Neurofinancial Engineering - Patrick Allstadt - E-Book

Neurofinancial Engineering E-Book

Patrick Allstadt

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Beschreibung

Finanzielle Entscheidungen sind vielschichtig und komplex. Dabei spielen neben rationalen Überlegungen (klassische ökonomische Modelle) und psychologischen Aspekten (Behavioral Finance) jedoch auch zahlreiche neuronale Einflussfaktoren eine wichtige Rolle. Mit diesen beschäftigt sich die sog. Neurofinance, die neuroökonomische Methoden speziell auf Fragestellungen finanzieller Entscheidungen anwendet und die im Zentrum dieses Buches steht. Dessen übergeordnetes Ziel ist die Gestaltung eines ganzheitlichen, anwendungsorientierten, neuronal modifizierten Decision Frameworks zur Verbesserung der Entscheidungsfindung im Investmentprozess von Privatanlegern mithilfe der Methodik des hierfür neuentwickelten Neurofinancial Engineerings. Letzteres wird dabei als systematisches Konstruieren eines normativen, neuroökonomisch modifizierten Entscheidungsrahmens im Kontext finanzieller Entscheidungen verstanden. Dazu werden für alle wichtigen Schritte und Aktivitäten im Investmentprozess verschiedene relevante neuronale Effekte und deren mögliche negative Auswirkungen beschrieben und anschließend potenzielle Korrektivmaßnahmen zur Verringerung derselben diskutiert.

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Patrick Allstadt, M.Sc. in Finance & Accounting, arbeitet als Portfoliomanager in einer Vermögensverwaltung in München. Vorher sammelte er viele Jahre Vertriebserfahrung als Vermögensberater im Private-Banking einer Bank, zuletzt als stellv. Leiter. Hierdurch konnte er das Verhalten von Kapitalmarktteilnehmern in der Praxis intensiv beobachten.

Dr. Michael Clauss ist freiberuflicher Dozent an der FOM Hochschule an den Standorten Nürnberg, München und Augsburg. Er vertritt die Bereiche Volkswirtschaft sowie Finance und Accounting. Zudem berät er Vermögensverwalter zu gesamtwirtschaftlichen Themen.

Prof. Dr. Sebastian Serfas ist stellv. wissenschaftlicher Gesamtstudienleiter der FOM Hochschule in Nürnberg. Er lehrt und forscht mit Schwerpunkt im Bereich Finance & Accounting, ist Mitgründer des KompetenzCentrum für Entrepreneurship & Mittelstand und berät Unternehmen bei strategischen und operativen Fragestellungen.

Die Inhalte des vorliegenden Werkes wurden mit größter Sorgfalt recherchiert und nach bestem Wissen zusammengestellt und geprüft. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung korrekt sind. Dennoch können fehlerhafte Informationen oder Darstellungen nicht ausgeschlossen werden. Alle Angaben erfolgen daher ohne Gewähr. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler, etc. Jegliche Haftung seitens der Autoren, der Herausgeber oder des Verlages ist ausgeschlossen.

Patrick Allstadt, Michael Clauss, Sebastian Serfas

Neurofinancial Engineering

Eine interdisziplinäre Betrachtung neuronal bedingter Effekte im Investmentprozess und möglicher Korrektive bei der Prozessgestaltung

Neurofinancial Engineering

Eine interdisziplinäre Betrachtung neuronal bedingter Effekte im Investmentprozess und möglicher Korrektive bei der Prozessgestaltung

© 2022 Patrick Allstadt, Michael Clauss, Sebastian Serfas

Schriftenreihe BWL Hochschulschriften, Band 14

Herausgeber:

Prof. Dr. Ludwig Hierl

Prof. Dr. Simon Fauser

Prof. Dr. Sebastian Serfas

Verlag & Druck: tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg

ISBN Hardcover

978-3-347-77254-0

ISBN eBook

978-3-347-77255-7

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung der Autoren. Das gilt insbesondere, aber nicht ausschließlich, für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen, die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, sowie die Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Kapitel 1 – Einleitung

