassen“ höre ich in meinem Kopf und aus meinem Mund sehr oft. Dennoch haben mich immer wieder Menschen in meinem Umfeld mutig genannt und darin bestärkt, auch anderen Kraft und Inspiration zu bieten, um im Zweifel die Angst loszulassen und stattdessen Mut zu fassen. Meine mutigen Wege bin ich als junger Mensch in der Politik gegangen, später als Führungskraft in internationalen Unternehmen. Meine mutigen Wege und Talente haben mich nicht zur Bundeskanzlerin, Vorstandsvorsitzenden oder Volksheldin gemacht – sondern zu einer erfolgreichen Managerin, einem gefragten Coach und zu einer glücklichen Mutter und Ehefrau mit drei Kindern. Mit vielen Erfahrungen und Entscheidungen, die für andere Menschen in ähnlichen Kontexten relevant sein können – und die ich für dich, liebe*r Leser*in, in diesem Buch aufgeschrieben habe.

Ich treffe auf sehr viele Menschen, die „der Mut verlassen hat“ – die den schmalen Weg gehen, der ihnen von Sachzwängen, eifersüchtigen Kollegen oder opportunistischen Vorgesetzten noch offengelassen wird. Diese Menschen sind mental erschöpft und frustriert. In vielen Organisationen ist das leider die vorherrschende Kultur – keiner sagt mehr irgendetwas „Wahres“ und Authentisches, da es als unerwünschte Kritik und als Rütteln an einem labilen Gleichgewicht empfunden wird. Das Resultat sind Organisationen, die auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner, mit mittelmäßigen Ergebnissen und kraftlosen Mitarbeiter*innen unterwegs sind. Organisationen, in denen Führungskräfte sehr oft sagen: „Ich muss mir meine Schlachten aussuchen“ („choosing my battles“) – also eigentlich viele Konflikte sehen, jedoch nur für ganz wenige die Kraft zur konstruktiven Lösung aufbringen. Dieser fehlende Mut zur Auseinandersetzung, zum Ringen um den richtigen Weg, zum Verlassen des Vertrauten – den möchte ich mobilisieren. Das mache ich in Coachings, in Workshops und Trainings – und hoffentlich auch mit diesem Buch.

Viele der Beispiele und Geschichten in diesem Buch beziehen sich auf meine Erfahrungen in Unternehmen – entweder als deren Führungskraft oder als Beraterin und Coach. Deshalb kann diese Lektüre für Menschen, die in mittleren und großen Unternehmen tätig sind und dort Einfluss anstreben oder auch schon haben, eher zugänglich und von großer Relevanz sein. Jedoch sind die in diesem Buch beschriebenen Konzepte und Strategien auch auf viele andere Lebensbereiche übertragbar, damit du auch in der Familie, im Privatleben oder bei deinem Engagement in der Gesellschaft den mutigen Weg erkennen und gehen kannst.

Mein Kernanliegen mit diesem Buch: unsere Welt, unsere Mitmenschen und wir selber brauchen Mut für die Zukunft. Ich möchte dir Gedanken und Ideen anbieten, die den Weg in den Mut leichter machen. Damit du nicht auf verpasste Gelegenheiten zurückblickst und wir in unseren Teams nicht so oft sagen: „Hättest du das mal früher gesagt“, und wir als Gesellschaft nicht damit konfrontiert sind, dass die mutigen Zurückhaltenden von aggressiven Ängstlichen überrannt werden. Ob privates Glück, ob beruflicher und geschäftlicher Erfolg oder gleich die Rettung der Welt: Ohne Mut geht es nicht.

Redaktionelle Hinweise:

Alle Geschichten, die ich hier teile, haben sich (in meiner Wahrnehmung) so zugetragen. Viele Namen (Personen und Firmen) sind geändert, um Persönlichkeitsrechte der Menschen zu schützen und wurden dann mit einer Fußnote gekennzeichnet.

