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Themen der Nachhaltigkeit werden auch für Sportorganisationen immer wichtiger. Das Buch befasst sich deshalb mit der Frage, wie Themen der Nachhaltigkeit im Motorsport kommuniziert werden. Dabei wird der Fokus auf ausgewählte Teams der Formel 1- und der Formel E-Rennserie gelegt, indem systematisch die Kommunikation auf Instagram und LinkedIn untersucht und dargestellt wird. Neben den empirischen Ergebnissen und den nachweisbaren Unterschieden zwischen den Rennserien zeigt sich, welche strategische Bedeutung die Nachhaltigkeitskommunikation für die Sportorganisation einnimmt.
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Seitenzahl: 207
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Christof Seeger / Daniel Nölleke / Anneke Wortmann
Nachhaltigkeitskommunikation im Motorsport
Die Reihe Sport & Kommunikation greift die Tatsache auf, dass Kommunikationsthemen im Sport immer wichtiger werden. In Breitensportvereinen und Verbänden, aber auch in professionellen Sportorganisationen werden Kompetenzen, vor allem in der digitale Kommunikation und im Austausch mit Mitgliedern, Athlet:innen, Fans und Sponsoren, zukünftig benötigt. Die ausgewählten Bandthemen bieten eine verständliche und fundierte Einführung für Studierende aus den Bereichen Sportkommunikation, Sportjournalismus, Sportökonomie und -marketing und der Kommunikations- und Medienwissenschaft. Aber auch Praktiker:innen können einen fundierten Mehrwert daraus ziehen.
Prof. Christof Seeger ist Professor an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Sein Forschungsgebiet liegt überwiegend in der Digitalen Transformation von Kommunikation und der sich verändernden Geschäftsmodelle vor allem im Umfeld von Presseverlagen und im Sport. 2021 begründetet er die Vertiefungsrichtung Sportkommunikation im Master Crossmedia Publishing & Management an der HdM.
Dr. Daniel Nölleke ist Juniorprofessor für „Sportjournalismus und Öffentlichkeitsarbeit“ am Institut für Kommunikations- und Medienforschung an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Er forscht und lehrt zu Entwicklungen im digitalen (Sport-)Journalismus, zu Wissenschaftskommunikation sowie zur Medialisierung gesellschaftlicher Teilbereiche. Daniel Nölleke ist Mitgründer und Chair der ECREA Temporary Working Group „Communication and Sport“.
Anneke Wortmann ist Absolventin des Masterstudiengangs Unternehmenskommunikation der Hochschule der Medien Stuttgart und fokussierte sich während der Studienzeit auf die Themenbereiche Nachhaltigkeit und Sport. Seit ihrem Studienabschluss ist sie als PR- und Social Media Managerin in einem Motorsportteam tätig.
Umschlagabbildung: © simonkr / inventbart iStockphoto
DOI: https://doi.org/10.24053/9783381117222
© UVK Verlag 2024— ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen
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Internet: www.narr.deeMail: [email protected]
ISSN 2752-1303
ISBN 978-3-381-11721-5 (Print)
ISBN 978-3-381-11723-9 (ePub)
Der Motorsport ist schon immer ein Bereich, der sich mit Innovationen und Fortschritt beschäftigt. Ein hochdynamisches Feld, welches sich nicht nur an den technologischen Entwicklungen orientiert, sondern auch die gesellschaftlichen Veränderungen im Blick hat. In einer Zeit, in der der Ruf nach Nachhaltigkeit immer lauter wird, steht gerade auch der Motorsport vor großen kommunikativen Herausforderungen. Mit diesem Buch wollen wir einige theoretische und empirische Schlaglichter auf diesen Bereich werfen, ohne dabei den Anspruch zu haben, ihn vollständig erfassen zu können.
Ein zentraler Teil unserer Untersuchung widmet sich dem Vergleich der Nachhaltigkeitskommunikation von Formel 1 und Formel E. Diese beiden Serien repräsentieren unterschiedliche Philosophien und Ansätze im Motorsport, insbesondere im Hinblick auf Nachhaltigkeit. Während die Formel 1 traditionell das Bild des Motorsports geprägt hat, steht die Formel E für eine neue, umweltfreundliche Ära des Rennsports. Unsere empirische Studie beleuchtet, wie beide Serien ihre Kommunikationsstrategien rund um das Thema Nachhaltigkeit gestalten, implementieren und weiterentwickeln.
