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Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. Andrea von Lehn umarmte ihren Mann stürmisch, während drei Hunde aufgeregt bellend ihren heimgekehrten Herrn umsprangen. Etwas im Hintergrund wartete das Hausmädchen Marianne, das den Kronprinzen der jungen glücklichen Familie, das Peterle, an der Hand hielt. »Vier Tage Trennung, das ist einfach zu lange für mich«, sagte der Tierarzt Dr. Hans-Joachim von Lehn zu seiner Frau und küsste sie rasch noch einmal, ehe er sie freigab und die Hunde summarisch mit ein paar freundlich-beruhigenden Worten begrüßte. Die mächtige schwarze Dogge Severin sowie Munko, ein Schäferhund, waren sogleich still, während der Dackel Waldi unbekümmert weiterkläffte, um der Freude über das Wiedersehen lautstark Ausdruck zu verleihen. Es dauerte auf diese Weise eine Weile, ehe die gewohnte Ordnung im Haus wieder einkehrte, denn selbstverständlich wollte auch Janosch, der alte Tierpfleger, seinen Doktor begrüßen. Endlich trug der Heimkehrer sein Söhnchen, das trotz der vorgerückten Abendstunde noch nicht ins Bett wollte, ins Kinderzimmer. Andrea und Marianne hatten alle Hände voll zu tun, um den kleinen Wildfang zu bändigen und schlafen zu legen. Verspätet setzten sich Dr. von Lehn und seine Frau zum Essen, und nun konnte endlich die Gemütlichkeit zu ihrem Recht kommen, auf die der Tierarzt sich während der langen Autofahrt schon gefreut hatte. »War die Tagung interessant, Hans-Joachim?«, erkundigte sich Andrea und rückte die Salatschüssel in Reichweite ihres Mannes. »Ja, sowohl die Vorträge als auch die verschiedenen Diskussionen. Zwar hast du mir wahnsinnig gefehlt, aber ich möchte das, was ich hinzugelernt habe, keinesfalls missen, kleine Andrea. Übrigens habe ich Martin Brixen getroffen. Du erinnerst dich?« »Gewiss, er war doch mit
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Andrea von Lehn umarmte ihren Mann stürmisch, während drei Hunde aufgeregt bellend ihren heimgekehrten Herrn umsprangen. Etwas im Hintergrund wartete das Hausmädchen Marianne, das den Kronprinzen der jungen glücklichen Familie, das Peterle, an der Hand hielt.
»Vier Tage Trennung, das ist einfach zu lange für mich«, sagte der Tierarzt Dr. Hans-Joachim von Lehn zu seiner Frau und küsste sie rasch noch einmal, ehe er sie freigab und die Hunde summarisch mit ein paar freundlich-beruhigenden Worten begrüßte. Die mächtige schwarze Dogge Severin sowie Munko, ein Schäferhund, waren sogleich still, während der Dackel Waldi unbekümmert weiterkläffte, um der Freude über das Wiedersehen lautstark Ausdruck zu verleihen.
Es dauerte auf diese Weise eine Weile, ehe die gewohnte Ordnung im Haus wieder einkehrte, denn selbstverständlich wollte auch Janosch, der alte Tierpfleger, seinen Doktor begrüßen.
Endlich trug der Heimkehrer sein Söhnchen, das trotz der vorgerückten Abendstunde noch nicht ins Bett wollte, ins Kinderzimmer. Andrea und Marianne hatten alle Hände voll zu tun, um den kleinen Wildfang zu bändigen und schlafen zu legen.
Verspätet setzten sich Dr. von Lehn und seine Frau zum Essen, und nun konnte endlich die Gemütlichkeit zu ihrem Recht kommen, auf die der Tierarzt sich während der langen Autofahrt schon gefreut hatte.
»War die Tagung interessant, Hans-Joachim?«, erkundigte sich Andrea und rückte die Salatschüssel in Reichweite ihres Mannes.