1.1 Motivation und Relevanz

1.2 Zielsetzung und Forschungsfrage

1.3 Struktur und Gliederung

1.4 Methodenübersicht

1.5 Wissenschaftstheoretische Einordnung

Kapitel 2 – Grundlagen des Portfoliomanagements und der Entscheidungstheorie

2.1 Einführung in Portfoliomanagement und Kapitalmarktforschung

2.2 Einführung in die Entscheidungstheorie

2.3 Rollen der Marktteilnehmer

2.4 Ergebnisse der Portfoliomanagement- und Kapitalmarktforschung

2.5 Ergebnisse der Entscheidungsforschung

2.6 Neurowissenschaften als Fundament und Bindeglied

2.7 Investmentprozess als Basis des zu entwickelnden Frameworks

Kapitel 3 – Grundlagen der Psychologie und der Neurowissenschaften

3.1 Psychologischer Bezugsrahmen

3.2 Der Aufbau des Gehirns und der neuronalen Ebene

3.3 Neurowissenschaftliche Messmethoden

3.4 Neuroökonomie und Neurofinance

3.5 Neurofinancial Engineering

Kapitel 4 – Kategorisierung neuronaler Effekte

4.1 Dimension des Risikos

4.2 Dimension der Rendite

4.3 Dimension der Zeit

4.4 Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen

4.5 Handlungen, Emotionen und Hormone

4.6 Zusammenfassende Übersicht der betrachteten Effekte

Kapitel 5 – Integration der neuronalen Effekte in den Investmentprozess

5.1 Anlegeranalyse

5.2 Marktanalyse

5.3 Asset Allocation

5.4 Umsetzung

5.5 Kontrolle

5.6 Zwischenergebnis: Zuordnung der neuronalen Effekte zu den Schritten des Investmentprozesses

Kapitel 6 – Integration von Korrektivmaßnahmen in den Investmentprozess

6.1 Anlegeranalyse

6.2 Marktanalyse

6.3 Asset Allocation

6.4 Umsetzung

6.5 Kontrolle

Kapitel 7 – Neurofinancial Decision Framework

7.1 Strukturierte Darstellung des Frameworks

7.2 Kritische Würdigung

Kapitel 8 – Zusammenfassung und Ausblick

8.1 Zusammenfassung

8.2 Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Typische Ebenen der Asset Allocation (Auswahl)

Abbildung 2: Basiselemente eines Entscheidungsmodells nach Laux

Abbildung 3: Kapitalallokationsprozess (funktionale Gliederung)

Abbildung 4: Integrierter Ansatz der drei Disziplinen

Abbildung 5: Einfaches Reiz-Reaktionsmodell

Abbildung 6: Vereinfachter Aufbau des Gehirns (Querschnitt)

Abbildung 7: Schematischer Ablauf des Neurofinancial Engineerings

Abbildung 8: Kategorisierungslogik der neuronalen Effekte

Abbildung 9: Beispielhafte Einflussfaktoren der Risikowahrnehmung

Abbildung 10: Zusammenhang zwischen Stimulus und Belohnung

Abbildung 11: Exponentielles und hyperbolisches Diskontieren

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Zusammengefasster Investmentprozess aus Anlegersicht

Tabelle 2: Wichtige Messverfahren der Neurowissenschaften

Tabelle 3: Übersicht ausgewählter neuronaler Effekte

Tabelle 4: Übersicht der neuronalen Effekte im Investmentprozess

Tabelle 5: Zusammenfassung: Neurofinancial Decision Framework …

Abkürzungsverzeichnis

APT

Arbitrage Pricing Theory

BOLD

Blood Oxygenation Level dependent

CAPM

Capital Asset Pricing Model

COMT

Catechol-O-Methyltransferase (Enzym)

