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Mythologie ist spannender als jeder Krimi, grausamer als jeder Horrorfilm und leidenschaftlicher als jeder Liebesroman!
Wie hieß er doch noch gleich, der Meeresgott bei den Griechen? Was waren bloß die zehn Aufgaben des Herkules? Antworten auf solch typische Fragen nach dem Motto "Wie war das nochmal?" finden Sie in diesem wunderbaren Nachschlagewerk, das zum Schmökern einlädt.
Der Schwerpunkt des Buches liegt auf der griechischen und römischen Mythologie, aber auch nordeuropäische Gestalten wie König Artus und Beowulf, weniger bekannte Sagen aus Ägypten und Asien und die Mythen lateinamerikanischer Völker wie den Maya, Azteken und Inkas kommen nicht zu kurz.
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Seitenzahl: 698
Mythologie für Dummies
v. Chr.
3300–1900
Beginn der sumerischen Zivilisation
2550–2150
Altes Reich, Ägypten
1980–1640
Mittleres Reich, Ägypten
1792–1750
Hammurabis Herrschaft, Höhepunkt des babylonischen Reiches
1600–1100
Bronzezeit in Griechenland
1540–1070
Neues Reich, Ägypten
1500–400
Die Olmeken in Mittelamerika
1500
Die Arier fallen in Indien ein; Beginn des vedischen Zeitalters.
1250
Moses führt das Volk Israel aus Ägypten; Beginn der Anbetung Gottes Jahwe auf dem Berg Sinai (vormals Heiligtum des Gottes Sin).
1200–1000
Die frühesten Schriften des Hinduismus – die Rigveda
1100
Trojanischer Krieg
800–700
Zeitalter Homers
776
Die ersten Olympischen Spiele in Griechenland (zur Zeus’ Ehren)
753
Gründung Roms
600–400
Epoche der Attischen Demokratie
599–500
Zeit Lao-Tses, des Begründers des Taoismus in China
551–479
Konfuzius
563
Geburt Gautamas (Begründer des Buddhismus)
540
Geburt Vardhamanas (Begründer des Jainismus)
509–31
Römische Republik
365–323
Alexander der Große
31 v. Chr.–476 n. Chr.
Römisches Reich
n. Chr.
31 v. Chr.–476 n. Chr.
Römisches Reich
27–30
Jesus von Nazareth predigt Reformen in Palästina und wird schließlich vom römischen Gouverneur Pontius Pilatus hingerichtet.
35–62
Paulus, ein Jude in der Diaspora, gründet mehrere Kirchen in Syrien, Kleinasien und Griechenland. Das Christentum trennt sich vom Judaismus.
150–750
Teotihuacan in Mittelamerika
400–499
Zeit, in der der historische König Artus vielleicht gelebt hat
250–900
Die Maya Mittelamerika
570–632
Der Prophet Mohammed schreibt den Koran und gründet die islamische Religion.
632–750
Der Islam breitet sich bis in den Mittleren Osten und nach Nordafrika, Spanien und Frankreich aus.
700–1000
Epoche der Wikinger
900–1180
Die Tolteken in Mittelamerika
1325–1521
Reich der Azteken in Mittelamerika
1438–1532
Kultur der Inka in Südamerika
1492
Christoph Kolumbus landet in Mittelamerika.
Römisch
Griechisch
Funktion
Jupiter
Zeus
König der Götter
Juno
Hera
Göttin der Ehe
Neptun
Poseidon
Gott des Meeres
Saturn
Kronos (vielleicht)
König der Titanen
Gaea
Gaia
Göttin der Erde
Venus
Aphrodite
Göttin der Liebe
Pluto (Dis Pater)
Hades
Gott der Unterwelt
Vulcanus
Hephaistos
Gott der Schmiede
Ceres
Demeter
Göttin der Ernte
Apoll
Apollon
Gott der Musik
Minerva
Athene
Göttin der Weisheit
Diana
Artemis
Göttin der Jagd
Mercurius
Hermes
Götterbote
Bacchus
Dionysos
Gott des Weines
Proserpina
Persephone
Göttin der Unterwelt
Cupido
Eros
Gott der Liebe
Mars
Ares
Gott des Krieges
Mythologie für Dummies
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
4. Auflage 2022
©2022 Wiley-VCH GmbH, Boschstraße 12, 69469 Weinheim, Germany
Original English language edition Mythology for Dummies © 2002 by Wiley Publishing, Inc. All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form. This translation published by arrangement with John Wiley and Sons, Inc.
Copyright der englischsprachigen Originalausgabe Mythology for Dummies © 2002 by Wiley Publishing, Inc. Alle Rechte vorbehalten inklusive des Rechtes auf Reproduktion im Ganzen oder in Teilen und in jeglicher Form. Diese Übersetzung wird mit Genehmigung von John Wiley and Sons, Inc. publiziert.
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Wiley, die Bezeichnung »Für Dummies«, das Dummies-Mann-Logo und darauf bezogene Gestaltungen sind Marken oder eingetragene Marken von John Wiley & Sons, Inc., USA, Deutschland und in anderen Ländern.
Das vorliegende Werk wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren und Verlag für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie eventuelle Druckfehler keine Haftung.
Print ISBN: 978-3-527-71992-1ePub ISBN: 978-3-527-83917-9
Coverfoto: © alonso lopez/EyeEm/stock.adobe.comKorrektur: Matthias Delbrück
Cover
Titelblatt
Impressum
Einführung
Über dieses Buch
Konventionen in diesem Buch
Wie dieses Buch aufgebaut ist
Symbole, die in diesem Buch verwendet werden
Wie es weitergeht
Teil I: Mythologie und die Wiege der Menschheit
Kapitel 1: Die Wahrheit über Mythen
Wie erkennt man einen Mythos?
Was war zuerst da – die Menschen oder der Mythos?
Die verschiedenen Arten von Mythen
Häufig vorkommende Figuren in Mythen
Kapitel 2: Mythologie gestern und heute
Mythen verändern sich: Die Reise eines Mythos durch die Zeit
Popkultur
Mythen auf Papier, auf Leinwand und im Konzertsaal
Lernen Sie mehr über Mythen und verdienen Sie 461 Millionen Dollar!
Teil II: Wo alles begann: Die griechische Mythologie
Kapitel 3: Der griechische Schöpfungsmythos und einige wirklich uralte griechische Götter
Die Erschaffung der Sonne (und aller möglichen anderen Dinge): die Schöpfung!
Weitere Mitbringsel des Klapperstorchs: Die Nachkommen von Mutter Erde und Vater Himmel
Die dritte Generation der Götter: Die olympischen Götter
Die Erschaffung des Menschen
Ein Dreieck aus Hassliebe: Prometheus, der Mensch und Zeus
Die Welt aus der Sicht der Griechen
Die Geschichte einer Sintflut und einer Wiedergeburt
Kapitel 4: Größer, jünger und besser aussehend: Die Götter des Olymp
Zeus, Poseidon und Hades: der übermächtige Vater und seine Brüder
Die Jeunesse Dorée unter den Göttern
Kapitel 5: Die schönsten und gemeinsten von allen: griechische Göttinnen
Hera, Aphrodite und Demeter: die divenhaften Göttinnen
Angucken erlaubt – aber bitte nicht berühren! Die jungfräulichen Göttinnen
Der Klub der Göttinnen: ein bunt gemischter Haufen
Kapitel 6: Die kühnen Halbgötter: Die Helden
Der Held Perseus
Held aller Helden: Herakles
Ein einheimischer Held: Theseus
Jason, der Dummkopf
Kapitel 7: Die Ilias, das Ende des Trojanischen Krieges und die Odyssee
Gedichte epischen Ausmaßes
Die Bühne wird bereitet: der Vorlauf des Trojanischen Krieges
Neun Jahre später: die Ilias beginnt
Das Ende des Trojanischen Krieges
Odysseus’ lange währende Rückkehr aus dem Trojanischen Krieg: Homers »Odyssee«
Kapitel 8: Die griechische Tragödie
Welches Stück wird heute gespielt?
Die Tragödie
Lernen Sie die Eltern kennen: die Nachkommen des Kadmos
Das Geschlecht der Atriden – der Nachfahren des Atreus
Teil III: Eine Kultur wird geplündert: Die römische Mythologie
Kapitel 9: Die römische Mythologie
Die Zeit vor Entstehung des Imperiums
Einheimische Götter: die ursprünglichen Italer
Der Aufstieg Roms
Die römische Religion als kultureller Schmelztiegel
Die römische Religion
Kapitel 10: Erbettelt, entliehen und gestohlen: die römische Religion
Der griechisch-römische Götterhimmel
Besondere römische Götter
Ein Gott für jeden Geschmack
Die Göttinen der Römer
Kapitel 11: Vergils Aeneis und die Gründung Roms
Warum die Römer noch einen weiteren Mythos benötigten: Nieder mit Karthago!
