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New Work E-Book

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Beschreibung

Durch die Digitalisierung, die Pandemie, den Generationenwechsel und andere Faktoren vollzogen und vollziehen sich in der aktuellen Arbeitswelt grundlegende Veränderungen. Der Begriff "New Work" (eigentlich in der Arbeitswissenschaft in den 1980er Jahren entstanden u.a. als Sinnbild für mehr Selbstverwirklichung bei der Arbeit) kennzeichnet noch heute als Schlagwort sowohl den Wandel als auch die Gestaltung der neuen Arbeitswelt. Zentrale Fragestellungen sind dabei: Welche relevanten Trends und neuen Erfordernisse - "Future Skills" - gibt es und wird es geben? Wie können Unternehmen und andere Organisationen sinnvoll und möglichst erfolgreich den Wandel gestalten? Schließlich: Welche Implikationen hat New Work für die Gesellschaft - zum Beispiel für die sozialen Sicherungssysteme und die Arbeitsmärkte? Renommierte Manager, Berater und Forscher sowie die Politik nehmen in diesem neuen Band der Reihe Denkanstöße dazu Stellung. Relevante Fakten, Erfolgsfaktoren und Lösungsansätze werden aufgezeigt. Auch Mythen und falsche Narrative rund um New Work werden dargelegt.

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[2]Denkanstöße

herausgegeben von Rainer Völker

Peter Mudra/Matthias Sellinger/Rainer Völker (Hrsg.)

[3]New Work

Gestaltung der digitalen Arbeitswelt

Verlag W. Kohlhammer

[4]Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

1. Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-039105-5

E-Book-Formate:

pdf: ISBN 978-3-17-039106-2

epub: ISBN 978-3-17-039107-9

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

[5]Inhaltsverzeichnis

1

Zur Einstimmung auf das Bandthema

1.1

Einführung und Überblick

Peter Mudra/Matthias Sellinger/Rainer Völker

1.1.1

Veränderungen in der Arbeitswelt

1.2.1

New Work – Schlüsselbegriff für eine Neugestaltung der modernen und digitalen Arbeitswelt?

1.3.1

Ziele und Aufbau des Buches

Literatur

2

Veränderungen der Arbeitswelt

2.1

Flexible Arbeitszeiten modern und menschengerecht gestalten

Ulrike Hellert

2.1.1

Einleitung

2.1.2

Instrumente der Arbeitszeitgestaltung

2.1.3

Rechtliche Grundlagen

2.1.4

Dauer der Arbeitszeit

2.1.5

Flexible Verteilung der Arbeitszeit

2.1.6

Mobiler Arbeitsort

2.1.7

Zeitkompetenz

2.1.8

Konzepte und Gestaltungshinweise

2.1.9

Life-Kohärenz

2.1.10

Fazit

Literatur

2.2

Metaverse – Erste Gehversuche und Erfahrungen aus Unternehmenssicht

Interview mit Oliver Gutzeit

2.3

Warum KI die »New Work« erst möglich macht

Andreas Gillhuber

2.3.1

KI – die Basis für unsere neuen Arbeitswelten

2.3.2

Krise oder Chance? Die Zukunft der Arbeit in KI-Zeiten

2.3.3

GenAI: vom Hype-Thema zum Gamechanger auf dem Arbeitsmarkt?

2.3.4

Nicht nur im Büro flexibel und auf das Wesentliche fokussiert

2.3.5

KI und New Work – auch eine Frage der Ethik

2.3.6

Fazit: Wir brauchen keine Zirkuselefanten mehr, um über diese Brücke zu gehen!

2.4

New Work und Dekarbonisierung

Roschan Monsef

2.4.1

Nachhaltigkeit aus Unternehmenssicht

2.4.2

New Work als Chance?

2.4.3

Die Dekarbonisierung der Wirtschaft erfordert Veränderungsbereitschaft

2.4.4

Anpassungs- und Weiterentwicklungsbedarfe mit New-Work-Praktiken adressieren

Literatur

3

Auswirkungen auf Organisationen

3.1

Ist New Work wirklich »new«?

Interview mit Carlos M. Frischmuth

3.2

Homeoffice nach der Corona-Pandemie – was von der Homeoffice-Pflicht bleibt

Matthias Sellinger/Sophie Heß

3.2.1

Homeoffice während und nach der Corona-Pandemie

3.2.2

Gegentrends zur zunehmenden Verbreitung von Homeoffice

3.2.3

Hybride Arbeitsmodelle – das Beste aus »beiden Welten«

3.2.4

Ausgestaltung einer hybriden Arbeitsorganisation

3.2.5

Digitale Tools und Sicherheit

3.2.6

Strategieentwicklung

3.2.7

Die hybride Arbeitswelt individuell gestalten

Literatur

3.3

Individuelle Lösungsansätze und hybride Arbeitsorganisation

Interview mit Julia Klier

3.4

Die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen: Ursachen und Veränderungsansätze

Nora Vetter

3.4.1

Einleitung

3.4.2

Problembeschreibung – und potenzielle Hypothese für New Work

3.4.2.1

Ausgangssituation

3.4.2.2

Ursachenidentifikation

3.4.2.3

Veränderungsansätze der ökonomisch-betrieblichen Perspektive

3.4.2.4

Sozial-gesellschaftliche Perspektive und deren Veränderungsansätze

3.4.3

Fazit

Literatur

3.5

Transformation für die Arbeitswelt von morgen – New Work am Beispiel der ABB Deutschland

Interview mit Alexander Zumkeller

4

Personalmanagement und Führung

4.1

Future Skills – Anforderungen an eine dynamische Kompetenzentwicklung

Peter Mudra

4.1.1

Einleitung

4.1.2

Future Skills

4.1.3

Kompetenzentwicklung

4.1.4

Future of Learning: Wie werden wir morgen lernen?

4.1.5

Lernbegriff

4.1.6

Relevanz der Personalentwicklung

4.1.7

Fazit

Literatur

4.2

Mitarbeiterbindung im Kontext von New Work – Hintergründe, Trends und Instrumente

Jutta Rump/Silke Eilers

4.2.1

Einführung

4.2.2

Zentrale Erkenntnisse des HR-Reports 2023

4.2.2.1

Umgang mit Mitarbeiterbindung im Unternehmen

4.2.2.2

Kernfelder der Mitarbeiterbindung

4.2.2.3

Unternehmenskultur und Führung

4.2.2.4

Personalentwicklung, Lernen und Karriereperspektiven

4.2.2.5

Arbeitsorganisation und Arbeitsumgebung

4.2.2.6

Compensation & Benefits

4.2.2.7

Weitere Aspekte

4.2.3

Fazit

Literatur

4.3

Führung im digitalen Zeitalter

Simon Drescher/Sebastian König

4.3.1

Einführung und Überblick

4.3.2

Fünf Thesen zur digitalen Führung in Organisationen

4.3.3

Digitale Führung in der Praxis: Sieben Orientierungsaspekte digitaler Führung

4.3.4

Fazit

Literatur

4.4

Flexible Formen internationalen Arbeitens – internationales Personalmanagement in Zeiten gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und geopolitischer Veränderungen

Julia Hormuth

4.4.1

Einleitung

4.4.2

Entwicklungen und Trends des internationalen Personalmanagements

4.4.2.1

Virtuelle Mobilität – die Mobilitätsform der Zukunft?

4.4.2.2

Employee-Experience, Work-Life-Balance, Wohlbefinden der Mitarbeiter

4.4.2.3

People Analytics im internationalen Personalmanagement

4.4.2.4

Nachhaltiges internationales Personalmanagement

4.4.2.5

Internationale Rekrutierung – der Wettbewerb um internationale Talente

4.4.3

Flexible Formen globaler Mobilität als Alternative zur Langzeitentsendung

4.4.3.1

Kurzzeitentsendung

4.4.3.2

Internationales Pendeln

4.4.3.3

Internationale Geschäftsreisen

4.4.3.4

Virtuelle Auslandsentsendung

4.4.4

Zunehmende Bedeutung selbstinitiierter und selbstbestimmter Mobilität

4.4.4.1

Selbstinitiierter Auslandseinsatz

4.4.4.2

Globales ›Work-from-Anywhere‹

4.4.5

Fazit und Ausblick

Literatur

4.5

New Work als Schlüssel zur Ambidextrie – mit transparenter Kommunikation, Diversität und innovativem Führungsverständnis zur Beidhändigkeit

Tim Schirmer

4.5.1

Einführung: Ambidextrie als Schlüsselkompetenz für innovative Unternehmen

4.5.1.1

Ambidextrie – das bedeutet Beidhändigkeit im Unternehmen

4.5.1.2

Ambidextrie ist mehrdimensional

4.5.2

Die Bedeutung von Ambidextrie im Zeitalter von New Work: Ein zeitgemäßes Zukunftsthema

4.5.2.1

So greifen New Work und Ambidextrie ineinander

4.5.2.2

Organisatorische Ansätze

4.5.3

Leadership und Organisationskultur: So lässt sich Ambidextrie umsetzen

4.5.3.1

Die Rolle von Führungskräften

4.5.3.2

Integration von Ambidextrie: Praktische Ansätze aus der organisationalen Ambidextrie für New Work

4.5.4

Zusammenfassung: Ambidextrie als Schlüsselkompetenz für Unternehmen

4.5.4.1

Die Vorteile für Unternehmen

4.5.4.2

Die Auswirkungen auf Mitarbeitende

4.5.5

Fazit: Ambidextrie und New Work gehören zusammen

Literatur

5

New Work und Gesellschaft

5.1

Transformation der Arbeitswelt und Auswirkungen auf die Gesellschaft

Interview mit Alexander Schweitzer

5.1.1

Veränderungen der Arbeitswelt und Treiber von New Work

5.1.2

New Work und Politik

5.1.3

New Work und Erwerbstätige

5.1.4

New Work und Gesellschaft

5.2

New Work und Generationen-Management – eine symbiotische Beziehung?!