DNS

Desoxyribonukleinsäure

EEG

Elektroenzephalografie

ETF

Exchange Traded Fund

FMRT

Funktionelle Magnetresonanztomografie

HOME

Human-Oxytocin-Mediated Empathy

MEG

Magnetenzephalografie

PET

Positronen-Emissions-Tomografie

PNS

Peripheres Nervensystem

ZNS

Zentrales Nervensystem

Kapitel 1 – Einleitung

Ein Aspekt, der unsere moderne Gesellschaft von den Gesellschaften vergangener Jahrhunderte unterscheidet, ist die Tatsache, dass sie die Zukunft durch die Steuerung von Risiken aktiv beeinflussen möchte und kann, und sie nicht nur passiv hinnehmen muss.1

Diese Steuerung der Zukunft findet unter anderem durch die Berücksichtigung und Antizipation von Risiken in Entscheidungssituationen statt, in denen sich Menschen auf ihr Gehirn und damit auf ihre vermeintliche Ratio verlassen. Sie nehmen an, dass ihr Gehirn die Situation neutral wahrnimmt und alle Entscheidungsparameter bewusst und rational verarbeitet und bewertet. Diese Annahme erweist sich jedoch oftmals als nicht korrekt. Vielmehr werden Menschen regelmäßig beispielsweise durch sog. kognitive Verzerrungen systematisch und unbewusst in ihren Entscheidungen beeinflusst.2 Neben psychologischen Aspekten können auch physiologische und neuronale Einflussfaktoren eine Rolle spielen. Mit diesen beschäftigt sich, im Kontext von Finanzentscheidungen, das noch verhältnismäßig junge Forschungsgebiet der Neurofinance, das im Folgenden im Zentrum dieses Werkes stehen wird.

1.1 Motivation und Relevanz

Die oben genannten Auswirkungen eines unbewussten, nicht-rationalen Verhaltens werden in den traditionellen Modellen der Mikroökonomie und speziell der Kapitalmarktforschung typischerweise nicht ausreichend gewürdigt.3 Es wird nach wie vor die Annahme des rein rationalen Marktteilnehmers, des Homo Oeconomicus, getroffen, der alle Optionen objektiv abwägt und stets nutzenmaximierend entscheidet.4

Des Weiteren wird klassischerweise von der zusätzlichen Modellannahme ausgegangen, dass die Preisbildung auf den Kapitalmärkten ausschließlich auf rein ökonomischen Einflussfaktoren basiert.5 Diese Annahme funktioniert im jeweiligen Modell formal korrekt. In der Realität treten hierbei allerdings immer wieder Abweichungen in Form von Anomalien auf.6 Darauf aufbauend entstand eine neue Strömung der interdisziplinären Kapitalmarktforschung, die sog. Behavioral Finance, die diese Abweichungen durch Einbeziehung psychologischer Modelle und Einflussfaktoren zu erklären versucht.7

In vielen Modellen der Behavioral Finance liegt der Fokus jedoch auf dem Verhalten, während unser Gehirn oft unzureichend als statische und unbeteiligte Blackbox8 dargestellt wird. Seit Beginn der 2000er Jahre wird daher vermehrt in der Disziplin der Neuroökonomie geforscht. Infolgedessen kann die Blackbox geöffnet und das Gehirn in ökonomischen Entscheidungssituationen durch Methoden9 der Neurowissenschaften genau gemessen, analysiert und operationalisiert werden. Speziell die auf Finanzentscheidungen fokussierte Neurofinance verbindet dabei Kapitalmarktforschung, Psychologie und Neurowissenschaften, um durch die Identifizierung physiologischer und neuronaler Einflussfaktoren neue Erklärungsansätze für das Entscheidungsverhalten von Menschen zu entdecken.10

Durch die interdisziplinäre Anwendung dieser Ansätze und Untersuchungsmethoden, kann die Neurofinance somit neue Erkenntnisse bezüglich Entscheidungsprozessen, Verhaltenspräferenzen und Verletzungen rationaler Regeln der Kapitalmarktteilnehmer entwickeln und das Verständnis hierüber fördern. Hierdurch können Forscher nicht nur verstehen, wie sich Kapitalmarktteilnehmer tendenziell in der Realität verhalten (Ansatz der Behavioral Finance), sondern anhand der Interpretation neuronaler und physiologischer Daten auch, warum sie sich so verhalten (Ansatz der Neurofinance).11 Die Neurofinance bietet daher eine hohe Relevanz für aktuelle Forschungen mit interessanten und weitreichenden Erkenntnissen.