Dieses Buch zielt darauf ab, neben einem tiefergehenden Verständnis der Nachhaltigkeitskommunikation im Allgemeinen, den Vergleich zwischen den beiden Rennserien zu betrachten. Wir hoffen dabei, Studierenden oder auch Kommunikationsverantwortlichen Inspiration und Denkanstöße für eine weitere Diskussion zu bieten.
Stuttgart, im April 2024
Prof. Christof Seeger
Jun.-Prof. Dr. Daniel Nölleke
Anneke Wortmann
Genderhinweis | In diesem Band auf verkürzte Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinneren verzichtet und in der Regel das generische Maskulinum verwendet.
Ökologische Nachhaltigkeit ist der Megatrend, der die 2020er Jahre bestimmt und weiter bestimmen wird (Papasabbas, 2019). Das Ressourcenbudget des Planeten war 2023 theoretisch bereits Anfang August aufgebraucht (Tagesschau Redaktion, 2023). Die Auswirkungen unseres zu großen ökologischen Fußabdrucks wirken sich schon jetzt auf alle Lebensbereiche aus – als Folge wächst das Nachhaltigkeitsbewusstsein der Bevölkerung stetig (Umweltbundesamt, 2022).
Ein Bereich, der viele Menschen in ihrem Alltag ebenfalls stark tangiert, ist der Sport. 76 Prozent der Menschen weltweit geben an, regelmäßig Sportereignisse zu verfolgen und gelten damit als Sportfans (YouGov PLC, 2022). Ergebnisse des YouGov Sport-Report 2022 verdeutlichen gleichzeitig, dass Sportfans Wert auf Umweltschutz legen: 53 Prozent der Befragten sehen sich selbst als Umweltschützer. Es zeigt sich, dass Fans von den Sportclubs, die sie unterstützen, die Übernahme von ökologischer Verantwortung fordern (Suchy, 2023). Sportorganisationen sind wirtschaftlich auf ihre Fans angewiesen (Kautz, 2018; Suchy, 2023). Sie müssen zeigen, dass sie sich ihrer Verantwortung für die Gesellschaft bewusst sind. Dadurch werden nicht nur Bedürfnisse der Fans befriedigt, sondern auch Mitarbeiter oder Sponsoren leichter erreicht. Das Schaffen von Vertrauen bei den Zielgruppen ist für eine Existenzsicherung neben dem sportlichen Erfolg unabdingbar (Suchy, 2023). Diese Entwicklungen haben zur Folge, dass auch Sportorganisationen Nachhaltigkeitsthemen in ihrer Unternehmenskommunikation einen großen Stellenwert beimessen. Das Ziel ist es, den Stakeholdern auf glaubwürdigem und transparentem Wege Nachhaltigkeitsbestrebungen zu kommunizieren (Suchy, 2023). Denn, wenn sich die Anspruchsgruppen den Aktivitäten der Sportclubs nicht bewusst sind, werden diese sich nicht positiv auswirken (Kim & Ferguson, 2018).
Ein besonders wichtiges Problem der Gegenwart und Zukunft stellt der Klimawandel für die junge Generation (18-24 Jahre) dar (YouGov PLC, 2022). Der Motorsport spricht zunehmend auch diese jungen Menschen an. Zum einen sorgte die Covid-19-Pandemie mit dem vorübergehenden Umstieg der Profi-Rennfahrer auf virtuelle Rennen dafür, dass junge Menschen direkt auf Live-Streaming Portalen abgeholt wurden (Niewiadomski & Hölters, 2020). Zum anderen steigert die Netflix-Dokuserie „Drive to Survive“ nicht nur die Bekanntheit, sondern löst geradezu eine Begeisterung unter jungen Menschen für den Sport aus (Hecker, 2022). Die zunehmende Besorgnis über den Klimawandel und die Leidenschaft für einen Sport, der ohne Zweifel Umweltbelastungen mit sich bringt und daher als Mitverursacher ökologischer Probleme vermehrt in der Kritik steht (Ziegahn, 2022), mögen zunächst wie ein Widerspruch erscheinen. Fakt ist daher, auch im Motorsport wird
„eine gesellschaftliche Zustimmung […] verwirkt, wenn […] – bewusst oder unbewusst – Umweltprobleme […] verleugnet werden und ein ernsthaftes Bemühen um eine Verbesserung der Situation unterbleibt“ (Ziegahn, 2019, S. 459).