Martin Klaffke

5.2.1

Einleitung

5.2.2

Zusammenarbeit im Generationen-Mix

5.2.2.1

Erklärungsansätze für Altersdiversität

5.2.2.2

Generationen in der deutschen Arbeitswelt

5.2.2.3

New Work und Zusammenarbeit im Generationen-Mix

5.2.3

Handlungsfelder im Generationen-Management

5.2.4

Fazit

Literatur

5.3

Megatrends des Arbeitsmarktes: einige sozialpolitische Implikationen

Hans-Peter Klös

5.3.1

Strukturwandel des Arbeitsmarktes: ein Trend kommt selten allein

5.3.2

Arbeitsmarkt und Sozialpolitik: kommunizierende Röhren

5.3.3

Strukturwandel: eine betriebliche und legislative Gestaltungsaufgabe

5.3.4

Arbeitszeiten, Arbeitsorte, Arbeitsformen: einige Handlungsansätze

5.3.5

Ausblick: »New Work« und Sozialpolitik

Literatur

5.4

Gefühlte Beweislast von Homeoffice- Mitarbeitenden

Meika Schuster/Gisela Gerlach

5.4.1

Homeoffice – Vorteile und Schattenseiten

5.4.2

Gefühlte Beweislast im Homeoffice: Ursachen und Auswirkungen

Literatur

5.5

Wo bleibt der Mensch in der digitalen (Arbeits-)Welt? Work-Life-Health-Balance als zukunftsorientiertes Handlungsmodell

Frauke Kempner

6

Epilog

Peter Mudra/Matthias Sellinger/Rainer Völker

6.1

Begriff…

6.2

…und Bedeutung

Literatur

1Zur Einstimmung auf das Bandthema

[11]

[13]1.1Einführung und Überblick

Peter Mudra/Matthias Sellinger/Rainer Völker

1.1.1Veränderungen in der Arbeitswelt

Die Arbeitswelt befindet sich seit der ersten Industriellen Revolution in einem ständigen Wandel, womit immer auch signifikante Umbrüche in der Produktion einhergingen. Ausgangspunkte waren durchgängig die durch neue Technologien getriebenen Entwicklungen mit ihren direkten Auswirkungen auf die menschlichen Tätigkeiten im Rahmen der Produktion.

An die herausragenden Wegmarken von der ersten Industriellen Revolution mit der Entstehung von Fabrikarbeit über die zweite Stufe mit der Prägung durch die arbeitsteilige Massenproduktion bis hin zu der die dritte Stufe ausmachenden IT-bezogenen Produktionssteuerung schließt sich, so Neuburger (2019, S. 590), die vierte Industrielle Revolution an. In Verbindung mit dem Einsatz von cyber-physischen Systemen und dem Internet der Dinge wurde diese Etappe bereits vor einiger Zeit mit dem Merkmal der produktionsbezogenen Vernetzung und Flexibilität eingeläutet. Wie groß die Dynamik in diesem Zusammenhang ist, lässt sich an dem aktuellen Hype hinsichtlich des Einsatzes von künstlicher Intelligenz erkennen, die eine weit über die Arbeitswelt hinausgehende Relevanz mit sich bringt und einen Quantensprung im Kontext der Digitalisierung und den damit verbundenen vielfältigen Transformationsprozessen in sich tragen dürfte. Es zeichnet sich aktuell sehr deutlich ab, dass wir schon bald im Kontext der begonnenen Klimakrise die für Unternehmen und Gesellschaften erforderlichen Veränderungen im Sinne einer notwendigen, mit Dekarbonisierungsstrategien einhergehenden Klimatransformation als fünfte Industrielle Revolution bezeichnen werden.

Unternehmen sehen sich aktuell jenseits der technologischen Transformation mit weiteren Veränderungen und Herausforderungen konfrontiert. Diese verbinden sich mit Themen wie Globalisierung unter Berücksichtigung neuerer geostrategischer Implikationen sowie Gefahren der Lieferketteneinschränkungen und ausufernden Kostensteigerungen für den Bezug von Waren und Dienstleistungen. Von [14]besonderer Bedeutung ist einerseits auch der demografische Wandel und die damit einhergehende Verknappung von Fachkräften sowie andererseits die starke Maßgeblichkeit der Wertehaltungen der in den Beruf kommenden Alterskohorten, die üblicherweise in abgrenzbaren Generationen geclustert werden. Zudem sind Unternehmen gefordert, geeignete Maßnahmen und Strategien zu entwickeln, um sich in einem verschärfenden Wettbewerbsumfeld behaupten zu können. Vor allem jene durch die Digitalisierung und die damit einhergehende digitale Transformation hervorgerufenen Veränderungen haben dabei weitreichende Auswirkungen, welche die wirtschaftliche und gesellschaftliche, aber auch die politische Ebene betreffen. Bezogen auf die Arbeitswelt entstehen neue Formen der Zusammenarbeit. Parallel dazu werden Organisationsstrukturen, Unternehmenskulturen, Wertschöpfungsprozesse, Branchen und Märkte durch die gegebenen Entwicklungen im Kontext von Informationstechnologien, künstlicher Intelligenz, digitalen Geschäftsmodellen und neuen Medien einem sehr dynamischen Wandlungsprozess unterzogen.

Die vielfältigen Aspekte und Handlungsfelder der auf die Arbeitswelt bezogenen Veränderungen lassen sich funktional als Treiber begreifen. Darstellung 1-1 verdeutlicht die zentralen Treiber und deren differenzierte Wirkungsadressaten.

Dar. 1-1:Treiber der Veränderungen in der Arbeitswelt [zurück]

1.2.1New Work – Schlüsselbegriff für eine Neugestaltung der modernen und digitalen Arbeitswelt?

Im Bereich der Arbeitswelt besteht ein weitgehender Konsens darüber, dass es mit Blick auf die großen Herausforderungen der Neugestaltung hin zu einer modernen und digitalen Arbeitswelt bedarf. Hierbei ist eine Begegnung mit »New Work« als [15]Schlüsselbegriff fast zwangsläufig. Da sich mit dem Begriff »New Work« so vieles – und durchaus unterschiedliches – verbindet, erscheint es sinnvoll, sich des Themas, welches von manchen bereits als Mythos angesehen wird, intensiver anzunehmen. Es gilt dabei neben der Begriffsperspektive insbesondere auch die Konzeptperspektive aufzunehmen und relevante Ausgangspunkte zu betrachten. Als weitere wichtige Ausrichtung ist auch die Befassung mit der Steakholder-Perspektive anzusehen. Denn es erscheint durchaus spannend und bedeutsam, die Blickwinkel von Arbeitsmarkt-, Management- und Zukunftsforschern ebenso wie jene von Unternehmensvertretern, Politikern und auch Meinungsbildnern im Internet aufzunehmen, um hieraus möglichst spannende Denkanstöße zu geben.

Wer New Work sagt, meint vielleicht auch »New Leadership« sowie »New Learning« – oder auch nicht? Es sollen insofern auch die Verbindungslinien zu aktuell diskutierten Konzeptansätzen der Mitarbeiterführung und des Lernens in den Blick genommen werden. Damit könnte das Buch helfen, die Frage zu beantworten, welche Relevanz eine Ausrichtung auf einen New-Work-Ansatz (oder mehrere) für den Arbeitsmarkt und die Unternehmen in Deutschland haben kann. Und: Wo liegen Chancen und wo Grenzen?

Die Begriffsperspektive

Dass der Begriff »New Work« zu einer fast schon inflationär erscheinenden Verwendung gefunden hat, war ihm vermutlich nicht in die Wiege gelegt. Die Suchmaschinenrecherche im Internet weist mehr als 20 Milliarden Treffer aus, womit »New Work« zu einem der am häufigsten verwendeten Begriffe im Internet zählt. In Erscheinung getreten ist der Begriff erstmals in relevanter Form Anfang der 1980er Jahre, als der österreichisch-amerikanische Sozialphilosoph Frithjof Bergmann im Rahmen seiner Arbeit mit Arbeitslosen in der amerikanischen Automobilindustrie nach Modifizierungsmöglichkeiten für die menschliche Arbeit suchte, die sich vom seitherigen Verständnis bewusst im Sinne einer »Neuen Arbeit« abgrenzen sollten. Mit seinem »Center of New Work« in der US-Kleinstadt Flint setzte Bergmann einen neuen Akzent im Bereich der unternehmensbezogenen Arbeitsgegebenheiten, der mit der konkreten Vermeidung von drohenden Massenentlassungen im dortigen Werk von General Motors erfolgreich einherging (Borchers 2021).

Obgleich der Zusammenhang zwischen einer begrifflichen und konzeptionellen Betrachtung von New Work – nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht – als unabdingbar anzusehen ist, kann festgestellt werden, dass die Verwendung von »New Work« recht häufig als zunächst eher losgelöstes begriffliches Konstrukt zum Tragen kommt (man könnte fast sagen: Konjunktur hat), das eine gewisse Modernität und Zukunftsgerichtetheit sichtbar machen soll. Deutungen, die sich darin erschöpfen, Begriffe wie New Work im Kontext eines »Hype« zu akzentuieren, ohne die erforderliche und erwartbare Substanz einbringen zu können oder zu sollen, erscheinen für strategische Diskurse letztlich wenig hilfreich. Daher soll die logische Verbindungslinie zwischen Begrifflichkeit und Konzeptualisierungen von New Work nachfolgend aufgenommen werden.

[16]Konzeptperspektive

Ausgehend von einer quasi begrifflichen Urheberschaft durch Frithjof Bergmann ist es sinnvoll, sich die konzeptionellen Aspekte seines New-Work-Begriffes zu betrachten. Bergmann hat die These, Arbeit sei viel mehr als nur eine beliebige Erwerbstätigkeit, ins Zentrum seines New-Work-Ansatzes gestellt und im Kern eine sozialutopische Alternative zur Lohnarbeit konzipiert. Denn im Rahmen einer Neuausrichtung von industrieller Arbeit sollte diese je zu einem Drittel dem Broterwerb, der Selbstversorgung und drittens dazu dienen, das zu tun, was den Arbeitenden selbst wichtig sei. Neue Technologien und effizientere Arbeitsweisen seien dafür zu nutzen, dass Arbeit keine Bürde mehr, sondern Mittel zur Selbstverwirklichung sei. Als zentrale Werte von New Work wurden Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft angesehen (Bergmann 2004, S. 6ff.). Bergmanns Sozialutopie, die als Gegenmodell zur kapitalistischen Logik des Shareholder Value einzuordnen ist, fand allerdings kaum Platz in der Lebenswirklichkeit der Arbeitswelt. Dennoch war der Grundimpuls von Frithjof Bergmanns New-Work-Ansatz, die Frage der zukunftsgerechten Ausgestaltung der Arbeit unter Berücksichtigung der großen technologischen und arbeitsorganisationalen Herausforderungen, in der Welt – und seit diesem Zeitpunkt nicht mehr weg zu bekommen.