Kaiser Augustus und Vergils Aeneis
Romulus und Remus und die Gründung Roms
Die sieben Könige Roms
Kapitel 12: Verwandle dich (nicht): Ovids Metamorphosen
Überraschende Verwandlungen und heldenhafte Jäger
Die Liebenden bei Ovid
Teil IV: Eine einzige Familienfehde: Die nordeuropäische Mythologie
Kapitel 13: Die altnordischen Gottheiten
Asche zu Asche und Staub zu Zwergen: Die Erschaffung der Welt
Die Guten, die Bösen und die Sterblichen: die Gottheiten des Nordens
Das magische Baumhaus: die Welt, in der wir leben
Ragnarök: Das Ende der Welt
Kapitel 14: Drachentöter: die großen nordeuropäischen Sagen
Die Wölsungen-Sage
Das Nibelungenlied
Etwas für jeden: Beowulf
Kapitel 15: Ein Sitz an der Tafelrunde: König Artus und sein Hof
Die Suche nach König Artus
Camelot
Ein mittelalterliches Drama – Artus’ Anfänge
Sex, Lügen und jede Menge Turnierkämpfe
Die Heldentaten der Ritter
Die letzten Tage von König Artus
Teil V: Die Mythologien außerhalb Europas
Kapitel 16: Sintfluten, Lehm und Götter: die Mythologie Mesopotamiens und der Hebräer
Das Gilgamesch-Epos: die Schöpfungsgeschichte der Sumerer
Enuma Elisch: Die Schöpfungsgeschichte der Babylonier
Die Götter Mesopotamiens: Gut, wir fürchten Euch – seid Ihr jetzt glücklich?
Die hebräische Mythologie: A steht für Apfel und B steht für Babel
Kapitel 17: Dreimal Hurra für Ägypten: Ra, Ra, Ra!
Der Nil
Götter und Göttinnen Ägyptens
Die Religion im Leben der Ägypter
Der Tod und das Leben danach
Kapitel 18: Das Land der tausend Götter: Indien
Die vedischen Eroberer
Der Hinduismus: Platz für viele Götter
Wettstreitende Religionen: Buddhismus und Jainismus
Kapitel 19: Der Taoismus in China
Wie die Welt und der Mensch entstanden
Die Mythologie des Taoismus
Der Konfuzianismus: Mythos der Ergebenheit
Der Buddhismus
Kapitel 20: Japan: Mythen aus dem Land der aufgehenden Sonne
Die Erschaffung der Urmaterie
Übernatürliche Wesen
Japanische Rituale: Ein wenig von allem
Kapitel 21: Lateinamerika: Maya, Inka und Azteken
Fußabdrücke verlorener Völker: die alten Kulturen
Die Inka
Teil VI: Der Top-Ten-Teil
Kapitel 22: Fast zehn mythologische Ungeheuer
Gorgonen
Die Chimäre
Der Phönix
Kerberos, der Höllenhund
Drachen
Das Einhorn
Der Vogel Greif
Die Sphinx
Kapitel 23: Fast zehn mythologische Orte
Das Elysium
Brigadoon
Xanadu
Shangri-la
Arkadien
Walhalla
Atlantis
Das Königreich des Priesters Johannes (Prester John)
Avalon
Abbildungsverzeichnis
Stichwortverzeichnis
End User License Agreement
Kapitel 10
Tabelle 10.1: Römische Götter und ihre griechischen Entsprechungen
Kapitel 3
Abbildung 3.1: Die wichtigsten Mitglieder der Familie der griechischen Götter. De...
Kapitel 4
Abbildung 4.1: Poseidon wurde oft mit seinem Dreizack in der Hand d...
Abbildung 4.2: Daphnes Verwandlung kann man so interpretieren, dass es ihr gelang...
Abbildung 4.3: Das Hermes-Symbol, der Caduceus. Seit dem 16. Jahrhundert steht er...
Kapitel 5
Abbildung 5.1: Die drei anmutigen Grazien
Kapitel 6
Abbildung 6.1: Perseus und Medusa
Abbildung 6.2: Herakles beim Kampf mit dem Thespischen Löwen dessen Fell er danac...
Kapitel 7
Abbildung 7.1: Die türkischen Behörden ließen dieses hölzerne Pferd als Touristen...
Abbildung 7.2: Laokoon und seine Söhne, wie sie gerade von Athenes Schlangen ange...
Kapitel 8
Abbildung 8.1: Das Geschlecht des Kadmos: Was stimmt mit der Tafel nicht?
Abbildung 8.2: Das Atridengeschlecht: dort, wo man
kein
Essen zu sich nehmen soll...
Kapitel 9
Abbildung 9.1: Eine Statue der Göttin Ceres
Abbildung 9.2: Das Römische Weltreich zum Zeitpunkt seiner größten Ausdehnung
Kapitel 10
Abbildung 10.1: Der Gott Mithras tötet den Stier, mit dessen Blut er die Welt ret...
Abbildung 10.2: Eine vestalische Jungfrau: Hüterin von Roms Glück und Bewahrerin ...
Kapitel 11
Abbildung 11.1: Ein römisches Kriegsschiff
Abbildung 11.2: Nicht nur, dass Vergil ihm ein griechisch anmutendes Epos auf den...
Abbildung 11.3: Romulus und Remus und die Wölfin
Kapitel 12
Abbildung 12.1: Orpheus
Kapitel 13
Abbildung 13.1: Im Zentrum der Götterwelt: der einäugige Odin
Abbildung 13.2: Die schöne Göttin Freya
Kapitel 14
Abbildung 14.1: Atli, aka Attila der Hunnenkönig
Kapitel 16
Abbildung 16.1: Großmutter Tiamat und ihre göttliche Verwandtschaft: der Stammbau...
Abbildung 16.2: Gott erschafft Adam (in der Darstellung Michelangelos). Streckt A...
Kapitel 17
Abbildung 17.1: Der Sonnengott Ra
Kapitel 18
Abbildung 18.1: Shiva, der Zerstörer
Abbildung 18.2: Ganesh, der elefantenköpfige Beseitiger großer Hindernisse
Kapitel 20
Abbildung 20.1: Die Maske eines Tengu, eines Geistes, der in den Bergen lebte
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Impressum
Inhaltsverzeichnis
Einführung
Fangen Sie an zu lesen
Abbildungsverzeichnis
Stichwortverzeichnis
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Dieses Buch handelt von der Mythologie. Es behandelt die mythischen Geschichten, in denen die Menschen seit alters her ihr Wissen um Himmel und Erde verschlüsselt aufbewahrt haben. Die mythischen Erzählungen geben Antworten auf Fragen, die für alle Menschen bedeutsam sind. Man kann behaupten, dass das Erzählen von Mythen mit zu den wichtigsten Gewohnheiten des Menschen gehört. Jeder Mensch hat sicher schon einmal auf die eine oder andere Weise einen Mythos erzählt. Jede Kultur und jedes Zeitalter hat eigene Mythen hervorgebracht. Der Gegenstand der »Mythologie« ist genau diese Gesamtheit aller jemals erzählten Mythen (soweit sie uns überhaupt überliefert sind), ein schier unerschöpflicher Fundus an Geschichten über Helden, Götter, Ungeheuer und Naturgewalten.
Wer zu verstehen versucht, was Mythologie ist, wird gleichzeitig auch eine Menge über das Wesen des Menschen lernen. Genau das ist der Grund, warum es sich lohnt, über Mythen nachzudenken. Genauso wie die Menschen können auch Mythen aufwühlend, inspirierend, witzig und schön sein. Ähnlich wie die Menschen haben aber auch die Mythen ihre Schattenseiten; so sind auch sie mitunter verworren, grausam und gewalttätig; sie spiegeln die erotischen Begierden der Menschen und sind genau wie sie mitunter (scheinbar) paradox.
Dieses Buch versucht dem Leser Erklärungen anzubieten, wo immer dies möglich ist. Wer aber auf schnellen Wissensgewinn und klare Antworten aus ist, den wird die Beschäftigung mit der Mythologie möglicherweise zur Verzweiflung bringen. Der Mythos entstand aus dem Bedürfnis heraus, Antworten auf jene Menschheitsfragen zu geben, für die es einfach keine schnellen und eindeutigen Antworten geben kann.