»Ja, sowohl die Vorträge als auch die verschiedenen Diskussionen. Zwar hast du mir wahnsinnig gefehlt, aber ich möchte das, was ich hinzugelernt habe, keinesfalls missen, kleine Andrea. Übrigens habe ich Martin Brixen getroffen. Du erinnerst dich?«
»Gewiss, er war doch mit deinen Eltern befreundet. Einmal habe ich ihn persönlich kennengelernt. Sonst weiß ich nur vom Hörensagen etwas über ihn. Er hat eine schöne Frau, nicht wahr?«
Hans-Joachim nickte. »Schön, anspruchsvoll und extravagant. Sie hat ihren Mann begleitet. Ich hatte den Eindruck, dass sie nur mitgekommen war, weil sie sich in dem kleinen Nest auf der Schwäbischen Alb, wo Martin seine Tierarztpraxis hat, sträflich langweilt.«
»Sind Kinder da?«, wollte Andrea wissen und meinte dabei, den großen breitschultrigen Dr. Martin Brixen leibhaftig vor sich zu sehen.
»Sie haben eine fünfjährige Tochter. Martin hängt sehr an dem Kind. Er rief jeden Tag zu Hause an, was die Mutter übertrieben fand. Senta Brixen macht sich offenbar nur wenig aus dem kleinen Mädchen, von dem Martin mir reizende Bilder zeigte.«
»Und wie ist die Ehe?«, warf Andrea ahnungsvoll ein. »Das alles klingt so, als sei da nicht gerade schönste Harmonie und Eintracht zu finden.«
»Martin sprach sich nicht offen darüber aus, aber ich konnte deutlich spüren, dass zwischen ihm und seiner Frau eine starke Spannung besteht. Es tut mir wahnsinnig leid um ihn. Er hätte wahrhaftig eine andere Frau verdient.«
Andrea sah ihren Mann mit ihren ausdrucksvollen blauen Augen an. »Da kannst du wieder einmal sehen, was für ein Glückspilz du bist«, kam es mit gut gespieltem Ernst über ihre Lippen. »So ein Prachtexemplar wie ich ist absolut einmalig.«
Hans-Joachim lachte. »Soll ich dir gestehen, dass das die reine Wahrheit ist, du entzückendes, größenwahnsinniges Weib? Ich hatte nicht den Mut, dem armen Martin allzu viel von hier zu erzählen. Als ich unser Tierheim Waldi & Co. erwähnte, packte ihn regelrecht der Neid. Gar zu gern würde er auch so etwas auf die Beine stellen, aber seine Frau duldet nicht einmal ein Kätzchen oder einen Hund im Haus. Mit der Praxis mag sie auch keinen Kontakt haben. Außerdem stört es sie, dass ihr Töchterchen die Zuneigung zu Tieren vom Vater geerbt hat. Der Beruf ihres Mannes ist für diese Frau nur eine Einnahmequelle.«
»Warum hat er sie dann überhaupt geheiratet?«, fragte Andrea etwas verständnislos. »Es ist doch wichtig, dass man sich in der Ehe auf allen Gebieten versteht.«
Hans-Joachim lächelte und hob die Schultern. »Manchmal macht eine erste stürmische Leidenschaft blind. Ich muss auch sagen, dass Senta Brixen eine Frau ist, an der kaum ein Mann vorübergehen würde, ohne sich wenigstens einmal nach ihr umzuschauen.«
»Du auch?«, rief die gertenschlanke junge Hausfrau leise aus. »Hast du mir etwa ein Geständnis zu machen?«
»Was willst du jetzt hören, Andrea? Soll ich dir von meinen Abenteuern am Rande der Tagung berichten? Natürlich habe ich mich nur in Nachtbars aufgehalten und dein Haushaltsgeld für die nächsten beiden Monate mit leichtsinnigen Mädchen durchgebracht. Peterle muss jetzt trockenes Brot essen.«
Andrea lachte hellauf. »Kann ich mir lebhaft vorstellen«, behauptete sie strahlend. »Ich kenne dich ja, du schwarze Seele.«
Hans-Joachim von Lehn stand auf und küsste seine temperamentvolle Frau. »Scherz beiseite, Andrea. Manchmal weiß ich nicht, was ich tun soll, um unser Glück festzuhalten. Ein Verhältnis wie das zwischen dir und mir ist ja keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Geschenk des Himmels. Martin Brixen mochte ich gar nicht erzählen, wie erfüllt und harmonisch für uns jeder einzige Tag ist.«
Die beiden schauten einander an und wussten um ihre große Liebe. Nach dem Essen unternahmen sie Arm in Arm einen Rundgang durch den großen Garten, auf dem sich auch das Tierheim befand, dessen Chef und Namenspatron der Dackel Waldi war. Im eingezäunten Freigehege sahen sie das Reh Bambi, das sofort ans Gitter kam.