Zahlreiche Initiativen, die Zukunft der Arbeit in einer Arena der Deutungen und Aushandlungen über New Work anzusiedeln, lassen sich seit der Begriffseinführung und im Anschluss an Bergmann erkennen. Manche scheinen bei New Work eher auf den Buzzword-Effekt abzustellen, andere kreieren Ordnungsstrukturen, die dabei helfen, Diskursen in den Unternehmen greifbare Grundlagen bereitzustellen, wie zum Beispiel die 2019 auf den Weg gebrachte »Charta für New Work«, die fünf unternehmensbezogene Prinzipien ausweist (► Dar. 1-2).

Aus Sicht der Herausgeber ergeben sich über die Befassung mit der Zukunftsperspektive der Erwerbsarbeit vielfältige Anknüpfungspunkte für strategische Diskurse. Denn New Work lässt sich über drei Ebenen substanziell abbilden und verstehen: Mensch, Organisation und Gesellschaft. Und damit lässt sich der Blick insbesondere auch auf die Stakeholder richten.

Stakeholder-Perspektive

Betrachtet man die umfassenden und tiefgehenden Aspekte, die sich mit New Work verbinden lassen, wird klar, dass die Einbindung einer Vielzahl von Anspruchsgruppen für die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses sowie zielgerichteter und erfolgversprechender Handlungen von großer Bedeutung sein dürfte. Waren die Aushandlungen von Arbeitsbedingungen immer schon das traditionelle Handlungsfeld der Arbeitgeber und Gewerkschaften sowie der betrieblichen Sozialpartner, so machen die Dimension der gegebenen Herausforderungen für die Arbeitswelt und der dringende Bedarf an potenziellen Transformationskonzepten schnell deutlich, dass in die – durchaus von unterschiedlichen Interessen geprägte – Arena weitere Stakeholder aufgenommen werden sollten. Zu nennen wären vor allem die Wissenschaft und die Politik. Denn die Beiträge, die von verschiedenen

Dar. 1-2:Die fünf Prinzipien von New-Work-Unternehmen (Quelle: Markus Väth, humanfy, https://www.managerseminare.de/Themen/New-Work) [zurück]

Stakeholdern mit ihren jeweiligen Perspektiven und Positionen eingebracht werden, könnten in einem idealerweise partizipativ ausgerichteten Prozess ein breit getragenes Verständnis für den folgenden Frageansatz entwickeln helfen: Wie kann, wie soll, wie darf sich die Arbeitswelt entwickeln? Dies setzt naturgemäß auch an der Beschreibung von aktuellen Innovationsprojekten und -themen in der Praxis an, die in diesem Buch vorgestellt werden. Grundsätzlich gilt für die Gestaltung von New Work ganz im Sinne von Frithjof Bergmann: Utopien sind erlaubt!

1.3.1Ziele und Aufbau des Buches

Nicht zuletzt aufgrund der begrifflichen Unschärfe bzw. der begrifflichen Verwendungsvielfalt, versucht dieses Buch, die Bandbreite des Verständnisses von New Work zu beleuchten und darzulegen. Wir haben dazu Autoren gefunden, die sich in den letzten Jahren sehr intensiv aus unterschiedlichen Perspektiven mit dem Thema New Work und angrenzenden Bereichen auseinandergesetzt haben.

Gemäß der in Kapitel 1.1 und 1.2 genannten Zusammenhänge haben wir folgenden Aufbau des Buches gewählt: In Kapitel 2 wird zunächst über zentrale Treiber der neuen Arbeitswelt berichtet. Im Mittelpunkt steht dabei eindeutig das Thema Digitalisierung, weil wohl erst die verschiedenen Facetten der Digitalisierung viele New-Work-Ansätze ermöglicht haben. In Kapitel 3 beleuchten wir die Auswirkun[18]gen von New-Work-Konzepten und Errungenschaften mit Blick auf die Mitarbeiter von Organisationen. Kapitel 4 stellt die Perspektive der Organisation in den Mittelpunkt – Führung, Organisationsstrukturen, Prozesse, Unternehmenskultur u. a. werden dabei beleuchtet. In Kapitel 5 schließlich werden Auswirkungen der New-Work-Welt aus gesellschaftlicher Perspektive dargelegt.

In keinem der Kapitel kann eine erschöpfende Behandlung aller jeweiligen Facetten und Denkmuster, die mit New Work in Verbindung stehen, berücksichtigt werden. Allein schon durch die vielfältigen Deutungsinhalte, die man mit New Work in Verbindung bringen kann, erscheint dies nicht möglich. Wir hoffen aber nicht zuletzt durch die Zusammenarbeit mit Autoren, die die entsprechende Fachdiskussionen in Deutschland nicht nur intensiv begleitet, sondern zum Teil maßgeblich mitgeprägt haben, einen repräsentativen Überblick über die Thematik zu geben. Im letzten Kapitel 6 versuchen wir, ein kurzes Fazit zu ziehen.

Zu den Autoren

Dr. Peter Mudra ist Professor für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Personalmanagement und Personalentwicklung an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen und leitet dort den Studiengang MBA Human Resources Management. Seine Forschungsinteressen sind vor allem auf die Themenbereiche der Personalentwicklungsinnovationen und Zukunftsansätze des Lernens bezogen. Von 2010 bis 2022 war er Präsident der Hochschule in Ludwigshafen.

Matthias Sellinger (M. A.) ist Projektleiter am Institut für Management und Innovation der Hochschule Ludwigshafen und Doktorand an der RPTU Kaiserslautern-Landau. Er verantwortet u. a. angewandte Forschungs- und Transferprojekte in den Bereichen Neuproduktentwicklung, hybride Arbeitsorganisation, Innovationsmanagement und Projektcontrolling.

Prof. Dr. Rainer Völker ist Leiter des Instituts für Management und Innovation der Hochschule Ludwigshafen am Rhein und Dozent an der Universität St. Gallen. Vor seiner Tätigkeit an der Hochschule war er als Consultant und später in verschiedenen Führungsfunktionen in der Industrie tätig. Er fungiert außerdem als Berater sowie Mitglied in Aufsichts- und Beiräten verschiedener Unternehmen. Seine Forschungsschwerpunkte sind Innovationsmanagement und Nachhaltigkeitsmanagement.

Literatur

Neuburger, R. (2019): Der Wandel der Arbeitswelt in einer Industrie 4.0. In: Obermaier, R. (Hrsg.): Handbuch Industrie 4.0 und Digitale Transformation. Betriebswirtschaftliche, technische und rechtliche Herausforderungen. Springer Fachmedien Wiesbaden, S. 589-608

Borchers, D. (2021): Arbeit, die man wirklich will – zum Tode von Frithjof Bergmann. https://www.heise.de/news/Arbeit-die-man-wirklich-will-zum-Tode-von-Frithjof-Bergmann-6052840.html (zuletzt abgerufen am 14.09.2023)

Bergmann, F. (2004): Neue Arbeit, neue Kultur: Ein Manifest. Arbor-Verlag Freiamt

[19]2Veränderungen der Arbeitswelt

[21]

2.1Flexible Arbeitszeiten modern und menschengerecht gestalten

Ulrike Hellert

2.1.1Einleitung

2.1.2Instrumente der Arbeitszeitgestaltung

2.1.3Rechtliche Grundlagen

2.1.4Dauer der Arbeitszeit

2.1.5Flexible Verteilung der Arbeitszeit

2.1.8Konzepte und Gestaltungshinweise

2.1.9Life-Kohärenz

2.1.10Fazit

Literatur

2.1.1Einleitung

Flexible Arbeitszeiten sind eine wichtige Schlüsselressource und fester Bestandteil in der modernen Arbeitswelt. Diese ist durch zahlreiche Veränderungen und neue Technologien gekennzeichnet, die sich zunehmend komplexer, dynamischer und volatiler darstellen. Organisationen begegnen diesen Trends vor allem durch New-Work-Maßnahmen, wie beispielsweise dem Homeoffice-Arbeitsplatz oder der Vertrauensarbeitszeit. Zahlreiche dieser Trends beschleunigen Aspekte der Zeitkompetenz sowie der Selbstführung, die dann nachhaltig funktionieren können, wenn die Arbeitszeitgestaltung sowohl auf betrieblichen und rechtlichen Rahmenbedingungen als auch auf individuellen Bedürfnissen der Beschäftigten basiert. Heraus[22]forderungen sind auch eine Chance, denn sie können ein Bewusstsein für notwendige Schritte schaffen.

Ziel dieses Beitrages ist es, Möglichkeiten einer flexiblen und menschengerechten Arbeitszeitgestaltung unter den aktuellen Herausforderungen der digitalen und virtuellen New Work darzustellen. Es werden rechtliche Grundlagen, Konzepte und Gestaltungshinweise für die moderne Arbeitszeitgestaltung dargestellt. Dabei wird insbesondere auf die Arbeit im Homeoffice eingegangen. Ferner wird Zeitkompetenz als wichtige Ressource im proaktiven Umgang mit der Arbeitszeitgestaltung erörtert.