Noch eine wichtige Anmerkung: Mythologie war immer ein Teil der Religion. Einige der in diesem Buch wiedergegebenen mythischen Geschichten entstammen Religionen, die heute niemand mehr praktiziert; andere dagegen gehören zur Überlieferung von Religionen, die heute noch Millionen von Menschen ausüben.
Dieses Buch ist ein Nachschlagewerk für alle, die sich rasch einen Überblick über die wichtigsten Grundlagen der unterschiedlichen Mythologien verschaffen möchten, die es auf der Welt gibt. Die einzelnen Teile und Kapitel des Buches behandeln jeweils bestimmte Einzelthemen. Der Leser, der eine bestimmte Frage beantwortet haben möchte, lese einfach das betreffende Kapitel, ohne sich um die anderen Abschnitte des Buches groß zu kümmern. Man kann natürlich auch gleich das ganze Buch durchlesen (was allen Lesern wärmstens empfohlen wird), wobei aber die Reihenfolge der einzelnen Teile nicht unbedingt eingehalten werden muss.
Dieses Buch ist in deutscher Sprache verfasst. Die allermeisten Mythen sind aber ursprünglich in einer anderen Sprache erzählt oder aufgeschrieben worden. Wir mussten aus diesem Grunde oft zwischen verschiedenen im Prinzip gleichrangigen Möglichkeiten wählen, einen mythologischen Namen ins Deutsche zu übertragen. Hieß der Held des Trojanischen Krieges Achill, Achilleus oder Akhilleus? Sollen wir den Namen des Begründers des Taoismus Lao Tse oder Lao Tzu schreiben? Wir haben versucht, die optimale Lösung zu finden. Seien Sie aber bitte nicht überrascht, wenn Sie in anderen Büchern auf ganz andere Schreibweisen für ein und dieselbe mythische Figur treffen.
Dieses Buch ist in sechs Teile untergliedert. Jeder Teil enthält mehrere Kapitel. Der erste Teil gibt einen Überblick über das Thema Mythologie. Jeder der folgenden vier Teile beschäftigt sich mit der Mythologie einer oder mehrerer Regionen der Welt: Griechenland, das Römische Reich, Nordeuropa und schließlich die übrigen Erdteile. Jedes Kapitel ist zwischen zehn und 16 Seiten lang und behandelt unterschiedliche Themen wie zum Beispiel griechische Göttinnen, die Geschichten Homers oder die Mythologie Altägyptens.
Dieser Teil gibt einen Überblick über das Thema Mythologie. Kapitel 1 erläutert, was wir unter dem Begriff Mythologie zu verstehen haben. Es stellt einige der Theorien vor, die jeweils eine Deutungsmöglichkeit der Mythologie liefern, und gibt außerdem einen Überblick über die typischen, oft themenverwandten mythischen Erzählungen sowie über häufig verwendete Figuren in ihnen. Das diesen Teil abschließende Kapitel 2 gibt einige Beispiele dafür, auf welche Art und Weise uns die alten Mythen auch heute noch täglich in unserem Leben begegnen.
Die meisten Leser werden bei dem Gedanken an »Mythologie« mit Recht sofort an die griechische Mythologie der Antike denken. Es sind ja gerade die Götter, Göttinnen, Helden und Ungeheuer der griechischen Mythologie, die für uns heute Lebende besonders lebendig geblieben sind. Ein weiterer Grund hierfür ist, dass uns viele bedeutende Dichtungen griechischer (und römischer) Autoren erhalten geblieben sind, deren Werke oft aus dem Mythenschatz ihrer Zeit schöpfen, darunter wunderbare Geschichten, die bis in unsere Zeit gelesen und geschätzt werden. Tatkräftige Hilfe bei der Überlieferung des klassischen Mythenschatzes leistete die Renaissance, die die Antike sozusagen »wiederentdeckte«. Der Leser wird in Teil II des Buches mit der Herkunft und Geschichte der griechischen Götter und Göttinnen vertraut gemacht (eine nicht immer angenehme Geschichte). Die Abenteuer der bekannteren Helden der griechischen Mythologie werden hier nacherzählt: Herakles (besser bekannt unter dem Namen Herkules), Perseus, Theseus und Jason (auch Iason geschrieben). Erzählt werden auch die lange und verwickelte Geschichte des Trojanischen Krieges sowie die mythischen Geschichten, die den stofflichen Hintergrund für einige berühmte griechische Tragödien bilden.
Es ist hinlänglich bekannt, dass die Römer von den Griechen die meisten Götter und Göttinnen direkt übernommen haben. Oft wurde dabei nicht einmal der Name abgeändert. In Teil III erfährt der Leser die Gründe hierfür. Außerdem wird er mit den römischen Gottheiten vertraut gemacht und lernt, auf welche Weise die Römer die von den Griechen entlehnten Götter und Sagengestalten mit ihrer eigenen Götterwelt verbunden haben. Ein weiteres Kapitel beschäftigt sich mit den römischen Gründungsmythen, wie sie in der Aeneis Vergils und der Sage von Romulus und Remus geschildert werden. Das diesen Teil abschließende Kapitel schließlich rekapituliert einige der bekannteren Geschichten der römischen Mythologie.
Auch wenn die Mythen des Mittelmeerraums besser bekannt sind, so besaßen auch die Menschen in Nordeuropa ihre eigenen Gottheiten und ihre eigenen Mythen und Sagen. Dieser Teil behandelt die Mythenwelt der nordgermanischen Völker, wie zum Beispiel das im achten Jahrhundert entstandene Heldengedicht Beowulf, die Wölsungen-Sage von Sigurd, dem Drachentöter, und das Nibelungenlied. Ein Kapitel widmet sich einem der bekanntesten mythischen Helden: König Artus.
Menschen in der westlichen Hemisphäre sind häufig der Ansicht, dass »Mythologie« gleichbedeutend mit der Mythologie des Westens sei. Sie vergessen oft, dass alle Völker der Erde ihre eigenen Sagen und Mythen hervorgebracht haben. In Teil V wird es um die Mythen im Nahen Osten, Ägypten, China, Indien, Japan und Latein-Amerika gehen. Mit diesem Buch verbindet sich die Hoffnung, dass es dem Leser die Anregung gibt, sich mit Mythen intensiver zu beschäftigen und noch mehr über die Mythologien der Welt zu lernen.
Viel Vergnügen bei der Lektüre dieser Listen, die ein unverzichtbarer Teil aller … für Dummies-Bücher sind. Sehen Sie nach, ob Sie Ihren mythologischen Lieblingsschauplatz oder Lieblingshelden hier wiederfinden können.
Sie werden im Verlauf des Buches immer wieder auf folgende vier Icons stoßen, die den Leser auf nützliche Informationen aufmerksam machen sollen. Man kann das Buch zwar auch dann lesen, wenn man alle entsprechend markierten Stellen überspringt; mehr Unterhaltung und Lesevergnügen stellt sich aber dann ein, wenn man auch sie mitliest.
Dieses Icon findet sich an Stellen, an denen der Leser durch die Verknüpfung von mythologischer Theorie und Mythenerzählungen darauf aufmerksam gemacht werden soll, um welche Art von Mythos es sich im betreffenden Textabschnitt handelt.
Die mit diesem Icon gekennzeichneten Stellen vermitteln dem Leser kleinere Wissenshappen, die an und für sich vielleicht nicht unbedingt wichtig sind, die aber immerhin über Wohl und Wehe bei einem Quiz entscheiden oder einen Menschen bei passender Gelegenheit unheimlich intelligent erscheinen lassen können. Die Beschäftigung mit Mythen produziert reichlich Wissen dieser Art.
Diese Stellen enthalten Informationen historischen und akademischen Inhalts. Sie finden hier Wissen, das auch für Akademiker und Fachleute im Bereich Mythologie interessant ist.
Bereichern Sie Ihren Wortschatz! Mythen und Sagengestalten sind für zahllose Wörter unserer Sprache verantwortlich.
Das vorliegende Buch ist nicht linear aufgebaut. Sie müssen Ihre Lektüre nicht notwendigerweise mit dem ersten Kapitel beginnen. Falls Sie sich zuerst mit den Mythen des alten Ägyptens beschäftigen möchten, so können Sie die vorangehenden Abschnitte des Buches getrost überspringen.
Die einleitenden Kapitel des Buches geben Ihnen einen ersten Einstieg in das Thema Mythologie. Sie erfahren, welche Rolle die Mythen in der Menschheitsgeschichte gespielt haben. Beginnen Sie hier, wenn Sie zunächst wissen möchten, was Mythologie überhaupt ist. Wer dagegen einen leichten und unterhaltsamen Einstieg in das Thema haben möchte, der beginnt am besten mit dem Top-Ten-Teil am Ende des Buches. Für alle anderen Leser gilt, dass sie ganz nach Belieben an jeder beliebigen Stelle im Buch mit dem Lesen beginnen können und auch die Freiheit haben, von einem Abschnitt zum anderen zu springen.
