Mystisches Erbe - Karola Schmidt - E-Book

Mystisches Erbe E-Book

Karola Schmidt

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  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Elisabeth erfährt aus einem uralten Buch ihrer Familie, dass sie die Gabe einer ihrer Vorfahrinnen in sich trägt. Im Urlaub auf Island lernt sie eine neue Liebe kennen. Nichtsahnend gerät sie in Gefahr. Kriminelle Schmuggler nutzen sie als Druckmittel. Als Elisabeth entführt wird, muss sie nicht nur um ihr eigenes Leben fürchten. Ein spannender Wettlauf mit der Zeit beginnt. Wird es Freunden gelingen, sie zu retten?

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Seitenzahl: 289

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Karola Schmidt

Mystisches

Erbe

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Copyright: © 2023 Karola Schmidt

Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin,

www.epubli.de

ISBN 978-3-758421-43-3

1. Auflage

Coverfoto und Innenfotos:

AI-Art-Bildgenerator von NightCafe Studio Pty Ltd, Australien

 

 

Karola Schmidt

 

Mystisches

Erbe

 

 

Roman

 

Inhalt

 

PROLOG

LÜBECK HEUTE

ISLAND

DER FREMDE

DARIUS ERICSON

REYKJAVIK

DIE BESUCHER

LÜBECK VOR 27 JAHREN

REYKJAVIK HEUTE

DER AUSFLUG

ALMA ACKERMANN

MONIKA UND DIETER HUBER

AUSFLUG GRÒTTA LEUCHTTURM

THORE OLSON

ALMA ACKERMANN

MONIKA & DIETER HUBER

HEILENDE HÄNDE

SIGRÙN

MONIKA UND DIETER HUBER

KONTAKTMANN

ELISABETH UND DARIUS

SIGRÙN UND THORE

UNTER VERDACHT

ANTON CARLSON

MONIKA UND DIETER HUBER

MARIZA PAULSON

SÖREN PAULSON

ANRUF MIT FOLGEN

ANTON CARLSON

ELISABETH

DIE SUCHE BEGINNT

DIE SUCHE IM WALD

ERLÖSUNG

ANTON CARLSON

NATIONAL HOSPITAL

BLUE HOUSE

DER BEWEIS

VERSCHMÄHTE LIEBE

BLUE HOUSE B&B

ELISABETH UND DARIUS

DIETER UND MONIKA HUBER

DER LETZTE ABEND

LÜBECK 2 WOCHEN SPÄTER

 

 

PROLOG

 

LÜBECK 1421

 

„Verdammt, wo ist sie hin? Seht euch um, die Hexe darf uns nicht entkommen.“ Verzweiflung machte sich in Alruna breit. Sie lief um ihr Leben und das im wahrsten Sinne des Wortes. Wie konnte es nur dazu kommen? Eigentlich wollte Alruna nur helfen und nun wurde sie gehetzt wie ein Tier. Natürlich war ihr klar, was passiert, wenn man sie einfängt. In deren Augen war Alruna Schmied eine Hexe und Hexen wurden auf dem Scheiterhaufen bei lebendigem Leib verbrannt oder man quälte sie auf andere abscheuliche Arten. Schweiß lief über ihren Körper und durchnässte sämtliche Sachen. Immer wieder dachte sie an den letzten Abend.

Sie saß mit ihrer Freundin Almut Bauer vor ihrer Hütte und sortierte die gesammelten Kräuter, band diese zu kleinen Bündeln zusammen und hängte sie zum Trocknen auf.

„Sieh mal!“, sagte Almut, „Ist das nicht Jorek? Warum rennt er denn so? Ist das Blut, was über seine Hand am Bauch läuft?“ Alruna sprang auf und rannte ihm entgegen.

„Was ist passiert? Du blutest, komm setz dich und lass mich mal sehen.“

Jorek keuchte vor Schmerzen, als Alruna sein Hemd hob und sich die Wunde ansah.

„Das sieht aus wie eine Schusswunde. Was hast du denn jetzt schon wieder angestellt?“

„Ich wollte uns einen Hasen fangen, als diese blöden Häscher vom Bischof mich entdeckt haben. Es tut so weh. Bitte, kannst du nicht etwas tun?“

Jorek war Alrunas Bruder und sie liebte ihn sehr. Deshalb überlegte sie auch nicht lange und legte behutsam ihre Hände auf die Wunde. Almuts Augen wurden immer größer als sie die ganze Aktion beobachtete. Langsam schloss sich die Wunde auf Joreks Bauch.

„Das glaube ich jetzt nicht. Wie hast du das gemacht? Alruna, wenn das jemand sieht, dann ist dein Leben verwirkt.“

Wie es der Zufall so will, traten im selben Augenblick zwei Männer aus dem Wald. Alruna war sofort klar, dass die beiden das Geschehen beobachtet hatten.

Die Worte ihrer Freundin hörte sie noch immer. Ihr war klar, auch wenn sie nicht mehr konnte und kaum noch Luft bekam, sie musste weiterlaufen. Auf keinen Fall wollte Alruna auf einem Scheiterhaufen enden. Der Wald der sich hinter ihrer Hütte befand gab ihr Schutz. Sie musste sich verstecken und dann alles hinter sich lassen. Keiner durfte wegen ihr in Gefahr geraten. Plötzlich hörte sie Gebell. Das konnten nur die Hunde des Bischofs sein. Kaum jemand hatte eine Chance denen zu entkommen. Egal wohin Alruna laufen würde, die Hunde würden sie finden. Auf einmal nahm sie eine Gestalt im Augenwinkel wahr. Ein Mann kam auf sie zu, fasste nach ihrer Hand und zog sie einfach mit. „Komm, wir haben keine Zeit.“ Verblüfft sah sie ihn an, doch was hatte sie schon für eine Wahl? Alruna ließ sich mitschleppen, auch wenn sie kaum noch Hoffnung hatte, diese Sache zu überleben. Immer noch besser, als im Feuer zu sterben. Das Gebell der Hunde nahm ab und Stimmen waren auch kaum noch zu hören. Hatte sie es tatsächlich geschafft?

