Mythen und Märchen in der psychodynamischen Therapie von Kindern und Jugendlichen - Christiane Lutz - E-Book

Mythen und Märchen in der psychodynamischen Therapie von Kindern und Jugendlichen E-Book

Christiane Lutz

4,9

Beschreibung

Märchen und Mythen sind narrative Texte, die Urerfahrungen des Menschseins in gelegentlich drastischen Bildern spiegeln. In ihrer Darstellung werden jedoch nicht nur konflikthafte Themen abgebildet, sondern auch Lösungen angeboten, die in ihrer positiven Ausrichtung Hoffnung und Zuversicht wecken können. In der Behandlungstechnik nach C. G. Jung werden Mythen und Märchen in ihrer entwicklungsfördernden Vielschichtigkeit eingesetzt. Zusätzlich unterstützen sie in ihrer Vorbildfunktion einen progressiven Lebensentwurf und aktivieren selbstheilende Kräfte. Das Buch bietet mit zahlreichen Mythen und Märchen sowie ihrer Interpretation einen Einblick in eine Symbolik, die überzeitliche Gültigkeit hat. In dazu passenden Fallbeispielen zeigt sich die hohe therapeutische Wirksamkeit, die Neuorientierung erlaubt.

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Psychodynamische Psychotherapie mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen

 

Perspektiven für Theorie, Praxis und Anwendungen im 21. Jahrhundert

 

Herausgegeben von Arne Burchartz, Hans Hopf und Christiane Lutz

Christiane Lutz

Mythen und Märchen in der psychodynamischen Therapie von Kindern und Jugendlichen

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

1. Auflage 2016

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-030157-3

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-030158-0

epub:    ISBN 978-3-17-030159-7

mobi:    ISBN 978-3-17-030160-3

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Inhaltsverzeichnis

 

 

 

 

 