Teil I
IN DIESEM TEIL …
Was zum Teufel ist also Mythologie? Wieso sollten wir uns überhaupt mit diesem Thema beschäftigen? Nun ja, mal abgesehen davon, dass es für Schüler und Studenten bei der Abfassung von Aufsätzen und Hausarbeiten sehr nützlich sein kann und auch sehr gute Dienste dabei leistet, als Partybesucher unheimlich witzig und belesen zu erscheinen – so ist die Mythologie doch unter anderem auch deswegen bedeutsam, weil die Menschen durch sie lernen können, ihre eigene Kultur und die anderer Erdteile besser zu verstehen. Der erste Teil des Buches vermittelt dem Leser die Grundlagen der Mythologie als einen Bereich der Kulturwissenschaften und schildert einige der Auswirkungen, die die Mythologie auf die Welt hatte.
Kapitel 1
IN DIESEM KAPITEL
Was macht einen Mythos zum Mythos?Die gängigsten Theorien zum Thema MythologieDie Hauptfiguren im MythosBevor Sie mit der Lektüre des Buches fortfahren, wollen wir zunächst auf Folgendes hinweisen: Wir nehmen das Thema Mythen in diesem Buch sehr ernst.
Damit wollen wir zwar nicht behaupten, Mythen könnten nicht auch humorvoll sein; viele Mythen sind es und sollen es auch sein. Auch wollen wir nicht behaupten, dass alle Informationen über Mythen in diesem Buch von akademischer Strenge sein werden. Dem ist einfach nicht so. Vielmehr ist Sinn und Zweck dieses Buches, den Leser bei der Lektüre nicht nur zu fesseln, sondern auch zu unterhalten. Das Vergnügen, das die Autoren beim Schreiben des Buches hatten, soll sich auch auf den Leser übertragen. Nicht zuletzt soll die Beschäftigung mit Mythologie auch unterhaltsam sein.
Behaupten wir, etwas sei ein Mythos, so treffen wir keine Aussage darüber, ob der betreffende Gegenstand wahr oder falsch ist. In diesem Buch wird nicht die Meinung vertreten, dass Wissenschaft und Geschichte auf der einen Seite und Mythologie auf der anderen Seite durch diese Unterscheidung in wahr und falsch getrennt wären. (Nicht dass wir irgendetwas gegen die Wissenschaft hätten. Sie hat uns schließlich ein bedeutsames Wissen über die Welt geliefert und stellt ihren positiven Nutzen für die Menschen jeden Tag unter Beweis. Wir sind nur nicht der Auffassung, dass man die Mythen nur aus dem Grund dem wissenschaftlichen Wissen unterordnen sollte, weil Letzteres beweisbar erscheint.)
Als Kindern sagte man uns, dass sich die Menschen – als es noch keine Wissenschaft gab – die Welt mithilfe der Mythen erklärt hätten. Man wollte mit dieser Behauptung gleichzeitig zum Ausdruck bringen, dass die Menschen von dem Zeitpunkt an keine Mythen mehr benötigten, als sie begannen, rational zu denken und sich die Welt mithilfe der Wissenschaft zu erklären. Heute wissen wir es natürlich besser. Die Mythologie ist eine Art und Weise, die Welt zu verstehen. Sie ist dabei genauso wichtig und genauso »wahr« wie die naturwissenschaftlichen oder historischen Erkenntnisweisen. Tatsächlich ist es so, dass die Naturwissenschaft, die Geschichtswissenschaft oder auch andere logische Erkenntnisformen nicht für alle wichtigen Fragen auch sinnvolle Antworten bereithalten. Mythen dagegen erweisen sich bei einigen dieser Fragen, die wir für wichtig halten und deren Beantwortung uns wahre Erkenntnisse liefern, als überaus erfolgreiches Erkenntnisinstrument.
Christopher Blackwells Vater hatte das Glück, Paul Tillich gekannt zu haben. Tillich war ein deutscher Theologe und Religionsphilosoph, der vor den Nazis aus Deutschland fliehen musste, in die USA emigrierte und schließlich an der Harvard Universität als Professor lehrte. Tillich, der sicher einiges von den wirklich bedeutsamen Dingen verstand, pflegte zu sagen: »Man soll nie sagen, etwas sei nur ein Mythos. Vielmehr soll man sagen: Es ist nichts Geringeres als ein Mythos.«
Genau derselben Ansicht sind auch wir in diesem Buch. Mythen sind eminent wichtig und sollten unbedingt ernst genommen werden. Man sollte Themen von solchem Ernst aber gleichzeitig auch mit Spaß und Vergnügen behandeln. Also, los geht's …
Ein Mythos ist im Wesentlichen eine Geschichte. Das griechische Wort »Mythos« bedeutet so viel wie »Rede, Erzählung, Fabel«. Dies ist die wörtliche Übersetzung des Begriffs. Natürlich taugt aber nicht jede x-beliebige Geschichte zum Mythos. Amy (eine der beiden Autoren des Buches) wurde einmal in Thailand der Kopf eines Schweins zum Abendessen serviert. So interessant diese Geschichte als Geschichte auch erscheinen mag – um einen Mythos handelt es sich dabei nicht. Chris wiederum (der andere Autor des Buches) wurde einmal bei einem Spaziergang im Wald von irgendeinem Verrückten irrtümlich angeschossen, was wiederum als Geschichte ja durchaus spannend und fesselnd sein, aber auch nicht als Mythos durchgehen kann. Auch wenn man einen Mythos normalerweise erkennen kann, wenn man auf einen trifft, so ist es von Vorteil, sich zunächst einmal wenigstens um eine Definition zu bemühen, um Mythen auch wirklich wertschätzen und von anderen Erzählformen sicher abgrenzen zu können.
Mythenexperten lieben es, sich über schwierige, schwer zu definierende Probleme zu streiten. Während der vergangenen 200 Jahre war die Mythologie solch ein beliebtes Streitthema unter Wissenschaftlern. Die Mythenexperten debattierten darüber, wodurch man einen »echten« Mythos von einem nur scheinbaren unterscheiden könne. Sie waren sich aber darin einig, dass man Mythen nicht mit anderen verwandten oder ähnlichen Erzählarten verwechseln sollte wie etwa Legenden, Sagen oder Volksmärchen.
Was zeichnet einen Mythos aus? Nun, zunächst einmal sind Mythen Geschichten über Götter und Göttinnen, andere übernatürliche Wesen sowie deren Beziehungen zu den Menschen. Diese Definition ließe sich erweitern durch die Einbeziehung von Geschichten, die sich universalen Wahrheiten widmen oder die der Vermittlung von Werten dienen, die Völkern dabei helfen können, eine Vorstellung von sich als Gruppe und Wertegemeinschaft zu bekommen. Mythen helfen außerdem dabei, bestimmte soziale Ordnungen wie etwa die durch Erbschaft weitergegebene Thronfolge oder andere soziale Klassenstrukturen zu legitimieren. Mitunter dienen sie auch dazu, die fiktive »Geschichte« eines Königreichs zu fabrizieren, um so dessen Herrschaftsanspruch zu festigen.
Insofern Mythen von Menschen und Göttern handeln, handeln sie immer auch von der Religion. Jeder der in diesem Buch vorkommenden Mythen war oder ist Teil einer Religion, die von Menschen ausgeübt wurde oder immer noch wird.
Mitunter wird das Wort »Mythos« so gebraucht, dass es die Bedeutung »unwahr« annimmt. Die Menschen sagen dann, etwas sei »bloß ein Mythos«. Sie wollen damit zum Ausdruck bringen, dass die betreffende Sache keine reale Grundlage hat, sondern nur aus der Luft gegriffen ist. Mythen haben aber ihre eigene Wahrheit. Sie vermitteln den Menschen unter anderem eine Sicht auf die Welt und einen Wertekanon, Dinge also, die ebenso wichtig sein können wie jede x-beliebige wissenschaftlich nachprüfbare Aussage (vergleiche hierzu Kapitel 3).
