Nicht ohne meine Seele - Kemal Üres - E-Book

Nicht ohne meine Seele E-Book

Kemal Üres

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Beschreibung

"Nicht ohne meine Seele!" ist ein autobiografischer Guide von Kemal Üres, einem vielseitigen Unternehmer, Investor und Business Angel. Er erzählt schonungslos authentisch von seiner Suche nach Anerkennung und dem Verlust seiner eigenen Identität. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere zwang ihn der Wille zum Erfolg in die Knie, dass er lernen musste, den Blick auf sein Inneres, auf seine Seele zu richten. In acht Schritten von Innen nach Außen beschreibt Üres, wie man sich selbst erkennt, mit Widerständen umgeht und nachhaltige Erfüllung findet. Das Buch gibt Tipps, das eigene Selbst zu erkennen, sich von Ängsten zu befreien, mit Stress umzugehen, Unzufriedenheit in Erfolgsenergie umzuwandeln, mehr Geld zu verdienen, echte Anerkennung zu erhalten und sich besser zu fokussieren und zu präsentieren – mit dem Ziel, die eigenen Kraftquellen zu entdecken.

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Seitenzahl: 188

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Kemal Üres

Nicht ohne meine Seele

Kemal Üres

Nicht ohne meine Seele

Von einem, der Erfolg suchte und sich selbst fand

Für meine liebe Mutter Saliha Üres Tercanli

HEEL Verlag GmbH

Gut Pottscheidt

53639 Königswinter

Telefon 0 22 23 / 92 30-0

Telefax 0 22 23 / 92 30-13

[email protected]

www.heel-verlag.de

© 2024 HEEL Verlag GmbH, Königswinter

Dieses Buch erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Deutschen Fachverlag, Frankfurt am Main.

Umschlag: Grafische Gestaltung Guido Klütsch, Köln,

unter Verwendung eines Fotos von Kemal Üres (Copyright: Matthias Stoewer)

Layout und Satz: Publikations Atelier, Weiterstadt

Druck und Verarbeitung: PNB Print Ltd., Lettland

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Printed in Latvia

ISBN 978-3-7588-0002-3

eISBN 978-3-7588-0008-5

Inhalt

Vorwort

Prolog

1 │ Dein Weg nach innen Erkenne dich selbst

1.1 Dein Kern: das Selbst

1.2 Gedanken und Glaubenssätze

1.3 Werte

1.4 Stärken finden und leben

1.5 Lebensbereiche und Ziele

2 │ Deine Wegbegleiter Umgib dich mit den richtigen Menschen

2.1 Du und dein Umfeld

2.2 Vertrauen im Voraus

2.3 Enge Beziehungen

2.4 Konflikte

2.5 Interdependenzen

3 │ Dein Weg nach vorne Bleib in der Spur

3.1 Begrenzungen

3.2 Entschlusskraft und Disziplin

3.3 Gewohnheiten und Routinen

3.4 Belohnungen

3.5 Seelenaufgabe

3.6 Loslassen

4 │ Deine Ausrichtung Triff Entscheidungen und handle

4.1 Werde zum Problemlöser

4.2 Wissen ist wichtig – Umsetzung ist Macht

4.3 Erst erschaffen, dann einfach machen

4.4 Freiheit durch Verantwortung

5 │ Deine Wegbewältigung Nicht das Anfangen, sondern das Durchhalten wird belohnt

5.1 Durch die Angst hindurch

5.2 Wandel durch Widerstände

5.3 Steh immer wieder auf

5.4 Geduld ist der Schlüssel

6 │ Deine Fokussierung Besinne dich auf dich und deine Berufung

6.1 Fokus auf deine Seelenaufgabe

6.2 Des Glückes Tod ist der Vergleich

6.3 Fokus im Alltag

7 │ Deine Präsentation Das beste Produkt ist nicht viel wert, wenn es keiner kennt