„Ich kann nicht mehr.“ Erschöpft brach sie zusammen. Der Mann hockte sich neben sie auf den Boden.

„Hör zu, es ist nur noch ein kleines Stück.“

Alruna lag einfach nur da, konnte nicht antworten, weil ihr die Luft fehlte. Kurzerhand schob er eine Hand unter ihren Rücken und eine Hand unter ihre Knie und hob sie auf seine Arme. „Wer bist du?“, kamen Wortfetzen über ihre trockenen Lippen.

„Nelio!“, war alles was er sagte. Minuten später war sie vor Erschöpfung weggetreten.

Nelio war ein Waldmensch. Er lebte schon immer in Höhlen. Um seinen Feinden zu entkommen, rettete er sich auch so manches Mal in die Baumwipfel der naheliegenden Eichen. Schon lange schlug sein Herz höher, wenn er Alruna beim Kräutersammeln beobachtete. Ihm fehlte aber jedes Mal der Mut, sie anzusprechen. Jetzt lag sie in seiner Höhle und schlief. Schon manchmal hatte er gesehen, was sie mit ihren Händen tat. Alruna schien ihm so unbedacht dabei. Wusste sie nicht, dass es gefährlich war solche Gabe zu haben? Mit einem feuchten Tuch tupfte er ihr Gesicht ab. Sie sah bezaubernd aus. Es war lange her, dass er eine Frau bei sich hatte. Er musste sich vorsichtig nähern um sie nicht zu erschrecken.

Langsam bewegte sich Alruna und öffnete die Augen. Im ersten Moment wusste sie nicht, wo sie war. Ein Mann saß neben ihr. Ängstlich sah sie sich um. Wieder trafen ihre Augen den Fremden. „Wer bist du? Wirst du mir wehtun?“

Ein Lächeln zauberte sich in sein Gesicht. Ihr wehtun, niemals. Was dachte sie denn von ihm.

„Ich werde dir nichts tun. Mein Name ist Nelio und du bist in Sicherheit.“ Nelio hielt ihr eine Tasse hin. „Trink, es ist ein Sud aus Kräutern und Wasser. Hab keine Angst, es wird dir guttun.“ Tatsächlich war Alruna sehr durstig und so nahm sie einige Schlucke. Himmlisch! Das Wasser belebte ihre Sinne und endlich konnte sie auch wieder richtig denken. Noch einmal ließ sie ihren Blick schweifen, bis ihre Augen Nelio musterten. „Warum hilfst du mir? Wir kennen uns doch nicht. Oder?“ Nelio überlegte, wie er seine Worte wählen sollte.

„Nun, du kennst mich nicht, aber ich habe dich oft gesehen, wenn du durch den Wald gestreift bist und Kräuter gesammelt hast. Du wohnst mit einem Mann zusammen in der kleinen Hütte am Waldrand.“

Nelio fragte sich, wie Alruna zu diesem Mann stand. Ob es ihr Mann war.

Als hätte Alruna seine Gedanken gelesen. „Du fragst dich, ob es mein Mann ist, richtig?“

Verlegen kratzte sich Nelio den Kopf.

Sie erlöste ihn. „Jorek ist mein Bruder.“

Dann wurde Alruna plötzlich unruhig. Was, wenn ihr Bruder durch sie in Gefahr war?

„Was ist denn?“, fragte Nelio.

„Mein Bruder wurde angeschossen und ich habe ihn geh….“ Was tat sie dann da?

Nelio legte seine große Hand auf ihren Arm um sie zu beruhigen. „Keine Angst, ich weiß, was du mit deinen Händen machen kannst. Bei mir ist dein Geheimnis sicher. Wenn du möchtest kann ich mich umsehen und umhören, ob es deinem Bruder gut geht. Du kannst hier bei mir bleiben. Niemand kennt diese Stelle und es wird dich keiner finden.“

Tränen füllten ihre Augen. Mit den Händen bedeckte sie ihr Gesicht. „Das wäre wirklich nett von dir.“

„Natürlich! Es dauert nicht lange, dann bin ich wieder hier. Wenn du etwas essen oder trinken möchtest, dann bediene dich. Es ist alles da.“

Alruna lächelte schwach. „Danke!“

 

Jorek hatte sich, dank seiner Schwester, wieder erholt und sich und Almut in Sicherheit gebracht. Er hatte nur noch sehen können, wie Alruna in den Wald lief. Erst wollte er ihr folgen, doch als er sah, dass diese Verrückten hinter ihr her liefen, ließ er es bleiben. Hier konnten er und Almut allerdings auch nicht bleiben. Schnell sammelte er einige Decken, Felle und den übriggebliebene Laib Brot ein, nahm Alrunas Freundin bei der Hand und versteckte sich mit ihr. Wenn die Zeit reif ist, würde er nach seiner Schwester sehen. Sie kannte den Wald besser als er und so war er sich sicher, dass sie den Schergen entkommen würde. Er ahnte allerdings nicht, dass ihn jemand beobachtete.

