Nachhaltigkeitskommunikation im Motorsport - Christof Seeger - E-Book

Nachhaltigkeitskommunikation im Motorsport E-Book

Christof Seeger

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Beschreibung

Themen der Nachhaltigkeit werden auch für Sportorganisationen immer wichtiger. Das Buch befasst sich deshalb mit der Frage, wie Themen der Nachhaltigkeit im Motorsport kommuniziert werden. Dabei wird der Fokus auf ausgewählte Teams der Formel 1- und der Formel E-Rennserie gelegt, indem systematisch die Kommunikation auf Instagram und LinkedIn untersucht und dargestellt wird. Neben den empirischen Ergebnissen und den nachweisbaren Unterschieden zwischen den Rennserien zeigt sich, welche strategische Bedeutung die Nachhaltigkeitskommunikation für die Sportorganisation einnimmt.

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Christof Seeger / Daniel Nölleke / Anneke Wortmann

Nachhaltigkeitskommunikation im Motorsport

Die Reihe Sport & Kommunikation greift die Tatsache auf, dass Kommunikationsthemen im Sport immer wichtiger werden. In Breitensportvereinen und Verbänden, aber auch in professionellen Sportorganisationen werden Kompetenzen, vor allem in der digitale Kommunikation und im Austausch mit Mitgliedern, Athlet:innen, Fans und Sponsoren, zukünftig benötigt. Die ausgewählten Bandthemen bieten eine verständliche und fundierte Einführung für Studierende aus den Bereichen Sportkommunikation, Sportjournalismus, Sportökonomie und -marketing und der Kommunikations- und Medienwissenschaft. Aber auch Praktiker:innen können einen fundierten Mehrwert daraus ziehen.

 

Prof. Christof Seeger ist Professor an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Sein Forschungsgebiet liegt überwiegend in der Digitalen Transformation von Kommunikation und der sich verändernden Geschäftsmodelle vor allem im Umfeld von Presseverlagen und im Sport. 2021 begründetet er die Vertiefungsrichtung Sportkommunikation im Master Crossmedia Publishing & Management an der HdM.

 

Dr. Daniel Nölleke ist Juniorprofessor für „Sportjournalismus und Öffentlichkeitsarbeit“ am Institut für Kommunikations- und Medienforschung an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Er forscht und lehrt zu Entwicklungen im digitalen (Sport-)Journalismus, zu Wissenschaftskommunikation sowie zur Medialisierung gesellschaftlicher Teilbereiche. Daniel Nölleke ist Mitgründer und Chair der ECREA Temporary Working Group „Communication and Sport“.

 

Anneke Wortmann ist Absolventin des Masterstudiengangs Unternehmenskommunikation der Hochschule der Medien Stuttgart und fokussierte sich während der Studienzeit auf die Themenbereiche Nachhaltigkeit und Sport. Seit ihrem Studienabschluss ist sie als PR- und Social Media Managerin in einem Motorsportteam tätig.

 

Umschlagabbildung: © simonkr / inventbart iStockphoto

 

DOI: https://doi.org/10.24053/9783381117222

 

© UVK Verlag 2024— ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich.

 

Internet: www.narr.deeMail: [email protected]

 

ISSN 2752-1303

 

ISBN 978-3-381-11721-5 (Print)

ISBN 978-3-381-11723-9 (ePub)