7.1. Verkaufe dein authentisches Ich

7.2 Werde sichtbar und Social-Media-tauglich

7.3 Polarisiere beim Posten

7.4 Erzähle in Geschichten

8 │ Deine Kraftquellen Entdecke deine Schöpferkraft

8.1 Körper

8.2 Geist

8.3 Seele

8.4 Beziehungen und Liebe

Schlusswort

Danksagung

Vorwort

Es erfüllt mich mit Freude und sogar Stolz, diese Zeilen schreiben zu dürfen. Als Schreibcoach habe ich bereits viele interessante Autorinnen und Autoren auf ihrem Weg zum Buch begleitet. Dass es sich bei Kemal Üres um eine herausragende Persönlichkeit handelt, habe ich zwar durchaus bereits bei unserem ersten Telefonat gespürt, in dem er mich bat, einen prüfenden Blick in sein soeben fertiggestelltes Manuskript zu werfen. Und gleichwohl er voll des Lobes über meinen Roman bzw. dessen Verfilmung SMS für dich war, blieb eine gewisse Skepsis, die sich allerdings als absolut unbegründet erwies - nur um gleich eine der zahlreichen weisen Lektionen vorwegzunehmen, die Kemal mich gelehrt hat, nämlich sich selbst und sein Denken stetig zu hinterfragen. Bisher war mir gar nicht bewusst gewesen, dass auch in mir, der es mir eigentlich sehr am Herzen liegt, anderen so offen und tolerant wie möglich zu begegnen, beschämende Vorurteile schlummerten.

Sie schlichen sich tatsächlich in meine Gedanken, diese Vorbehalte, die ich offenbar gegen Menschen hege, die vor zigtausend Followern auf Instagram und Co ihr Leben zur Schau stellen. Wenn solche Bilder zudem von einem Mitbürger türkischer Herkunft stammen, wie der Name bereits vermuten ließ, schien das Klischee für mich perfekt. Da ich bedauerlicherweise nur wenige persönliche Kontakte zu ausgesprochen netten Türken hatte, ließ ich mich zwar gerne auf ein näheres Kennenlernen ein, war aber insgeheim umso amüsierter, als es sich um eine Autobiografie eines Mannes handelte, die ich zu begutachten eingeladen wurde. Denn meine Erfahrung hatte mich gelehrt, dass männliche Autoren weitaus weniger von der schriftstellerischen Berufskrankheit Selbstkritik geplagt sind als weibliche. Entsprechend groß war also meine heimliche Erwartung, dass sich mein naives Bild, welches ich mir vorab von diesem millionenschweren Firmenboss mit Migrationshintergrund gemacht hatte, auch bestätigen würde. Aber: Diese wurde auf ganzer Linie enttäuscht und ich auf beschämend positive Weise überrascht!

Wer einmal die entwaffnend wertschätzende Stimme eines Kemal Üres gehört, wer einmal in seine wachen Augen gesehen und wer einmal in sein großes, empfindsames Herz geblickt hat, wird berührt sein und ihn nicht mehr vergessen. Ich habe selten einen Menschen getroffen, der so tief unten war und doch oder gerade deswegen sich so hoch empor gekämpft hat und so weit auf seinem Seelenplan vorangeschritten ist wie er. Der bisherige Weg bis zur Mitte seines wechselhaften Lebens würde schon reichen für eine spannende und inspirierende Geschichte. Seine bemerkenswert mutige und authentische Erzählweise aber ist es, die sein Buch zu einem überaus wertvollen Wegweiser macht. Beklemmend ehrlich, aber auch erfrischend selbstironisch teilt er persönlichste Erfahrungen - von größten Selbstzweifeln und schwersten Depressionen bis hin zu wahrhaftiger Erfüllung und nachhaltigem Erfolg.

Die Begegnung auf diesem magisch anmutenden Weg empfinde ich als ein unschätzbares Geschenk, das so nur einer, nämlich Kemal Üres, mit all seiner Hingabe, Empathie und Geradlinigkeit geben kann. Danke aus vollstem Herzen, sagt