Legendenweisen zwar gewisse Ähnlichkeiten mit Mythen auf, sie basieren jedoch auf geschichtlichen Tatsachen, die nur mitunter sehr frei ausgelegt werden. Viele Legenden erinnern bloß noch entfernt an die ihr zugrunde liegenden geschichtlichen Tatsachen. Allerdings müssen Legenden oder Sagen, um als solche gelten zu können, doch auf einem realen Ereignis beruhen, das zumindest tatsächlich passiert sein könnte. Die Geschichte von König Artus zum Beispiel zählt aus diesem Grund zu den Legenden, weil es (wahrscheinlich) tatsächlich einmal eine reale Person gegeben hat, von der sich dann die Artuslegende, wie wir sie heute kennen, abgeleitet hat.
Volksmärchensind überlieferte Erzählungen, die zum einen der Unterhaltung dienten und zum anderen bisweilen auch didaktische Ziele verfolgten. In Volksmärchen erleben die Helden Abenteuer und magische Geschehnisse. Für gewöhnlich gibt es in ihnen jedoch keine Passagen, die menschliche Beziehungen mithilfe des Übernatürlichen oder Göttlichen erklären wollen.
Die meisten Mythen weisen Elemente aus Legenden und Sagen auf und umgekehrt. Diese unterschiedlichen Gattungsbezeichnungen sind durchaus nützlich, wenn es darum geht zu entscheiden, wann es sich um einen Mythos handelt und wann nicht. Man sollte sich aber nicht zu sehr darauf fixieren.
Märchen wiederum sind Mythen und Volkserzählungen sehr ähnlich. Es gibt aber einen Unterschied: Die Märchen sind ein Phänomen der romantischen Bewegung im Europa des 19. Jahrhunderts, als zum Beispiel die Brüder Grimm begannen, von den Bewohnern einer Region mündlich überlieferte Geschichten zu sammeln, aufzuschreiben und in romantisierter Form breiten Leserschichten zugänglich zu machen. Die Originale von Grimms Märchen wiederum haben nur wenig mit den bereinigten, modernen Fassungen zu tun – die Originalversionen sind voll von Blut und Gewalt.
Die Menschen hatten nicht immer Zugang zu dicken Büchern, die sich ausführlich mit der Mythologie etwa der Griechen oder anderer Völker befassten. Sie konnten also nicht einfach mal eben so die Mythen nachlesen. Dennoch ist es gelungen, Jahrtausende alte Erzählungen und Geschichten bis in die Gegenwart zu bewahren. Vor der Erfindung der Schrift waren es insbesondere das gesprochene Wort und die künstlerische Darstellung, die die Mythen vor dem Vergessen bewahrten. Nach der Erfindung der Schrift begannen die Menschen, die Mythen aufzuschreiben. Bis in unsere jüngste Vergangenheit gab es für Schriftsteller nichts Aufregenderes, als neue Geschichten nach dem Vorbild alter Mythen zu erfinden.
Mythen sind Geschichten. Früher wurden sie hauptsächlich mündlich nacherzählt und weitergegeben. Wenn Geschichten so von einer Generation zur nächsten wandern, spricht man von mündlicher Überlieferung.
Wo es keine Möglichkeit gibt, Informationen in schriftlicher Form zu speichern, ist die mündliche Überlieferung eine von zwei Arten, Wissen von einer zur nächsten Generation weiterzugeben. (Die andere ist die Kunst; ihr werden wir uns gleich zuwenden.)
In Gesellschaften, die über eine lange Tradition mündlicher Überlieferung verfügen, haben die Menschen normalerweise ein sehr gutes Gedächtnis. In Kulturen dagegen, in denen die Schrift verbreitet ist, benötigen die Individuen kein besonders ausgeprägtes Erinnerungsvermögen, weil es ja neben vielen anderen Möglichkeiten zum Beispiel Bücher, Broschüren, Notizzettel (und nicht zuletzt Dummies-Bände) gibt, die helfen, sich an wichtige Dinge zu erinnern, die die Menschen sonst vielleicht vergessen würden. Gesellschaften dagegen mit starker mündlicher Überlieferung bewahren das zu Erinnernde oft in Form von Gedichten oder Liedern, einfach weil man es sich so leichter Wort für Wort merken kann.
Mythen entstammen ursprünglich ausschließlich dieser oralen Tradition. Sie wurden immer mündlich weitererzählt. Jede Veränderung an ihnen geschah auf diesem Wege des Erzählens. Da jede Mythen produzierende und Mythen erzählende Generation über ihre eigenen spezifischen Bedürfnisse und Erfahrungen verfügt, neigen Mythen dazu, sich im Laufe der Zeit zu verändern. Am Schluss einer solchen Entwicklung liegt dann ein und derselbe Mythos in mehreren Versionen vor.
Der heutige E-Mail-Austausch im Internet stellt vielleicht eine moderne Form der mündlichen Überlieferung dar. Geschichten können heute leicht von Computernutzer zu Computernutzer auf der ganzen Welt wandern. Auf ihrem im Prinzip keine Zeit mehr beanspruchenden Weg erfahren sie dabei immer wieder leichte Veränderungen. Vielleicht haben ja einige dieser Geschichten im Internet das Zeug dazu, später einmal zu den Mythen des 21. Jahrhunderts zu werden.
Menschen, die weder schreiben noch lesen können, sind nicht nur imstande, Geschichten zu erzählen, sondern sie können zum Beispiel auch Kunstwerke herstellen. Die bildlich darstellende Kunst ist eine weitere Möglichkeit, Mythen von einer Generation zur nächsten weiterzugeben; sie müssen nicht unbedingt niedergeschrieben werden. Kunstwerke können ihre Schöpfer durchaus Jahrtausende überdauern. Selbst nach einer so langen Zeit sind Archäologen in der Lage, Fundstücke von längst untergegangenen Kulturen auszugraben, zu restaurieren und zu deuten. Damit Mythen auf diese Weise bewahrt werden können, muss es sich nicht unbedingt um aufwendige oder raffinierte Kunstwerke handeln. Schon gewöhnliche Alltagsgegenstände sind oft mit dekorativen Szenen versehen, die dem Archäologen viel über die betreffende Kultur verraten können (ein besonders schönes Beispiel hierfür können Sie in Kapitel 9 nachlesen).
Mit der epochalen Erfindung der Schrift aber wurden auch die Mythen schließlich in schriftlicher Form niedergelegt. Die Dichtung Homers etwa – eine eminent wichtige Quelle für unser Wissen über die griechische Mythologie – hat ihren Ursprung in mündlich überlieferten Liedern, die öffentlich von Sängern vorgetragen wurden. Diese Liedtexte und Verserzählungen wurden später aufgeschrieben und konnten somit nachgelesen werden. Die Mythenexperten streiten sich noch heute endlos darüber, wie zum Beispiel im Falle Homers das mündlich überlieferte Material in einer bestimmten Version (und nicht etwa einer anderen, die es sicher gegeben hat) den Weg aufs Papier beziehungsweise auf den Papyrus fand.
Mythographen gab es schon in der Antike. Sie schrieben die Mythen für spätere Generationen auf.
Mythen dienten in der Vergangenheit immer wieder als Anregung für andere Arten von Literatur. Sehr viele griechische Tragödien, ursprünglich niedergeschrieben, um als Bühnenstück aufgeführt zu werden, griffen auf Stoffe und Motive der damaligen Mythologie zurück. In späterer Zeit war es zum Beispiel William Shakespeare, der sich beim Entwurf vieler seiner dramatischen Werke auf mythologische Geschichten stützte, wobei er sich der Mythologien des Mittelmeerraumes ebenso bediente wie der Mythen nordeuropäischer Herkunft. In seinem Stück Ein Mittsommernachtstraumspielt die Handlung am Hofe des griechischen Königs Theseus zum Zeitpunkt seiner Heirat mit der Königin der Amazonen Hippolyte (mehr dazu in Kapitel 7). Shakespeares Stück Romeo und Julia entlehnt seine Handlung der Geschichte von Pyramus und Thisbe, die in Ovids Metamorphosen geschildert wird (vergleiche Kapitel 12).
In jüngster Vergangenheit haben Wissenschaftler versucht, mündlich überlieferte Mythen und Sagen gezielt ausfindig zu machen mit der Absicht, sie aufzuschreiben und zu erforschen. Anthropologen und Ethnologen besuchten dazu etwa die indigenen Völker Brasiliens oder andere noch weitgehend unerforschte Naturvölker. Sie ließen sich deren Geschichten erzählen und schrieben sie anschließend auf. Diese schriftlich niedergelegte Überlieferung dient dazu, einen Beitrag zur Bewahrung der jeweiligen Kultur zu leisten, und ermöglicht unter Umständen auch einen Blick darauf, wie Mythen sich mit der Zeit weiterentwickeln.