Inhalt

Vorwort1 Einleitung2 Theoretische Fundierung und Definition zentraler Begriffe2.1 Der Nachhaltigkeitsbegriff2.1.1 Historie des Begriffs und politische Rahmenbedingungen2.1.2 Nachhaltigkeit in Europa: Der European Green Deal (2019)2.2 Theoretische Herleitung des Forschungsinteresses2.2.1 Impression Management Ansatz & Institutional Theory2.2.2 Legitimacy Theory & Stakeholder Theory2.3 Corporate Social Responsibility und die Relevanz der (ökologischen) Nachhaltigkeit für Sportinstitutionen2.3.1 Umweltmanagement & UN’s Sports for Climate Action Commitment2.3.2 Nachhaltigkeitskommunikation und Social Media im Sport2.4 Der Motorsport, ökologische Nachhaltigkeit und seine Stakeholder2.4.1 FIA Formula One World Championship2.4.2 ABB FIA Formula E World Championship2.4.3 Anwendungsbereiche der ökologischen Nachhaltigkeit im Motorsport2.5 Zusammenfassung des Forschungsinteresses auf Basis der Theorie2.6 Aktueller Forschungsstand zur Thematik3 Methodische Vorgehensweise3.1 Untersuchungsdesign und Stichprobe3.2 Operationalisierung und Messinstrument: Das Codebuch3.3 Reliabilitätsprüfung4 Auswertung und Ergebnisdarstellung4.1 Ausmaß der Nachhaltigkeitskommunikation4.2 Formale Merkmale der Nachhaltigkeitskommunikation4.3 Inhaltliche Merkmale der Nachhaltigkeitskommunikation5 Fazit, Limitationen und AusblickLiteraturverzeichnisRegister

Vorwort

Der Motorsport ist schon immer ein Bereich, der sich mit Innovationen und Fortschritt beschäftigt. Ein hochdynamisches Feld, welches sich nicht nur an den technologischen Entwicklungen orientiert, sondern auch die gesellschaftlichen Veränderungen im Blick hat. In einer Zeit, in der der Ruf nach Nachhaltigkeit immer lauter wird, steht gerade auch der Motorsport vor großen kommunikativen Herausforderungen. Mit diesem Buch wollen wir einige theoretische und empirische Schlaglichter auf diesen Bereich werfen, ohne dabei den Anspruch zu haben, ihn vollständig erfassen zu können.

Ein zentraler Teil unserer Untersuchung widmet sich dem Vergleich der Nachhaltigkeitskommunikation von Formel 1 und Formel E. Diese beiden Serien repräsentieren unterschiedliche Philosophien und Ansätze im Motorsport, insbesondere im Hinblick auf Nachhaltigkeit. Während die Formel 1 traditionell das Bild des Motorsports geprägt hat, steht die Formel E für eine neue, umweltfreundliche Ära des Rennsports. Unsere empirische Studie beleuchtet, wie beide Serien ihre Kommunikationsstrategien rund um das Thema Nachhaltigkeit gestalten, implementieren und weiterentwickeln.

Dieses Buch zielt darauf ab, neben einem tiefergehenden Verständnis der Nachhaltigkeitskommunikation im Allgemeinen, den Vergleich zwischen den beiden Rennserien zu betrachten. Wir hoffen dabei, Studierenden oder auch Kommunikationsverantwortlichen Inspiration und Denkanstöße für eine weitere Diskussion zu bieten.

 

Stuttgart, im April 2024

 

Prof. Christof Seeger

Jun.-Prof. Dr. Daniel Nölleke

Anneke Wortmann

Genderhinweis | In diesem Band auf verkürzte Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinneren verzichtet und in der Regel das generische Maskulinum verwendet.

1Einleitung

Ökologische Nachhaltigkeit ist der Megatrend, der die 2020er Jahre bestimmt und weiter bestimmen wird (Papasabbas, 2019). Das Ressourcenbudget des Planeten war 2023 theoretisch bereits Anfang August aufgebraucht (Tagesschau Redaktion, 2023). Die Auswirkungen unseres zu großen ökologischen Fußabdrucks wirken sich schon jetzt auf alle Lebensbereiche aus – als Folge wächst das Nachhaltigkeitsbewusstsein der Bevölkerung stetig (Umweltbundesamt, 2022).