»Was für eine friedvolle Welt«, sagte Hans-Joachim leise. »Waren deine Eltern einmal hier in den letzten Tagen, Andrea?«
»Ja, am Sonntag. Sie brachten Nick, Henrik und noch einen Trupp Kinder aus Sophienlust mit – wie gewöhnlich. Langweilig ist es mir nicht geworden. Trotzdem hast du mir gefehlt.«
Der junge Mann zog seine Frau näher zu sich heran. »Jetzt bin ich wieder hier, Andrea. Und gar so bald werde ich auch nicht von Neuem verreisen müssen. Ein Tierarzt auf dem Land ist ja im Allgemeinen kaum abkömmlich.«
»Stimmt. Es war allerlei los während deiner Abwesenheit. Das Telefon klingelte pausenlos. Drüben in der Praxis liegt eine ganze Liste von Fällen, um die du dich gleich morgen früh kümmern sollst.«
»Ist etwas Eiliges dabei? Muss ich noch heute Besuche machen?«, erkundigte sich Hans-Joachim ohne sonderliche Begeisterung.
»Nein, ich habe alles an deinen Vertreter weitergeleitet und den Leuten klargemacht, dass du erst morgen wieder da bist.« Andrea lachte. »Wenigstens diesen Abend wollte ich dich für mich allein haben«, fügte sie zärtlich und verliebt hinzu.
Später, als sie wieder im Haus waren, kam die Rede noch einmal auf Dr. Martin Brixen und dessen Frau.
»Martin tut mir aufrichtig leid«, meinte Hans-Joachim. »Er behandelt seine Frau mit Höflichkeit und Nachsicht. Aber sie geht über ihn hinweg, als wäre er ein dummer Junge. Es war manchmal beinahe peinlich. Ohne sich zu genieren, flirtete sie mit den jüngeren Kollegen, die an der Tagung teilnahmen. Eine sehr patente Kollegin nannte sie die Tigerin. Ich gebe zu, dass das eine ganz treffende Bezeichnung ist.«
»Armer Dr. Brixen«, erwiderte Andrea halb im Scherz, halb im Ernst. »Tiger sind selbst dann noch unberechenbar, wenn man meint, dass man sie gezähmt hat.«
»Es mag zum Teil daran liegen, dass sie sehr reich ist. Sie hat von ihrem Vater ein beträchtliches Vermögen geerbt und lässt ihren Mann ständig fühlen, dass sie auf seine Einkünfte als Tierarzt durchaus nicht angewiesen ist.«
»Wenn sie finanziell unabhängig ist, könnte er sie doch an die frische Frühlingsluft setzen – seine Tigerin«, schlug Andrea vor.
»Du vergisst das Kind.«
»Ja, richtig, das Töchterchen. Außerdem soll es ja vorkommen, dass ein Mann gerade die Frau liebt, die ihn miserabel behandelt.«
Hans-Joachim schüttelte den Kopf. »Was du so alles weißt!«
»Ich bin kein Schulkind mehr, mein Lieber. Nach und nach bin sogar ich erwachsen geworden. Wer weiß, was für eine unselige Beziehung zwischen Dr. Brixen und seiner Frau in Wahrheit besteht. Grübeln wir nicht länger darüber nach, sondern gehen wir endlich schlafen. Ich bin müde, und du musst ebenfalls ziemlich angestrengt sein nach der langen Fahrt im Wagen.«
Der Tierarzt leerte sein Weinglas und verschloss die Haustür. Ein letzter kurzer Besuch des Ehepaares galt dem schlafenden Jungen in seinem Kinderbett. Der kleine Blondkopf seufzte einmal im Schlaf, und Andrea zog die Bettdecke liebevoll glatt.
Etwa eine Viertelstunde später erlosch auch im Schlafzimmer des Tierarztes das Licht. Die Nacht sank über das Anwesen. Mensch und Tier hatten sich zur Ruhe gelegt.
*
Senta Brixen saß am Steuer des aufwendigen Sportwagens und fuhr diesen, wo immer sich eine Möglichkeit ergab, voll aus. Dr. Martin Brixen lehnte etwas ermüdet neben ihr im Beifahrersitz. Seine Hand spielte nervös mit dem Sicherheitsgurt. Er war mit der Fahrweise seiner Frau nicht einverstanden, weil sie zu viel riskierte. Doch da er keinen Streit wollte, schwieg er.