Mythen sind eine schwierige, verwirrende Angelegenheit. Oft scheinen Mythen aus verschiedenen Teilen der Welt und aus unterschiedlichen Zeiten gewisse Ähnlichkeiten aufzuweisen. Die meisten Mythen lassen sich in bestimmte Klassen oder Gruppen einteilen, unabhängig davon, ob die unterschiedlichen Kulturen, denen sie entstammen, viele Gemeinsamkeiten haben oder nicht. Wieso ist das so?
Immer wenn Wissenschaftler auf mehrere, anscheinend einem bestimmten Muster gehorchende Aspekte einer Sache stoßen, versuchen sie herauszufinden, welchen Regeln dieses Muster gehorcht. In den letzten einhundert Jahren arbeiteten viele Mythenexperten an der Beantwortung der uralten Frage, worum es in all diesen mythischen Geschichten geht. Da diese Frage geradezu unbeantwortbar erscheint, stellten sie mehrere unterschiedliche Theorien auf, die allmählich Teil der Fachgebiete Psychologie, vergleichende Literaturwissenschaft und Anthropologie wurden.
Im Folgenden sind überblicksartig einige der bedeutenderen Theorien über Mythen aufgelistet:
Mythen sind bestimmend für die Überzeugungen, Sitten und Gebräuche einer Gesellschaft.
Mythen sind dasselbe wie Rituale.
Mythen sind Allegorien, vergleichbar mit den Gleichnissen in der Bibel.
Mythen enthalten Erklärungen für die Phänomene in der Natur.
Mythen liefern Erklärungen für psychologische Zustände wie etwa die Liebe, den Sex oder auch die Wut auf die eigenen Eltern (Sigmund Freud war sicher ein Anhänger dieser Theorie).
Mythen dienen der Kommunikation und helfen Menschen dabei, miteinander zu arbeiten; oder sie sind eine Art, über Dinge zu sprechen, die den Menschen Sorgen bereiten (die Theorie des Strukturalismus, die auf Claude Levi-Strauss zurückgeht, ist mit diesem Erklärungsansatz verbunden).
Wenn man sich diese Theorien anschaut, wird schnell deutlich, dass keine einzelne imstande ist, alle Mythen zu erklären. Nimmt man aber alle zusammen zu Hilfe, so kann das Nachdenken über Mythen zu einer durchaus fruchtbaren Tätigkeit werden. (Die Autoren des Buches neigen dazu, die symbolische/allegorische Theorie über die Mythen für die überzeugendste aller genannten Theorien zu halten. Der Hauptgrund hierfür ist, dass diese Theorie fast alle anderen mit einschließt und die Mythen nicht in ein zu enges theoretisches Korsett zwängt.)
Einer der Gründe, warum sich so viele Wissenschaftler abgemüht haben, eine brauchbare Definition für den Begriff Mythos zu finden, ist darin zu sehen, dass Mythen über Kulturgrenzen hinweg Ähnlichkeiten aufweisen. So gibt es etwa unabhängig voneinander in Griechenland wie auch in Japan Geschichten, in denen ein Mann in die Unterwelt hinabsteigt, um seine tote Frau wieder ins Reich der Lebenden heraufzuholen, wobei es ihm jeweils nicht gestattet ist, seine Frau vor Verlassen der Unterwelt anzublicken. Die Übereinstimmung ist verblüffend, so als gäbe es ein aus uralten Zeiten herstammendes universales Wissen im kollektiven menschlichen Gedächtnis.
Wie dem auch sei – einige Geschichten tauchen in unterschiedlichen Kulturen immer wieder in ähnlicher Form auf. Im Folgenden geben wir eine Auswahl dieser Geschichten:
Schöpfungsmythos
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Jeder Mensch brennt darauf zu erfahren, wie die Welt und die darin lebenden Geschöpfe entstanden sind. Für gewöhnlich erklären die Schöpfungsmythen dies so, dass eine Schöpfergottheit die Welt aus einer ursprünglichen, oft eiförmig gedachten Ur-Dunkelheit erschaffen habe.
Weltentstehungsmythos:
Viele Mythen beschreiben, wie die Welt, der Himmel, das Meer und die Unterwelt zusammen entstanden sind und wie die Sonne und der Mond ihre Bahnen am Firmament aufgenommen haben.
Der Ursprung der Menschheit:
Da das Dasein des Menschen einen Ursprung haben muss, findet sich in vielen Mythologien eine Erklärung für seine Existenz. Oftmals sprechen die Mythen dann von einer Gottheit, die ihre Geschöpfe aus Lehm oder einem ähnlichen Material geformt habe.
Sintflutgeschichten:
In vielen Mythen wiederholt sich in ähnlicher Form immer wieder die Geschichte einer Gottheit, die aus einem Gefühl der Enttäuschung über ihre Schöpfung heraus die Welt durch eine Sintflut zerstört, um danach zu einem zweiten Versuch anzusetzen. Normalerweise überleben bei einer solchen Sintflut genau eine Frau und ein Mann (wodurch der ganze Schlamassel wieder von vorne beginnen kann).
Über den Ursprung von Krankheit und Tod:
Diese Mythen erzählen davon, dass die ersten Menschen in einem Paradies lebten, dessen vollkommenes Glück gestört wurde, als einer der Bewohner des Paradieses das Unglück in irgendeiner Form in diese Welt brachte. Einer der bekanntesten Mythen dieser Art ist der Mythos der Büchse der Pandora.
Das Leben nach dem Tod:
Viele Völker glauben, dass die Seele des Menschen nach dessen Tode weiter besteht. Die entsprechenden Mythen beschreiben, wie dieses Leben nach dem Tod aussieht.
Die Gegenwart übernatürlicher Wesen:
Alle Mythologien berichten von Gottheiten oder anderen übernatürlichen Wesen. Einzelne Gottheiten sind oft verantwortlich für bestimmte Bereiche des menschlichen Lebens. Manche übernatürlichen Wesen sind gut, andere sind böse. Die Menschen kämpfen im Bunde mit den guten Gottheiten gegen die bösen.
Das Ende der Welt:
Auch wenn die Welt in den meisten Mythologien schon mindestens einmal untergegangen ist (normalerweise durch eine verheerende Sintflut), so enthalten Mythen manchmal auch Vorstellungen darüber, wie das Ende der Welt in der Zukunft aussehen wird.
Mythen über den Anbruch der Zivilisation:
Die Menschen mussten lernen, nicht wie Tiere zu leben, sondern wie Menschen. Oft halfen ihnen die Götter dabei. Ein bekannter Mythos aus Griechenland erzählt die Geschichte, wie eine Gottheit das Feuer raubte, um es den Menschen zu bringen.
Gründungsmythen:
Reichsgründer und Herrscher führen gerne »geschichtliche« Gründe ins Feld, um zu erklären, warum es notwendig war, dass gerade sie ihre Feinde bezwingen und zu Staatsgründern werden konnten. Die Erfindung eines Mythos ist bei diesem Ansinnen häufig hilfreich gewesen.
Ein Grund, warum Mythen in ähnlicher Form immer wieder auftreten, lässt sich darin sehen, dass Menschen seit jeher von einem Ort zum anderen gezogen sind und sich dabei mit anderen ausgetauscht haben. Dies war schon so, lange bevor die Schrift erfunden wurde. Genauso wie es einen regen Austausch an Gütern oder auch ansteckenden Krankheiten gegeben hat, tauschten die Menschen auch ihre Mythen aus. Es gibt zum Beispiel nordamerikanische Indianerstämme, deren Mythologien interessanterweise Sintflutgeschichten enthalten. Wie lässt sich das erklären? Eine mögliche Deutung dafür wäre die Annahme, dass es die frühen christlichen Missionare waren, die den Indianern zusammen mit anderen christlichen Geschichten unter anderem auch die von Noah und der Sintflut erzählten. Vor ihrem ersten Kontakt mit den europäischen Einwanderern war ihnen die Vorstellung einer Zerstörung der Welt durch eine Sintflut vielleicht vollkommen unbekannt gewesen. Sie könnten sie schließlich durchaus von den Europäern übernommen und zu ihrer eigenen gemacht haben.
Die Einzelheiten mythologischer Geschichten sind bedeutsam und hatten teilweise weitreichende Folgen. Viele Menschen haben zum Beispiel Mythen benutzt, um die Vorherrschaft der Männer über die Frauen zu rechtfertigen (denken Sie etwa daran, dass die Bibel berichtet, Eva sei aus einer Rippe Adams entstanden; nach dem Motto: »Wer zuerst kommt, mahlt zuerst« sollte so die erzwungene Unterordnung der Frau legitimiert werden). Mythen haben auch dazu gedient, die Unterdrückung anderer sozialer Gruppen zu rechtfertigen. Dies geschieht sogar noch in der heutigen Zeit.