Alle Menschen ansprechen – wie halte ich es mit dem Gendern? Der *Stern ist meine Lösung. Da ich oft von konkreten Situationen spreche, in denen vielleicht gerade nur ein Geschlecht anwesend war, ist nicht überall ein Stern. Und vielleicht habe ich auch zur Abwechslung einfach mal nur von Frauen oder Männern gesprochen. Freue mich über jedes Feedback zu meiner Herangehensweise. Ich lerne gerne.

1. TEIL: Individueller Mut

WAS IST MUT?

Mut ist die Kapazität, Angst zu überwinden, auch wenn dabei un angenehme, schmerzhafte oder schwer kalkulierbare Folgen auftreten können.

Mut erfährst du in diesem faszinierenden Moment, in dem du die inneren Widerstände, die Angst, die Unsicherheit spürst – oft als Knoten im Bauch – und dann, vielleicht innerlich bebend, in die Aktion gehst. Das Herz klopft bis zum Hals, das Adrenalin rauscht durch deinen Körper, du spürst noch die Angst, die hast du aber auf die hinteren Plätze verwiesen. Und du handelst. Das ist Mut. Den brauchst du, wenn du in einer dir unbekannten Gruppe die Stimme erhebst, wenn du jemand Machtvollerem widersprichst – oder wenn du nicht weißt, ob du gerade in eine scharfe oder laffe Chili beißt.

Faszinierend an Mut ist, dass er nicht die Abwesenheit von Angst bedeutet, sondern genau die Angst wahrnimmt. Mut ermöglicht mir, die Angst wahrzunehmen und mich für ihre Überwindung zu entscheiden. Für ein mir wichtiges Ziel, einen Wert, ein Prinzip zu handeln. Das ist Mut. Daher ist Mut auch sehr individuell – es ist deine Fähigkeit, dein persönliches Zögern, deine individuelle Angst, deine Sorgen wahr zunehmen und in das Risiko zu gehen und die Anstrengung auf dich zu nehmen.

Mut ist bei jedem von uns unterschiedlich ausgeprägt. Ich bin Menschen begegnet, die ohne mit der Wimper zu zucken Millionen Euro für eine Werbekampagne ausgegeben haben, sich aber nicht trauten, ihrem Chef zu widersprechen.

Da gibt es den „körperlich Mutigen“, der bei Skifahren, Mountainbiken, im Zweikampf beim Fußball gerne ins Risiko geht, und über den Zuschauer dann vielleicht sagen würden „das würde ich mich nie trauen“. Die gleiche Person kann aber auch sozial sehr unmutig sein und Angst haben, vor einer großen Gruppe die Stimme zu heben.

Deswegen: niemand ist immer und überall mutig. Und was uns als Mut erscheint, ist für die „mutige“ Person vielleicht alltäglichste, sogar langweilige Routine. Dein Mut führt dich aus deinen persönlichen Ängsten heraus, und den kannst du mobilisieren, trainieren, stärken. Hierzu lade ich dich mit diesem Buch herzlich ein.

MUT FORMT! UNSER LEBEN.

Seit etwa drei Jahren beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema „Mut“. Mich treibt die Frage, welche Rolle „Mut“ für gesellschaftlichen, organisatorischen und persönlichen Fortschritt einnimmt. Und da meine immer stärkere Überzeugung ist, dass mutiges Handeln eine Schlüsselrolle hat, versuche ich herauszubekommen, wie wir Mut stärken können. Da betreibe ich keine empirische Primärforschung, sondern führe Interviews, lese Ratgeber, wissenschaftliche Erläuterungen und ziehe die mutmachenden Methoden aus meinen Fortbildungen und Trainings. In vielen Gesprächen finde ich heraus, was Mut für Menschen bedeutet, wie Führungskräfte ihn nutzen und wie sie ihn fördern. In Gesprächen mit CEOs, mit Selbständigen und mit Politiker*innen sind wir meist miteinander beeindruckt, wie Mut den Lebensweg formt, wir ihm ganz große Chancen und Weichenstellungen verdanken. Ob es das „Du, ich finde dich gut“ an den Grundschulschwarm, ein „ich mache das jetzt“ für die Bewerbung um die CEO-Rolle, oder um das Mutterwerden geht: – ohne Mut hätte es diese wunderbaren, erfüllenden, fordernden Geschehnisse danach nicht gegeben.