Mehr denn je sind Motorsportorganisationen gefordert, neben ihren wirtschaftlichen Interessen auch die der Umwelt und Gesellschaft zu respektieren. Folglich sollten auch ihre PR-Abteilungen eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie in die Kommunikation einbinden, um ihre Legitimität vor Stakeholdern zu wahren.
Gerade die Sozialen Medien haben sich zu einem unverzichtbaren Instrument für Kommunikation und Markenbildung entwickelt (Pleil & Bastian, 2022). Die Plattformen nehmen einen immer wichtigeren Teil des Lebens der Menschen und damit auch der Kommunikation von Sportvereinen ein (Bühler et al., 2013; Suchy, 2023). So bietet sich auch Motorsportteams eine einzigartige Möglichkeit, um mit Millionen von Stakeholdern weltweit in Verbindung zu treten – gerade junge Menschen zwischen 15 und 35 Jahren verfolgen die Aktivitäten der Teams zunehmend in den Sozialen Medien (Hecker, 2022). Es gilt, die Zielgruppen mit den eigenen Inhalten dort zu erreichen, wo sie sich aufhalten – um gewünschte Ziele zu erreichen. Eines davon könnte sein: den sozialen Erwartungen der Stakeholder gerecht zu werden. So ergibt sich die Annahme, dass die Reichweite der digitalen Plattformen es den Akteuren des Motorsports erlaubt, auch ihre Botschaften zur ökologischen Nachhaltigkeit einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Doch welche Rolle spielt die Nachhaltigkeitskommunikation in diesem Zusammenhang aktuell tatsächlich? Wir wollen der Frage nachgehen, wie Motorsportteams Themen und Engagement im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit auf Sozialen Medien kommunizieren.
Mit den Rennserien Formel 1 und Formel EFormel E dienen die wohl bekanntesten und unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit auch gegensätzlichsten Rennserien der Welt als Untersuchungsgegenstand. Während die Formel E seit ihrer Gründung ökologische Nachhaltigkeit im Markenkern verankert hat (FIA Formula E, o.J.b), stehen bei der Formel 1 seit Jahrzehnten Innovation, Geschwindigkeit und Nervenkitzel im Vordergrund – das Ziel, bis 2030 klimaneutral zu sein, nimmt erst in vergangenen Jahren nebenher an Fahrt auf (Sturm, 2022). Die Frage, inwiefern sich die Nachhaltigkeitskommunikation zwischen Teams beider Rennserien in ihrem Ausmaß sowie in formaler und inhaltlicher Hinsicht unterscheidet, ist Gegenstand der Untersuchung.
Der Fokus liegt auf der Kommunikation in den Sozialen Medien, spezifisch auf den Plattformen Instagram und LinkedIn – und explizit nicht auf den tatsächlichen Aktivitäten und Projekten. Dabei wurden von verschiedenen Formel 1 und Formel E Teams die Posts auf Instagram und LinkedIn untersucht, um adressierte Themen zu identifizieren, aber auch mögliche Unterschiede in der Nachhaltigkeitskommunikation herauszuarbeiten.