Nelio konnte gerade noch sehen, wie Alrunas Bruder zusammen mit der Frau, vielleicht seine Freundin, die Hütte verließ. Eigentlich dachte er, ihr Bruder würde seiner Schwester zu Hilfe eilen. Doch dem war nicht so. Einerseits war er enttäuscht vom Verhalten ihres Bruders, doch andererseits verstand er ihn. Die Leute des Bischofs folterten gerne, um an Informationen zu kommen. Alrunas Bruder wäre ein gefundenes Fressen. Mit schnellen Schritten entfernte sich Nelio unauffällig vom Waldrand und lief zurück zu seinem Gast.

 

Alruna hatte sich inzwischen erholt und ein wenig umgesehen. Sie staunte nicht schlecht, wie gut sich dieser Mann eingerichtet hatte. Es gab zwar keine Schränke. Dafür waren an den Wänden Regale befestigt, auf denen jede Menge Utensilien standen. Alles war zweckmäßig und griffbereit. Außerdem lagen Bretter auf vier Steinen und dienten als Bett. Eine Strohunterlage war als Matratze gedacht. Warum er hier alleine hauste, wollte sie eigentlich nicht wissen. Er hatte ihr Leben gerettet, was für sie viel wichtiger war. Erschrocken fuhr sie herum, als sie ein Geräusch am Eingang hörte. Puh, zum Glück war es Nelio, der sich durch den schmalen Gang zwängte. Zum ersten Mal sah Alruna den Mann richtig an. Er war groß, hatte Muskeln an den richtigen Stellen und seine Haut war braun gebrannt von der Sonne. Seine rauen Hände hatte sie bereits gespürt, als er ihr Gesicht berührt hatte. Sein Haar war schulterlang und im Nacken zu einem Zopf gebunden. Die Kleidung, die er trug, schien selbst genäht zu sein. Sie sah sehr ordentlich aus. Verlegen schaute sie auf ihre Hände. Aufgeregt wartete Alruna, was als nächstes geschehen würde. Nelio näherte sich ihr vorsichtig. Auch er wusste gerade nicht, was er sagen sollte. Eine Haarlocke hatte sich aus ihrem Zopf gelöst und fiel ihr ins Gesicht. Nelio hob seine Hand und steckte diese hinter ihr Ohr. Die Berührung war intensiv. Es fehlte nur noch, dass Funken sprühten. Schnell verschwand dieser Moment wieder.

„Was ist mit meinem Bruder? Hast du ihn gefunden?“

„Ob er wirklich in Sicherheit ist, weiß ich nicht, aber er ist mit einer jungen Frau weggerannt. Ich gehe davon aus, dass er sich mit ihr versteckt.“

Alruna atmete tief aus. „Das hoffe ich auch. Die Frau, die du gesehen hast, ist Almut Bauer, meine Freundin.“

Ein Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht. „Ich glaube Almut und mein Bruder mögen sich sehr. Kein Wunder, dass er sie mitgenommen hat. Falls die Männer sie bei uns am Haus gesehen haben, wäre sie ganz sicher auch in Gefahr. Nicht auszudenken, was man ihr antun würde. Ich danke dir.“

„Gern geschehen. Möchtest du vielleicht etwas essen? Allerdings glaube ich eher, du hast einige Fragen an mich.“ Alruna überlegte, was sie fragen sollte und entschied sich aufs Ganze zu gehen. „Woher wusstest du, dass ich auf der Flucht war und warum hilfst du mir? Ich meine, ich bin dir dankbar, aber du konntest nicht wissen, warum man mich gejagt hat. Ebenso könnte ich eine Untat begangen haben oder einen Mord. Also warum?“

Nelio lächelte sie an. „Alruna, ich kenne dich schon länger. Außerdem weiß ich auch, dass du oft im Wald unterwegs bist und Kräuter sammelst. Ich habe gesehen was du mit deinen Händen gemacht hast. Du hast deinem Bruder das Leben gerettet.“

Erschrocken trat sie einen Schritt zurück.

„Keine Angst, ich würde dich nie verraten. Ich mag dich. Ich mag alles an dir.“

Irgendwie hatte Alruna das Gefühl, sie könnte Nelio vertrauen und genau das tat sie. Beide redeten viel miteinander, tauschten Erlebnisse aus und kamen sich näher. Schon bald merkten beide, dass sie die gleichen Interessen hatten. Alruna fühlte sich wohl bei Nelio. Da es nur ein Bett gab, teilten sie es sich. Ihre Beziehung fügte sich langsam zusammen und bald war es Gewohnheit, wenn sie nebeneinander oder miteinander schliefen. Die Zeit verging und Alruna wurde schwanger. Natürlich freuten sich beide sehr. Doch was würde ihnen die Zukunft bringen? Immer wieder fragte sie sich, was aus ihrem Bruder und ihrer Freundin geworden war. Lebten sie noch? Wo waren sie hingegangen? Doch zurzeit musste sie an ihr Baby denken. Alruna hatte irgendwann begriffen, dass in ihr eine besondere Kraft steckte. Ihre Hände erzeugten etwas, was sie nicht begreifen konnte, aber sie lebte damit und wendete diese Kraft nur im Notfall an. Nelio und Alruna lebten glücklich in ihrem Wald und ihr kleines Mädchen wuchs behütet auf. Sie blieb nicht alleine, denn es folgten weitere Kinder. Eines Tages begann Alruna auf Leinen zu schreiben. Nelio hatte es ihr beigebracht. Sie wollte, dass ihre Nachkommen und die, der nächsten Generationen, ihre Geschichte erfährt.