2.1.2Instrumente der Arbeitszeitgestaltung

Flexible Arbeitszeiten bieten gute Möglichkeiten, sowohl betrieblichen Belangen als auch den Bedürfnissen der Beschäftigten gerecht zu werden (Hellert 2022). Arbeitszeitmodelle unterscheiden sich dabei durch das Maß an individuellem Handlungs-, Orts- und Zeitspielraum. Aufgrund der Organisationsstrukturen, Produktionsabläufe, betrieblichen Erfolgsfaktoren und Mitarbeiterinteressen ergeben sich vielfältige Varianten der Arbeitszeit. Basierend auf rechtlichen Grundlagen setzen sich Arbeitszeiten aus vier Instrumenten zusammen (Hellert 2018):

Dauer der Arbeitszeit

Lage und Verteilung der Arbeitszeit

Ort der Arbeit

Verwaltung der Arbeitszeit

Der Gesetzgeber gibt für die Gestaltung der Arbeitszeiten die grundlegenden Regelungen vor. Daneben sind flankierende Maßnahmen zu vereinbaren, die vor allem die Gesundheit schützen, sowie Privat- und Berufsleben möglichst optimal synchronisieren. Die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit wird zwischen Arbeitgeber und -nehmer vereinbart. Es wird so ein jeweiliges Stundenvolumen festgelegt, in dem die vereinbarte Arbeitsleistung erbracht werden soll. Teilzeit kann kombiniert werden mit den Möglichkeiten der Verteilung, z. B. über eine vereinbarte Vertrauensarbeitszeit. Die modernen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten begünstigen die Nutzung von mobilen Endgeräten an unterschiedlichen Arbeitsorten z. B. im Homeoffice. Schließlich werden die geleisteten Arbeitsstunden dokumentiert und können auch über eine längere Zeit im Rahmen von Arbeitszeitkonten verwaltet werden.

Die zunehmend flexible und selbstbestimmte individuelle Organisation der Arbeitszeiten benötigt verlässliche Regelungen und funktionierende Vereinbarungen (Hellert 2022). Die zur Verfügung stehenden Spielräume in der virtuellen Arbeitswelt stellen dabei insbesondere neue Anforderungen an die Selbstführungskompetenzen der Mitarbeitenden und an eine vertrauensvolle und wertschätzende Führung (Mander et al. 2021a). Daneben bedarf es der individuellen [23]und organisationalen Zeitkompetenz, damit die Zeitverteilung bewusst und präventiv gesteuert wird.

2.1.3Rechtliche Grundlagen

Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) von 1994 ist ein Arbeitsschutzgesetz, das der Gesundheit der Beschäftigten dient und vor Überforderung oder zu kurzer Erholungszeit schützen soll. Vom Gesetzgeber werden Handlungsspielräume für die betriebliche Flexibilisierung der Arbeitszeiten aufgezeigt, die den individuellen Bedürfnissen und Situationen in Unternehmen gerecht werden sollen (Baeck und Deutsch 2004). Insbesondere darf die werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden nicht überschritten werden. Ausnahmsweise kann die Arbeitszeit maximal zehn Stunden mit einer Ausgleichsphase betragen (§ 3 ArbZG). Ferner sind Ruhepausen und -zeiten (§§ 4, 5 ArbZG) zu gewähren. Arbeitgeber sind verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit der Beschäftigten aufzuzeichnen (§ 16, Abs. 2 ArbZG). Eine transparente Arbeitszeitdokumentation trägt dazu bei, präventiv die Gesundheit der Beschäftigten wirksam zu schützen und Überlast zu vermeiden (Anzinger und Koberski 2009).

2.1.4Dauer der Arbeitszeit

Die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit ist eine wichtige Stellgröße für die Flexibilität der Unternehmen. Bei starker Nachfrage kann die wöchentliche Arbeitszeit im Rahmen der zulässigen Höchstarbeitszeit verlängert werden, in Krisenzeiten entsprechend reduziert. Viele Beschäftigte wählen aus unterschiedlichen Gründen eine Variante der Teilzeit. Die Teilzeitarbeit, also die reduzierte Stundenzahl im Vergleich zur Regelarbeitszeit, hat grundsätzlich in den vergangenen Jahren zugenommen. Der Ruf nach einer »4-Tage-Woche« wird aus diversen Gründen zunehmend lauter. In Deutschland bieten bereits einige Unternehmen vor allem aus der Softwarebranche ihren Beschäftigten eine 4-Tage-Woche an. Die Beschäftigten sind bei geringerer Arbeitszeit motiviert und die Geschäftsführung ist über die Effizienz der Arbeitsleistung zufrieden. Neu sind diese Überlegungen dabei nicht, denn bereits 1930 hat sich der Ökonom Sir John Maynard Keynes mit der Vision einer »Drei-Stunden-Schicht« oder der »Fünfzehn-Stundenwoche« beschäftigt. Keynes sah darin eine Möglichkeit, die wenig gewordene Arbeit einigermaßen gut auf die Beschäftigten zu verteilen (Lenk 1997).

Präventiv und gesundheitsbezogen sind lange Arbeitszeiten und Überstunden zu vermeiden, jedoch stellt sich dies in einer akuten Krisensituation teils ambivalent dar. Wenn reduzierte Wochenarbeitszeiten unfreiwillig erfolgen und durch ungünstige Rahmenbedingungen wie die Sorge um den Arbeitsplatz oder die Gesundheit verstärkt werden, kann durch den Verlust an Kontrolle und Orientierung das [24]psychische Wohlbefinden nachhaltig beeinträchtigt sein (Grawe 1994). Beschäftigte, die in Krisenzeiten enorme Arbeitsleistungen erbringen, Überstunden leisten und damit die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft sichern, weisen oft auf den gravierenden Personalbedarf in speziellen Bereichen hin. Hier sind Verantwortliche gefordert, alles zu tun, damit die hohen Beanspruchungen bei den betreffenden Beschäftigten abgebaut werden.

2.1.5Flexible Verteilung der Arbeitszeit

Funktionszeit

Zu den inzwischen weit verbreiteten hochflexiblen Arbeitszeitvarianten zählen die Funktionszeit und die Vertrauensarbeitszeit. Die Funktionszeit regelt, dass in den jeweiligen Bereichen innerhalb eines vereinbarten Zeitrahmens die Funktionsfähigkeit sichergestellt ist. Dies betrifft die Erledigung von Aufgaben oder die Ansprechbarkeit für interne und externe Kundinnen und Kunden. Die Arbeitsteams sprechen sich ab und verteilen die Arbeitszeiten eigenverantwortlich. Merkmale der Funktionszeit sind insbesondere (Hellert 2018):

Ergebnisorientierung

Flexible Arbeitszeitlage

Selbstbestimmtes Arbeiten

Hohe Zielorientierung

Kommunikationsregeln

Verlässliche Absprachen

Elektronische Zeiterfassung

Führungskräfte orientieren sich bei Funktionsarbeitszeiten auf die qualitative Personaleinsatzplanung und besprechen, welche Aufgaben in der zur Verfügung stehenden Zeit basierend auf den geltenden rechtlichen Grundlagen und ggf. der Betriebsvereinbarung erledigt werden können (Hellert 2018).

Vertrauensarbeitszeit

Von der Funktionszeit führt ein kleiner entscheidender Schritt zur Vertrauensarbeitszeit. Bei Vertrauensarbeitszeit steht wie bei der Funktionszeit die eigenverantwortliche Lage und Verteilung der Arbeitszeit im Fokus. Die Beschäftigten können entsprechend der betrieblichen Aufgaben und vereinbarten Ziele Beginn, Ende und Pausen selbstbestimmt wählen. Die jeweiligen betrieblichen Notwendigkeiten reglementieren und limitieren die zeitliche Flexibilität. Vertrauensarbeitszeit erweitert den individuellen Zeitspielraum und kann auf den Regeln der Funktionszeit aufbauen. Der zusätzliche Zeitspielraum fördert und fordert den flexiblen Umgang mit der zur Verfügung stehenden Arbeitszeit. Für die Mitarbei[25]tenden sind daher Strategien zur Selbstorganisation und -führung besonders wichtig. Die Arbeitszeit-Dokumentation muss nachvollziehbar sein und ist von den jeweiligen Vorgesetzten zumindest stichpunktartig zu kontrollieren (vgl. § 16, Abs. 2 ArbZG).

Der Begriff der Vertrauensarbeitszeit basiert auf Vertrauen zwischen Beschäftigten und Vorgesetzten in die dokumentierten Arbeitszeiten und die Wertschätzung der zielorientierten Aufgabenerledigung (Hollmann et al. 2005). Das gegenseitige Vertrauen im Unternehmen und eine entsprechende Unternehmenskultur sind notwendige Voraussetzungen für eine gelingende Vertrauensarbeitszeit (Brenscheidt 2016). Nach Luhmann (2014) ist Vertrauen ein sozialer Mechanismus, um Komplexität zu reduzieren. Der Arbeitsalltag ist ohne Vertrauen nicht denkbar. Viele Zusammenhänge oder Details lassen sich nicht ständig kontrollieren und werden vertrauensvoll mangels Überprüfbarkeit akzeptiert. Ein hohes Maß an Vertrauen ist ursächlich für eine gewisse Risikobereitschaft, was wiederum eine Komplexitätsreduktion ermöglicht und Kontrollverlust oder -verzicht impliziert. Für eine immer komplexere und dynamischere Arbeitswelt ist Vertrauen somit eine zentrale Voraussetzung für erfolgreiche Arbeitsabläufe.

Vertrauensarbeitszeit zeichnet sich vor allem durch folgende Faktoren aus:

Einhaltung rechtlicher Grundlagen

Eigenverantwortliche und selbstbestimmte Verteilung der Arbeitszeit

Partizipative Zielvereinbarung und kontinuierliches Prozess-Feedback

Klare Regelung zur Erreichbarkeit und Nicht-Erreichbarkeit

Absprachen mit Schutz vor Überlast

Wertschätzende Kommunikation

Faire Vereinbarungen zur Vertrauensarbeitszeit fördern in einer komplexen Arbeitswelt die Handlungskompetenz von Beschäftigten und stärken somit die Vertrauenskultur im Unternehmen (Hellert et al. 2013).