1.2 Zielsetzung und Forschungsfrage

Um dabei zu helfen, die oben genannte Blackbox, also das Gehirn, während finanzieller Entscheidungssituationen zu entschlüsseln und detaillierter interpretieren zu können, ist das Ziel des vorliegenden Werkes die Gestaltung eines ganzheitlichen, anwendungsorientierten und neuronal modifizierten Frameworks zur Verbesserung der Entscheidungsfindung im Investmentprozess von Privatanlegern. Der sich aus verschiedenen Disziplinen ergebende, systematische und normative Konstruktionsprozess eines solchen Anlegerprozesses wird erstmals in dieser Publikation vorgeschlagen und als Neurofinancial Engineering bezeichnet.12

Der wissenschaftliche und praktische Mehrwert eines solchen Frameworks liegt dabei in der Verknüpfung verschiedener Studien mit Handlungsempfehlungen und der methodischen Zusammenführung zu einem konsistenten Entscheidungsmodell, angelehnt an einen Investmentprozess für Privatanleger.13 Dieser Vorschlag stellt somit einen ersten Schritt dar, als handlungsorientierte Schnittstelle zwischen den Disziplinen Portfoliomanagement und Neurofinance zu dienen und ergänzt bzw. erweitert somit die Erkenntnisse der vorliegenden Studien der Neuroökonomie und der Neurofinance, die deskriptiv zumeist einzelne neuronale Mechanismen und Anomalien aufführen.14 Die aus dieser Zielstellung resultierende primäre Forschungsfrage lautet deshalb: Wie kann ein integrierter, ganzheitlicher und neuronal modifizierter Investmentprozess für Privatanleger aussehen?

Bezüglich der Zielsetzung sei konkretisierend erwähnt, dass das Ergebnis ein theoretisches Fundament als Grundlage zur weiteren empirischen Validierung durch nachfolgende Forschungsarbeiten bilden soll. Ebenfalls soll der Vorschlag explizit keine opportunistische Handelsstrategie für Kapitalmarktteilnehmer sein, die durch Ausnutzung neuronaler Effekte Risikoprämien für den Anwender generiert. Final sei nochmal erwähnt, dass der Fokus dieses Werkes auf den neurowissenschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Komponenten bei Privatanlegern liegt und daher keine Vorschläge einer institutionellen Integration in den Beratungsprozess von Portfolio- und Asset-Managern unterbreitet.

1.3 Struktur und Gliederung

Das vorliegende Buch gliedert sich in acht Kapitel. Nach einem einführenden ersten Kapitel wird in den Kapiteln zwei und drei der notwendige fachtheoretische Rahmen erarbeitet. Hierbei behandelt das zweite Kapitel die kapitalmarktspezifischen und entscheidungstheoretischen Grundlagen, wie z.B. Charakteristika des Portfoliomanagements, Funktion und Rollen der Kapitalmarktteilnehmer, sowie eine historische Einordnung der wichtigsten Forschungserkenntnisse und des aktuellen Forschungsstandes. Hierauf aufbauend wird ein erster rein finanzspezifischer Entscheidungsprozess als spätere Grundlage für das Framework abgeleitet.

Im dritten Kapitel folgen die psychologischen und neurowissenschaftlichen Grundlagen, wie z.B. Aufbau und Funktionsweise des Gehirns, die dazu notwendigen Messmethoden und weitergehende Erläuterungen der Disziplinen Neuroökonomie und Neurofinance. Ebenfalls betrachtet wird hier die in dieser Publikation vorgeschlagene Konstruktionslogik des Neurofinancial Engineerings, welche der neuronalen Optimierung von Entscheidungsstrukturen dient.