Einleitung

1 Der Begriff des Mythos – Versuch einer Annäherung

1.1 Das Wesen des Mythos

1.2 Gehalt und Inhalt der Mythen

1.3 Wirksamkeit der Mythen

1.4 Funktion des Mythos

1.5 Die Verständnisebenen des Mythos – Der Umgang mit Raum und Zeit

1.6 Mythos und Sprache

2 Die Mythen der Welt

2.1 Die ägyptischen Mythen

2.1.1 Die Realität von Tod und Leben als zusammengehörige Ganzheit

2.1.2 Die Notwendigkeit, ins Dunkel zu gehen, die Wahrnehmung des Schattens

2.1.3 Auseinandersetzung mit den chthonischen Kräften der Tiefe

2.1.4 Krisis und Zweifel, die Gefahr der Vernichtung

2.1.5 Erstarrung, Angst, Rückzug und kritisches Bewusstsein

2.1.6 Nut umschließt das Zusammengehörige, die Erfahrung der eigenen Ganzheit

2.1.7 Seth, die Konfrontation mit dem Bösen als äußere und innere Wirklichkeit

2.1.8 Die Vereinigung von Tod und Leben ist Ganzheit

2.1.9 Das Totengericht – Die Bedeutung der Emotionalität und die Konfrontation mit dem Angemessenen in Gestalt der Maat

2.1.10 Die Heilung des Auges, ein neues Sehen und Erkennen

2.1.11 Thoeris, die schwangere Göttin, die Bewältigung des Vergangenen und die Hoffnung auf Neuanfang

2.1.12 Osiris, der Gott der Toten, erlaubt Auferstehung und Neuwerdung

2.2 Die griechischen Mythen

2.2.1 Macht und Ohnmacht: Die Genealogie der ersten griechischen Götter Uranus, Kronos und Zeus

2.2.2 Bindung und Loyalität gegenüber der Mutter: Apoll, Artemis, Leto und Niobe

2.2.3 Schuld und Sühne in der Mehrgenerationenperspektive am Beispiel des Ödipus

2.2.4 Elterliche Fürsorge oder Zwang in die Abhängigkeit: Daidalos und Ikarus

2.2.5 Ambivalenz in der Mutter-Sohn-Beziehung: Hera und Hephaistos

2.2.6 Mütterliches Bindungsbedürfnis: Demeter und Kore

2.2.7 Die Suche nach Ich-Identität: Achill

2.2.8 Rivalität unter Brüdern und die Rolle des Tricksters: Hermes und Apoll

2.2.9 Weibliche Rollenvorbilder: Penelope und Klytämnestra

2.2.10 Geist contra Emotion: Dionysos und Apoll

2.3 Die geheimnisvollen Mythen der Etrusker

2.3.1 Die Götter der Etrusker, ihr Wille, ihre Deutung

2.3.2 Die Disziplina und die libri ritualis

2.3.3 Spiritualität und die Frage nach dem Sinn

2.3.4 Die Stellung der Frau

2.3.5 Weisheit der Kindheit, Weisheit des Alters: Tages der Kindgreis

2.4 Die Mythen der Germanen

2.4.1 Die Götter der Germanen

2.4.2 Der Mythos der Weltesche Yggdrasil

2.4.3 Der Nibelungenmythos

2.4.4 Die Völsungensaga

2.4.5 Der Mythos um Beowulf

3 Die Bedeutung der Märchen in der psychodynamischen Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen

3.1 Märchen und Märchenforschung

3.2 Märchen und Kinder

3.3 Gehalt der Märchen

3.3.1 Märchen und Wunscherfüllung

3.3.2 Märchen und Kompensation

3.3.3 Entwicklungsmärchen

3.3.4 Reifungsmärchen

3.3.5 Erlösungsmärchen

3.3.6 Die »Übersetzung« der Märchen in die psychologisch notwendigen Entwicklungsprozesse

3.4 Beziehungen im Märchen

3.4.1 Zwei gleich starke Partner in Machtkampf oder Übereinstimmung

3.4.2 Ein starker Mann begegnet einer schwachen Frau und macht sie zu seinem Objekt

3.4.3 Ein schwacher Mann ist mit einer starken Frau verbunden

3.4.4 Eltern und Kinder

3.5 Geschwister

3.5.1 Schwester und Bruder

3.5.2 Drei Schwestern

3.5.3 Drei Brüder

3.6 Polarität im Märchen

3.6.1 Angst und Zuversicht

3.6.2 Einsamkeit und Sehnsucht nach Verbundenheit

3.6.3 Depression und Aggression

3.6.4 Gefährdung und Errettung

3.6.5 Verkanntsein im Wert, Erkanntwerden in Würde

4 Mythen und Märchen in ihrem entwicklungsfördernden Gehalt – der Bezug zur Praxis

4.1 Der Umgang mit Ohnmachtsgefühlen angesichts schicksalhafter Gegebenheiten

4.1.1 Mythos: Odysseus zwischen Skylla und Charybdis

4.1.2 Das Märchen vom tapferen Schneiderlein

4.2 Umgang mit Gefühlen der Hoffnungslosigkeit in Lebensgefahr

4.2.1 Mythos: Odysseus und Polyphem

4.2.2 Märchen »Der Däumling« (Brüder Grimm)

4.3 Eine schuldhaft belastete familiäre Vergangenheit wird als Erbe an die nächsten Generationen weitergegeben

4.3.1 Mythos: Das Haus Atreus mit Tantalos, Thyestes und Agamemnon

4.3.2 Märchen »Rapunzel« (Brüder Grimm)

4.4 Umgang mit Loyalität und Schuldgefühl

4.4.1 Mythos: Elektra und Orest

4.4.2 Märchen »Die sieben Raben« (Brüder Grimm)

5 Nachwort

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Einleitung

 

 

 

 

 

 

Mythen und Märchen sind vielen Menschen vertraut als schöne, aufregende ermutigende und gelegentlich auch grausame Geschichten. Sie erinnern an Stunden einer Kindheit, die nicht immer unbeschwert waren, in denen diese Geschichten jedoch ihre tröstende und heilende Kraft entfalteten.

Im Wissen um ihre symbolisch zu verstehenden Antworten auf Lebensrätsel erlauben sie auch heute in gleicher Weise Orientierung und Hilfestellung. Das Geheimnis ihrer Botschaften, die aus dem archetypischen Urgrund kommen, unterstützt die selbstheilenden Kräfte im Menschen.

Mythen und Märchen beschreiben die Gesetzmäßigkeiten im Leben wie im Tod. Sie lassen Ängste, Hilflosigkeit und Verzweiflung zu, vermitteln aber auch immer den Glauben an ein gutes Ende.