Ein Bereich, der viele Menschen in ihrem Alltag ebenfalls stark tangiert, ist der Sport. 76 Prozent der Menschen weltweit geben an, regelmäßig Sportereignisse zu verfolgen und gelten damit als Sportfans (YouGov PLC, 2022). Ergebnisse des YouGov Sport-Report 2022 verdeutlichen gleichzeitig, dass Sportfans Wert auf Umweltschutz legen: 53 Prozent der Befragten sehen sich selbst als Umweltschützer. Es zeigt sich, dass Fans von den Sportclubs, die sie unterstützen, die Übernahme von ökologischer Verantwortung fordern (Suchy, 2023). Sportorganisationen sind wirtschaftlich auf ihre Fans angewiesen (Kautz, 2018; Suchy, 2023). Sie müssen zeigen, dass sie sich ihrer Verantwortung für die Gesellschaft bewusst sind. Dadurch werden nicht nur Bedürfnisse der Fans befriedigt, sondern auch Mitarbeiter oder Sponsoren leichter erreicht. Das Schaffen von Vertrauen bei den Zielgruppen ist für eine Existenzsicherung neben dem sportlichen Erfolg unabdingbar (Suchy, 2023). Diese Entwicklungen haben zur Folge, dass auch Sportorganisationen Nachhaltigkeitsthemen in ihrer Unternehmenskommunikation einen großen Stellenwert beimessen. Das Ziel ist es, den Stakeholdern auf glaubwürdigem und transparentem Wege Nachhaltigkeitsbestrebungen zu kommunizieren (Suchy, 2023). Denn, wenn sich die Anspruchsgruppen den Aktivitäten der Sportclubs nicht bewusst sind, werden diese sich nicht positiv auswirken (Kim & Ferguson, 2018).

Ein besonders wichtiges Problem der Gegenwart und Zukunft stellt der Klimawandel für die junge Generation (18-24 Jahre) dar (YouGov PLC, 2022). Der Motorsport spricht zunehmend auch diese jungen Menschen an. Zum einen sorgte die Covid-19-Pandemie mit dem vorübergehenden Umstieg der Profi-Rennfahrer auf virtuelle Rennen dafür, dass junge Menschen direkt auf Live-Streaming Portalen abgeholt wurden (Niewiadomski & Hölters, 2020). Zum anderen steigert die Netflix-Dokuserie „Drive to Survive“ nicht nur die Bekanntheit, sondern löst geradezu eine Begeisterung unter jungen Menschen für den Sport aus (Hecker, 2022). Die zunehmende Besorgnis über den Klimawandel und die Leidenschaft für einen Sport, der ohne Zweifel Umweltbelastungen mit sich bringt und daher als Mitverursacher ökologischer Probleme vermehrt in der Kritik steht (Ziegahn, 2022), mögen zunächst wie ein Widerspruch erscheinen. Fakt ist daher, auch im Motorsport wird

„eine gesellschaftliche Zustimmung […] verwirkt, wenn […] – bewusst oder unbewusst – Umweltprobleme […] verleugnet werden und ein ernsthaftes Bemühen um eine Verbesserung der Situation unterbleibt“ (Ziegahn, 2019, S. 459).

Mehr denn je sind Motorsportorganisationen gefordert, neben ihren wirtschaftlichen Interessen auch die der Umwelt und Gesellschaft zu respektieren. Folglich sollten auch ihre PR-Abteilungen eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie in die Kommunikation einbinden, um ihre Legitimität vor Stakeholdern zu wahren.

Gerade die Sozialen Medien haben sich zu einem unverzichtbaren Instrument für Kommunikation und Markenbildung entwickelt (Pleil & Bastian, 2022). Die Plattformen nehmen einen immer wichtigeren Teil des Lebens der Menschen und damit auch der Kommunikation von Sportvereinen ein (Bühler et al., 2013; Suchy, 2023). So bietet sich auch Motorsportteams eine einzigartige Möglichkeit, um mit Millionen von Stakeholdern weltweit in Verbindung zu treten – gerade junge Menschen zwischen 15 und 35 Jahren verfolgen die Aktivitäten der Teams zunehmend in den Sozialen Medien (Hecker, 2022). Es gilt, die Zielgruppen mit den eigenen Inhalten dort zu erreichen, wo sie sich aufhalten – um gewünschte Ziele zu erreichen. Eines davon könnte sein: den sozialen Erwartungen der Stakeholder gerecht zu werden. So ergibt sich die Annahme, dass die Reichweite der digitalen Plattformen es den Akteuren des Motorsports erlaubt, auch ihre Botschaften zur ökologischen Nachhaltigkeit einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Doch welche Rolle spielt die Nachhaltigkeitskommunikation in diesem Zusammenhang aktuell tatsächlich? Wir wollen der Frage nachgehen, wie Motorsportteams Themen und Engagement im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit auf Sozialen Medien kommunizieren.