 

LÜBECK HEUTE

 

Als Dozentin an der Freien Universität zu Lübeck, vermittelte Elisabeth ihren Studenten ihr Wissen in historischer Geschichte. Das letzte Semester war für Elisabeth sehr stressig und sie sehnte sich nach Urlaub. Aber wohin sollte sie fahren? Irland? Island? Welche der beiden Inseln wäre für sie interessanter?

Eli liebte das Mystische, sowie die Geschichte der Epochen der Länder im Allgemeinen. In dieser Hinsicht bot Irland genauso viel wie Island. Ihre Eltern waren beruflich viel unterwegs und oft auch in Island, dem Lieblingsland der beiden. Jedes Mal wenn sie nach Hause kamen, schwärmten beide von der Natur der Insel. Sie berichteten von geheimnisvollen Orten und Eli, die auf Grund der vielen Reisen ihrer Eltern bei ihrer Oma wohnte, konnte nicht genug davon hören. Sie interessierte sich für alles was nicht sofort erklärbar war. Irgendwann hatte sie begonnen, die Familiengeschichte zu dokumentieren. Sie begann einen Stammbaum zu erstellen. Erstaunt stelle sie fest, dass dieser weit in die Vergangenheit reichte. Oma Alma half ihr bei den Recherchen. Sie erzählte ihrer Enkelin von alten, überlieferten Begebenheiten und Geschichten. Diese wurden im Laufe der Jahrhunderte an die nächste Generation der Familie Schmied weitererzählt. Sicher entsprach nicht alles der Wahrheit. Denn manchmal hatte sie den Verdacht, dass ihre Oma ein bisschen flunkerte. Elisabeth war Feuer und Flamme, wenn ihre Oma die alten überlieferten Geschichten erzählte. Außerdem fand Eli es höchst spannend, wenn Oma Alma mit ihr auf den Dachboden ging. Dort standen Kartons mit alten Büchern ordentlich in einer Ecke. Da ihre Oma dort oben auch Kräuter zum Trocknen aufhängte, roch es himmlisch. Auf Zeitungspapier war Kamille ausgebreitet, die später als Tee in kalten Wintertagen getrunken werden konnte. Eigentlich passten Oma Alma und sie perfekt zusammen.

„Kind hilf mir mal. Der Karton ist zu schwer, um ihn alleine zu heben.“

Eli packte sofort mit an. „Was ist da drinnen? Hast du extra Steine mit hineingelegt oder hast du Angst, den Karton könnte jemand klauen?“

Lachend hievten beide das schwere Teil aus der Ecke. Eli konnte nicht abwarten, ihn zu öffnen.

„Vorsichtig!“, sagte Oma. „Der Inhalt ist schon sehr alt. Was hier drinnen ist habe ich von meiner Großmutter und die hat es von ihrer und so weiter, bekommen. Also behandle es behutsam.“

Elisabeth schwirrte der Kopf vor Aufregung. Beide setzten sich auf einen schmalen Balken und endlich wurde dieser geheimnisvolle Karton geöffnet. Zum Vorschein kam ein Holzkasten, in dem eine Art Buch aus Leinen lag.

„Pass auf Kind, was ich dir jetzt sage, solltest du für dich behalten. Niemals darfst du jemandem davon erzählen. Das gilt auch für deine Eltern.“

Schnappte ihre Großmutter jetzt total über oder machte sie nur einen Scherz? Als Eli den Ausdruck in Omas Gesicht sah, wusste sie, es war ihr vollkommen ernst.

„Oma, du machst mir Angst.“

Ein tiefer Atemzug entwich Alma. „Elisabeth, es gibt zwischen Himmel und Erde Geheimnisse, von denen nur wenige wissen. Unsere Familiengeschichte reicht sehr weit zurück. Den Stammbaum, den du erstellt hast, der ist nicht mal halbfertig. Durch dieses Buch hier wirst du einiges erfahren und vielleicht auch nicht glauben. Es stehen Begebenheiten dort drin, die tatsächlich geschehen sind. Eines Tages wirst du selbst sehen, dass ich keinen Unsinn erzähle.“

Eli hörte aufmerksam zu. Vielleicht übertrieb Oma, andererseits sprach sie im ernsten Ton mit ihr. Natürlich interessierte Elisabeth alles was nicht sofort zu erklären war. Schließlich hat sie Historik als Hauptfach studiert und lehrt es an der Universität. Bestimmt gab es Dinge, die wissenschaftlich nicht zu belegen waren. Genau das war es, was sie an ihrem Beruf so liebte. Als Oma Alma das Buch öffnete, staunte Eli nicht schlecht.

„Das ist ja in Latein geschrieben. Wie aufregend!“

Ein kurzes Lächeln huschte über das Gesicht ihrer Großmutter. „Zu dieser Zeit sprach man fast nur Latein. Natürlich sprach man in verschiedenen Gegenden auch andere Sprachen, so wie es heute auch üblich ist.“ Oma Alma machte Elisabeth auf das Datum in der Überschrift aufmerksam.

Annales familiae Schmied Anno 1462

(Chronik der Familie Schmied)

 

„Das kann doch nicht sein. Ich war mit unserem Stammbaum bis ins Jahr 1750 zurückgekommen.“

Flüsternd las sie noch einmal, 1462. Immer wieder schüttelte sie den Kopf.