In mythischen Erzählungen treten sehr oft die gleichen oder ähnliche Figuren auf. Es kommen in ihnen fast immer übernatürliche Wesen vor. Diese erscheinen dann als Gottheiten oder Götter. Neben den Göttern gibt es noch die menschlichen Figuren, die mit den Göttern interagieren. Menschen mit besonderen Eigenschaften erlangen den Status von Helden. Die Liste der Figuren wird vervollständigt durch mit übernatürlichen Fähigkeiten begabte Tiere und andere Gestalten, die ein Moment der Täuschung und List in die Geschichten hineinbringen.
In allen mythischen Geschichten treten übernatürliche Wesen auf, die Macht über die Welt und die sie bevölkernden Menschen haben. Diese Wesen sind entweder Götter oder Göttinnen; das Wort Gottheitverwenden wir, wenn von dem Geschlecht der Götter abgesehen werden soll. Es gibt Kulturen, die nur eine Gottheit kennen; andere wiederum haben viele unterschiedliche. Normalerweise ist es aber so, dass eine Kultur eine Schöpfergottheit und mehrere andere göttliche Wesen kennt, die unter sich die unterschiedlichen Aufgaben aufteilen, wie zum Beispiel für den Lauf von Sonne und Mond zu sorgen, sich um die Toten zu kümmern, oder auch die Aufgabe haben, den Menschen eine ausreichende Ernte zu sichern und so weiter. Diese Arbeitsteilung im Reich der Götter war insofern praktisch, als die Menschen immer wussten, welche Gottheit sie wofür anzurufen hatten. Eine hochschwangere Frau musste also nicht ihre Zeit damit verschwenden, den Regengott um Beistand zu bitten.
Die übernatürliche Welt ist nicht nur ein Reich der gütigen Gottheiten. Es leben dort auch Wesen, die die negative Seite der Welt verkörpern und die Erde und die dort lebenden Menschen heimsuchen. Die Rede ist von Teufeln, Dämonen, Ungeheuern und Riesen, die Teil der Mythologie sind und sowohl gegen die Götter als auch gegen die Menschen kämpfen.
In vielen Mythen treten Helden auf, die erstaunliche Taten voller Wagemut, Stärke und Klugheit vollbringen. Manche Helden sind Menschen, manche Götter; bisweilen sind sie auch halb Mensch und halb Gottheit. Helden sind in Mythen normalerweise männlichen Geschlechts. Man erkennt die mythologischen Helden typischerweise daran, dass ihre Veranlagung zu ihren späteren Heldentaten schon in ihrer Kindheit sichtbar wird.
Kulturbringende Helden treten in Mythen auf, um den Menschen Zugang zu bestimmten Kulturtechniken zu ermöglichen. So war für die Griechen Prometheus ein kulturbringender Held, weil er den Menschen das Feuer brachte. In Kapitel 7 werden wir uns ausführlicher mit ihm beschäftigen. In der Mythologie der nordamerikanischen Indianer gibt es sogar einen zweifach kulturbringenden Helden; es handelt sich um die männliche Figur, die an ein und demselben Ort nicht nur den Tabak entdeckte, sondern (einige Zeit vorher) auch den Sex.
Andere Helden wiederum dienten als Vorbild für menschliche Fertigkeiten und Leistungen. Der griechische Held Herakles (beziehungsweise Herkules bei den Römern) war der größte, stärkste und heldenhafteste Held aller Zeiten. Mit ihm werden wir uns in Kapitel 7 beschäftigen. Häufig spielen Helden auch eine Rolle in Gründungsmythen
Kapitel 2
IN DIESEM KAPITEL
Mythologie in unserer KulturDie Mythologie und das FirmamentMythologie und KunstMythen im FilmMythen verwenden Symbole, um über wahre und für uns bedeutsame Dinge zu sprechen. Unsere Alltagssprache ist hierzu ein untaugliches Mittel. Mythen versuchen, Antworten zu finden auf Fragen nach der Beziehung zwischen den Menschen und dem Göttlichen, dem Wesen der Liebe, dem Leben nach dem Tod und so weiter. Die im Mythos verwendeten Symbole entstammen dem alltäglichen Leben: Frauen und Männer, Söhne und Töchter, Väter und Mütter, Geschenke, Stürme, Tiere und Pflanzen. Die Kombination dieser und anderer Symbole, mit deren Hilfe für den Menschen außerordentlich Bedeutsames in Geschichten über durchaus alltägliche Dinge erzählt wird, ist wahrlich magisch zu nennen. Dies ist unter anderem der Grund, warum die Mythen vergangener Zeiten uns heute immer noch lesenswert erscheinen.
Viele Mythen gibt es schon seit Tausenden von Jahren. Die Kulturen, die sie geschaffen haben, sind längst untergegangen. Mythen reisen über Kontinente und Ozeane hinweg. Selbst in unserer heutigen angeblich so rationalen und wissenschaftlichen Zeit sind Mythen allgegenwärtig und immer noch in der Lage, die Menschen anzusprechen und zu beeinflussen. Die Menschen verlangen nach Helden; sie wollen an Ungeheuer und das Übersinnliche glauben; sie sind begierig nach Geschichten, die erklären, wie die Welt funktioniert.
Kunst und Literatur sind seit jeher von der Mythologie und ihren Themen und Geschichten beeinflusst und durchdrungen. Dies gilt speziell für die europäische Kunst und Literatur, die sich besonders von der griechischen und römischen Mythologie hat inspirieren lassen. Aus diesem Grund erscheinen Texte und Kunstwerke, in denen mythologische Motive erkennbar werden, oft vertraut, bedeutsam oder einfach nur klassisch.
In diesem Kapitel erfahren Sie, wo man auch heute noch im Alltag Mythen begegnen kann. Es sollte Ihnen dabei einsichtig werden, warum ein Wissen über mythologische Zusammenhänge von Vorteil ist.
Mythen können die Menschen viele Tausend Jahre begleiten und dabei den Bedürfnissen der unterschiedlichsten Völker und Kulturen dienen. Sie verändern sich während dieser Zeit ständig. Da Mythen somit nicht nur in einer einzigen »wahren« Version vorkommen, können die Geschichten und Figuren für unterschiedliche Kulturen Unterschiedliches bedeuten, ohne dabei ihren mythischen Status einzubüßen.
Ein Beispiel für einen Mythos, der mit der Zeit immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, ist die lange, verwickelte Reise des Mythos des Troilos, des Königssohns von Troja. Die Figur Troilos begann als eher unbedeutende Gestalt in Homers Ilias. Im Laufe der Zeit jedoch und unter tatkräftiger Mithilfe der unterschiedlichsten Schriftsteller, die sich gerade für diese Figur interessierten, wurde er schließlich zu einer wichtigen Heldenfigur in Shakespeares Werk.
Troilos begann seine Laufbahn nicht in der ersten Liga der mythologischen Gestalten. Zuerst begegnet er uns in Homers Versepos Ilias, in der einige Episoden des Trojanischen Krieges erzählt werden. Ausführlich beschäftigen wir uns mit dieser Geschichte in Kapitel 7. Allerdings ist die Gestalt des Troilos bei Homer derart unbedeutend, dass er dort nicht einmal besonders erwähnt wird. Troilos war einer der vielen, vielen Söhne des Priamos, des Königs von Troja. Sein Auftreten in der Ilias hatte hauptsächlich dramatische Gründe: Er wurde gleich zu Beginn von Achill getötet, der dann später als Zerstörer Trojas in die Geschichte einging. Sein Tod nimmt gleichzeitig den Mord an Hektor, Troilos’ wichtigerem älterem Bruder, vorweg.
Später fügten griechische und römische Autoren weitere Details zu Troilos’ Geschichte hinzu, wobei sie entweder neu erfundene Teile hinzudichteten oder auf schon existierende Versionen zurückgriffen, die sich von derjenigen Homers unterschieden. In diesen abweichenden Versionen war von einer Prophezeiung die Rede, die ankündigte, dass die Griechen niemals Troja besiegen würden, falls Troilos ein Alter von 20 Jahren erreichen würde. Achill tötete Troilos schließlich in einem dem Gott Apoll geweihten Tempel. Troilos hätte also zum »Erretter« Trojas werden können. Doch er wurde getötet, bevor er das Erwachsenenalter erreichte.