Sie transportieren diese Wahrheiten ohne psychologische Erklärung über die lebendige therapeutische Beziehung. Darum ist es wichtig, dass sie, wenn sie in ihrer therapeutischen Form genutzt werden sollen, immer von der lebendigen und bezogenen Haltung des Therapeuten getragen werden müssen. Sie brauchen die menschliche Stimme, sie brauchen auch reflektierende Pausen. Diese Unterbrechungen zuzulassen, die auftauchenden Gefühle zu reflektieren, bedeutet ein wichtiges therapeutisches Tun, zu dem auch Eltern und Erzieher angeregt werden können. Mythen und Märchen wollen jedoch nicht nur mitgeteilt, sondern über das lebendige Mitschwingen des Therapeuten in der Vielfalt der angesprochenen Gefühle erlebt werden.

Indem man miteinander in die geheimnisvolle Welt voller Wunder und Magie eintaucht, setzen sich Therapeut und Kind gemeinsam den Wirkmächten kollektiver menschlicher Erfahrungen aus. Grausamkeit und auftauchende Ängste, Hilflosigkeit und Rettung, Verwicklung und wundersame Errettung, all diese polaren Situationen finden in einer von Vertrauen getragenen Beziehung Spannung und Lösung.

»Alles, was die Beziehungsfähigkeit von Kindern – zu sich selbst, zu anderen Menschen, zur Natur und zur Kultur, in der sie leben – verbessert, ist die wichtigste »Erziehungshilfe«, die wir unseren Kindern bieten können.« (Hüther 2011, S. 167)

Diese Botschaft ist der Kernpunkt jeglichen analytisch-therapeutischen Bemühens: Indem das Kind, der Jugendliche in den Mythen und Märchen sich und seine individuelle Situation »wiedererkennt«, verändert sich das Empfinden subjektiven und objektiven Mangels zugunsten von zunehmend belastbarer Ich-Integrität.

So repräsentieren diese archetypischen Erzählungen im weitesten Sinn therapeutische Wirkfaktoren, die Selbstwertgefühl und den Mut zur progressiven Lebensgestaltung unterstützen.

1          Der Begriff des Mythos – Versuch einer Annäherung

Wir brauchen die Mythologie, um die tiefsten Wahrheiten über uns selbst, unsere Ängste, unsere Träume, die Zukunft der Menschheit und der Welt, in der wir leben, erfassen zu können (de Rosa 1991, S. 20).

Wenn wir den Begriff etymologisch fassen wollen, bedeutet er Wort, Sage und Erzählung. Das heißt, den wahren Sachverhalt erzählen. Diese so bezeichneten Erzählungen schließen in sich die Mitteilung über das Tatsächliche und Wesentliche. Darum wurde ihnen in der Antike der Aspekt des Heiligen zugeordnet.

Im Mythos offenbart sich nach antiker Vorstellung das Göttliche als transzendente Gewissheit aber in numinoser Form. Ausgangspunkt ist immer das spontan nicht Wahrnehmbare. In der häufig paradoxen Mitteilung versucht der Mythos gerade das nicht Sichtbare offenbar werden zu lassen. Er trägt in sich die Herausforderung, in die chiffrierte Aussage eine Bedeutung hinein zu legen. Ein bezeichnendes Beispiel dafür sind die Orakelsprüche von Delphi. Im Bemühen, Irrationales über die Ratio sichtbar zu machen, kam es häufig zu Irrwegen und Lösungen, die am Geheimnis des Mythos vorbeigingen und an der Rätselhaftigkeit des Numinosen scheiterten.

Im Griechischen wird der Mythos deutlich vom Logos unterschieden. Dieser bezeichnet das Wort unter dem Aspekt des Richtigen. Der Logos umfasst Gedachtes, er wird bestimmt vom Verstand, ist logisch begründbar, rational zu beweisen. Der Logos braucht immer den Bezug zum anderen, von dem er sich dann als richtig abheben kann.

Der Mythos dagegen übersetzt sich mit dem »wahren Wort«. Im wahren Wort liegt im Bild, in der Anschauung die eigentliche Bedeutung.

Der Gehalt des Mythos ist zeit- und raumlos, letztlich überpersönlich, während der Logos an Zeit und Raum gebunden ist.

1.1       Das Wesen des Mythos

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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