2.1.6Mobiler Arbeitsort

Neben der Flexibilisierung der Arbeitszeit zählt die Nutzung von unterschiedlichen Formen der mobilen Arbeit in vielen Bereichen zum betrieblichen Alltag. Die virtuelle Kommunikation mit modernen Technologien ermöglicht in bestimmten Bereichen das Arbeiten auch außerhalb der betrieblichen Arbeitsstätte wie z. B. im Homeoffice. Homeoffice als eine Form des mobilen Arbeitens ermöglicht es Beschäftigten, nach vorheriger Absprache mit dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin auch zeitweise im Privatbereich Arbeitsaufgaben zu erledigen. Es können für das Homeoffice beispielsweise feste Wochentage oder eine Anzahl frei disponierbarer Arbeitstage pro Monat vereinbart werden.

Homeoffice liegt voll im Trend und bietet zahlreiche Vorteile für Betriebe und Beschäftigte: Kosten- und Zeitersparnis durch weniger Pendelfahrten, Flexibilität in [26]der Aufgabenerledigung, gute Vereinbarkeit von Privat- und Arbeitsleben oder höhere Produktivität. Andererseits sprechen auch Gründe gegen Homeoffice: Mangelnde technische und räumliche Ausstattung, fehlendes Zeitmanagement, ungewollte Verschmelzung von Beruf und Familie (Monz 2018), Nachteile in der Kommunikation durch fehlende Präsenz oder mangelnde Kompetenz (Backhaus et al. 2020). Empfehlungen für Homeoffice-Lösungen sind daher stets im Kontext der individuellen Bedürfnisse und Rahmenbedingungen sowie der betrieblichen Möglichkeiten einzuordnen. Grundsätzlich zählen folgende Kriterien zu einer sinnvollen und menschengerechten Gestaltung eines Homeoffice Arbeitsplatzes (BAuA 2020):

Ergonomische Arbeitsplatzausstattung in einem geeigneten Arbeitszimmer (IT, PC, Notebook, Schreibtisch und Schreibtischstuhl, Headset, Beleuchtung)

Datenschutz

Partizipative, realistische Zielvereinbarungen

Kommunikationsregeln

Erreichbarkeit inkl. Nicht-Erreichbarkeit

Zeitkompetenz (Zeitstrategien, Pausen, Selbstfürsorge)

Life-Kohärenz

Vertrauens- und Präventionskultur

2.1.7Zeitkompetenz

Die Arbeitszeit hat sich von einer Anwesenheits- zur Ergebnisorientierung verändert und schafft damit entsprechende Zeit- und Handlungsspielräume in Unternehmen. Dies wiederum verlangt nach neuen Gestaltungskompetenzen im Umgang mit der zur Verfügung stehenden (Arbeits-)Zeit – der Zeitkompetenz (Hellert 2018). Zeitkompetenz ist die Handlungsfähigkeit einer Person oder eines Teams selbstorganisiert Zeit zu verwenden, um kreative Ansätze zu finden oder eine spezifische Vorgehensweise zu entwickeln, damit Ziele erreicht werden (Erpenbeck und von Rosenstiel 2007, Hellert 2018). Die individuelle Zeitkompetenz setzt sich aus individuell internen und externen sowie betrieblichen Faktoren zusammen. Die individuell internen Faktoren sind Strategien zur Zeitverteilung, Beachtung der persönlichen Tagesrhythmik sowie Zeitempathie. Individuell externe Faktoren sind kulturspezifische und soziale Zeiten. Betriebliche Faktoren beziehen sich auf die Gestaltung der Arbeits- und Betriebszeiten und die gelebte Zeitkultur im Unternehmen. Je größer die Handlungsspielräume der Beschäftigten bei der Arbeitszeitgestaltung, desto eher können Strategien der Zeitkompetenz umgesetzt werden (Hellert et al. 2013). Spezifische Gestaltungsansätze zum Aufbau von Zeitkompetenz im virtuellen Arbeitsumfeld sind beispielsweise (Mander et al. 2020):

Selbstdisziplin, um die Ziele im Blick zu behalten und sich vor Ablenkungen und Reizüberflutung zu schützen.

[27]Segmentierungsstrategien, die helfen, die Arbeit von anderen Lebensbereichen abzugrenzen. Proaktive Kommunikation mit Kollegen, Kolleginnen und Führungskräften unterstützt die Kontaktpflege und den Austausch untereinander.

Selbststrukturierung hilft, den Überblick von komplexen Aufgaben zu behalten.

Zeitplantechniken unterstützen bei der effizienten Zeitnutzung.

Im Kontext der Arbeitszeitgestaltung können verschiedene Strategien der Zeitkompetenz präventiv und proaktiv wirken. Sie sollten auf personaler Verhaltensebene die Ressourcen der Beschäftigten stärken und psychosoziales Wohlbefinden und organisational die Zielerreichung fördern.

2.1.8Konzepte und Gestaltungshinweise

Die zahlreichen neuen Herausforderungen der modernen Arbeitswelt in Verbindung mit den Anforderungen an eine lebenswerte und humane Arbeitszeitgestaltung erfordern fundierte Strategien und Maßnahmen, die sich an grundlegenden psychologischen Konzepten orientieren sollten. Die von vielen Seiten geforderte Flexibilität geht bei den Beschäftigten mit zunehmender Verantwortung für die vereinbarten Leistungsziele einher, wodurch Motivation und Wohlbefinden gefördert werden können. Hierfür sind jedoch klare und verlässliche Vereinbarungen zwischen den beteiligten Akteuren und Akteurinnen notwendig, damit sowohl die betrieblichen und organisatorischen Faktoren als auch menschengerechte Arbeitsmerkmale umgesetzt werden können. Nach Eberhard Ulich (1992) zählen vor allem folgende Merkmale zu einer menschengerechten oder humanen Arbeit:

Psychosoziales Wohlbefinden und psychophysische Gesundheit

Selbstkontrolle zur Förderung von Selbstkonzept und Motivation

Entwicklung von Persönlichkeitspotenzialen und Förderung von Kompetenzen

Autonomie zur Stärkung des Selbstwertgefühls

Sinnhaftigkeit einer Aufgabe

Einige dieser Merkmale sind vergleichbar mit den Aspekten der New-Work-Beschreibung von Bergmann: Die am Menschen orientierte Arbeit sollte Sinnhaftigkeit, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung sowie Kompetenzerwerb im Fokus haben und sich nicht nur auf die Strukturen der Organisation, sondern auf die Menschen im Unternehmen konzentrieren (Bergmann 2017; Schermuly 2019). Die Lebensqualität und das psychische und physische Wohlbefinden der Beschäftigten sollte gefördert werden und ein wichtiger Baustein von strategischen Unternehmensentscheidungen sein – ganz im Sinne der New-Work-Veränderungskraft (Hellert und Stix 2023).

Das Konzept des psychologischen Empowerments (Schermuly 2019) stellt das Erleben des Menschen im Arbeitskontext in den Mittelpunkt und beschreibt vier Komponenten: Vor allem Kompetenzen sind notwendig, damit die unterschiedli[28]chen Herausforderungen erfolgreich bewältigt werden können. Hierzu zählen personale, soziale, fachliche und methodische Kompetenzen. Ein hohes Kompetenzerleben stärkt die Selbstverwirklichung. Menschen sind davon überzeugt, den Anforderungen gerecht werden zu können (Bandura 1997). Die Bedeutsamkeit bei der Arbeit ermöglicht es, die Sinnhaftigkeit zu erkennen und wirkt intrinsisch positiv auf die Tätigkeitsausführung. Eine hohe Selbstbestimmung ist verbunden mit hoher wahrgenommener Autonomie bei der Arbeit. Hierzu zählen Freiheit der Verteilung von Arbeitszeit und Wahl der geeigneten Arbeitsorte und Arbeitsmittel. Weiter zählt die Einflussdimension als wahrgenommene Macht, die eigenen Arbeitsergebnisse beeinflussen zu können, dazu.

2.1.9Life-Kohärenz

Beruf, Privates und Familie zu vereinbaren, wird gerne mit dem Oberbegriff Work-Life-Balance umschrieben. Inzwischen ist diese Formulierung jedoch nicht mehr zeitgemäß, da die neue Arbeitswelt keine Trennung von Arbeit und Leben vorschreibt und letztlich Arbeit Teil des Lebens ist. Life-Kohärenz bezeichnet dagegen das kontinuierliche Zusammenspiel von verschiedenen Lebensbereichen. Die Life-Kohärenz schafft Orientierung für spezifische Anforderungen bei Arbeit, Familie, Körper und Geist und wird je nach Lebensphase unterschiedlich gewichtet. Ziel ist eine optimale Synchronisation der einzelnen Bereiche auf betrieblicher und personaler Ebene. Das berufliche Engagement, Sinnhaftigkeit, Freude aber auch Anstrengung in der Arbeit sollten gut mit Phasen der Entspannung, Achtsamkeit und Erholung abgestimmt sein. Gleichzeitig gilt es, auf die biologischen Bedürfnisse wie ausreichenden Schlaf und gutes Essen sowie die psychischen Grundbedürfnisse u. a. nach Bindung und sozialen Kontakten zu achten (Hellert 2018). Für Beschäftigte mit Vertrauensarbeitszeit und Homeoffice kann ein gutes Ineinandergreifen der verschiedenen Bereiche einen positiven Zustand im Sinne der Kohärenz erzeugen. Die fixe Entgrenzung zwischen Arbeit und Privatleben ist vielen mit mobiler Arbeit nicht mehr so wichtig (Wöhrmann et al. 2020). Von starrer zeitlich-räumlicher Trennung bis zu variablen fließenden Übergängen bestehen viele Möglichkeiten. Wichtig ist hierbei die bewusste Reflexion dessen, was je nach Lebensphase positiv für das eigene psychosoziale Wohlbefinden ist.