»Die Tagung war langweilig«, stellte die schöne Frau jetzt geringschätzig fest. »Warum so etwas veranstaltet wird, ist mir schleierhaft.«
»Für mich und die Kollegen waren die Vorträge aufschlussreich und interessant. Die Wissenschaft schreitet ständig fort. Man muss sich auf dem Laufenden halten.«
»Als ob die Tiermedizin von so großer Bedeutung wäre«, spöttelte Senta. »Ist es denn wichtig, ob ein Kanarienvogel oder eine Kuh die Masern übersteht oder nicht? Ich weiß natürlich nicht, ob Vögel und Kühe Masern bekommen können. Es soll nur ein Beispiel sein.«
Der Tierarzt strich sich über die Stirn. »Es hat keinen Zweck, wenn wir darüber diskutieren, Senta. Du hältst meinen Beruf für überflüssig und nutzlos. Es wird mir auch heute nicht gelingen, dich vom Gegenteil zu überzeugen. Tiere bedeuten dir nichts. Du wirst niemals einsehen, dass sie einen wichtigen Platz in unserer Weltordnung haben, nicht anders als Menschen, Blumen, Wasser und Luft.«
»Tiere sind meistens schmutzig, riechen schlecht und übertragen ansteckende Krankheiten«, dozierte Senta ungerührt. »Na, lassen wir das. Es ist nun einmal dein Hobby, und du wirst dich nicht ändern. Wenigstens habe ich mir während der Tagung einmal ein bisschen Großstadtluft um die Nase wehen lassen können. In unserem armseligen Nest versauert man nach und nach gänzlich.«
Das war Sentas ständiges Klagelied. Sie konnte sich auch nach sechsjähriger Ehe nicht damit abfinden, dass sie mit ihrem Mann in einem kleinen ländlichen Ort lebte, wie es die ausgedehnte Landpraxis ihres Mannes nun einmal mit sich brachte.
Martin Brixen hatte sich angewöhnt, nichts zu entgegnen, wenn Senta in einer solchen Stimmung war. Er litt darunter, dass seine Ehe mit dieser bildschönen Frau nicht glücklich geworden war. Ihre Unzufriedenheit quälte ihn, und ihre Vorwürfe verletzten ihn mehr, als er vor sich selber zugeben mochte.
Senta war von ihrem Vater sehr verwöhnt worden. Alles, was sie sich gewünscht hatte, hatte sie von dem verwitweten Fabrikanten erhalten. Nach dessen Tod hatte sie sehr viel Geld geerbt. Für Martin Brixen war es wie ein Wunder gewesen, dass das exzentrische Mädchen seine Zuneigung erwiderte und ihn allen anderen Verehrern vorgezogen hatte. Manche Leute hatten allerdings genau wissen wollen, dass Senta unberechenbar, unstet und für eine Ehe völlig ungeeignet sei. Doch der zu dieser Zeit schon mehr als dreißig Jahre alte Tierarzt hatte sich nicht warnen lassen. Er war felsenfest überzeugt gewesen, dass er in Senta die Frau seines Lebens gefunden habe. Sie war zärtlich und verspielt gewesen wie eine junge Katze, hatte seinen Beruf romantisch gefunden und sich dafür begeistert, auf dem Land zu leben. Sie hatte ihm versichert, dass sie die Großstadt mit ihrem hektischen Getriebe hasse und von einer Idylle an der Natur träume. Damals hatte sie wohl selbst geglaubt, dass dies alles die Wahrheit sei.
Verlobung und Hochzeit waren rasch aufeinandergefolgt. Senta – leidenschaftlich verliebt – war mit einer Trauung in aller Stille einverstanden gewesen und hatte sich in den ersten Monaten ihrer Ehe intensiv damit beschäftigt, aus dem schlicht eingerichteten Haus Martin Brixens ein Domizil im englischen Landhausstil zu machen. Sie hatte antike Möbel gekauft, mit Innenarchitekten verhandelt, kostbare Gardinenstoffe bestellt und war glücklich gewesen, als sich ein Zimmer nach dem anderen nach ihren Vorstellungen verwandelt hatte. Dabei hatte sie wirklich einen guten Geschmack bewiesen. Das Innere des Doktorhauses war bildschön geworden, und ihr Mann war mit allem, was sie unternommen hatte, voll und ganz einverstanden gewesen.
