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Immer mehr Chinesen zieht es in den Ferien nach Europa. Christoph Rehage hat sich einer dieser Reisegruppen angeschlossen, um herauszufinden, was die Chinesen wirklich über uns und unsere Heimat denken. Der Vorteil: Er spricht fließend Mandarin und kann so die Erfahrungen der Gruppe intensiv miterleben. Auf dem Programm der vierzehntägigen Erkundungstour stehen kulturelle Pflichtstationen wie Schloss Neuschwanstein, Michelangelos David in Florenz und der Eiffelturm in Paris. Aber auch die heimlichen Lieblingsziele der Chinesen: Outlet-Center und Luxusboutiquen. In seinem klugen und zugleich amüsanten Buch erklärt Christoph Rehage nicht nur die Faszination von Schwarzwalduhren und deutschem Babymilchpulver, sondern ermöglicht interessante Einblicke in eine uns fremde Kultur.
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Veröffentlichungsjahr: 2016
Mehr über unsere Autoren und Bücher:www.piper.de
Diese Geschichte gründet sich auf Erinnerungen, Tagebucheinträge und Mitschriften. Vielleicht gibt es hier und da noch ein paar Unschärfen, und manche Gespräche und Ereignisse habe ich bewusst vertauscht, um alles insgesamt besser lesbar zu machen. Ach, und wegen der vielen Markennamen: Es ging leider nicht ohne sie, dafür waren sie uns Reisenden zu wichtig.
Für China
ISBN 978-3-492-97546-9Dezember 2016© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2016Redaktion: Matthias Teiting, DresdenKarten: Grazyna Ostrowska-Henschel, Illus – Icons – Infografiken, KölnCovergestaltung: Birgit Kohlhaas, kohlhaas-buchgestaltung.deCovermotiv: Schloss Neuschwanstein, Bus (iStock), Gruppe (privat), Kollosseum, Berge, schiefer Turm von Pisa,Eiffelturm, Frauenkirche, Rialto-Brücke (Fotolia)Datenkonvertierung: psb, BerlinAlle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.
»Ah!«, machte Tianjiao und atmete tief ein, »die frische Luft!«
Ich blickte mich um: Es war fünf Uhr morgens im Februar, wir standen vor dem Münchner Flughafen, inmitten von Taxis und Bussen, die alle ihre Motoren laufen ließen. Ich sah Abgaswölkchen, die sich über dem Beton in der Kälte auflösten. Die Luft war alles andere als frisch, aber Tianjiao strahlte. Sie kam ja auch aus Beijing.
Ein paar Wochen zuvor war ich in Chinas Hauptstadt geflogen, um eine Reisegruppe zu finden und mit ihr durch Europa zu fahren. Die Idee dazu war in München entstanden, an einem sonnigen Wintertag. Ich spazierte gerade über den Marienplatz, als ich hinter mir Stimmen hörte, die mir vertraut erschienen, ohne vertraut zu sein. Es waren chinesische Stimmen.
»Kleiner Wang, mach ein Foto von mir!«, rief eine Dame.
Ich drehte mich um und erblickte eine Reisegruppe von etwa zwei Dutzend Männern und Frauen mit ein paar Kindern. Sie waren dabei, sich für Schnappschüsse vor dem Rathaus aufzustellen, und riefen einander Kommandos zu: »Einen Schritt nach links! Nein, nicht DEIN Links, sondern MEIN Links!«
»Guck in die Kamera!«
»Lächeln!«
Versonnen blieb ich stehen und schaute zu. Die meisten von ihnen trugen Outdoor-Jacken und Rucksäcke. Ich sah schicke Sonnenbrillen, außerdem die neuesten Smartphones und Digitalkameras. Sie lachten viel, waren ziemlich laut und machten anscheinend gern mit den Fingern das V-Zeichen. Ich fand sie sehr sympathisch.
Und während ich dort stand, während ich ihnen zusah und die anderen Menschen an ihnen vorbeihasteten, ohne sie zu beachten, bemerkte ich zwei Dinge: zum einen, dass ich gern mehr über die Teilnehmer dieser Reisegruppe erfahren hätte. Wie gefiel ihnen München? Welche anderen Orte lagen noch auf ihrer Reiseroute? Was waren ihre Träume und Hoffnungen, woher kamen sie, was machten sie, und was ging in ihnen vor?
Zum anderen: Ich vermisste China.
Und plötzlich war da die Idee.
Ich lief zu meinem Verlag und fragte, ob sie sich vorstellen könnten, dass ich nach Beijing ginge, um mit einer Reisegruppe wiederzukommen.
»Sprich weiter«, sagten die Leute im Verlag, und ich sprach weiter.
Die Idee war, dass ich als normaler Tourist mit meiner Reisegruppe durch Europa fahren würde, um zu gucken, was passierte. Dank meiner Chinesischkenntnisse würde ich mich unerkannt in die Gruppe einschleichen können. Wir würden uns wie wild selbst fotografieren, das war schon mal klar. Wir würden uns durch die Maximilianstraße kaufen und durch die Champs-Élysées. Vielleicht würden wir beklaut werden oder unser Gepäck verlieren, und vielleicht, vielleicht würden auch noch ein paar von uns in den Puff gehen. »Wäre das nicht ein toller Stoff für ein Buch?«
»Hm…«, sagten die Leute im Verlag.
Als ich ein paar Wochen später tatsächlich in Beijing ankam, tat ich erst einmal gar nichts. Ich suchte mir ein Hotel in der Nähe des Viertels, in dem ich einige Jahre zuvor, während meines Studiums an der Filmakademie, gewohnt hatte. Das Hotel war speziell: Es bestand aus einem Geflecht von Fluren und Zimmern direkt über einem Elektromarkt, und wenn ich zum Fenster ging und den Vorhang beiseiteschob, blickte ich auf die Rückseite einer Reklametafel. Aber es war günstig – so günstig, dass viele Leute einfach nur kamen, um hier ein paar Stunden Zeit miteinander zu verbringen. Wenn ich nicht gerade auf dem Bett lag und ihnen beim Zeitverbringen zuhörte, spazierte ich durch die Stadt. Oder zumindest durch einen Teil davon. Beijing war früher schon gigantisch gewesen, und es schien sich mit jedem Tag noch zu vergrößern.
Leider erinnerte ich mich schnell daran, dass ich nicht die beste Zeit für meinen Besuch gewählt hatte: Jedes Jahr im Januar und Februar war die Luft in Beijing nicht nur besonders kalt, sondern auch noch besonders schlecht – ein bisschen wie in einem Kühlhaus mit einem Auspuff darin.
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