Springen Sie jetzt bitte aus der frühen griechischen Antike 1500 Jahre weiter ins zwölfte Jahrhundert. Während des »Hochmittelalters« bediente sich ein französischer Autor namens Benoît de Sainte-Maure der Geschichte des Troilos und machte daraus einen Roman: Roman de Troie. De Sainte-Maure schilderte Troilos als einen unschuldigen jungen Mann. Er stellte dem jungen Helden Trojas außerdem eine Geliebte zur Seite: Briseida. (Bei Homer hieß Briseida noch Briseïs und war die Geliebte des Achill; de Sainte-Maure dachte sich wohl, es wäre eine gute Idee, sie Troilos zur Seite zu stellen und dabei den Namen ein wenig abzuändern.)
Die Geschichte in seiner Version betont die tragischen Seiten eines verratenen Liebhabers. Troilos und Briseida waren unsterblich ineinander verliebt und tauschten vielfach Liebesschwüre aus. Dann aber wurde Briseida von den Griechen gefangen genommen und – wie es eben so geht – sie verliebte sich dort in den griechischen Helden Diomedes. Der arme Troilos, in seinem Herzen gebrochen, starb schließlich durch die Hand Achills. In dieser Geschichte also dient die Figur des Troilos dazu, eine zutiefst bewegende Geschichte romantischer Liebe und tragischer Unschuld zu erzählen.
Giovanni Boccaccio, ein berühmter mittelalterlicher italienischer Schriftsteller, nahm die Geschichte von Troilos und erzählte sie in seinem um 1338 erschienenen Buch Il Filostrato (»Der Betrogene«) neu. Den Namen der Geliebten änderte er in Cressida, wohl um sie unmissverständlich von Achills Geliebter Briseïs zu unterscheiden. Der englische Autor Geoffrey Chaucer nahm sich dieser Geschichte einige Zeit später erneut an. Sein Buch hieß Troilos und Criseyde. Beide Autoren betonten in ihren Büchern unter anderem den Aspekt der romantischen, tragischen Liebe in dieser Geschichte.
William Shakespeare schließlich lieferte um das Jahr 1601/1602 die berühmteste Version der Geschichte in seinem Stück Tragedy of Troylus and Cressida. Was den Handlungsablauf anbelangt, so folgte Shakespeare dabei weitgehend seinen drei genannten heute nicht mehr so berühmten Vorgängern. Er verfolgte mit seiner Geschichte allerdings einen anderen Zweck: Ihm kam es darauf an zu zeigen, wie eine »heldenhafte« Figur dennoch wie ein vollkommen verachtenswerter Dummkopf handeln kann. Er schrieb sein Stück zu einer Zeit, als die politischen Zustände in England sehr chaotisch waren. Er verwendete den sehr alten (genauer dem achten vorchristlichen Jahrhundert entstammenden) Mythos von Troilos, um eine Aussage über die politische Welt im England des 17. Jahrhunderts zu machen.
Troilos und Cressida sind auch heute noch präsent, weil die Menschen Shakespeares Drama immer noch für aufschlussreich und bedeutungsvoll halten. Ihre Geschichte findet aber auch auf einer viel alltäglicheren Ebene weiterhin Verwendung. So gab zum Beispiel der Autobauer Toyota in den 1990er Jahren einem seiner Autos den Namen Cressida – eine Namensgebung, deren Weisheit allerdings bezweifelt werden darf, ist doch Cressida diejenige, die ihren Geliebten verlassen und seinem Mörder ausgeliefert hat. Ein anderes Beispiel: Als 1986 die Raumsonde Voyager am Planeten Uranus vorbeiflog, gab man einem neu entdeckten kleinen Mond den Namen Cressida.
Auf diese Weise also überdauern Mythen die Zeit und verändern sich dabei allmählich. Auch wenn die Figur des Troilos ursprünglich ziemlich unbedeutend war, so tauchen sein Name und seine Geschichte doch immer wieder bei Homer und anderen griechischen und römischen Dichtern sowie bei mittelalterlichen Schriftstellern aus Frankreich, Italien und England auf. 1500 Jahre nach seiner Erfindung erhält er eine Geliebte, deren Name sich mehrfach ändert und die schließlich bis in unsere Zeit hinein als Namensgeberin für ein Auto und einen kleinen Mond eines fernen Planeten lebendig geblieben ist.
Mythen sind – wie schon mehrfach betont – Geschichten, die von bedeutsamen Dingen handeln: Leben, Tod, Unsterblichkeit, Macht, Liebe, Natur und so weiter. Einiges von der Kraft dieser Mythen geht auch auf die Namen über, die die Figuren in diesen Mythen tragen. Auch wenn diese Namen sehr alt sind und aus für uns sehr fremdartigen Zusammenhängen stammen, so haben sie dennoch die Kraft, noch heute in uns Gefühle und Gemütsregungen zu erwecken. Mythen sind Symbole und diejenigen, die Dinge verkaufen wollen (Autos, Schmuck, Bücher oder Kinofilme etwa), geben ihren Produkten Namen, von denen sie hoffen, dass sie im Konsumenten Emotionen hervorrufen, die das Kaufverhalten der Menschen auf die gewünschte Weise beeinflussen.
Ob auf der Straße oder im Urlaub – man kann sich der Gegenwart und dem Einfluss von Mythen nicht entziehen. Sie sind überall! Die Werbung bedient sich ihrer wegen ihrer großen emotionalen Wirkung. Oder Objekte bekommen mythologische Namen, weil es einfach dem Trend entspricht beziehungsweise um eine bestimmte innere Haltung zum Ausdruck zu bringen. Oder weil die Leute schlicht gerne Sachen kaufen, die solche Namen tragen. (Denken Sie beispielsweise an die Turnschuhmarke Nike.)
Wenn Sie Ihr Toyota Cressida verraten sollte (siehe oben) – was eher unwahrscheinlich erscheint –, so können Sie jederzeit auf andere Modelle umsteigen, deren Namen auch Mythen entlehnt wurden. Wie wäre es etwa mit einem Legend (von Acura, einer Tochtermarke des Autobauers Honda)?
Am Steuer eines Toyota Avalon werden Sie sich bestimmt wie König Artus persönlich fühlen. In einem Cadillac El Dorado wiederum wird Sie das Gefühl unerhörten indianischen Reichtums umgeben. Ihr Ausflug an den Strand zusammen mit den Kindern wird Ihnen vielleicht wie eine endlose Reise vorkommen, vorausgesetzt natürlich, Sie reisen in einem Honda Odyssey, auch wenn es darin, anders als auf dem Schiff des Odysseus, Flaschenhalter gibt.
Der symbolische Wert von Mythen beschränkt sich natürlich nicht nur auf Autos. Die meisten Touristen, die den Südwesten der USA besucht haben, werden sicherlich mit mindestens einem T-Shirt nach Hause zurückkehren, das mit der indianischen Mythengestalt Kokopelli bedruckt ist, einer flötenspielenden, listigen Gestalt. Sie symbolisiert die frühe Kunst und Kultur dieser nordamerikanischen Region, die von einem Geist lebendiger Unabhängigkeit von allem Konventionellen und Einengenden geprägt war. Mit der Zeit wandelte sie sich zu einem allgemein bekannten Symbol für diesen Landesteil insgesamt.
Man begegnet mitunter Menschen, die Halsketten mit einem Anhänger tragen, der die die Form eines Ankh hat (ein Kreuz, das am oberen Ende ein Oval bildet; es wird auch als Henkelkreuz bezeichnet). Dieses Symbol entstammt der altägyptischen Mythologie und steht schon seit Jahrtausenden für das Leben und das Glück. Der berühmte altägyptische König Tut fügte es seinem Namen hinzu; man kennt ihn heute vor allem unter dem Namen TutANKHamun (beziehungsweise Tutanchamun). Das Zeichen Ankh symbolisiert noch immer Leben und Glück und ist besonders in der koptischen Kirche ein wichtiges Symbol. Das Ankh symbolisiert heutzutage aber auch den afrikanischen Kontinent und seinen Beitrag zur Weltkultur (dessen Beitrag lange Zeit von der Welt gering geachtet oder übergangen wurde).
Der Himmel ist dicht gepackt mit Mythen. Die griechischen und römischen Götter lebten im Himmel (oder zumindest hoch oben auf dem Berg Olymp), ebenso wie diejenigen Sterblichen, die sich durch ihre Leistungen auf Erden dieses Privileg verdient hatten. Was lag näher, als dass die Menschen auf der Erde versuchten, ihre Götter und Helden in den Konstellationen der Sterne ausfindig zu machen?
Selbst nüchterne Astronomen von heute schauen auf den Sternenhimmel und sehen die alten, mythische Namen tragenden Sternbilder