Das vierte Kapitel baut auf den vorangegangenen Grundlagen auf. Dafür werden zunächst neuronale Effekte typisiert, deren Funktionsweise neurowissenschaftlich erläutert, sowie deren praktische Auswirkungen abgeleitet. Im fünften Kapitel, der ersten Ebene der Framework-Konstruktion, erfolgt zunächst die Zuordnung der neuronalen Effekte zu den passenden Schritten und Aktivitäten im Investmentprozess. Das sechste Kapitel stellt dann auf der nächsten Framework-Ebene mögliche Handlungskorrektive vor und erweitert den Entscheidungsrahmen entsprechend.

Das siebte Kapitel stellt das finale Framework aus ganzheitlicher Sicht dar und beinhaltet eine zusammenfassende Beantwortung der Forschungsfrage. Das Kapitel wird mit einer umfangreichen kritischen Würdigung abgerundet, welche sich auf die Disziplin der Neurofinance, die hier verwendeten Methoden und die vorliegenden Ergebnisse bezieht.

Kapitel acht enthält eine kompakte Zusammenfassung und endet mit einem interdisziplinären Ausblick. Der Ausblick stellt verschiedene Ansatzpunkte zur empirischen Validierung des Frameworks vor und gibt zusätzliche Impulse zur Weiterentwicklung der Neurofinance.

1.4 Methodenübersicht

Die vorliegende Publikation ist bewusst theoriebasiert angelegt. Mittels systematischer Literaturrecherche und -auswertung werden bestehende Theorien und Ergebnisse gegenübergestellt und durch Verknüpfung zu einem neuen Ergebnis zusammengeführt. Dieses Ergebnis wiederum kann als Grundlage für nachfolgende empirische Forschungen dienen.15

Die Literaturbasis umfasst in erster Linie deutsch- und englischsprachige Monographien, Fachartikel, Sammelbände und wissenschaftliche Beiträge aus einer Vielzahl nationaler und internationaler Fachzeitschriften verschiedener Disziplinen. Die Monographien und Sammelbände werden vor allem für die Darstellung gängiger Theorien und herrschender Meinungen zur Beschreibung des aktuellen Forschungsstands genutzt, während die wissenschaftlichen Journale schwerpunktmäßig zur Vorstellung und Integration aktueller Erkenntnisse aus Neuroökonomie, Neurofinance, Psychologie, Verhaltensforschung und Neurowissenschaften herangezogen werden. In den verwendeten Quellen kommen wiederum verschiedene Forschungsmethoden zum Einsatz, beispielsweise stammen die Daten neuronaler und verhaltenspsychologischer Arbeiten oft aus Laborbzw. Feldexperimenten.16

Der Fokus auf eine rein literaturzentrierte Methodik liegt in der Zielstellung dieses Werkes begründet. Basierend auf den zu untersuchenden Publikationen und Studien aus u.a. Neuroökonomie und Neurofinance, als jüngerem Forschungszweig17, – deren bisher meist isoliert betrachtete Primärdaten in dieser Arbeit gegenüberstellt, analysiert und systematisch mit weiteren Disziplinen zusammengeführt werden – soll ein interdisziplinärer, neuer, normativer18 Framework-Entwurf generiert werden. Das dabei erstellte Framework und seine den Handlungsschritten zugeordneten neuronalen Effekte können dann als erste Basis zur empirischen Evaluierung und als Grundlage für weitere Forschungshypothesen für nachfolgende Forschungsarbeiten dienen.19

1.5 Wissenschaftstheoretische Einordnung

In der Wissenschaftstheorie existieren mehrere Grundpositionen der Erkenntnisgewinnung, die sich durch unterschiedliche Denkschulen und Prüflogiken auszeichnen. Beispielweise sind der Paradigmenwechsel nach Kuhn zu nennen oder der kritische Rationalismus mit Falsifikationsprinzip zur Erkenntnisabsicherung nach Popper. Der kritische Rationalismus besitzt dabei die größte Anwendungsbreite.20