Mit den Rennserien Formel 1 und Formel EFormel E dienen die wohl bekanntesten und unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit auch gegensätzlichsten Rennserien der Welt als Untersuchungsgegenstand. Während die Formel E seit ihrer Gründung ökologische Nachhaltigkeit im Markenkern verankert hat (FIA Formula E, o.J.b), stehen bei der Formel 1 seit Jahrzehnten Innovation, Geschwindigkeit und Nervenkitzel im Vordergrund – das Ziel, bis 2030 klimaneutral zu sein, nimmt erst in vergangenen Jahren nebenher an Fahrt auf (Sturm, 2022). Die Frage, inwiefern sich die Nachhaltigkeitskommunikation zwischen Teams beider Rennserien in ihrem Ausmaß sowie in formaler und inhaltlicher Hinsicht unterscheidet, ist Gegenstand der Untersuchung.

Der Fokus liegt auf der Kommunikation in den Sozialen Medien, spezifisch auf den Plattformen Instagram und LinkedIn – und explizit nicht auf den tatsächlichen Aktivitäten und Projekten. Dabei wurden von verschiedenen Formel 1 und Formel E Teams die Posts auf Instagram und LinkedIn untersucht, um adressierte Themen zu identifizieren, aber auch mögliche Unterschiede in der Nachhaltigkeitskommunikation herauszuarbeiten.

2Theoretische Fundierung und Definition zentraler Begriffe

2.1Der NachhaltigkeitsbegriffNachhaltigkeitsbegriff

Die Menschheit verbraucht mehr natürliche Ressourcen Ressourcender Erde, als vorhanden sind. Bereits seit den 1970er Jahren nutzen Staaten, Institutionen und die Bevölkerung mehr Naturgüter, als der Planet selbst wiederherstellen kann (Kropp, 2019). Der Erdüberlastungstag findet von Jahr zu Jahr an einem früheren Datum statt, und „würden alle Menschen so leben wie in Deutschland, wären drei Erden nötig“ (Eichhorn, 2023). Der ökologische Fußabdruck der Menschheit übersteigt die vorhandene Biokapazität unserer Welt (Kropp, 2019). Daraus resultieren nicht nur ökologische Probleme wie die zunehmende Verschmutzung der Meere, die Abholzung der Wälder und folglich ein Verlust von Biodiversität (Arten- und Pflanzenvielfalt) und voranschreitender Klimawandel. Auf Basis dieser Herausforderungen (wie auch unabhängig davon) existieren und ergeben sich zudem soziale wie ökonomische Konflikte (Kropp, 2019), die die Menschheit beschäftigen und zukünftig verstärkt belasten werden. So zählen zu den sozialen Problematiken beispielsweise Armut, Hunger, steigende Lebensmittelknappheiten und die Frage, wie lange uns noch sauberes Trinkwasser zur Verfügung stehen wird. Weitere Problemfelder sind die Knappheit an Nutzflächen in der Landwirtschaft sowie aus Klima- und Wetterextremen resultierende Flüchtlingsbewegungen (Kropp, 2019). Auch auf die Weltwirtschaft nehmen solche ökologischen und die daraus folgenden sozialen Krisen Einfluss: Zum einen wird im Zuge der Nachhaltigkeitsdiskussion unausweichlich über mögliche alternative Wege des Wirtschaftens diskutiert, und zum anderen wird sich der Ressourcenmangel direkt auf die Wirtschaft auswirken (Kropp, 2019).