Einer meiner prägendsten Mut-Momente hatte massiven Einfluss auf meine Karriere.

Mal wieder verdrehten wir alle die Augen, sobald Ulrich Rehbein 1 den Raum verlassen hatte. „Dieses Micro-Management treibt mich in den Wahnsinn“, sagt Dick, der Finanz-Direktor. „Wie kann man nur so viel austeilen, und so wenig fragen?“, regt sich Kathrin auf. Und so weiter und so fort. Ulrich ist der Geschäftsführer unserer Geschäftseinheit, wir sind das weltweite Management-Team eines 1-Milliarde-€-Geschäfts. Er ist ein genialer Führer: strategisch, willensstark, immer mit dem richtigen Riecher für Chancen und Risiken und mit viel operativer Tiefe und unendlich viel Energie. Letztere trieben uns eher in den Wahnsinn bzw. in eine gewisse Frustration und Leistungsschwäche, da wir nicht das Gefühl hatten, dass er uns persönlich und/oder professionell voll vertraute. Gleichzeitig war Ulrich für mich ein genialer Chef: uneigennützig, engagiert, fordernd.

Obwohl Ulrich mein Traumchef war, entschied ich mich, das Angebot einer anderen Firma anzunehmen und zu kündigen: aus professioneller Neugierde (dazu später mehr), Heimweh (wir waren seit sieben Jahren im Ausland unterwegs) und weil wir für unsere Kinder wieder ein stabileres Umfeld wollten. Mein willensstarker Chef lud mich also zum Abendessen ins schickste Restaurant der Stadt ein. Als ich ins Auto einstieg, meinte er nur: „Heute Abend werde ich dich überzeugen, dass du nicht kündigst“. Ich entgegnete: „Heute Abend wirst du verstehen, dass ich kündige“. Einige Stunden später hatte ich mein Ziel erreicht, er seins nicht. Plötzlich meinte Ulrich: „Da das ja nun geklärt ist – mich interessiert dein Feedback. Wie siehst Du meine Arbeit, mich als Führungskraft und was könnte ich besser machen?“ Ich begann mit all seinen positiven Eigenschaften, das war einfach und sehr komfortabel für uns beide. Als ich damit „durch“ war, nahm ich all meinen Mut zusammen. Ich dachte nur noch dran, wie viel besser Ulrich noch werden könnte, wenn er seine „blind spots“ kennen würde. Und sicherlich konnte auch nichts wirklich schiefgehen, da ich sowieso kündigen würde. Also bot ich ihm anhand diverser Beispiele einen Spiegel seiner schwachen Verhaltensweisen. Immer wieder guckte er mich ungläubig an und sagte: „Ich kann nicht glauben, dass ich das so mache. Das ist doch völlig inakzeptabel.“ Am Schluss wunderte er sich nur noch, dass ich die erste war, die ihm diesen Spiegel angeboten hatte – und hat sich x-mal für meine Offenheit und meinen Mut bedankt.