Unabhängig vom Ansatz ist das zentrale Ziel der Wissenschaft der Erkenntnisgewinn. Hierbei werden zwei Grundlogiken unterschieden: einerseits das deduktive und andererseits das induktive Schließen. Beim Deduktionsprinzip erfolgt das Schließen von einer allgemeinen Theorie auf einen speziellen Fall, um hierdurch neue Hypothesen und damit Erklärungsansätze zu finden, während beim Induktionsprinzip der Schluss von speziellen Beobachtungen auf allgemeine Theorien dazu dient, von Einzelfällen allgemeine Wirkungsmechanismen ableiten zu können.21

Die Wirtschaftswissenschaften als Fachdisziplin dieses Werkes werden dem Bereich der Sozialwissenschaften zugeordnet. Dabei können mehrere Forschungsmethoden unterschieden werden. Der empirische Ansatz bietet zwei grundsätzliche Forschungsströmungen: quantitative Methoden der Datenerhebung, mit statistischer Auswertung und Interpretation, und qualitative Methoden, wie beispielsweise Experteninterviews oder Inhaltsanalysen.22 Von den zwei genannten empirischen Forschungsmethoden ist der Theorieansatz zu unterscheiden. Der theoriebasierte Ansatz ist durch systematische Literaturrecherche gekennzeichnet und stellt die gewählte Methodik dieses Buches dar. Ziel ist es, durch verschiedene Theorien und Vergleiche komplexe Zusammenhänge, beispielsweise Ursache-Wirkungs-Beziehungen zu beschreiben. Die angewandte Schlusslogik ist dabei üblicherweise deduktiv, da von allgemeinen und in der Vergangenheit erstellten Theorien und Feststellungen auf den speziellen Forschungsgegenstand und dessen Ausprägung geschlossen werden soll.23

Die Zuordnung der zu verwendenden neuronalen Studien zu einem konkreten Schritt im Investitionsprozess und die Erstellung des Neurofinancial Decision Frameworks erfolgen dabei normativ, da die vorliegende Arbeit theoretisch begründen will wie ein Entscheidungsprozess aussehen sollte, um neuronale Effekte systematisch zu kompensieren.24 Die verwendeten Effekte sind hierbei bereits empirisch gesicherte Primärdaten aus Studien. Die Verbindung mit Handlungskorrektiven und die Wechselwirkung untereinander, als komplettes Framework, sind dagegen empirisch noch nicht geprüft. Dies kann in Folgearbeiten vorgenommen werden, indem das Framework als Grundlage genutzt wird.25

Die Beantwortung der Forschungsfrage soll mittels der Erstellung eines sogenannten Frameworks, des Neurofinancial Decision Framework, erfolgen, also als neuronal-modifizierter Rahmen zur Entscheidungsunterstützung. Das Konzept eines Frameworks kann als Ordnungsrahmen beschrieben werden, welcher nicht nur die Grenzen, sondern auch die Basiselemente eines Systems beinhaltet und permanent fallbezogen weiterentwickelt wird.26 Vom Konzept eines Frameworks abgrenzend kann die reine Theoriebildung genannt werden. Diese wird definiert als ein ordnendes, geschlossenes System widerspruchsfreier und verknüpfter Aussagen, um komplexe Sachverhalte zu erklären und Zustände vorherzusagen. Als Ermöglichungsbedingungen hierzu werden meist Annahmen und Ceteris-Paribus-Bedingungen27 benötigt, damit Kohärenz und Konsistenz bestehen kann. Ein Modell wiederum, als Abbild von Teilaspekten der Realität, kann hingegen erklärt werden als visualisierte Form einer Theorie.28

Die Entscheidung dieser Arbeit, ein Framework einem Modell vorzuziehen, kann dadurch begründet werden, dass sich einzelne Parameter, wie beispielsweise Risikowahrnehmung, je Individuum stark unterscheiden und dadurch schwer modellhaft und damit absolut und in sich geschlossen abgebildet werden können.29 Das Framework und seine Elemente sind hierbei durchlässiger und unabhängiger, da sie weniger stark aufeinander aufbauen. Es dient, wie oben definiert, als Ordnungsrahmen, der variabel und situativ angepasst werden kann.

1 Zur historischen Einordnung von Risiko vgl. Bernstein, P., Wider die Götter, 1997, S. 9 ff.

2 Exemplarisch vgl. Tversky, A., Kahneman, D., Judgment under Uncertainty, 1974, S. 1130; auch vgl. Epstein, S., Cognitive and Psychodynamic Unconscious, 1994, S. 709-710; und vgl. Laux, H. et al., Entscheidungstheorie, 2018, S. 34-35.

3 Vgl. Spremann, K., Portfoliomanagement, 2008, S. 315-323.

4 Vgl. Mankiw, G., Taylor, M., Grundzüge Volkswirtschaftslehre, 2018, S. 371; auch vgl. Olsen, R., Behavioral Finance and Stock-Price Volatility, 1998, S. 14.

5 Vgl. Roßbach, P., Alternative zur Kapitalmarkttheorie, 2001, S. 22-23.

6 Für eine einführende Übersicht von Anomalien vgl. Spremann, K., Portfoliomanagement, 2008, S. 319.

7 Vgl. Shiller, R., Efficient Markets to Behavioral Finance, 2003, S. 90-91; auch vgl. Barberis, N., Thaler, R., Survey of Behavioral Finance, 2002, S. 11-12.

8 Blackbox definiert sich hier als Modellbestandteil, dessen innere Prozesse nicht bekannt sind bzw. nicht untersucht werden. Vgl. z.B. Helfrich, H., Wissenschaftstheorie, 2016, S. 68.

9 Für eine Übersicht gängiger Untersuchungsmethoden siehe Kapitel 3.3 Messmethoden.

10 Vgl. Tseng, K.C., Neurofinance, 2006, S. 11-13; auch vgl. Sharp, C. et al., Neuroeconomics translational research, 2012, S. 90; vgl. Camerer, C. et al., Neuroeconomics, 2005, S. 9-10.

11 Vgl. Miendlarzewska, E. et al., Neurofinance, 2019, S. 197; auch vgl. Glimcher, P., Rustichini, A., Neuroeconomics, 2004, S. 448; zusätzlich vgl. Tseng, K.C., Neurofinance, 2006, S. 13.

12 Für die sich u.a. am Behavioral Engineering angelehnte Begriffsableitung siehe Kapitel 3.5.

13 Obwohl kognitive Verzerrungen auch institutionelle Anleger betreffen, scheint bei Privatanlegern eine größere Typenvielfalt aufzutreten. Hierfür vgl. Schmeling, M., Institutional and Individual Sentiment Traders, 2006, S. 21-22; auch vgl. Aren, S., Aydemir, S., Behavioral biases institutional investors, 2016, S. 1669. Außerdem sei angemerkt, dass die Integration eines solchen Modells in den Investmentprozess institutioneller Investoren weitere Ebenen wie Organisation, Compliance, IT-Prozesse, etc. betrifft, die nicht Gegenstand dieses Werkes sind, weshalb der Fokus auf Privatanlegern liegt.

14 Für eine exemplarische Gegenüberstellung vgl. Ahlert, D., Kenning, P., Neuroökonomik, 2006, S. 30; auch vgl. Kenning, P., Plassmann, H., Overview Neuroeconomics, 2005, 350-351; zuletzt vgl. Srivastava, M. et al., Neurofinance, 2019, 489, 491-493.