Sofie Cramer

Prolog

Tiefpunkt

Stell dir vor, es ist Sonntagmorgen, im Jahr 2014, du sitzt mit deiner Frau und deiner neunjährigen Tochter am Frühstückstisch. Es ist November und draußen hat es zu nieseln begonnen. Der Blick hinaus geht aufs Wasser, über den Hamburger Hafen, denn deine Wohnung liegt in der angesagten HafenCity. Sie ist geräumig und exklusiv. In der Tiefgarage stehen ein Porsche 911 und ein großer SUV. Du bist sehr erfolgreich, keine Frage. Und das mit Mitte 30. Rund 15 Jahre zuvor kamst du aus einem Dorf in Süddeutschland nach Hamburg. Mit nichts außer 400 Mark in der Tasche hattest du hier begonnen und die ersten Nächte in einem heruntergekommenen Hostel am Steindamm verbracht, einer zwielichtigen Gegend in der Nähe des Bahnhofs, wo du für 15 Mark pro Nacht übernachten konntest. Mehr war zunächst nicht drin. Du kanntest hier keine Menschenseele, noch dazu verstand man dich kaum mit deinem schwäbischen Dialekt. Aber du hast dich durchgebissen und es irgendwann geschafft: Was du auch anpacktest, es gelang dir. Sprosse um Sprosse nahmst du auf der Karriereleiter. Du hattest Erfolg und Geld, eine Frau und ein Kind, einen großen Freundeskreis, du warst respektiert und geachtet, kurzum: Es war dir gelungen, dir aus dem Nichts etwas Großes aufzubauen. Und praktisch alles, was du dir erträumt und hart erarbeitet hast, ist in Erfüllung gegangen - die Karriere, die Wohnung, das Geld, die Autos, die Familie.

Du schaust nun aus dem Fenster, aber der Ausblick auf die Elbe interessiert dich nicht; du hörst deine Frau sprechen, aber es kommt gar nicht bei dir an, was sie sagt; deine Tochter blickt zu dir, sie fragt dich etwas, aber du nimmst sie nicht wahr. In diesem Moment bist du meilenweit entfernt. Von allem. Du kannst geradezu körperlich spüren, wie plötzlich unter dir eine Klappe aufgeht, die dich verschluckt. Du hast den Boden unter den Füßen verloren, du fällst in ein tiefes schwarzes Loch. Du hast den Gipfel erklommen, hast deine ganze Energie in den Aufstieg gesteckt, und jetzt, an diesem Sonntagmorgen im Spätherbst, beginnt der unaufhaltsame Fall ins Bodenlose. Deine Ehe zerbricht alsbald, du wohnst fortan allein, ohne Frau und Kind, und die nächsten Monate verlässt du kaum noch das Haus und wenn doch, werden die Ängste, die dich ohnehin seit Jahrzehnten plagen, übergroß.

Weshalb ich dir diese Geschichte erzähle? Ganz einfach: Es ist meine! Ich bin dieser Mann an diesem Sonntagmorgen. Ich bin der, der abgestürzt ist.

Dieser Sonntagmorgen war der Anfang vom Ende. Aber dieses Ende war, wie so oft, zugleich auch der Beginn von etwas Neuem. Bis ich das allerdings wusste, war es ein verdammt harter, aber zunehmend erhellender Weg - von innen nach außen. Davon handelt dieses Buch.

Zwei Welten

Das, was einen Menschen prägt, formt sich bereits in der Kindheit, in den ersten zehn Jahren. Was hier geschieht, kann sich auf das ganze spätere Leben auswirken. So war es jedenfalls bei mir - in extremer Weise, wie ich am Ende dieses Buches offenbaren werde. Zunächst müssen diese Eckpunkte reichen, um nachvollziehen zu können, wie ich in dieses Leben gestartet bin:

Meine Eltern kamen 1964 aus der Türkei nach Deutschland, sie zählten zu den ersten Gastarbeitern. Mein Vater verdiente sein Geld als Maschinenführer in einer Fabrik, meine Mutter arbeitete zunächst ebenfalls dort, später hatte sie einen Job als Spülerin in einem Restaurant. Nebenbei schrieb sie Geschichten und Gedichte, die regelmäßig in türkischen Zeitungen publiziert wurden. Meine Eltern waren friedvolle, ausgeglichene Menschen, die mich und meine neun Jahre ältere Schwester mit viel Liebe großzogen. Beide hatten einen Traum: Irgendwann wollten sie zurück in ihre Heimat. Sie sparten für ein Haus, das sie sich dort bauen wollten. Hier, in Deutschland, wohnten sie mit mir und meiner Schwester in einer 45 Quadratmeter kleinen Wohnung in Stockach, einer Kleinstadt unweit des Bodensees. Viel Platz hatten wir also nicht, ein eigenes Zimmer für uns Kinder war nicht möglich, und so schlief ich mit meiner Schwester auf einem Sofa in der Küche.