Ein wenig verwundert hatte er dann festgestellt, dass Senta nicht an ein Kinderzimmer gedacht hatte. Ja, sie war ein wenig bestürzt gewesen, als sich die ersten Anzeichen einer Schwangerschaft schon bald bemerkbar gemacht hatten.
Heute musste sich Martin Brixen eingestehen, dass seiner Frau das Töchterchen unerwünscht gewesen war. Nur zögernd und ungern hatte sie einen kleinen Raum im oberen Stockwerk des Hauses als Kinderzimmer hergerichtet. Und als Maja zur Welt gekommen war, hatte sie das Baby der alten Hermine Steiner überlassen, die neben der Küche zwei kleine Zimmer bewohnte und den Haushalt des Doktors seit vielen Jahren gewissenhaft betreute.
»Jetzt haben wir es bald«, erklang Sentas Stimme in die Gedanken des Tierarztes hinein. »Hoffentlich hat Hermine alles in Ordnung gebracht und für das Abendessen gesorgt. Findest du nicht, dass sie allmählich etwas zu alt wird, Martin?«
»Wo sollte die gute Hermine hingehen, wenn wir sie nicht bei uns behalten, Senta? Vielleicht müssten wir daran denken, ihr eine Stundenhilfe zur Unterstützung zu verschaffen. Trennen möchte ich mich von Hermine nicht. Das wäre auch für Maja ziemlich einschneidend. Das Kind hängt mit großer Liebe an ihr.«
»Maja würde sich auch an eine andere Wirtschafterin gewöhnen. Bei dir dreht sich immer alles um das Kind.« Senta sagte es in vorwurfsvollem Ton.
»Lassen wir es, wie es ist«, entgegnete Martin Brixen mit Bestimmtheit. »Hermine versteht sich mit Tieren ganz gut. Sie geht mir ab und zu in der Praxis zur Hand. Ich kann auf ihre Hilfe nicht verzichten. Sie ist ja auch erst sechzig Jahre alt.«
»Meine Wünsche sind dir wieder einmal höchst gleichgültig«, stellte Senta kühl fest. »Aber ich füge mich natürlich.«
Wieder war die Spannung zwischen den Ehepartnern fast mit den Händen zu greifen. Senta presste die Lippen aufeinander und nahm die Abfahrt von der Autobahn in einer so scharfen Kurve, dass die Reifen auf dem Beton quietschten.
Martin Brixen gab sich Mühe, seinen aufwallenden Ärger zu unterdrücken, denn er wollte sich nun auf das Wiedersehen mit seinem Töchterchen einstellen.
Die letzten acht Kilometer der Fahrt legten die beiden zurück, ohne noch ein Wort miteinander zu wechseln. Dann tauchte das Haus des Landarztes zwischen dicht belaubten Bäumen auf. Ein kleines Mädchen mit schulterlangem Haar und großen grauen Augen rannte dem Wagen entgegen.
Senta Brixen bremste scharf. »Pass doch auf«, schalt sie. »Ich hätte dich überfahren können.«
Majas feines Gesicht umschattete sich. Ihre Unterlippe zitterte verräterisch.
»Ich …, ich habe mich so gefreut, dass ihr kommt, Mutti«, kam es unsicher aus dem Kindermund.
»Trotzdem kannst du dich vernünftig wie ein großes Mädchen benehmen«, äußerte die Mutter ungerührt. »Wir waren doch nur fünf Tage weg.«
»Es war sehr lange, Mutti«, seufzte das Kind und ging auf die andere Seite des Wagens, um seinen Vater zu begrüßen.
Martin Brixen stieg aus und hob Maja auf seine Arme. »Recht hast du, Majalein«, antwortete er zärtlich. »Mir ist die Zeit auch schrecklich lang geworden. Du hast mir sehr gefehlt.«
Maja schlang die weichen Ärmchen um den Hals ihres Vaters. »Telefonieren ist ganz schön«, meinte sie. »Aber mir gefällt es besser, wenn ihr ganz bei mir seid. Du, Vati, ich war bei Herrn Brauner und habe nach dem kranken Pferd geschaut. Es geht ihm schon viel besser. Aber du sollst morgen noch einmal vorbeikommen, weil das Pferd nicht richtig frisst.«
»Hast du mich würdig vertreten?«, erkundigte sich Martin Brixen und stellte Maja wieder auf ihre festen Beinchen.