15 Vgl. Döring, N., Bortz, J., Forschungsmethoden, 2016, S. 166.

16 Details zu Methoden vgl. Döring, N., Bortz, J., Forschungsmethoden, 2016, S. 205-206.

17 Vgl. Ascher, D. et al., Neurofinance, 2016, S. 407.

18 Dieses Buch folgt einem normativen Ansatz; vgl. Oehlrich, M., Wissenschaftliches Arbeiten, 2019, S. 8.

19 Vgl. Döring, N., Bortz, J., Forschungsmethoden, 2016, S. 168-169.

20 Vgl. Töpfer, A., Erfolgreich forschen, 2012, S. 109, 119, 134.

21 Vgl. Töpfer, A., Erfolgreich forschen, 2012, S. 64, 110, 131.

22 Vgl. Oehlrich, M., Wissenschaftliches Arbeiten, 2019, S. 9, 84; auch vgl. Döring, N., Bortz, J., Forschungsmethoden, 2016, S. 13-14.

23 Vgl. Oehlrich, M., Wissenschaftliches Arbeiten, 2019, S. 9-11; auch vgl. Töpfer, A., Erfolgreich forschen, 2012, S.64, 78.

24 Vgl. Oehlrich, M., Wissenschaftliches Arbeiten, 2019, S. 8.

25 Vgl. Döring, N., Bortz, J., Forschungsmethoden, 2016, S. 166.

26 Definition und Methodik sind dem „Conceptual Framework for Financial Reporting“ entlehnt, vgl. hierzu Coenenberg, A. G. et al., Jahresabschluss, 2018, S.62.

27 Ceteris paribus als Modellannahme, laut der alle anderen Bedingungen unverändert bleiben, hierzu vgl. Döring, N., Bortz, J., Forschungsmethoden, 2016, S. 54-55.

28 Vgl. Häder, M., Empirische Sozialforschung, 2019, S. 15; auch vgl. Helfrich, H., Wissenschaftstheorie, 2016, S. 67; auch vgl. Morgan, M. S., World in a Model, 2012, S. 278-279.

29 Vgl. Platt, M. L., Huettel, S. A., Risky business Neuroeconomics, 2008, S. 402.

Kapitel 2 – Grundlagen des Portfoliomanagements und der Entscheidungstheorie

Das nachfolgende Kapitel besitzt einführenden Charakter und soll finanzwirtschaftliche, sowie entscheidungstheoretische Grundlagen für das Verständnis der nachfolgenden Kapitel vermitteln.

Das Kapitel beginnt mit den Grundlagen des Portfoliomanagements und der Entscheidungstheorie, indem wichtige Zusammenhänge und Begrifflichkeiten definiert werden. In Unterkapitel drei werden die Rollen verschiedener Marktteilnehmer im Investmentprozess der Kapitalanlage beschrieben. Das vierte Unterkapitel beinhaltet eine ausführliche Gegenüberstellung wichtiger Schritte der klassischen und neoklassischen Kapitalmarktforschung, inklusive der Annahmen, Funktionsmechanismen und empirischen Validität. Diese Annahmen der klassischen Theorien wiederum dienen als Ansatzpunkt zur späteren Erweiterung durch die Neurofinance.

2.1 Einführung in Portfoliomanagement und Kapitalmarktforschung

Zunächst ist der Begriff Portfoliomanagement zu definieren, der sich aus den zwei Komponenten Portfolio und Management zusammensetzt. Das Wort Portfolio findet seinen Ursprung im französischen "portefeuille" und bedeutet Brieftasche. Konkret ist hiermit die gedankliche Zusammenfassung von Ressourcen, ursprünglich Wertpapieren, gemeint, um dadurch leichter eine optimale Kombination selbiger verfolgen zu können.30 Das Wort Management kann mit Führung oder Steuerung übersetzt werden, wobei in der Finanzwirtschaft das steuernde als das gestaltende Element ausschlaggebend ist.31 Somit kann Portfoliomanagement32 vereinfacht bezeichnet werden, als die systematische Selektion, Steuerung und Kontrolle verschiedener zu einem Portfolio zusammengefasster Wertpapiere.33