Die Menschheit verbraucht mehr natürliche Ressourcen Ressourcender Erde, als vorhanden sind. Bereits seit den 1970er Jahren nutzen Staaten, Institutionen und die Bevölkerung mehr Naturgüter, als der Planet selbst wiederherstellen kann (Kropp, 2019). Der Erdüberlastungstag findet von Jahr zu Jahr an einem früheren Datum statt, und „würden alle Menschen so leben wie in Deutschland, wären drei Erden nötig“ (Eichhorn, 2023). Der ökologische Fußabdruck der Menschheit übersteigt die vorhandene Biokapazität unserer Welt (Kropp, 2019). Daraus resultieren nicht nur ökologische Probleme wie die zunehmende Verschmutzung der Meere, die Abholzung der Wälder und folglich ein Verlust von Biodiversität (Arten- und Pflanzenvielfalt) und voranschreitender Klimawandel. Auf Basis dieser Herausforderungen (wie auch unabhängig davon) existieren und ergeben sich zudem soziale wie ökonomische Konflikte (Kropp, 2019), die die Menschheit beschäftigen und zukünftig verstärkt belasten werden. So zählen zu den sozialen Problematiken beispielsweise Armut, Hunger, steigende Lebensmittelknappheiten und die Frage, wie lange uns noch sauberes Trinkwasser zur Verfügung stehen wird. Weitere Problemfelder sind die Knappheit an Nutzflächen in der Landwirtschaft sowie aus Klima- und Wetterextremen resultierende Flüchtlingsbewegungen (Kropp, 2019). Auch auf die Weltwirtschaft nehmen solche ökologischen und die daraus folgenden sozialen Krisen Einfluss: Zum einen wird im Zuge der Nachhaltigkeitsdiskussion unausweichlich über mögliche alternative Wege des Wirtschaftens diskutiert, und zum anderen wird sich der Ressourcenmangel direkt auf die Wirtschaft auswirken (Kropp, 2019).
Auch wenn in der Diskussion rund um den Nachhaltigkeitsbegriff meist zwischen der ökologischen, sozialen und ökonomischen Dimension unterschieden wird, zeigen diese Schlaglichter, dass die Bereiche eng miteinander verwoben sind: Ökologische Probleme ziehen zumeist sowohl soziale als auch wirtschaftliche Folgen nach sich (Kropp, 2019). Daraus ergibt sich, dass innerhalb der ökologischen Grenzen gewirtschaftet werden muss, damit heutige und nachfolgende Generationen ein gutes Leben führen können. Wirtschaftlicher Aufschwung ist ohne eine gesunde Umwelt nicht sinnvoll. Umgekehrt lassen sich jedoch eine gesunde Umwelt und eine gerechte Gesellschaft kaum erreichen, wenn Menschen in Sorge um ihre ökonomische Existenz leben müssen (Kropp, 2019). Aus den skizzierten Entwicklungen, Zusammenhängen und Herausforderungen lässt sich folgende, heute verbreitete Definition des Nachhaltigkeitsbegriffes ableiten:
„Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden […] dabei ist es wichtig, die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – wirtschaftlich effizient, sozial gerecht, ökologisch tragfähig – gleichberechtigt zu betrachten.“ (BMZ Redaktion o. J.).
An dieser Definition setzt auch das bekannte Drei-Säulen-ModellDrei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit an. Es beruht auf der Annahme, dass die angesprochenen drei Dimensionen (ökologisch, sozial und ökonomisch) gleichermaßen in Betracht gezogen werden müssen, wenn eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft und ihrer Akteure anvisiert wird (Batz, 2021; Corsten & Roth, 2012; Suchy, 2023). Die drei Dimensionen, hier als Säulen bezeichnet, existieren nebeneinander und stehen miteinander in Wechselwirkung. Die exakte Bedeutung der drei Säulen bleibt im Konzept relativ vage; es bietet jedoch inhaltliche Orientierung für in die Tiefe gehende Auslegungen oder politische Rahmenpapiere (Batz, 2021).
Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Batz, 2021, S. 26)
Die ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit bezieht sich auf wirtschaftliche Aspekte und zielt darauf ab, ökonomisches Wachstum und einen Verzicht auf Ausbeutung von Ressourcen sowie deren gerechte Verteilung zusammenzubringen. Es geht es um die Schaffung von nachhaltigen Geschäftsmodellen, wirtschaftliche Gerechtigkeit sowie die Förderung von Innovationen und ökonomischer Stabilität – während die Umwelt nicht überfordert wird (Kropp, 2019).
Die soziale Dimension betrifft die Menschen. Hier geht es um die Förderung von sozialer Gerechtigkeit, Chancengleichheit, Bildungsgerechtigkeit, Gesundheitsversorgung und besonders die Bekämpfung von Armut. Die soziale Dimension umfasst auch den Schutz der Menschenrechte sowie die Förderung kultureller Vielfalt (Kropp, 2019).