»Das kann ich nicht, Vati«, entgegnete das Kind ernsthaft. »Aber ich wollte wissen, wie es dem Pferd jetzt geht.«
»Maja sollte sich nicht immer in fremden Ställen herumtreiben«, schalt Senta. »Solche Krankheiten können ansteckend sein.«
Ihr Mann wollte etwas einwenden, doch nun erschien Hermine Steiner vor dem Haus.
Die Haushälterin war eine zierliche Frau mit grauem Haar und lebhaften gütigen Augen von erstaunlicher Klarheit. »Willkommen daheim«, sagte sie mit einer gewissen Feierlichkeit.
Martin Brixen reichte ihr die Hand, während Senta ihr nur zunickte. »Ja, es ist gut, wieder hier zu sein«, meinte der Tierarzt zufrieden. »Nein, nein, die Koffer dürfen Sie nicht tragen, Hermine. Das ist meine Angelegenheit.«
»Wollen Sie mich schon zum alten Eisen tun, Herr Doktor?«, fragte Hermine und zwinkerte dazu mit den Augen.
Der Doktor überließ ihr die schweren Koffer trotzdem nicht, sondern transportierte sie selbst ins Innere des Hauses. Seine Frau fuhr den Wagen in die Garage, in der sich noch ein zweites Auto befand, ein robuster Mittelklassewagen. In diesem pflegte Martin Brixen seine Fahrten über Land auszuführen, während seine Frau den Sportwagen benutzte, mit dem sie auch oft weite Ausflüge unternahm.
Maja wich nicht von der Seite ihres Vaters. Sie jubelte in kindlicher Freude auf, als er ihr ein Mitbringsel überreichte.
»Herr Dr. Friedrich hat alle kranken Tiere behandelt, solange du weg warst«, sagte sie altklug. »Aber Herr Brauner ist froh, dass du nun wieder da bist. Und ich bin auch froh.«
»Der Kollege Friedrich war so nett, mich zu vertreten. Er hatte einen ziemlich weiten Weg und musste doppelt so viel arbeiten während meiner Abwesenheit, Majalein. Vielleicht hat er sich bei Herrn Brauner nicht so viel Zeit genommen wie ich. Aber das darf man ihm wirklich nicht übel nehmen.«
Maja legte ein Fingerchen an die niedliche Nase. »Wir müssten auch so ein hübsches Pferd haben wie Herr Brauner«, äußerte sie etwas unvermittelt. »Es gibt doch den unbenutzten Stall im Garten. Für ein Pferd oder für ein Pony wäre sicherlich Platz darin.«
Martin Brixen legte die Hand auf Majas Schulter. »Mutti würde wahrscheinlich nicht einverstanden sein«, erklärte er mit gesenkter Stimme.
»Pferde sind sehr sauber«, behauptete Maja mit hellem Stimmchen. »Mutti mag bloß schmutzige Tiere nicht.«
»Du kannst sie ja fragen, Kind. Aber du musst auch bedenken, dass ein Pferd eine Menge Arbeit macht. Es muss gut versorgt werden.«
Maja holte tief Atem. »Ich würde mein liebes Pferd bestimmt immer füttern«, versicherte sie.
Martin Brixen wechselte rasch das Thema. Er kannte Sentas Antwort im Voraus und wollte Maja die Enttäuschung ersparen.
Geschäftig lief Hermine hin und her, um letzte Hand an den Abendbrottisch zu legen. Sie hatte eine Wildpastete vorbereitet, zu der sie einen leckeren Salat reichen wollte. Es war auch für Maja mit aufgedeckt, was Senta zu einer kritischen Bemerkung veranlasste.
»Es ist viel zu spät für Maja, Hermine.«
»Aber ich habe mittags geschlafen, Mutti«, bettelte das Kind scheu.
»Meinetwegen«, entschied die Mutter missmutig. »Irgendetwas musst du ja essen, ehe du ins Bett gehst. Aber ich bitte mir aus, dass du dann sofort gute Nacht sagst. Sonst bist du morgen früh unausstehlich.«