Meine Welt aber war draußen, auf der Straße. Hier waren neun von zehn Familien ausländisch, ich war unter meinesgleichen - man verstand sich und hielt zusammen. Hier galt ich als etwas und war jemand, der etwas zu sagen hatte. Ganz anders allerdings verhielt es sich in der Schule. Hier war ich ein Niemand, ein Außenseiter, war schüchtern und bekam kaum den Mund auf, wenn man mich etwas fragte. Meine Mitschüler, fast allesamt Deutsche, sahen in mir nicht mehr als den „Ausländer“ - ich war keiner von ihnen, obwohl ich akzentfrei Deutsch sprach, aber meine Kleidung verriet mich, das Auto meines Vaters, ein alter Ford, war alles andere als standesgemäß, und die Straße, in der wir wohnten, galt nicht unbedingt als erste Adresse am Platz. Kurz und gut: In der Schule war ich nicht der Wortführer, eher stand ich stumm am Ende der Reihe. Und das passte nicht zusammen, das ging nicht in meinen Kinderkopf. Es waren zwei Welten, die über vier Jahre Grundschulzeit so weit voneinander entfernt waren wie zwei Planeten im Sonnensystem. Zwei Welten, in denen unterschiedliche Menschen lebten, mit unterschiedlichen Sprachen und Kulturen und in denen auch mein Ich ein jeweils anderes war. Nur hin und wieder gab es Überschneidungen und das war oftmals befremdlich.

Nie werde ich folgende Begebenheit vergessen: Jörn, ein Mitschüler und mein einziger Freund aus der Schule, drängte darauf, mich auch einmal zu Hause zu besuchen. Das aber wollte ich unbedingt vermeiden - ich genierte mich für unsere kleine Wohnung, in der wir lebten. Am meisten Angst hatte ich jedoch vor seiner Entdeckung, dass ich nicht einmal ein eigenes Zimmer hatte! Denn genau das wollte sich Jörn anschauen. Es gelang mir eine Zeit lang, ihn zu vertrösten und Ausreden zu erfinden, aber irgendwann ließ er sich nicht mehr abwimmeln und erschien bei mir zu Hause. Wo denn mein Zimmer sei, wollte er wissen. Ich druckste herum, bekam einen roten Kopf und zog ihn schließlich in das Schlafzimmer meiner Eltern. Nein, das sei ja wohl nicht mein Zimmer, hörte ich ihn sagen, hier würden ganz offenbar meine Eltern schlafen. Mein Zimmer sei weiter hinten, behauptete ich und zeigte auf den großen Schrank, der in dem Schlafzimmer stand. Hinter diesem Schrank, sagte ich, sei die Tür zu meinem Zimmer, aber ich könne es ihm heute leider nicht zeigen, es sei einfach zu unaufgeräumt. Jörn gab sich zwar zufrieden, aber ich ahnte, dass er mir kein Wort glaubte.

Mein Vater war Zeuge dieser Szene. Ich tat ihm leid. Vielleicht fiel ihm jetzt und hier zum ersten Mal auf, wie sehr ich litt unter der Wohnsituation und darunter, dass ich keine einzige Ecke dieser Wohnung für mich hatte. Ändern konnte er zwar nichts daran, aber kurz darauf kaufte er mir einen kleinen Schreibtisch, den er mir in die Küche stellte. Dieser Schreibtisch, der nur mir allein gehörte, war für mich ein großes Geschenk. Er war wie ein Ersatz für das fehlende Zimmer. Ich liebte ihn, diesen kleinen Schreibtisch.

Diese zwei Welten, die so weit entfernt voneinander lagen, die nichts miteinander zu tun hatten, aber doch in meinem Kosmos nebeneinander existierten, sie kamen dann irgendwann zusammen: Nach dem Ende der Grundschule wechselte ich auf die Hauptschule und dort gab es dann bloß noch die eine Welt - die Welt, die aus mir und meinen Freunden von der Straße bestand, denn hier, auf dieser Schule, sah ich sie alle wieder!