Die ökologische Dimension, die in dieser Arbeit in den Fokus gerückt wird, bezieht sich auf Umweltaspekte und konzentriert sich auf den Schutz und die Erhaltung der natürlichen Ressourcen und Ökosysteme. Ziel ist es, Umweltverschmutzung zu reduzieren, den Klimawandel zu bekämpfen, Biodiversität zu erhalten und nachhaltige Lebensweisen zu fördern (Kropp, 2019).
Das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit betont die Bedeutung des gleichberechtigten Zusammenspiels dieser drei Dimensionen. Es fordert eine ausgewogene Berücksichtigung von ökonomischen, sozialen und ökologischen Aspekten. Ziel ist eine langfristig nachhaltige Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation gerecht wird, ohne die Bedürfnisse zukünftiger Generationen zu gefährden.
Das Modell ist jedoch nicht unumstritten:
Zum einen wird kritisiert, dass die drei Säulen isoliert dargestellt und die Zusammenhänge nicht ausreichend berücksichtigt werden (Batz, 2021).
Zum anderen merken Kritiker an, dass das Dach im Modell auch mit nur zwei Säulen standhalten könne, falls eine wegbrechen würde (Kropp, 2019).
Daraufhin entstanden weitere Modelle wie
das Schnittmengen-Modell der Nachhaltigkeit (Batz, 2021),
das Nachhaltigkeitsdreieck (Kropp, 2019) oder
die Nachhaltigkeitspyramide (Batz, 2021).
Während diese teils die Überschneidungen der Dimensionen angemessener darstellen, ergeben sich hier jedoch auch Fragen, wie beispielsweise zur korrekten Gewichtung der Dimensionen (Batz, 2021; Kropp, 2019).
Der Nachhaltigkeitsbegriff findet seinen Ursprung im 18. Jahrhundert. Im forstwirtschaftlichen Zusammenhang galt das Credo, dass in einem Forstgebiet nur so viel Holz gerodet werden darf, wie durch Aufforstung natürlich nachwachsen kann, um so den Erhalt des Waldes zu gewährleisten (Batz, 2021; Brugger, 2010; Kropp, 2019; Suchy, 2023). Diese Auffassung stellt noch immer die Basis für das Konzept des nachhaltigen Wirtschaftens dar (Suchy, 2023). Im 19. Jahrhundert breitet sich die Annahme in andere Länder und Wirtschaftszweige aus, bis die Diskussion rund um den Umgang mit der Natur im 20. Jahrhundert deutlich an Fahrt aufnimmt (Brugger, 2010; Suchy, 2023).
In den 1970er-Jahren kommen erste Studien zu der Erkenntnis, dass
„weiteres unkontrolliertes Wachstum von Wirtschaft und Bevölkerung und der damit einhergehende Verbrauch natürlicher Ressourcen zu einem globalen Kollaps führen werden“ (Brugger, 2010, S. 14).
Im Jahr 1972 findet schließlich die erste Umweltkonferenz der Vereinten Nationen in Stockholm statt, an der 113 Nationen teilnehmen. Gleichzeitig entsteht das United Nations Environmental ProgrammeUnited Nations Environmental Programme (UNEP) der UN-Vollversammlung (Brugger, 2010).
Volle Aufmerksamkeit erlangt der Nachhaltigkeitsbegriff schließlich im Jahr 1987 durch die Veröffentlichung des Brundtland-Berichtes, eines Abschlussberichtes der World Commission on Environment and DevelopmentWorld Commission on Environment and Development (WCED) mit dem Titel „Our Common Future“ (Brugger, 2010; Suchy, 2023). Hier wird konstatiert, dass globale Umweltprobleme das Resultat der Armut im Süden und des nicht nachhaltigen Konsum- und Produktionsverhaltens im Norden des Globus seien. Der Bericht fordert eine StrategieStrategie, die Fortschritt und Umwelt miteinander vereint – eine nachhaltige Entwicklung (United Nations, 1987).