„Ich begreife es nicht. Bist du wirklich sicher, dass dieses Buch unsere Familiengeschichte beschreibt?“

„Ja meine Kleine, das bin ich. Ich möchte, dass du es liest. Allerdings nur hier oben auf dem Dachboden in meinem Haus.“ Elisabeth war nach wie vor wie in Trance.

„Warum jetzt, Oma und warum darf es niemand wissen?“ „Nun Liebes, das Geheimnis der Familie Schmied überträgt sich nicht auf jede Generation, sondern es passiert unregelmäßig. Aus unerklärlichen Gründen überspringt es manchmal Jahre oder Jahrzehnte, bis einer aus der Familie Schmied, die Gabe unserer Ahnen in sich trägt.“

„Von welcher Gabe sprichst du und woher weißt du, ob ich diese Gabe habe? Was ist mit dir? Hast du sie auch? Ich habe nie etwas bemerkt, worüber ich mir Gedanken gemacht habe oder hätte machen müssen.“

Oma Alma schloss das Buch und legte es zurück in den Holzkasten und danach in den Karton.

„Lese es und du wirst hoffentlich alles verstehen.“

Dann nahm sie Elisabeths rechte Hand, zeigte auf einen kleinen weißen Strich, der aussah wie eine Narbe.

„Du warst etwa drei Jahre alt, als du dich beim Spielen an einer Scherbe verletzt hattest und weinend zu mir gelaufen kamst. Du hattest die andere Hand auf die Wunde gedrückt und weinend „aua“ geschrien. Als ich das Blut unter dem Wasserstrahl abspülte, war der Schnitt schon zugewachsen und diese kleine weiße Linie ist geblieben. Da wusste ich, du bist die Auserwählte.“

Elisabeth betrachtete ihre Hand und schüttelte den Kopf. Mit dem Finger strich sie über diese Linie. Sollte sie es wirklich glauben oder war es vielleicht nur Zufall?

Ihre Großmutter merkte ihr die Skepsis an.

„Wenn du mir nicht glaubst, probiere es aus.“

Im nächsten Moment gab sie ihr ein kleines Taschenmesser. Eli hatte Angst vor Schmerzen, aber es half nichts, sie musste wissen ob es tatsächlich so ist. Vorsichtig ritzte sie sich in die Fingerkuppe und sofort lief Blut aus der kleinen Wunde. Aus Reflex nahm sie den Finger in ihre andere Hand. Es kribbelte ein wenig.

„Hier Kleines, wisch dir das Blut ab und schau selbst was passiert ist.“

Eli tat was ihre Oma sagte und nachdem sie das Blut weggewischt hatte, sah sie sich ihren Finger genau an. Sie konnte es kaum glauben, nichts war zu sehen. Als wenn nie etwas geschehen war. Ab jetzt hatte sie mit ihrer Großmutter ein Geheimnis, das beide hüteten. Trotzdem musste sie darauf achten, ihre Gabe nicht versehentlich anzuwenden. Am liebsten hätte sie es in die Welt hinaus geschrien, aber die Folgen wären dramatisch. Man könnte sie missbrauchen oder geldgierige, machthungrige Menschen könnten davon profitieren. Vielleicht wäre es besser, sie hätte es nie erfahren. Nun war es sowieso zu spät.

 

Immer noch überlegte sie, wohin nun ihre Urlaubsreise führen sollte. Island war bekannt für Mythen und Sagen. Aus einem Reisebüro holte sie sich einige Prospekte, studierte sie und entschied sich, nach Island zu fliegen. Am Abend sprach sie über ihren Urlaub mit ihrer Großmutter.

„Eine gute Wahl. Vor vielen Jahren war auch ich auf Island. Es sind gute Erinnerungen, die ich aus dieser Zeit habe. Irgendwann erzähle ich dir mal davon.“

„Warum kommst du nicht einfach mit?“

„Kind, dafür bin ich zu alt. Mach du mal dein Ding. Hast du keine Freunde, die du mitnehmen kannst?“

„Ja schon, aber ich glaube meine Freundin liegt lieber am Strand in der Sonne. Island ist nichts für sie.“

Elisabeth entschied für sich, alleine zu reisen. So musste sie auf niemanden Rücksicht nehmen und konnte tun und lassen was sie wollte. Per Internet buchte sie ihre Reise.

Heute war Montag, Samstag würde ihr Flug gehen. So hatte sie noch Zeit für Vorbereitungen und auch Zeit, noch einmal in dem uralten Buch zu lesen. Latein war für sie keine unbekannte Sprache. Während ihres Studiums lernte sie wie eine Besessene, um alte Schriften lesen zu können. Ihre Eltern hatten sie mit allem was sie tat unterstützt und alles was sie benötigte, bekam sie von ihnen. Wenn sie heute so darüber nachdachte, waren es alles Dinge, welche zwar ihr Leben erleichterten, aber lieber hätte sie Zeit mit ihren Eltern verbracht. Da war ihre Großmutter ganz anders. Sie lehrte sie, bodenständig zu bleiben. Sie war nicht der Typ für Partys bis tief in die Nacht. Sicher, sie hatte einen Freundeskreis, den sie auch noch nach dem Studium pflegte, aber alles verblasste mit der Zeit. Genauso wie die Liebe zu ihrem Ex Freund Sebastian. Mit ihm war sie ein halbes Jahr zusammen, doch dann hatte er sie betrogen. Durch einen dummen Zufall bekam sie es heraus. Sebastian hatte sein Handy bei ihr liegen gelassen und prompt blinkte eine Nachricht auf, die sie in die Knie zwang. Elisabeth dachte, sie hätte die Liebe ihres Lebens gefunden und dann das. Als sie ihn damals zur Rede stellte, stritt er es nicht ab und meinte nur, dass sie mehr an ihre Arbeit dachte, als an ihn. Es dauerte eine Zeit, bis sie sich wieder gefangen hatte.