Ich war zehn Jahre alt, als die Grundschule und alles Unschöne, was damit zusammenhing, ein Ende hatte. Doch das eigentliche Trauma, das hinter mir lag, wirkte sich auf mein ganzes späteres Leben aus ...

Die neue Heimat Hamburg

Mein Selbstbewusstsein war nie besonders stark ausgeprägt, stets hatte ich das Gefühl, nicht gut genug zu sein, meinen eigenen Ansprüchen und vor allem denen der anderen nicht zu genügen. Aus diesem Mangel wiederum erwuchs die Angst: Angst, Fehler zu machen, Angst vor dem Misserfolg, dem Scheitern. Meine Selbstzweifel hatten weitreichende Folgen, denn sie waren Antrieb und Bremse zugleich. Davon möchte ich im Folgenden erzählen.

Mein Weggang von zu Hause nach Hamburg hatte mehrere Gründe: Ich wollte etwas Neues beginnen, wollte Geld verdienen und Erfolg haben. Und noch etwas wollte ich: Ich wollte weg von mir, den ich nicht mochte, hin zu einem Ich, das anders war, das in sich ruhte, das wusste, was es wert war. Zunächst arbeitete ich an der Bar eines Hotels am Hamburger Hafen, und natürlich wollte ich den Job so gut wie möglich machen. Dabei kam mir allerdings ständig jemand in die Quere: ich selbst! Meine Angst, Fehler zu machen und meinen Job nicht gut genug zu erledigen, führte fast zwangsläufig dazu, dass ich am Ende tatsächlich Fehler machte. Dies wiederum war Futter für meine Selbstzweifel, denn die wurden dadurch nur bestätigt.

Es war also ein echter Teufelskreis. Und der beschränkte sich natürlich nicht bloß auf die Arbeit. Ich war mein eigener gnadenloser Beobachter, was auch immer ich tat. Mochten mich die anderen? Was dachten sie von mir? Wofür hielten sie mich? Um diese Fragen kreisten meine Gedanken. Es war mir äußerst wichtig, gemocht zu werden, ich ertrug es kaum, wenn keine positive Rückmeldung kam. Ich wollte gefallen, denn ich gefiel mir selbst nicht. Ich stand in größter Abhängigkeit vom Außen, von dem Urteil der anderen. Mich selbst und meine Wünsche hatte ich völlig vernachlässigt. Wenn ich mich überhaupt wahrnahm, dann als jemand, der mir ständig im Weg war. Es brannte lichterloh in mir drinnen, aber es war nicht nur ein Feuer, das die Maschine am Laufen hielt wie bei einer Lokomotive, ein Feuer, das für den Antrieb sorgt; es war auch ein zerstörerisches Feuer, das mir die Luft zum Atmen nahm. Wie ich oben schon sagte: Meine Selbstzweifel waren Antrieb und Bremse zugleich. Allerdings gelang es mir nicht, das zerstörerische Feuer zu löschen, im Gegenteil - ich fachte es nur noch mehr an und es wurde im Laufe der Zeit immer größer und zerstörerischer. Nachdem ich das Hotel gewechselt und fortan im Park Hyatt in der Hamburger Innenstadt wie für drei gearbeitet und Wissen wie ein Schwamm aufgesogen hatte, kam zwar schnell der Erfolg. Ich wurde mit 21 Jahren sogar der jüngste Manager der Hotelkette und war gleich für zwei Abteilungen zuständig. Und ich habe auch noch sehr präsent, wie mein Chef vor meinen Mitstreitern meinen Willen und meine Leistungsbereitschaft lobte und ihnen nahelegte, diese zum Vorbild zu nehmen. Und doch half mir all das kein Stück weiter.

Ich war erfolgreich und genau das hatte ich doch gewollt - Erfolg war mein Feuerlöscher, wie ich glaubte. Aber das stimmte nicht. Natürlich war ich stolz, aber die Selbstzweifel waren noch immer größer als der Stolz auf das, was ich leistete. Noch immer war ich unsicher, verkrampft, angespannt. Noch immer fühlte ich mich beobachtet - von den anderen und von mir sowieso. Noch immer war ich selbst mein größter und unbarmherzigster Kritiker.