Trotz zahlreicher Erweiterungen und Präzisierungen gilt die im Brundtland-BerichtBrundtland-Bericht enthaltene Definition des Begriffs „Sustainable Development“ weiterhin als anerkannt (Batz, 2021; Brugger, 2010). Das Ziel der nachhaltigen Entwicklung besteht darin, den gegenwärtigen Generationen eine angemessene Lebenssituation zu ermöglichen, ohne dabei das Wohlergehen kommender Generationen zu gefährden (United Nations, 1987). Die ursprünglich ressourcen- und ökologiefokussierte Begriffsdefinition bleibt erhalten, wird aber erstmals maßgeblich durch soziale und ökonomische Fragestellungen ergänzt. Die eingangs dargelegte Begriffsdefinition für Nachhaltigkeit sowie das heute als am bekanntesten geltende und bereits dargestellte Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit finden somit im Brundtland-Bericht ihren Ursprung (Batz, 2021; Kropp, 2019).
Auf Anraten der Brundtland-Kommission findet 1992 in Rio de Janeiro die United Nations Conference on Environment and DevelopmentUnited Nations Conference on Environment and Development (UNCED) statt. Dort entstehen weitere Leitideen, wie eine nachhaltige Entwicklung umgesetzt werden kann. Nach dem Ursprung des Begriffes in der Forstwirtschaft und der Weiterentwicklung in den 90er Jahren startet mit der Konferenz in Rio de Janeiro somit die „dritte Phase der begrifflichen Entwicklung“ (Batz, 2021, S. 8). Ursprüngliche Ideen werden konkretisiert, und es wird das Aktionsprogramm Agenda 2021 verabschiedet. Zum ersten Mal werden in diesem Rahmen präzise Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Entwicklung mit Fokus auf ökologische, ökonomische und soziale Aspekte formuliert, denen die 187 teilnehmenden Staaten folgen und die sie durch nationale Strategien individuell erweitern sollen (Batz, 2021).
Das Jahr 2015 läutet eine vierte Phase der Entwicklung des Nachhaltigkeitsbegriffes ein, welche bis heute – 2024 – andauert. Hier rufen die Vereinten Nationen die Agenda 2030 und mit ihr 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, die Sustainable Development GoalsSustainable Development Goals ins Leben (Kropp, 2019; Suchy, 2023). Das Dokument setzt sich aus miteinander verschränkten Zielvorgaben und Umsetzungsplänen rund um nachhaltige soziale, ökologische und ökonomische Entwicklung zusammen (Batz, 2021; Suchy, 2023). Zahlreiche Unternehmen und auch Sportorganisationen bauen ihre Nachhaltigkeitsstrategien seitdem auf den 17 Zielen der Agenda 2030 auf.
17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Vereinte Nationen o.J. https://www.un.org/sustainabledevelopment/)1
Nicht nur dieses offizielle Dokument der UN prägt seit 2015 das nachhaltige Handeln in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Das Pariser KlimaabkommenPariser Klimaabkommen, Nachfolger des 1997 verabschiedeten Kyoto-ProtokollsKyoto-Protokoll, setzt im selben Jahr speziell im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit weitere Leitlinien. Alle UN-Mitgliedstaaten verpflichten sich, den Anstieg der durchschnittlichen globalen Erwärmung auf unter 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu verringern (Batz, 2021). Ansatzpunkt dafür ist die radikale Senkung der von den Menschen verursachten Treibhausgasemissionen – spezifisch das Erreichen von Klimaneutralität (Batz, 2021).
Hier setzt auch der European Green DealEuropean Green Deal aus dem Jahr 2019 an. Dieses aktuelle Klimakonzept der Europäischen Union wird im folgenden Unterkapitel ausführlicher erläutert, da es eine Basis für die empirische Untersuchung im Rahmen dieser Studie darstellt.
Der European Green Deal versucht, den Aktionsplänen der Vereinten Nation auf europäischer Ebene gerecht zu werden. Zu Beginn der Legislaturperiode 2019–2024 stellt die Europäische Kommission unter der Leitung von Ursula von der Leyen am 11. Dezember 2019 in Brüssel das Strategiepapier vor (Europäische Kommission, o. J.). Die Präsidentin der Kommission fasst zusammen: „Der European Green Deal ist unsere neue Wachstumsstrategie. Er wird es uns ermöglichen, die Emissionen zu senken und gleichzeitig Arbeitsplätze zu schaffen.“ (Europäische Kommission, 2019b, S. 1). Im Strategiepapier erkennt das Gremium den Klimawandel und die voranschreitende Zerstörung der Natur an und stellt Ziele und Maßnahmen auf, wie „der Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft“ gelingen soll (Europäische Kommission, o. J.). Diese Wirtschaft soll unter drei Rahmenbedingungen realisiert werden:
European Green Deal (eigene Darstellung in Anlehnung an Europäische Kommission, 2019a, S. 4)
Bis 2050 sollen keine Netto-Treibhausgase mehr ausgestoßen werden;
ökonomisches Wachstum soll von der Ressourcennutzung abgekoppelt sein und
niemand soll dabei im Stich gelassen werden (Europäische Kommission, o. J.).