Meine große Bewunderung für Ulrich wuchs an dem Abend nochmals – eine solche Größe und Selbstkritik hatte ich nicht erwartet. Und wie ging es weiter? Na ja, ich habe gekündigt, und Ulrich hat sich laut meiner Kollegen schon bemüht, sich zu verbessern. Aber ich war ja weg. Viele Jahre später klingelt mein Telefon im Büro. „Ja, hallo, hier ist Klaus Färber* von der Firma* in New York. Unser neuer CEO, Ulrich Rehbein, hat mir gesagt, ich soll sie finden. Für eine Aufgabe in Paris. Wären Sie zu einem Gespräch bereit?“ Ja, das war ich. Mein aktueller Job hatte sich und mich vollständig erschöpft und mein Hunger nach einer nächsten Lernkurve war riesig. In Ulrichs Firma wurde ich Vice President für mein Fachgebiet in Europa und konnte im europäischen Führungsteam eine Schlüsselrolle einnehmen. Auch getragen von einer der berührendsten Aussagen eines Chefchefs, die ich je gehört habe: „I will always trust you“. Mein Mut hat mich vertrauenswürdig gemacht. Auf Vertrauen kann man bauen.

1 Name geändert

MUT IST LERNBAR

„Mut ist die Kapazität, Angst zu überwinden, auch wenn dabei unangenehme, schmerzhafte oder schwer kalkulierbare Folgen auftreten können.“ In meinem Verständnis ist mutiges Verhalten lernbar. Ja, Mut ist keine Charaktereigenschaft.

Der Schlüssel zu mehr Mut in deinem Leben ist das Mut-lernen-wollen. Was passiert, wenn du lernst? Ganz simpel gesagt – du sorgst für neue Verknüpfungen in deinem Hirn und mit deinem Körper, die für neues Wissen, neue Fertigkeiten, neue Einstellungen sorgen. Und umso mehr du neue Verknüpfungen aufbaust und nutzt, desto besser und sicherer kannst du das neue Wissen nutzen, etwas Neues bewerkstelligen, dich anders verhalten, mit einer frischen Einstellung an das Leben gehen. So fasst es die Motivationsforscherin Brohm-Badry zusammen ( Jule Lutteroth: Chef oder Grizzly. In: Spiegel Wissen, Ausgabe 1/2022, Seite 89): „Mut kann man lernen, indem positive Erfahrungen gemacht werden. Unser Gehirn lernt, wenn man eine Herausforderung gut bewältigt oder positive Erlebnisse mit Menschen hat und sich mit guten Dingen umgibt. Diese Erfahrungen sind der Schlüssel.“

Und so wird mutiges Verhalten durch lauter „kleine“ Mutproben immer einfacher: Denn wenn du dich mit dem Risiko vertraut machst, und neues Handeln lernst, hast du immer weniger und seltener Angst, für deren Überwindung du Mut aufwenden müsstest. Deswegen wird mit Menschen, die besonders hohe Risiken eingehen müssen, so unheimlich viel geübt, gedrillt, wiederholt. Ob im militärischen, gesundheitlichen, sicherheitsrelevanten Berufen: Situationen werden simuliert, Handlungen eintrainiert, damit Krisensituationen sich vertraut anfühlen, man Routinen nutzen kann und angstfrei agieren kann.

So funktioniert auch Training in der Zivilcourage: Ich übe kritische Situationen, probiere Verhaltensweisen aus, und wiederhole sie, bis sie vertraut sind. So dass ich die schwierigen Situationen klug erfasse und dann die richtigen Schritte unternehmen kann.

„Die Mutzone – von der Angst ins Handeln” (ab Seite 26) hier lernst du die Schritte, mit denen du deinen Mut für dich mobilisieren kannst. Du kannst deinen Mut nachhaltig stärken, indem du …

selbst-bewusst bist und klar hast, was du in deinem Leben willst (und was nicht);

Angst wahrnimmst und nicht „wegdrückst“;

Fehler und Risiken realistisch einzuschätzen lernst;

deinen wachsenden Mut wahrnimmst und schätzen lernst;

viel übst, was dir schwerfällt /dir Angst macht;

erlebst, dass auch andere Mut haben;

Menschen bittest, dich in deinem „Mut lernen“ zu unterstützen.