Ich sah nur einen einzigen Ausweg aus dieser Misere: die Selbstständigkeit. Wenn ich mein eigener Chef wäre, dann gäbe es - außer mir selbst und meinen Kunden - niemanden, der mich beobachtet, der mich beurteilt, dem ich Rechenschaft für meine Fehler ablegen muss. Und dann wagte ich tatsächlich den Schritt: Zusammen mit einem alten Schulfreund als Geschäftspartner kaufte ich ein Lokal in Eimsbüttel, das La Paz. Mein Partner war jedoch kein Gastronom, und es stellte sich rasch heraus, dass wir unterschiedliche Auffassungen hatten, was die Führung eines solchen Lokals betraf. Auch das Engagement, das wir jeweils aufbrachten, war nicht das gleiche. Kurzum: Ich brannte für den Job, für das Lokal, für den Erfolg; mein Partner ließ es eher entspannt und gemütlich angehen.

Auch jetzt noch hatte ich permanent Angst: Angst zu versagen, Angst vor der Pleite und um meine berufliche Existenz. Diese Angst und meine Zweifel, alles richtig zu machen, waren noch immer meine ständigen Begleiter. Ich ackerte mich halbtot, arbeitete 12 bis 15 Stunden täglich. Das Ganze ging über lange Jahre. 2006 war ich vollkommen ausgebrannt und brach das erste Mal zusammen. Ich musste handeln, so konnte es nicht weitergehen. Fünf Wochen verbrachte ich in stationärer Behandlung in Kassel. Hier wurden mir zum ersten Mal Antidepressiva verabreicht, die ich schließlich die nächsten zwölf Jahre nehmen würde.

In der Psychiatrie gab es ein Ereignis, das ich nicht vergessen habe: Eines Morgens blickte ich in den Spiegel und nahm mich zum ersten Mal wieder bewusst wahr. Das klingt natürlich seltsam, wenn man das liest, aber so war es tatsächlich: Ich sah mich in diesem Moment zum ersten Mal seit Jahren wieder! Die zurückliegenden Jahre hatte ich bloß funktioniert, war nie bei mir selbst, sondern immer irgendwo anders und immer beschäftigt. Der Blick in den Spiegel hatte gar nicht stattgefunden, weder im echten Sinne - ich hatte tatsächlich ewig nicht mehr in den Spiegel an der Wand gesehen - noch im übertragenen: Ich reflektierte und spiegelte nicht, was ich erlebt hatte, kam nicht zur Ruhe, ich malochte wie ein Wahnsinniger. Es fand nie ein Innehalten, ein Besinnen statt, es war eher wie ein Marathonlauf im Sprinttempo. Das Geschäft, das La Paz, funktionierte, so wie auch ich bloß funktionierte. Aber ich war kein Business, sondern ein Mensch. Das allerdings hatte ich vollkommen vergessen. Alles, mein ganzes Dasein, habe ich geführt und organisiert wie ein Business - jedoch ohne überlebenswichtige Pausen oder echten Ausgleich.

Und diese Getriebenheit, die in mir steckt, führte auch dazu, dass ich während der fünf Wochen, die ich in der Klinik verbrachte, gleich die nächste Geschäftsidee konzipierte, die vier Jahre später realisiert wurde. Weil ich es immer noch nicht gelernt hatte, meine innere Leere wahrzunehmen und auszuhalten, suchte ich weiterhin Halt im Außen. Und so bestand das La Paz zwar fort und ich führe es bis zum heutigen Tage. 2010 jedoch gründete ich mein eigenes Unternehmen, basierend auf jenem Food-Konzept, das nicht nur Kantinen quasi in Restaurants verwandelte, sondern sogar auch als einer der ersten Online-Shops im Food-Segment eine Art neuer Lieferservice für den Business-Bereich darstellte. Das Konzept versprach also wiederum großen Erfolg und dieses Versprechen löste sich früher oder später auch ein. Auf der anderen Seite aber war diese innovative Geschäftsidee aus der blanken Not heraus entstanden und lediglich für eine gewisse Zeit mein Rettungsanker in den tiefen Abgründen meiner Seele.

Die anderen machen das schon ...

Wer also glaubt, dass sich nun alles zum Besseren änderte, ist auf dem Holzweg. Unternehmer müssen Entscheidungen treffen, aber nicht nur das - sie müssen auch handeln und dafür die Verantwortung tragen. Wenn sie einen Fehler machen, müssen sie dafür geradestehen. Und genau hier hakte es bei mir!

Ich hatte noch immer Angst, Fehler zu machen, zu versagen, den Karren vor die Wand zu fahren. Jedoch: Entscheidungen zu treffen und entsprechend zu handeln, das waren zwei verschiedene Paar Schuhe für mich. Die Folge war, dass ich die anderen handeln ließ. Mein Gedanke dahinter war ganz einfach: Wenn ich nicht handele, trage ich auch keine Verantwortung.

Ich saß also in meiner Komfortzone und schaute zu, wie die anderen Geschäftsführer agierten. Die jedoch waren dieses Spiel verständlicherweise irgendwann leid - und gingen. Einige von ihnen führten bald ihren eigenen Lieferservice, sie hatten schließlich gelernt, wie es funktioniert. Es war im Laufe der Jahre ein munteres Kommen und Gehen von Managern und Geschäftsführern. So allerdings entsteht kein Team, nicht einmal ein Teamgedanke.

Der Trainer einer Fußballmannschaft muss die Mannschaft aufstellen und sagen, wo es langgeht. Wenn er jedoch glaubt, die volle Verantwortung an den Kapitän abgeben zu können, weil er fürchtet, dass seine Aufstellung womöglich mies ist, verliert er zunächst seine Autorität und dann bald auch seinen Job. Dass auch der Kapitän schnell keine Lust hat, seinen Kopf für den Trainer hinzuhalten, dürfte ebenfalls klar sein.

Geben und Nehmen

Niemand geht wirklich ganz allein über die Ziellinie: So wie der Sportler einen Trainer hat, der ihn unterstützt und voranbringt, hat auch der Unternehmer Geschäftspartner an seiner Seite, ohne die der Erfolg der Firma nicht denkbar wäre - nicht zu vergessen die Lebenspartner und die Freunde, die ihm zur Seite stehen und ihm den Rücken freihalten.

Nun wäre es allerdings eine Illusion, zu denken, dass Hilfe von außen sozusagen unerschöpflich ist. Sie stößt nämlich dann an ihre Grenzen, wenn der andere den Eindruck hat, dass er mehr gibt, als er zurückbekommt. Ist das Verhältnis von Geben und Nehmen nicht mehr im Gleichgewicht, wird es problematisch. Ich habe das am eigenen Leib erfahren, weil ich nicht vollständig in meine Eigenverantwortung gegangen war.

Es geht hier also nicht darum, das Verhalten der anderen zu verurteilen. Jeder kennt das schließlich aus seiner eigenen Erfahrung: Wenn man das Gefühl hat, zu geben, ohne etwas dafür zurückzubekommen, überdenkt man sein Verhalten und geht irgendwann auf Distanz zu dem anderen, wenn sich dieses Missverhältnis nicht ändert. Das ist ganz menschlich. Was ich also deutlich machen will, ist, dass Erwartungen an andere keine Größe sind, auf deren Erfüllung man dauerhaft bauen kann oder sollte.

Fakt ist: Ohne meine Geschäftspartner oder meine damalige Frau wäre ich nicht der, der ich heute bin. Das steht felsenfest. Zwar braucht man klare Ziele, eine gute Strategie und einen starken Willen, um Erfolg zu haben, aber ohne Unterstützung von außen geht gar nichts. Jedoch darf man nicht vergessen, dass die Hilfe und Unterstützung, die man erfährt, nicht auf purer Selbstlosigkeit beruht. Vielmehr baut sie darauf auf, dass etwas von einem zurückkommt, von dem auch sie profitieren. Bist du aber nicht willens oder in der Lage, etwas zurückzugeben, darfst du dich nicht wundern, wenn du deinen Weg irgendwann allein beschreitest. Die Bereitschaft, etwas zu geben, versiegt dann, wenn das Gefühl vorherrscht, zu wenig zurückzubekommen.