Handlungsspielraum und Autonomie

Handlungsspielräume sind nach arbeitspsychologischen Modellen für die individuelle Gestaltung von Arbeitsabläufen wichtig, beispielsweise zur Bewältigung psychischer Belastung. Ebenso zählt Autonomie als förderlicher Faktor zur humanen Arbeitsgestaltung und zur New-Work-Struktur. Allerdings können Autonomie und Handlungsspielraum auch sehr ambivalent sein. Je nach Person und Situationen zeigen sich verschiedene Wirkungen. Gerade bei sehr hoher Autonomie und hochflexiblen Arbeitsprozessen, kann aus einer Ressource (Autonomie) eine zu[29]sätzliche Arbeitsanforderung (Verantwortung) werden. Beschäftigte mit hoher Autonomie sind bspw. permanent gefordert, die richtige Entscheidung in Hinblick auf Arbeitszeitgestaltung, Arbeitsort und die sozialen Beziehungen bei der Arbeit zu treffen. Es gilt also immer wieder angemessene Überlegungen anzustellen, um anstehende Ziele zu erreichen. Dies mag für manche Menschen eher einfach sein, für andere jedoch wird es zu einer zusätzlichen Arbeitsbeanspruchung (Bredehöft et al. 2015). Autonomie ist eine Medaille mit zwei Seiten: Zum einen kann sie eine sehr nützliche Ressource darstellen, zum anderen verursacht sie zusätzliche Anstrengungen im Sinne von Selbstorganisation und Selbstführung.

Selbstführung

Das Konzept der Selbstführung zielt auf den Prozess von Personen ab, sich selbst auf bestimmte Art zu beeinflussen (Neck und Manz 2013). Selbstführung ist eine individuelle Kompetenz, um Ziele erfolgreich umzusetzen und beispielsweise die eigene Zeitkompetenz positiv zu gestalten. Für erfolgreiches Arbeiten im Homeoffice zählt für Beschäftigte u. a. Selbstdisziplin und Selbstregulation, um sich zu motivieren, strukturieren, disziplinieren. Strategien der Selbstführung können gezielt angewendet werden. So kann der Arbeitstag bspw. durch Selbstbeobachtung reflektiert werden und eigene Ziele können mit den persönlichen Werten langfristiger Vorhaben verglichen werden. Die Entgrenzung von Arbeit und Privatleben kann im Sinne der Selbstführung betrachtet werden. Nach der Boundary Theory (Ashforth et al. 2000) kann individuell reflektiert werden, ob Segmentieren (strikte Trennung) und/oder Integrieren (fließende Übergänge) sinnvolle Strategien zur Bewältigung der jeweiligen Anforderungen sind (Mander et al. 2021).

2.1.10Fazit

Die Arbeitswelt verändert sich kontinuierlich. Neue Technologien sowie Prozessinnovationen, verbunden mit Dynamik, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit beeinflussen die Art und Weise von Arbeit auf unterschiedlichste Weise und fordern alle Beteiligten heraus. Flexible, moderne Arbeitszeitgestaltung kann für Organisationen und Menschen nach neuesten Erkenntnissen positiven Einfluss ausüben. Hierzu ist es erforderlich, gemeinsam mit den betreffenden Teams oder Beschäftigten faire Lösungen zu entwickeln und verlässliche Vereinbarungen zu treffen. Führungskräfte und Beschäftigte können in Workshops wirksame Gestaltungsmaßnahmen und Ressourcen kennenlernen, individuelle Strategien der Zeitkompetenz nutzen und so proaktiv den komplexen Herausforderungen der modernen Arbeitswelt erfolgreich begegnen.

[30]Zur Autorin

Prof. Dr. phil. Ulrike Hellert ist Arbeitspsychologin, Dipl.-Kffr. und berät seit vielen Jahren Unternehmen zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung. Sie ist ferner Expertin für Stresskompetenz und als Business-Coach tätig. An der FOM Hochschule für Oekonomie & Management lehrt sie in Nürnberg wirtschaftspsychologische Fächer und ist dort wissenschaftliche Gründungsdirektorin im iap – Institut für Arbeit & Personal.

Literatur

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Backhaus N., Tisch A., Kagerl C., Pohlan L. (2020): Arbeit von zuhause in der Corona-Krise: Wie geht es weiter? In: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Dortmund. https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Bericht-kompakt/Homeoffi ce-Corona.pdf (Abgerufen am 26.10.2023)

Baeck U., Deutsch M. (2004): Arbeitszeitgesetz. Beck, München

Bandura A. (1997): Self-Efficacy. Freeman and Company, New York

BAuA Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (2020): SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel. https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Reg elwerk/AR-CoV-2/pdf/AR-CoV-2.pdf (Abgerufen am 26.10.2023)

Bergmann F. (2017): Neue Arbeit, neue Kultur. Arbor, Freiburg

Bredehöft F., Dettmers J., Hoppe A., Janneck M. (2015): Individual work design as a job demand: The double-edged sword of autonomy. Journal Psychologie des Alltagshandelns Vol. 8 / No. 2, S. 12-24, Innsbruck

Brenscheidt F. (2016): Ohne Vertrauenskultur ist Vertrauensarbeitszeit wertlos. XING. https://www.xing.com/news/klartext/ohne-vertrauenskultur-ist-vertrauensarbeitszeit-we rtlos-547 (Abgerufen am 26.10.2023)

Erpenbeck J., von Rosenstiel L. (2007): Handbuch Kompetenzmessung. Schäffer-Poeschel, Stuttgart

Grawe K. (1994): Neuropsychotherapie. Hogrefe, Göttingen

Hellert U. (2018): Arbeitszeitmodelle der Zukunft. 2. Aufl. Haufe, Freiburg

Hellert U. (2022): Arbeitszeitmodelle der Zukunft. 3. Aufl. Haufe, Freiburg

Hellert U., Krol B., Tegtmeier P. (2013): Innovative Arbeitszeitgestaltung und Zeitkompetenz bei einem Studium neben dem Beruf. In: Hellert U. (Hrsg.): iap Schriftenreihe Bd 5. MA Akademie, Essen

Hellert U., Stix K. (2023): Kreative Stresskompetenz für die Arbeitswelt. Haufe, Freiburg

Hollmann S., Hellert U., Schmidt K. H. (2005): Anforderungen an eine zielbezogene Selbststeuerung im Rahmen hochflexibler Arbeitszeitmodelle. In: Mieg H. A. (Hrsg.): Wirtschaftspsychologie 3: Faktor Zeit, S. 44-52

Lenk T. (1997): Arbeit und Wohlstand: Arbeitspapier Universität Leipzig. https://www.econs tor.eu/bitstream/10419/52378/1/672204126.pdf (Abgerufen am 26.10.2023)

Luhmann N. (2014): Vertrauen. Lucius & Lucius, Stuttgart

Mander R., Hellert U., Antoni C. (2021): Selbstführungsstrategien zur Bewältigung von Flexibilitätsanforderungen digitaler Arbeit mit hohem Zeit- Orts- und Handlungsspielraum – eine qualitative Studie. In: Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie (GIO). Ausgabe 1/2021. Springer, Wiesbaden

Mander R., Müller F., Hellert U. (2020): Kompass – Zeit & Vertrauen. iap der FOM Hochschule, Essen

Monz A. (2018): Mobile Arbeit, mobile Eltern. Springer Fachmedien, Wiesbaden

[31]Neck C. P., Manz C. C. (2013): Mastering Self-Leadership: Empowering yourself for personal excellence. 6. Aufl. Pearson

Schermuly C. C., Koch J., (2019): New Work und psychische Gesundheit. In: Badura B., Ducki A., Schröder H. et al. (Hrsg.): Fehlzeiten-Report. Springer, Berlin/Heidelberg/New York, S. 127-139

Ulich E. (1992): Arbeitspsychologie. 2. Aufl. Schäffer Poeschel, Stuttgart

Wöhrmann M., Backhaus N., Tisch A., Michel A. (2020): BAuA-Arbeitszeitbefragung: Pendeln, Telearbeit, Dienstreisen, wechselnde und mobile Arbeitsorte. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin BAuA, Dortmund

[32]

2.2Metaverse – Erste Gehversuche und Erfahrungen aus Unternehmenssicht

Interview mit Oliver Gutzeit

Herr Gutzeit, New Work ist eine ziemlich große Begrifflichkeit, die jetzt schon einige Zeit kursiert. Was verstehen Sie unter New Work?

Vor zwei bis drei Jahren gab es eine wissenschaftliche Definition in der (alternative) Unternehmensformen und Arbeitsweisen beschrieben wurden. Meiner Meinung nach wurde der Begriff in der letzten Zeit ein bisschen von der Allgemeinheit vereinnahmt, genau wie der Begriff »Future of Work«. New Work ist noch etwas breiter gefasst: Während »Future of Work« den Aspekt »Wir haben es noch nicht« beschreibt, ist New Work für mich der andauernde Vorgang, neue Arbeitsformen greifbarer zu machen. Im Moment ist das vor allem der Umbruch durch die vollzogene oder geplante Digitalisierung. In Verbindung mit der weltweiten Situation, dass sich Technologien, die vorher keine Rolle gespielt haben, verbreiten – Stichwort Metaversum. Vor dem Hintergrund der Digitalisierung wird die ganze Basis des Arbeitens auf ein neues Fundament gestellt. Ich sehe darin vor allem Chancen, da jetzt endlich Dinge umgesetzt werden können, die schon länger im Bereich New Work gewünscht waren. Für mich ist das Ziel von New Work eine Demokratisierung der Arbeit. Mitarbeitende sollen einen größeren Freiheitsgrad bekommen und mehr selbst gestalten können. Wichtig ist meiner Meinung auch, dass Mitarbeitende mit den andauernden Veränderungen, mit denen sie konfrontiert sind, zurechtkommen – das erfordert eben auch eine neue Art des Arbeitens.

Welche Facetten hat New Work Ihrer Meinung nach? Gibt es zum Beispiel Auswirkungen auf Führungskräfte und die Mitarbeiterführung?

[33]Es hat enorme Auswirkungen. Die Digitalisierung hat dazu geführt, dass Mitarbeitende sich Unternehmen viel freier aussuchen können. Wenn Unternehmen vergleichbare Leistungen in Form von Einkommen oder Benefits bieten, wird es viel wichtiger, ob Mitarbeitende persönliche Freiheitsgrade leben können. Für Unternehmen bedeutet das, um diese Mitarbeitenden anzulocken, muss ihnen gezeigt werden, welche Chancen es in einem Unternehmen wie beispielsweise der SAP gibt. Gleichzeitig müssen aber auch bestehende Mitarbeitende fortlaufend davon überzeugt werden, dass es sich lohnt, einer Firma die Treue zu halten. Für Führungskräfte stellt sich daher die Herausforderung, plötzlich eine sehr stark werbende Rolle einzunehmen.

Auswirkungen sehe ich vor allem in der Art, wie ich meinen Arbeitstag gestalten kann. Durch die neuen mobilen Möglichkeiten kann ich von überall arbeiten. Wir nutzen den hybriden Arbeitsplatz exzessiv bei SAP und treiben das mit großer Kraft voran. Das heißt für Führungskräfte aber auch, dass sie dafür sorgen müssen, dass jeder Mitarbeitende die nötigen Kompetenzen hat, diese Veränderungen in den Griff zu kriegen. Früher hat man Work-Life-Balance gesagt, ich mag den Begriff heute nicht mehr, da Work-Life-Balance eine Abgrenzung der beiden Welten impliziert. Ich sehe aber, dass diese bereits verschmolzen sind und alle Anstrengungen, sie zeitlich oder räumlich zu trennen, zum Scheitern verurteilt sind. Die Lösung ist deswegen meiner Meinung nach die Eigenkompetenz der Mitarbeitenden, Arbeit und Privatleben in einer gesunden Weise zu trennen, zu stärken. Die Verantwortung der Unternehmen liegt darin, Health und Mindfulness ganz nach vorne zu stellen. Nur Unternehmen, die das auch leben, werden in Zukunft erfolgreich sein und Mitarbeitende für ihre Sache gewinnen können.

Um nochmal kurz nachzuhaken, Sie würden sagen, dass Unternehmen durch New-Work-Konzepte oder den richtigen Umgang mit Chancen eine Möglichkeit haben, im Fachkräftemangel zu bestehen und Fachkräfte zu sichern?

Ich drehe es um: Ausschließlich durch die intensive Beschäftigung mit New-Work-Konzepten oder mit Angeboten, die in einer Weise hervorstechen, werden Unternehmen noch erfolgreich sein können. Das heißt, für mich ist es sogar noch extremer. Ich sehe keinen Fachkräftemangel. Ich sehe auch keine Probleme die Besten der Besten auf dieser Welt anzuziehen. Wenn Unternehmen die technologischen Möglichkeiten, die heute schon im privaten Umfeld existieren, im Unternehmensumfeld anbieten, dann ist der Übergang nahtlos. Wenn Unternehmen allerdings auf den traditionellen Strukturen beharren und sich damit nicht auseinandersetzen, wird automatisch eine ganze Generation nicht mehr zur Verfügung stehen.

Sie sind jetzt schon einige Zeit bei der SAP, wann ist das Thema New Work das erste Mal bei Ihnen aufgekommen und welchen zeitlichen Verlauf hat das [34]genommen? Vielleicht können Sie auch aus Ihren Erfahrungen berichten, was konkret umgesetzt wurde.

Die SAP war schon immer kulturell so aufgestellt, dass der Mitarbeitende sehr ermächtigt wurde. Ich würde deswegen sagen, dass die SAP sehr offen für jegliche Art von New-Work-Konzepten ist. Von der Führungsstruktur ist die SAP zwar wie ein Großkonzern strukturiert, der mit Hierarchien zu führen ist, aber trotzdem empfinde ich das Unternehmen im überwiegenden Teil auch heute noch als ein sehr von den Mitarbeitenden beeinflusstes Unternehmen. Als New-Work-Konzepte aufkamen und speziell in Deutschland en vogue wurden, ging es bei diesen New-Work-Initiativen viel um die Abschaffung von Managern, Hierarchien, autarkes Arbeiten etc. Das sind Themen, die sind wahnsinnig schwer umzusetzen in einem existierenden Großkonzern. Ich denke, das sind eher Themen für neue Unternehmen, die bauen sich dann von Anfang an anders auf.

Im Jahr 2017/2018 gab es dann bei der SAP erste Angebote für ein New-Work-Breakfast und es entstanden erste Arbeitskreise. Die Leute bei SAP haben sich schon immer als Grassroot-Initiative organisiert, d. h. bei der SAP gab und gibt es für alle Themen schon immer Angebote und Leute, die sich organisieren. In den Jahren 2018/2019 haben wir sehr stark angefangen, mit Insights und Cloud-Konzepten zu arbeiten und darauf aufbauend das Angebot an Arbeitsplatzkonzepten zu optimieren. Das haben wir dann noch vor der Pandemie mit einem FlexWork Konzept aufgegriffen und die Büroräumlichkeiten in ein modulares und Activity-Based-Konzept umgebaut. Im Arbeitsalltag gibt es Phasen in denen kommuniziert, kollaboriert oder konzentriert werden muss, es soll einfach mal Party gemacht werden oder man braucht Design-Spaces und man möchte inspiriert werden. Ein Angebot deckt nicht den ganzen Arbeitstag ab und deswegen lieber umdrehen, langfristig keine festen Sitzplätze mehr und dafür Zonen anbieten. Das haben wir schon vor der Pandemie umgesetzt. Im Jahr 2020 sind wir dann von einem Tag auf den anderen ins Homeoffice gewechselt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde der Begriff Heimarbeit durch hybrid abgelöst. Früher wurde der Arbeitsplatz automatisch mit dem Büro in einem Gebäude mit Parkhaus nebendran verbunden. Das Loslösen vom früheren Verständnis des Arbeitsplatzes geht auch Hand in Hand mit Konzepten wie alternativen Mobilitätskonzepten und hybridem Arbeiten, die Parkhaus und Büro ablösen. In der Pandemie haben wir dann nahtlos im Homeoffice weitergearbeitet. Einem Softwarekonzern kann das leichter fallen, aber auch nicht jedem. Wir haben gezeigt, dass die Existenz von hybriden Arbeitsplatzkonzepten nicht pandemiebedingt ist. Wir haben dann aus dem Homeoffice weiter daran gearbeitet, wie die Welt nach einer Pandemie aussehen wird und noch viel stärker geprüft, wie Technologien eine Unterstützung sein können. Wir haben zum Beispiel im Onboarding mit Metaversum-Konzepten, aber vorrangig vor allem mit Virtual-Reality-Konzepten experimentiert. Als Unternehmen haben wir natürlich stark davon profitieren können, dass wir mobiles Arbeiten schon so früh breit gestreut und in der Cloud hatten und damit örtlich unabhängig arbeiten konnten. [35]In der aktuellen Phase nach der Pandemie profitieren wird wiederum davon, dass wir unser Flex-Work-Konzept vollständig ausleben. Mit dem Pledge-to-Flex haben wir uns öffentlich zur Vertrauensarbeitszeit und darüber hinaus zur freien Wahl von Arbeitsort und -zeit verpflichtet. Das beinhaltet auch bei steuerlicher Machbarkeit die Möglichkeit, weltweit zu arbeiten. Das heißt wirklich hybrides und flexibles Arbeiten. Das ist die vollständige Flexibilität mit allen Nachteilen und Herausforderungen, die das mit sich bringt.

Wird in diesem Plegde-to-Flex auch miteingeschlossen, dass für Mitarbeitende, die gerne weiterhin einen festen Büroarbeitsplatz mit Parkplatz bei der SAP hätten und jeden Tag im Büro vorbeischauen möchten, auch eine Lösung angeboten wird oder muss jetzt jeder flexibel und ortunabhängig arbeiten?

Das ist eine sehr spannende Frage. Bei der SAP hat sich gezeigt, dass das »Flexen« der Normalfall ist. Wir wissen das, weil wir interne Umfragen gemacht und während der Pandemie den Umfragetakt erhöht haben. Wie haben beispielsweise sehr kleinmaschig nachgefragt, wie es den Mitarbeitenden geht und wie sie zurechtkommen. Wie jedes Unternehmen mussten wir auch mühevoll lernen, wie MS Teams und andere Tools zum Laufen gebracht werden oder wie mit ihnen gearbeitet wird. Das ist auch alles mit viel Belastung verbunden, daher wurde zum Beispiel ein sogenannter »Health-Day« eingeführt. Das ist auch ein Werkzeug im Kontext von New Work, das wirklich Bedeutung hat. Die Idee dahinter ist, dass diese Tage vom Unternehmen freigestellt werden und Mitarbeitende sich Zeit für sich selbst nehmen sollen und z. B. einen Fahrradausflug machen oder wandern gehen sollen. Im Unterschied zu einem freien Arbeitstag oder einem zusätzlichen Urlaubstag, nimmt das ganze Unternehmen diesen einen Tag frei und es wird an Kunden kommuniziert, dass wir als SAP an diesem Tag nur für Notfälle zu erreichen sind. Ausnahmen sind natürlich Projekte oder Rechenzentren, die Teams machen das dann an einem anderen Tag, aber es ist trotzdem kein Wochenende oder Urlaubstag, an dem die Mailbox vollläuft. Die Health-Days haben wir in der Pandemie zweimal gemacht. Ich glaube auch deswegen haben die Umfragen nach der Pandemiezeit gezeigt, dass wir zum überwiegenden Teil keine klassische Fünftagewoche im Büro oder gar einen Nine-to-Five-Job wollen. Allein die Tatsache, dass in der Umfrage nur ein ganz kleiner Teil angegeben hat, dass sie fünf Tage die Woche ins Büro kommen wollen, der überwiegende Teil sich als ideales Modell zwei bis vier Tage die Woche im Büro vorstellt und nur ganz wenige überhaupt nicht mehr kommen wollen, zeigt das sehr anschaulich. Aus diesen Ergebnissen haben wir den Flex-Fall als Standard abgeleitet. Das hat aber auch für Diskussionen gesorgt, vor allem in der Gruppe der Leute, die weiterhin wie immer kommen wollen. Für den Arbeitgeber ist es ein mühsamer Prozess zu lernen, dass es Leute gibt, die sich am wohlsten fühlen, wenn sie das machen können wie bisher. Die brauchen auch einen festen Arbeitsplatz als Bezugsrahmen. Wir haben es dann so geregelt, dass es möglich ist, einen festen Arbeitsplatz zu beantragen. Standpunkt des Betriebs[36]rates ist es, dass es auch ohne Anfrage möglich sein muss und der Arbeitgeber die Entscheidung freistellen muss. Das sind die Diskussionen und Spannungsfelder, die entstehen, und ich kann beide Seiten sehr gut nachvollziehen.

Es stellt sich auch die Frage, wie es daheim aussieht. Wir kümmern uns jetzt viel stärker darum, wie der Heimarbeitsplatz aussieht, was vorher nicht der Fall war. Früher war das nur bei Homework-Arbeitsplätzen gesetzlich vorgeschrieben und bei Remote-Arbeit wollte der Arbeitgeber nicht die Verantwortung darüber haben, ob die Mitarbeitenden gerade sitzen, der Stuhl passt oder das Licht richtig einfällt. Wenn ein Arbeitsplatz als hybrid definiert ist, dann macht das aber schon einen Unterschied. Wir haben aber auch definiert, dass wer ins Büro kommen möchte, auch einen Platz findet. Nur halt nicht mehr zwingend einen Festen, sondern es gibt ein Kontingent. Da gab es gleich die Bedenken, dass das Kontingent nicht reicht, wenn alle gleichzeitig am Mittwoch kommen. Aber es kommen nicht alle gleichzeitig am Mittwoch. Ich persönlich komme viel lieber am Donnerstag oder am Freitag, da ist das Büro nämlich ruhiger.

Sie haben mehrfach erwähnt, dass Sie Umfragen durchgeführt haben. Sehen Sie dieses Reinhorchen in die Organisation auch als einen wichtigen Erfolgsfaktor?

Das ist meiner Meinung nach einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren. Ich bin bei dem Thema Digitalisierung und überhaupt bei allen Trends, über die wir sprechen, ein Verfechter davon. In all diesen Sachen ist es unmöglich, blind zu fahren, weil es keinen Leitfaden gibt, der genau vorgibt, wie es geht, und auch nicht alle Maßnahmen auf jedes Unternehmen oder Situation passen. Deswegen braucht man Einblicke, denn ohne diese können keine richtigen Entscheidungen getroffen werden. Bei diesen Themen geht das am einfachsten mit Umfragen. Es kann auch mit farbigen Knöpfen gearbeitet werden oder Ähnliches, aber sonst sind Umfragen, und zwar die richtigen im richtigen Maß, am geeignetsten. Kommen zu viele Umfragen, haben die Befragten keine Lust teilzunehmen, sind die Umfragen zu kleinmaschig, kann man sie nicht rechtzeitig auswerten und Ergebnisse kommen zu spät.

Dann würde ich gerne den Bogen zum Metaversum schlagen. Das ist auch ein Begriff, der aktuell und in den letzten ein bis zwei Jahren ziemlich viel Aufmerksamkeit erregt hat. Könnten Sie nochmal einen Einblick geben, was eigentlich hinter dem Metaversum steckt?

Das Thema Metaversum ist natürlich auch viel Hype und Buzzwording. Wenn man das Thema etwas wissenschaftlicher angeht, ist es ein Thema, das schon seit Jahrzenten definiert wird. Der erste Satz, der immer fällt, ist: »Das Metaversum kommt in voller Breite in ungefähr drei bis vier Jahren.« Dieser Satz wiederholt sich seit ungefähr 20 Jahren. Nach meinem Verständnis, auch mit Blick auf meinen Einflussbereich, ist das Metaversum nicht die Welt des öffentlichen Metaversums. [37]Es ist also nicht die Welt von Facebook, Bitcoins oder NFTs. Das sind alles Aspekte, die separat betrachtet werden müssen. Das betrifft auch die SAP weniger.

Die SAP beschäftigt sich aus zwei Gründen mit dem Metaversum. Zum einen werden unsere Kunden in drei bis vier Jahren im Metaversum sein und wir sind immer da, wo unsere Kunden sind. Als solches ist jedes Unternehmen gut beraten intern, beginnend mit der eigenen IT und den eigenen Mitarbeitenden, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, eine grobe Vorstellung davon zu bekommen und auszuprobieren, was das ungefähr ist. Es ist ein langer Weg, das eigene Unternehmen zu befähigen, etwas mit dem Metaversum anfangen zu können. Der zweite Grund ist, dass wir große Vorteile in die Richtung unserer eigenen Produkte sehen und diese stärker machen können. Da wir Unternehmenssoftware liefern, sind unsere Produkte für den Arbeitsplatz gedacht, machen Unternehmen resilienter und zu einem sogenannten »Intelligent Enterprise«. Wir probieren natürlich auch intern aus, welche Aspekte von verschiedenen Konzepten beispielsweise aus dem Bereich Learning, Onboarding oder im Industriebereich Einfluss auf den täglichen Arbeitsalltag des Mitarbeitenden haben. Wir waren dieses Jahr 2023 mit einem starken Industrial-Metaversum-Case auf der Hannover Messe. Um diesen vorzustellen und mit Interessierten aus dem Bereich Produktion oder der Unternehmensführung in Austausch zu kommen, haben wir eine sogenannte »Factory« gebaut, betreiben diese in Walldorf und haben sie im Metaverse auf die Messe mitgebracht. Zurückkommend zum Thema: Wir beschränken uns auf den immersiven Teilaspekt und die Anbindung in die persistierende Welt der realen SAP-Systeme. Natürlich ist für uns auch der Aspekt der Kollaboration oder die Anknüpfung von Geschäftsprozessen in diese Welten sehr interessant. Dann ist das SAP-Metaversum einfach eine Erweiterung der existierenden Office-Welt, die zwar nicht physisch besteht, aber wie jedes andere Büro rund um die Uhr existiert und betreten werden kann. Diese Welt passt wunderbar zum hybriden Ansatz, weil sie sehr schnell betreten werden kann. Da haben wir einige Szenarien gebaut, allerdings kommen wir im Moment nicht über den Bereich Show- und Use-Case hinaus, am Business-Case kratzen wir momentan.

Sie haben gesagt, Sie kratzen am Business-Case. Mir hat sich der Eindruck ergeben, dass das Metaversum relativ groß ist und jede Organisation sich zum Teil die Aspekte raussucht, die wirklich anwendbar sind, aber dieses große Metaversum, wie es von manchen Unternehmen skizziert wird, gerade auch von Konzernen wie Meta, die den Begriff aus kommerziellem Interesse prägen wollen, zu abstrakt ist und sich immer weiter nach hinten verschiebt.

Die große Schwierigkeit beim Thema Metaversum ist, dass es mit dem großen, abstrakten und sicherlich ausschließlich kommerziell geprägten Begriff vermischt wird. Ich erinnere mich an den Hype um Second Life. In diese Richtung geht es jetzt auch wieder. Der große Unterschied ist, dass die Grafik und die Aktivität besser geworden sind wie bei allen Computerspielen und damit Filme wie »Ready [38]Player One« näher gerückt sind. Das ist letztlich ein Feld, in dem kräftig Geschäft gemacht werden kann. Seitens der Technologie wird es zu Anwendungen sowohl im privaten Alltag als auch im Geschäftsumfeld kommen. Wie vorhin schon gesagt, meiner Meinung nach ist das gar nicht mehr zu trennen. In Unternehmen ist es heute Standard, Handys und Apps zu nutzen und es würde niemand mehr sagen, dass das nicht genutzt werden kann. Bei der SAP kann der ganze Tag von diesem kleinen Gerät gesteuert werden. Wenn wir schon einen Schritt weiter denken, sehen wir, dass sich im Bereich Hardware noch einiges tun wird. Apple bringt beispielsweise bald eine VR-Brille raus, die zum ersten Mal tragbar sein und nicht mehr so klobig aussehen wird. Vor ein paar Jahren konnte sich niemand vorstellen, dass ein Computer in Form einer Smartwatch am Handgelenk getragen wird und über einen Zeitraum von drei Jahren Standard geworden ist. So wird auch die Technologie, die hinter dem Metaversum steckt, in Form von Endgeräten im Alltag völliger Standard werden. Ähnlich wie heute das Handy oder die Smartwatch wird sich die Technologie im privaten und dann auch ganz natürlich im beruflichen Umfeld durchsetzen und zur Standardtechnologie werden. Für Unternehmen entsteht die Herausforderung, diese Technologie im Unternehmen zu integrieren. Es war ein Kampf über zehn Jahre bis Handys in Unternehmen als sichere Endpunkte benutzten werden konnten und mittlerweile ist es ganz einfach, diesen Endpunkt zu verwalten. Die Technologie des Metaversums wird kommen und Standard werden, allerdings nicht als dieser große Hype. Wir werden nicht als ganze SAP ins Metaversum gehen und dann alle unsere Kundengespräche ins Metaversum verlagern. Das sind alles nette Beispiele, die sich gut bei LinkedIn verkaufen lassen. Das eine oder andere Mal werden es auch schöne Veranstaltungen sein, zu denen Kunden eingeladen werden und Sachen präsentiert werden, die so in der realen Welt nicht gezeigt werden können. Wir werden das geschickt vermischen und so immer zeigen können, dass die SAP innovativ und als Vorreiter dabei ist. So können wir unseren Kunden kommunizieren, dass wir heute schon über die Lösungen von morgen nachdenken und wenn wir als Partner weiter zusammenarbeiten, kann diese Herausforderung als Vorteil genutzt werden.

Sie hatten schon bei New Work angesprochen, dass die Unternehmen auf der Strecke bleiben, die in diesem Bereich ihren Mitarbeitenden nichts anbieten. Um hier die Brücke zu schlagen, würden Sie beim Thema Metaversum auch sagen, dass Organisationen, die nicht bereit sind, sich mit diesen neuen Technologien auseinanderzusetzen, es zukünftig schwer haben werden? Müssen Organisationen Ihrer Meinung nach offen für solche Technologien sein, um mittel- bis langfristig weiterhin zu existieren?

Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass nicht nur Unternehmen sich damit auseinandersetzen sollten, sondern jeder sollte so eine Brille aufsetzen, wenn sich die Chance ergibt. Als Unternehmen muss nicht heute schon kräftig investiert werden, damit die IT intern in der Lage ist sowas anzubieten, aber es muss den IT-lern, [39]