Zusammenfassend will die EU „ihre Wirtschaft und Gesellschaft [umgestalten], um sie auf einen nachhaltigeren Weg zu bringen“ (Europäische Kommission, 2019a, S. 2).
Um bis 2050 klimaneutral zu sein und auch die untergeordneten Ziele zu erreichen, wurden Maßnahmen für alle Sektoren der europäischen Wirtschaft sowie Biodiversitätsziele (Umweltschutz und Erhalt der biologischen Vielfalt) formuliert (Europäische Kommission, 2019). Im Folgenden werden diese erläutert, da sie für die empirische Untersuchung der Arbeit eine wichtige Rolle spielen und einen Überblick über alle Richtlinien gibt.
Der European Green Deal ist auf dem Leitsatz „Umgestaltung der EU-Wirtschaft für eine nachhaltige Zukunft“ aufgebaut. Um diesen Plan umzusetzen, formuliert die EU grundlegend, dass das Agieren der Politik
„in Bezug auf die Versorgung der gesamten Wirtschaft mit sauberer Energie sowie in den Bereichen Industrie, Produktion und Verbrauch, Infrastruktur, Verkehr, Ernährung und Landwirtschaft, Bauwesen, Besteuerung und Sozialleistungen überdacht werden [muss]“ (Europäische Kommission, 2019a, S. 4).
Besonderes Augenmerk soll dabei auf dem Schutz und der Wiederherstellung der natürlichen Ökosysteme, der nachhaltigen Nutzung der RessourcenRessourcen und der Verbesserung der menschlichen Gesundheit liegen. Ein Umdenken sei in Hinblick auf die Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt hier am wichtigsten. Als Grundlage stellt die EU Hilfe, Gelder und erforderliche Instrumente für einen digitalen Wandel in Aussicht, da ohne diesen keine Veränderung möglich sei (Europäische Kommission, 2019). Zusätzlich soll von allen politischen Hebeln Gebrauch gemacht werden; dazu zählen
„Regulierung und Normung, Investitionen und Innovation, nationale Reformen, Dialog mit den Sozialpartnern und internationale Zusammenarbeit“ (Europäische Kommission, 2019a, S. 4).
Um dabei niemanden im Stich zu lassen, „werden die Maßnahmen an der europäischen Säule sozialer Rechte ausgerichtet sein“ (Europäische Kommission, 2019a, S. 4). Deutlich wird bereits an diesen grundlegenden Richtlinien, dass die Verbindung von sozialen, ökonomischen und ökologischen Aspekten auch im European Green Deal Anwendung findet. Aufbauend auf den genannten Basisrichtlinien der Europäischen Kommission werden Maßnahmen in acht Bereichen ausgeführt, die umgesetzt werden sollen, um das Leitbild der nachhaltigen Wirtschaft in die Realität umzusetzen.
Die ersten formulierten Maßnahmen setzen im Bereich des Klimaschutzes an:
Über eine Umgestaltung der Wirtschaft und dadurch eine extreme Verringerung der Treibhausgasemissionen (herbeigeführt durch klimabezogene Politikinstrumente wie eine CO2-Bepreisung) soll zunächst bis 2050 (1) KlimaneutralitätKlimaneutralität in Europa erreicht werden (Europäische Kommission, 2019).
Weitere Maßnahmen werden für den Bereich (2) UmweltschutzUmweltschutz aufgestellt: Die Biodiversität (Arten- und Pflanzenvielfalt) Europas, spezifisch die der Wälder und Ozeane müsse erhalten und regeneriert werden.