Auch wenn in der Diskussion rund um den Nachhaltigkeitsbegriff meist zwischen der ökologischen, sozialen und ökonomischen Dimension unterschieden wird, zeigen diese Schlaglichter, dass die Bereiche eng miteinander verwoben sind: Ökologische Probleme ziehen zumeist sowohl soziale als auch wirtschaftliche Folgen nach sich (Kropp, 2019). Daraus ergibt sich, dass innerhalb der ökologischen Grenzen gewirtschaftet werden muss, damit heutige und nachfolgende Generationen ein gutes Leben führen können. Wirtschaftlicher Aufschwung ist ohne eine gesunde Umwelt nicht sinnvoll. Umgekehrt lassen sich jedoch eine gesunde Umwelt und eine gerechte Gesellschaft kaum erreichen, wenn Menschen in Sorge um ihre ökonomische Existenz leben müssen (Kropp, 2019). Aus den skizzierten Entwicklungen, Zusammenhängen und Herausforderungen lässt sich folgende, heute verbreitete Definition des Nachhaltigkeitsbegriffes ableiten:

„Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden […] dabei ist es wichtig, die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – wirtschaftlich effizient, sozial gerecht, ökologisch tragfähig – gleichberechtigt zu betrachten.“ (BMZ Redaktion o. J.).

An dieser Definition setzt auch das bekannte Drei-Säulen-ModellDrei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit an. Es beruht auf der Annahme, dass die angesprochenen drei Dimensionen (ökologisch, sozial und ökonomisch) gleichermaßen in Betracht gezogen werden müssen, wenn eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft und ihrer Akteure anvisiert wird (Batz, 2021; Corsten & Roth, 2012; Suchy, 2023). Die drei Dimensionen, hier als Säulen bezeichnet, existieren nebeneinander und stehen miteinander in Wechselwirkung. Die exakte Bedeutung der drei Säulen bleibt im Konzept relativ vage; es bietet jedoch inhaltliche Orientierung für in die Tiefe gehende Auslegungen oder politische Rahmenpapiere (Batz, 2021).

Abbildung 1:

Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Batz, 2021, S. 26)

Die ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit bezieht sich auf wirtschaftliche Aspekte und zielt darauf ab, ökonomisches Wachstum und einen Verzicht auf Ausbeutung von Ressourcen sowie deren gerechte Verteilung zusammenzubringen. Es geht es um die Schaffung von nachhaltigen Geschäftsmodellen, wirtschaftliche Gerechtigkeit sowie die Förderung von Innovationen und ökonomischer Stabilität – während die Umwelt nicht überfordert wird (Kropp, 2019).

Die soziale Dimension betrifft die Menschen. Hier geht es um die Förderung von sozialer Gerechtigkeit, Chancengleichheit, Bildungsgerechtigkeit, Gesundheitsversorgung und besonders die Bekämpfung von Armut. Die soziale Dimension umfasst auch den Schutz der Menschenrechte sowie die Förderung kultureller Vielfalt (Kropp, 2019).

Die ökologische Dimension, die in dieser Arbeit in den Fokus gerückt wird, bezieht sich auf Umweltaspekte und konzentriert sich auf den Schutz und die Erhaltung der natürlichen Ressourcen und Ökosysteme. Ziel ist es, Umweltverschmutzung zu reduzieren, den Klimawandel zu bekämpfen, Biodiversität zu erhalten und nachhaltige Lebensweisen zu fördern (Kropp, 2019).

Das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit betont die Bedeutung des gleichberechtigten Zusammenspiels dieser drei Dimensionen. Es fordert eine ausgewogene Berücksichtigung von ökonomischen, sozialen und ökologischen Aspekten. Ziel ist eine langfristig nachhaltige Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation gerecht wird, ohne die Bedürfnisse zukünftiger Generationen zu gefährden.

 

Das Modell ist jedoch nicht unumstritten:

Zum einen wird kritisiert, dass die drei Säulen isoliert dargestellt und die Zusammenhänge nicht ausreichend berücksichtigt werden (Batz, 2021).