Ihre Oma päppelte sie regelrecht auf. Sie sagte immer: „Glaub mir Kleines, irgendwann kommt der Richtige.“

Elisabeth nahm sich noch ein wenig Zeit, um in dem mysteriösen alten Buch zu lesen. Sie war so aufgeregt, dass sie sogar die Zeit vergaß und bis in die Nacht hinein las. Jetzt war sie noch mehr aufgedreht. Unglaublich, was in der damaligen Zeit alles passiert war. Wie sehr mussten ihre Vorfahren aufpassen, nicht enttarnt zu werden. Wenn sie an die grausamen Foltermethoden aus dem Mittelalter dachte, könnte sie vor Abscheu kotzen. Für heute hatte sie genug Informationen eingesaugt. Eli legte das Buch zurück in den Karton, löschte das Licht und begab sich in ihr Zimmer. In den nächsten Tagen würde sie ihren Koffer packen, ihre Eltern über ihr Vorhaben informieren und nach Island reisen.

 

ISLAND

 

In Reykjavik angekommen, suchte sich Elisabeth ein Taxi und fuhr zu ihrer Unterkunft. Sie hatte im B&B Blue House ein Zimmer gebucht. Ihre Großmutter hatte es mit ihr gemeinsam ausgesucht. Es lag nicht weit von der Hauptstadt entfernt, aber zu Fuß und mit Koffer, war es doch ein ganzes Stück zu laufen. Das Taxi hielt vor einem bezaubernden blauen Haus. Sie bezahlte und stieg aus. Der Fahrer half ihr mit dem Koffer, verabschiedete sich und fuhr davon. An der Tür wurde sie bereits erwartet.

„Hallo, du musst Elisabeth sein. Ich freue mich, dich kennenzulernen. Ich bin Sigrùn Olson! Mir gehört das B&B Blue House. Komm, ich helfe dir den Koffer in dein Zimmer zu bringen.“

Eli wurde so herzlich begrüßt, dass sie sich sofort wohl fühlte. Bei der persönlichen Anrede empfand sie etwas Familiäres und das gefiel ihr.

„So, da wären wir. Ich hoffe es gefällt dir. Die Tür dort führt zu einem kleinen Badezimmer mit Dusche. Du kannst gern erst auspacken und dich in Ruhe umschauen. Ich mache uns inzwischen einen Tee und dann zeige ich dir das Haus und erzähl dir ein wenig über die Gegend.“

„Danke, das ist sehr freundlich von dir.“

Ein gemütliches Zimmer mit Bad, genauso wollte sie es. Es musste kein vier oder fünf Sterne Hotel sein, wie es ihre Eltern immer bevorzugten. Sie sah sich im Zimmer um. Ein Doppelbett mit Nachtschränkchen an jeder Seite. Gegenüber befand sich eine Flachstrecke, die auch als Schreibtisch diente und darüber hing ein Fernseher an der Wand. Nicht so groß, wie ihr Gerät zu Hause. Wobei sie auch nicht zum Fernsehen hergekommen war. Hinter der Tür befand sich ein großer Kleiderschrank in rustikalem Stil, mit Blumendekor an den Türen. Wunderschön! Es war alles sehr harmonisch eingerichtet. Nun würde sie erst einmal auspacken und dann mit Sigrùn Tee trinken. Anschließend, nach der Hausbesichtigung, hatte sie sich vorgenommen, die Gegend zu erkunden. Wer weiß, vielleicht lernte sie noch jemanden kennen. Im Urlaub geschahen oft die seltsamsten Dinge. Innerlich musste sie schmunzeln. Geschehen war zu Hause bereits eine Menge. Ihre Gedanken schweiften zurück, als sie im Katalog nach einer Unterkunft schaute und ihr das blaue Haus ins Auge fiel. Zimmer mit Bad, in idyllischer Lage, Nähe zur Hauptstadt, inclusive Frühstück und Abendessen. Merkwürdig allerdings war, dass auch ihre Großmutter sofort darauf zeigte. Vielleicht war es nur ein Zufall.

Eli verschwendete keinen Gedanken mehr daran. Sie öffnete ein Fenster und atmete tief durch. Die Luft war erfrischend klar und sie genoss es sehr.

Es war kurz nach 12:00 Uhr am Mittag. Eigentlich war es Zeit etwas zu essen. Die Gegend war recht übersichtlich, trotzdem konnte sie keine Gaststätte oder einen Pup ausmachen. Vielleicht sollte sie ihre Vermieterin fragen. Sigrùn konnte ihr sicher etwas empfehlen. Eli dachte noch immer an den freundlichen Empfang. Ihr Urlaub konnte nur gut werden.

„Du bist zur Zeit mein einziger Gast“, sagte Sigrùn. „Normalerweise hättest du auch bei mir essen können, doch leider habe ich noch einen Termin in der Stadt.“

Sigrùn sagte ihr, in welche Richtung sie gehen sollte. Zehn Minuten später saß Elisabeth in einem kleinen gemütlichen Restaurant. Es gab nur sechs Tische und einige Hocker am Tresen. Das rustikale Flair passte perfekt. Jemand hatte ein gutes Händchen für die Inneneinrichtung. An einigen Stellen zierten wunderschöne Holzfiguren den Raum.