Um das zu erreichen, müsse eine erneute Verschmutzung und die Beseitigung bereits bestehender Verschmutzung der Umwelt durch (3) SchadstoffeSchadstoffe bekämpft werden (Europäische Kommission, 2019). Luft, Wasser und Boden sollen vor Verunreinigung beispielsweise durch Mikroplastik oder Chemikalien bewahrt werden, um die Biodiversität zu schützen. Neben diesen drei Maßnahmenpaketen (bezogen auf Klimaneutralität, Umweltschutz/Artenschutz sowie Schadstofffreiheit) werden Ziele und Pläne in weiteren fünf Bereichen formuliert.
Da 75 Prozent der Treibhausgasemissionen im Energiesektor entstehen, bezieht sich ein Maßnahmenpaket auf die (4) DekarbonisierungDekarbonisierung des Energiesystems (Energiewende) und die Bereitstellung von sauberer Energie. Der Fokus soll dabei auf EnergieeffizienzEffizienz, erneuerbaren Energien und der Etablierung einer intelligenten und effizienten Energie-Infrastruktur liegen (Europäische Kommission, 2019).
Das nächste Stichwort des European Green Deals lautet (5) KreislaufwirtschaftKreislaufwirtschaft. Besonders in der Industrie müsse Abfall zunächst erheblich verringert und, falls dies nicht möglich sei, getrennte Abfallentsorgung umgesetzt werden. Nur so kann RecyclingRecycling und Upcycling in großem Maße durchgeführt werden. Dies sei dringend notwendig, um Ressourcen zu sparen. Nachhaltige Produkte der Zukunft müssen kreislauforientiert, das heißt langlebig und wiederverwendbar entwickelt und produziert werden.
Der nächste Sektor, für den Maßnahmen aufgestellt werden, ist der (6) GebäudesektorGebäudesektor. Sanieren und Bauen soll ressourcenschonender (im Hinblick auf Rohstoffe wie Sand, Kies etc.) und energieeffizienter werden.
Eine umfassende Umstellung betrifft zudem den (7) VerkehrssektorVerkehrssektor: „Um Klimaneutralität zu erreichen, müssen die verkehrsbedingten Emissionen bis 2050 um 90 Prozent gesenkt werden.“ (Europäische Kommission, 2019a, S. 12). Davon betroffen sind alle Arten der Mobilität: PKW- und LKW-Verkehr auf der Straße sowie Schienenverkehr und Luft- und Schifffahrt. Neben Maßnahmen der nachhaltigeren Verlagerung des Verkehrs, beispielsweise von der Straße auf die Schiene, soll der Ausbau der Elektromobilität als emissionsarme Mobilitätsvariante sowie die Entwicklung von alternativen Kraftstoffen im Mittelpunkt stehen.
Der letzte Sektor, auf den sich der European Green Deal bezieht, ist der (8) LebensmittelsektorLebensmittelsektor. Um die Natur und Menschen zu schützen, soll bei der Lebensmittelerzeugung auf Verschmutzungen der Umwelt und Ressourcenverschwendung verzichtet werden. Die Nachfrage nach nachhaltigen Lebensmitteln müsse angekurbelt und nachhaltige Landwirtschaft und Fischerei gefördert werden (Europäische Kommission, 2019).
Eine übergeordnete Forderung der Europäischen Kommission, die sich durch alle Maßnahmenpakete zieht, ist die der Schaffung neuer digitaler und innovativer TechnologienTechnologien, digitale. Hier heißt es:
„Digitale Technologien sind eine entscheidende Voraussetzung für die Verwirklichung der Nachhaltigkeitsziele des Grünen Deals in vielen verschiedenen Sektoren“ (Europäische Kommission, 2019a, S. 11).
Dieser Forderung wird in einem eigenen Unterkapitel des European Green Deals noch mehr Raum gegeben und ausgeführt:
„Der Europäische Innovationsrat wird Finanzmittel, Beteiligungsinvestitionen und Dienstleistungen [[…]] bereitstellen, damit [[…]] bahnbrechende Innovationen im Rahmen des Grünen Deals erziel[t werden], deren Dimension auf den Weltmärkten rasch ausgebaut werden kann.“ (Europäische Kommission, 2019a, S. 21)
Ideen und Arbeiten, die den digitalen und dadurch auch den ökologischen Wandel forcieren, sollen gefördert werden (Europäische Kommission, 2019).