Zum anderen merken Kritiker an, dass das Dach im Modell auch mit nur zwei Säulen standhalten könne, falls eine wegbrechen würde (Kropp, 2019).

Daraufhin entstanden weitere Modelle wie

das Schnittmengen-Modell der Nachhaltigkeit (Batz, 2021),

das Nachhaltigkeitsdreieck (Kropp, 2019) oder

die Nachhaltigkeitspyramide (Batz, 2021).

Während diese teils die Überschneidungen der Dimensionen angemessener darstellen, ergeben sich hier jedoch auch Fragen, wie beispielsweise zur korrekten Gewichtung der Dimensionen (Batz, 2021; Kropp, 2019).

2.1.1Historie des Begriffs und politische Rahmenbedingungen

Der Nachhaltigkeitsbegriff findet seinen Ursprung im 18. Jahrhundert. Im forstwirtschaftlichen Zusammenhang galt das Credo, dass in einem Forstgebiet nur so viel Holz gerodet werden darf, wie durch Aufforstung natürlich nachwachsen kann, um so den Erhalt des Waldes zu gewährleisten (Batz, 2021; Brugger, 2010; Kropp, 2019; Suchy, 2023). Diese Auffassung stellt noch immer die Basis für das Konzept des nachhaltigen Wirtschaftens dar (Suchy, 2023). Im 19. Jahrhundert breitet sich die Annahme in andere Länder und Wirtschaftszweige aus, bis die Diskussion rund um den Umgang mit der Natur im 20. Jahrhundert deutlich an Fahrt aufnimmt (Brugger, 2010; Suchy, 2023).

In den 1970er-Jahren kommen erste Studien zu der Erkenntnis, dass

„weiteres unkontrolliertes Wachstum von Wirtschaft und Bevölkerung und der damit einhergehende Verbrauch natürlicher Ressourcen zu einem globalen Kollaps führen werden“ (Brugger, 2010, S. 14).

Im Jahr 1972 findet schließlich die erste Umweltkonferenz der Vereinten Nationen in Stockholm statt, an der 113 Nationen teilnehmen. Gleichzeitig entsteht das United Nations Environmental ProgrammeUnited Nations Environmental Programme (UNEP) der UN-Vollversammlung (Brugger, 2010).

Volle Aufmerksamkeit erlangt der Nachhaltigkeitsbegriff schließlich im Jahr 1987 durch die Veröffentlichung des Brundtland-Berichtes, eines Abschlussberichtes der World Commission on Environment and DevelopmentWorld Commission on Environment and Development (WCED) mit dem Titel „Our Common Future“ (Brugger, 2010; Suchy, 2023). Hier wird konstatiert, dass globale Umweltprobleme das Resultat der Armut im Süden und des nicht nachhaltigen Konsum- und Produktionsverhaltens im Norden des Globus seien. Der Bericht fordert eine StrategieStrategie, die Fortschritt und Umwelt miteinander vereint – eine nachhaltige Entwicklung (United Nations, 1987).

Trotz zahlreicher Erweiterungen und Präzisierungen gilt die im Brundtland-BerichtBrundtland-Bericht enthaltene Definition des Begriffs „Sustainable Development“ weiterhin als anerkannt (Batz, 2021; Brugger, 2010). Das Ziel der nachhaltigen Entwicklung besteht darin, den gegenwärtigen Generationen eine angemessene Lebenssituation zu ermöglichen, ohne dabei das Wohlergehen kommender Generationen zu gefährden (United Nations, 1987). Die ursprünglich ressourcen- und ökologiefokussierte Begriffsdefinition bleibt erhalten, wird aber erstmals maßgeblich durch soziale und ökonomische Fragestellungen ergänzt. Die eingangs dargelegte Begriffsdefinition für Nachhaltigkeit sowie das heute als am bekanntesten geltende und bereits dargestellte Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit finden somit im Brundtland-Bericht ihren Ursprung (Batz, 2021; Kropp, 2019).