Und warum möchtest du Mut lernen? Weil manchmal das, was du wirklich, wirklich möchtest sich nicht in deiner Komfortzone befindet. Auf zu neuen Ufern ...

MUT – WOZU?

Mut mobilisierst du aus drei großen Gründen:

Mut für dich selbst: Du hast für dich persönliche Ziele und Sehnsüchte, bringst den Mut auf, diese anzugehen (z. B. ein sportliches Ziel, ein Auslandsaufenthalt, ein nächster Bildungsabschluss oder auch der Flirt mit Kim). Deine „Begehren“ für deine Lebensgestaltung geben dir Kraft für den Mut.

Mut für „es“: Du hast ein „Projekt“, an das du glaubst und das du verwirklicht sehen möchtest. „Der Sog“ dieser Idee motiviert dich, Mut zu finden.

Mut für andere: Du hast klare Vorstellungen, wie sich das Leben in deinem Umfeld, in unserer Gesellschaft gestalten soll – und wie nicht. Die vorrangige Motivation ist deine soziale, politische und gesellschaftliche Verantwortung.

In der Realität können sich diese Motivationen vermischen und überlappen und sind nicht trennscharf zu beobachten. Der Gründer eines Start-ups für eine bahnbrechende Heilungsmethode verwirklicht vielleicht gleichzeitig sehr progressive Vorstellungen zur Mitarbeitereinbindung und träumt gleichzeitig von dem Multi-Millionen-Payout beim Börsengang.

Ich weise auf diese drei Motivationen hin, weil sie alle legitime und notwendige Formen des Muts sind, jedoch in jedem von uns in unterschiedlichem Ausmaß ausgeprägt sind. Diese Unterscheidung kann dir helfen zu verstehen, welcher Mut dir leichtfällt und wo du vielleicht in Zukunft mehr Mut aufbringen möchtest.

UND NOCH EIN MUT-MACHER: NEUGIERDE

„Zwischen Mut, Übermut und Todesmut“ lautet die Überschrift in einem Artikel „Am eigenen Leib“ (Schmitt, Stefan: Am eigenen Leib. In: https://www.zeit.de/2018/29/wissenschaftliche-selbstversuche-geschichte[aufgerufen am 15. Juli 2018]) über wissenschaftliche Selbstversuche. Getrieben von wissenschaftlicher Neugierde haben Menschen Stiere auf sich zurasen lassen, einen Cocktail mit Gastritis-auslösenden Bakterien getrunken, sich von einer Mücke mit Gelbfieber infizieren oder einen mit Olivenöl eingeschmierten Gummischlauch von der Armvene bis zum Herzen schieben lassen. Letzteres führte zur Erfindung des Herzkatheters im Jahre 1929. Das sind nur ein paar mehr oder weniger schauerliche Beispiele, wozu Neugierde uns bringen kann: In der Komfortzone spielt sich hier gar nichts ab!

Neugierde bewegt uns in die Wachstumszone – und auch hier müssen Risiken abgewogen, Ressourcen mobilisiert werden. Wir überwinden Angst, indem wir unser Herz nach unserer Überzeugung fragen. So befriedigen wir unsere Neugierde mit mutigem Handeln. Wir lernen Neues, probieren Ungewohntes, entdecken Unbekanntes.

Mutter-sein ist für mich ein riesiges Neugierde-Projekt: Was passiert in der Schwangerschaft, wie ist eine Geburt, welcher Mensch kommt da zu uns und wie geht es dann weiter? Wie fühlt sich Mutterliebe an, wie entwickelt die sich? So unendlich spannend, überraschend, schwierig und schön. Das schönste Abenteuer meines Lebens, das einfach immer weiter geht.

In meiner Arbeit treibt mich die Neugierde. Ich habe Unternehmen verlassen, weil alles für mich zu vertraut und bekannt war. Fünf Jahre nachdem ich Procter & Gamble den Rücken gekehrt hatte, kam es zu einem wunderbar melancholischen Abendessen mit meinen wichtigsten Kolleginnen – und die Gesprächsthemen waren dieselben wie das halbe Jahrzehnt zuvor. Da wusste ich, ich hatte den richtigen Schritt gemacht.

Was sind deine Neugierden, für die du deinen Mut mobilisieren möchtest?

Mutiges Handeln formt dein Leben, mit Mut kannst du Weichen stellen. Mut ist keine Charaktereigenschaft, mit der du geboren bist. Du kannst mutiges Handeln bewusst aktivieren und die Motivation hierfür kann ein persönliches Ziel sein, ein dir wichtiges Projekt oder eine Verantwortung, die du erfüllen möchtest. Außerdem ist die pure Neugierde, das „wissen-wollen“ oft ein Mutmacher.

WAS SIND WESENTLICHE MUTFRESSER?

So sehr wir Mut üben, aufbauen und stärken können, so verletzlich ist er auch. Es gibt Umstände, die unseren Mut schwächen. Jede*r kann sich vorstellen, dass z. B. in Zeiten von politischer Unterdrückung Menschen sich weniger trauen, ihre politische Meinung zu artikulieren – das Risiko wird als zu groß empfunden. Und viele von uns haben schon erlebt, wie ein tyrannischer Chef jedes offene Gespräch, den Austausch von Ideen und Einbringen verschiedener Meinungen unterdrückte.

1. Du fühlst dich isoliert und einsam. Misstrauen, Herabsetzungen bis hin zu Demütigungen dominieren. Wenn die Verbindung zu anderen fehlt, bist du weniger mutig. Es fehlt das vertrauensvolle Gespräch, mit dem du das tiefere Verständnis der Situation erlangst und mit dem du Handlungsoptionen abwägst. Die Wertschätzung, das „Gesehen werden“ fehlen, und das unterhöhlt den Mut. Fehlende Verbindung heißt auch weniger Unterstützung und Stärkung durch andere.

2. Dein innerer Kompass dreht durch: Gesundheitliche, persönliche oder berufliche Krisen, massiver, andauernder negativer Stress können einen durcheinanderbringen. Was ist dir wichtig, was brauchst du, wann geht es dir gut, was willst du? Wenn dir diese Antworten fehlen, ist es schwer, deinen Mut zu mobilisieren – der braucht deine Orientierung und Klarheit.

3. Die Situation ist unübersichtlich. Widersprüchliche Anforderungen und Ziele, wechselnde Strategien in deinem Umfeld, dein Erleben und was andere sagen, passen überhaupt nicht zusammen: Es ist zu schwer, das „Gelände“ für deine Mut-Schritte zu verstehen.

4. „Stahlbeton-Umfeld“: Ob im Beruf oder privat – wenn du nur von Menschen umgeben bist, die sich gut fühlen, wenn sich nichts verändert, und sogar aggressiv auf Veränderung reagieren, dann wird es schwierig mit dem Mut. Deine Bedürfnisse nach Wachstum und Veränderung, und der Mut, den du hierfür aufbringst, bedroht in der Wahrnehmung dieser Menschen ihre Bedürfnisse nach Stabilität, Sicherheit, Vertrautheit.

5. Menschen, die dir Angst machen. Dies sind oft Menschen, die auf dem Spektrum eine starke Ausprägung Richtung narzisstische Störung haben. Bei diesen Menschen ist „Bewunderung“ die Währung der menschlichen Beziehung. Deswegen gibt es das schöne Sprichwort „Gott verzeiht, ein Narzisst nie.“ Das macht dir vielleicht Angst?

Was tun?

WENN MISSTRAUEN UND HERABSETZUNG DOMINIEREN

Wir sind so intelligent, weil es schwierig ist. Es ist nicht schwierig, weil wir intelligent sind.

Autor*in – leider unbekannt.