Die Kellnerin begrüßte Elisabeth freundlich, reichte ihr die Speisekarte und kam später wieder, um ihre Bestellung aufzunehmen. Geröstetes Lamm mit Wacholdersoße und dazu ein alkoholfreies Bier. Was will man mehr? Es schmeckte hervorragend. Die Leute hier waren total nett. Keiner sah sie komisch an. Einige redeten sogar mit ihr, als würde sie schon immer hier wohnen. Das gefiel Eli sehr. Sie versuchte sich mit ihrem bisschen isländisch zu verständigen. Ein Herr fragte sie glücklicherweise auf Englisch, was sie so vorhatte oder wo sie überall hin wollte. Er gab ihr Tipps zu sehenswerten Orten. Sie erschreckte sich plötzlich, als etwas Flauschiges ihre Wade berührte.

„He, wer bist du denn?“

Elisabeth kraulte dem kleinen Kerl hinter den Ohren, der dies anscheinend sehr genoss.

„Jaaa, bist ein ganz feiner. Das magst du, ich weiß.“

Sie kannte sich mit Hunderassen nicht sehr aus. Irgendwie hatte er von allem was. Ein süßer Mischling mit schwarzem Fell, süßen Schlappohren und groß, wie eine Katze. Der Hund schnupperte an ihrer Hand. Wahrscheinlich roch er den Lammbraten vom Mittagessen. Sie fragte den Wirt, ob es sein Hund wäre. Er hob kurz die Schulter und verneinte.

„Der treibt sich schon einige Tage hier herum. Ist bestimmt herrenlos. Ihm geht es hier gut. Die Gäste stören sich nicht daran, wenn er um Fressen bettelt. Ich nehme an, den hat jemand ausgesetzt. Dafür habe ich absolut kein Verständnis.“

Sie war der gleichen Meinung. Wer sich ein Tier anschaffte, musste sich auch darum kümmern. Elisabeth konnte eigentlich keinen Hund gebrauchen, aber so ein süßer Begleiter wäre nicht schlecht. Dann wäre sie nicht ganz so alleine. Außerdem tat ihr der kleine Kerl leid. Sie glaubte zwar nicht, dass Hunde im Blue House erlaubt waren, aber wenn er hier schon eine Zeit herumstreunte, hatte er sicher irgendwo einen Platz an dem er schlief. Was sollte sie jetzt tun? Am besten ging sie einfach. Er wird sich an einen der anderen Gäste halten. Sie verabschiedete sich und ging ihrer Wege. Kaum hatte sie das Lokal verlassen, hörte sie leise Trippelschritte hinter sich.

„He, du kannst nicht mitkommen. Geh zurück, na los, mach schon“.

Mit seinem typischen Hundeblick sah er Eli an und sie schmolz dahin.

„Heiliger Mist! Wie soll das gehen? Ach was soll’s, komm mit, aber du darfst nicht bellen. Hast du das verstanden?“ „Wuff!“, machte er und Eli konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„Ich will dir mal glauben, du Herzensbrecher.“

Vor dem Blue House gab sie dem Hund ein Zeichen, das „Sitz“ bedeutete und siehe da, er hörte auf die Geste.

„Du wartest hier, ich bin gleich wieder da.“

Im Haus suchte sie nach Sigrùn und erklärte ihr, wo sie gerade herkam und dass sie ein Problem hatte. Sie ging mit ihr zur Tür und als Sigrùn den Hund sah, musste sie herzhaft lachen.

„Na du Streuner, hat dein Hundeblick es wieder geschafft?“ Elisabeth schmunzelte über Sigrùns Worte, denn offensichtlich war es eine Masche des kleinen Kerls, sich bei Besuchern einzuschmeicheln.

„Na komm schon rein, du Charmeur. Ich nehme an, er hat bereits um sein Futter gebettelt.“

„Na ja, da ich ihn im Lokal getroffen habe und der Wirt ihn kannte, gehe ich mal davon aus. Obwohl, ich glaube, Hunde werden nie richtig satt.“

Bei diesen Worten mussten beide grinsen. Zur Bestätigung gab es ein “Wuff!“.

„Du warst nicht sehr überrascht. Ich nehme an, du kennst ihn schon länger. Weißt du ob er einen Namen hat?“

„Kennen ist zu viel gesagt. Er treibt sich oft bei Barnys Restaurant rum. Ich habe aber nie gehört, dass ihn jemand gerufen hat.“

Elisabeth hatte schon an seinem Halsband geschaut, ob es einen Hinweis seiner Herkunft gab, fand aber nichts. Eli betrachtete sein schwarzes glänzendes Fell und dann sagte sie spontan: „Blacky!“.

„Gute Wahl!“, meinte Sigrùn.

Blacky bekam in ihrem Zimmer eine Decke auf den Boden und ab sofort schlief er an ihrer Seite. Es war ein eigenartiges, aber auch beruhigendes Gefühl.

Am nächsten Morgen wurde Eli von einer feuchten Schnauze geweckt. Mit der Hand strich sie über ihre Wange. „Igitt!“ Langsam öffnete sie die Augen und sah direkt in zwei schwarze Glubschaugen. Na das konnte ja was werden.

„Du musst bestimmt Gassi gehen. Ich gehe schnell duschen, ziehe mich an und dann können wir los.“

Da fiel ihr ein, dass sie nicht mal eine Leine für Blacky hatte. Vielleicht brauchte sie auch keine. Immerhin lief er die ganze Zeit ohne und niemanden störte es. Kurze Zeit später sagte sie Sigrùn, dass sie mit dem Hund raus gehen würde und anschließend zum Frühstück kommt.

Elisabeth hatte kaum die Tür hinter sich geschlossen, da preschte Blacky schon zum nächsten Busch, um sich zu erleichtern.

„Na du hast es aber eilig gehabt.“

Zur Antwort kam ein kurzes “Wuff!“. Das sollte dann wohl „ja“ heißen.

Eli grinste und folgte dem Hund mit schnellen Schritten, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Eigentlich war es nicht nötig, denn der Hund sah sich immer wieder zu ihr um. Scheinbar hatte er Angst, sie könnte plötzlich nicht mehr da sein.

Über eine Wiese ging es zu einem kleinen Wäldchen. Die Natur und die klare Luft waren unbeschreiblich. Jetzt konnte sie auch ihre Eltern verstehen, warum diese so gern auf die Insel kamen.

In einiger Entfernung sah sie zwei Jogger. Ziemlich schnell kamen sie näher, schauten sie an, grüßten und liefen weiter. Gejoggt hatte sie früher auch gern, aber dann hatte sie einfach keine Zeit mehr dafür. Sie schaute sich nach Blacky um, sah ihn aber nicht. Ein klägliches Jaulen ertönte. Erschrocken schaute Eli in die Richtung, aus der sie das Geräusch vernahm. Unweit des kleinen Wäldchens erblickte sie Blacky. Schnell lief sie zu ihm. Winselnd streckte er ihr seine linke Pfote entgegen. Elisabeth ging sofort in die Hocke und betrachtete seine Pfote. Ein Splitter hatte sich in das Fleisch gebohrt. Es sah nicht sehr schlimm aus, aber es tat dem kleinen Kerl weh. Sie schaute sich um, ob niemand sie beobachtete. Dann zog sie vorsichtig den Splitter heraus und legte sofort ihre Hand auf die blutende Wunde. Sie hoffte, dass die Heilung auch einsetzte. Schließlich hatte sie es erst einmal ausprobiert.

Blacky leckte über ihre Hand, als wollte er „danke“ sagen.

In ihren Händen kribbelte es leicht und als sie sich die Pfote besah, war von der Wunde nichts mehr zu sehen. Immer noch war sie erstaunt über ihre sogenannte „Gabe“. Hoffentlich hatte es niemand gesehen. Blacky würde definitiv nichts verraten. Er lief vor ihr her als wenn nichts gewesen war.

Elisabeth ahnte nicht, dass es doch eine Person gesehen hatte.

Rechtzeitig zum Frühstück kam sie mit Blacky ins Blue House. Sigrùn hatte nicht nur für sie den Tisch gedeckt, sondern auch eine Schüssel Wasser und einen Napf Futter für den Hund auf den Boden gestellt.

„Lasst es euch schmecken. Wenn du so nett wärst und das Geschirr später in die Spüle stellst, würde ich mich freuen. Ich bin bis Mittag unterwegs.“

„Natürlich, mache ich gern.“

Elisabeth überlegte was sie heute so machen könnte. Sie entschied sich, die nähere Gegend zu erkunden. Sie zog sich wetterbedingt an und nahm ihren Rucksack. Sie hatte bereits einen Regencape, kleine Snacks und Wasser für sich und den Hund im Rucksack verstaut. Auf jeden Fall musste auch noch ihre Nikon Kamera mit. Sie nahm ihre Geldbörse, falls sie einen Laden fand, in dem man Andenken oder andere Waren zu kaufen bekam. So dauerte es auch nicht lange, als sie an Barnys Lokal vorbeikam. Sie sah den Wirt am Tresen und winkte ihm zu. Er hob ebenfalls die Hand zum Gruß und zeigte mit den Daumen hoch auf den Hund. Blacky bellte kurz. Ihr kam der Gedanke, der Hund verstand jedes Wort. Eli fand auf ihrem Weg einen kleinen Laden, den man in Deutschland als „Tante Emma Laden“ kannte. Anscheinend gab es hier alles, was notwendig war, um den Alltag zu bewältigen. Lebensmittel, Werkzeuge, Bekleidung und Hygieneartikel. In einer Ecke stand sogar ein Computer mit dazugehörigem Monitor. Man hatte hier also auch Internet. Vielleicht konnte sie mal mit ihrer Großmutter chatten. Schließlich hatte Eli ihr alles beigebracht. Ihre Oma hatte sich sehr für diese Technik begeistert.

Sie kaufte nur einige Ansichtskarten, redete noch einen Augenblick mit der Kassiererin und machte sich wieder auf den Weg. Blacky blieb stets an ihrer Seite. Immer wieder fragte sie sich, wer so ein liebes Tier aussetzten konnte. Unbegreiflich!

Auf Island fand man eine beeindruckende Vegetation. In der Ferne sah sie, wie ein Geysir aus der Erde empor schoss. Beeindruckend! Vielleicht würde sie morgen dort hingehen. Heute erkundete sie die nähere Umgebung. Sie entschied sich, einen nahegelegenen, grünbewachsenen Hügel hinauf zu gehen. Von oben war die Aussicht bestimmt grandios.

„Na Blacky, was meinst du, schaffen wir das beide?“ Schwarze Hundeaugen blickten sie an. „Wuff!“, war die Antwort.

„Du bist mir ja einer, verstehst jedes Wort. Da muss ich wohl aufpassen, was ich sage.“