Auf Anraten der Brundtland-Kommission findet 1992 in Rio de Janeiro die United Nations Conference on Environment and DevelopmentUnited Nations Conference on Environment and Development (UNCED) statt. Dort entstehen weitere Leitideen, wie eine nachhaltige Entwicklung umgesetzt werden kann. Nach dem Ursprung des Begriffes in der Forstwirtschaft und der Weiterentwicklung in den 90er Jahren startet mit der Konferenz in Rio de Janeiro somit die „dritte Phase der begrifflichen Entwicklung“ (Batz, 2021, S. 8). Ursprüngliche Ideen werden konkretisiert, und es wird das Aktionsprogramm Agenda 2021 verabschiedet. Zum ersten Mal werden in diesem Rahmen präzise Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Entwicklung mit Fokus auf ökologische, ökonomische und soziale Aspekte formuliert, denen die 187 teilnehmenden Staaten folgen und die sie durch nationale Strategien individuell erweitern sollen (Batz, 2021).

Das Jahr 2015 läutet eine vierte Phase der Entwicklung des Nachhaltigkeitsbegriffes ein, welche bis heute – 2024 – andauert. Hier rufen die Vereinten Nationen die Agenda 2030 und mit ihr 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, die Sustainable Development GoalsSustainable Development Goals ins Leben (Kropp, 2019; Suchy, 2023). Das Dokument setzt sich aus miteinander verschränkten Zielvorgaben und Umsetzungsplänen rund um nachhaltige soziale, ökologische und ökonomische Entwicklung zusammen (Batz, 2021; Suchy, 2023). Zahlreiche Unternehmen und auch Sportorganisationen bauen ihre Nachhaltigkeitsstrategien seitdem auf den 17 Zielen der Agenda 2030 auf.

Abbildung 2:

17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Vereinte Nationen o.J. https://www.un.org/sustainabledevelopment/)1

Nicht nur dieses offizielle Dokument der UN prägt seit 2015 das nachhaltige Handeln in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Das Pariser KlimaabkommenPariser Klimaabkommen, Nachfolger des 1997 verabschiedeten Kyoto-ProtokollsKyoto-Protokoll, setzt im selben Jahr speziell im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit weitere Leitlinien. Alle UN-Mitgliedstaaten verpflichten sich, den Anstieg der durchschnittlichen globalen Erwärmung auf unter 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu verringern (Batz, 2021). Ansatzpunkt dafür ist die radikale Senkung der von den Menschen verursachten Treibhausgasemissionen – spezifisch das Erreichen von Klimaneutralität (Batz, 2021).

Hier setzt auch der European Green DealEuropean Green Deal aus dem Jahr 2019 an. Dieses aktuelle Klimakonzept der Europäischen Union wird im folgenden Unterkapitel ausführlicher erläutert, da es eine Basis für die empirische Untersuchung im Rahmen dieser Studie darstellt.

2.1.2Nachhaltigkeit in Europa: Der European Green Deal (2019)

Der European Green Deal versucht, den Aktionsplänen der Vereinten Nation auf europäischer Ebene gerecht zu werden. Zu Beginn der Legislaturperiode 2019–2024 stellt die Europäische Kommission unter der Leitung von Ursula von der Leyen am 11. Dezember 2019 in Brüssel das Strategiepapier vor (Europäische Kommission, o. J.). Die Präsidentin der Kommission fasst zusammen: „Der European Green Deal ist unsere neue Wachstumsstrategie. Er wird es uns ermöglichen, die Emissionen zu senken und gleichzeitig Arbeitsplätze zu schaffen.“ (Europäische Kommission, 2019b, S. 1). Im Strategiepapier erkennt das Gremium den Klimawandel und die voranschreitende Zerstörung der Natur an und stellt Ziele und Maßnahmen auf, wie „der Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft“ gelingen soll (Europäische Kommission, o. J.). Diese Wirtschaft soll unter drei Rahmenbedingungen realisiert werden: