25,99 €
Ein österreichischer Rennfahrer, der Formel 1-Geschichte schrieb Immer ein rotes Kapperl auf dem Kopf und nie um eine schnelle Antwort verlegen: So haben die meisten Niki Lauda in Erinnerung. Herbert Völker, ehemaliger Herausgeber und Chefredakteur der "Autorevue", kannte den berühmten Rennfahrer auch abseits des Ruhms: Die beiden waren schon befreundet, bevor dem Champion der Sprung in die Formel 1 gelang. Aus dieser jahrzehntelangen Freundschaft ist ein großer Schatz an Erinnerungen hervorgegangen – an gemeinsame Ausfahrten, an lange Gespräche, an denkwürdige Momente. Eine Auswahl davon ist in dieser ungewöhnlichen Niki-Lauda-Biografie zusammengetragen. - Spannende Geschichten vom dreimaligen Formel-1-Weltmeister - Mit Witz und Selbstironie: "Haben Sie ein Ohrwaschel gefunden?" - Legenden der Formel 1: Niki Lauda und die Kraftlinien des Grand-Prix-Sports - Wichtige Weggefährten: Von Bernie Ecclestone bis James Hunt und Toto Wolf - Ein tolles Geschenk für Formel 1-Fans Ein Blick hinter die Kulissen: Niki Laudas Familie und Karriere Aufzeichnungen zahlreicher Gespräche unter Freunden über die großen und kleinen Stationen einer spannenden Lebensgeschichte: In diesem Niki-Lauda-Buch ist die typische Stimme des berühmten Österreichers wieder zu hören. Herbert Völker erzählt von unzähligen Begegnungen und zeichnet nicht nur die Biografie Niki Laudas, sondern auch die Geschichte des Rennsports nach. Ein packendes Buch über Rekorde, Unfälle und Erfolge: Geschichten über Niki Lauda und die Formel 1, die tiefe Einblicke in die Entwicklung des Motorsports geben!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 260
Herbert Völker
Stories vom Champion
Lauda (Ferrari) führt das Feld in die Startrunde zum GP Südafrika 1976 vor Jochen Mass, Vittorio Brambilla und Ronnie Peterson.
DER ROMANTISCHSTE AUGENBLICK
FERRARI
BESUCH IN FIORANO
AUTOREVUE
PÖTZLEINSDORF
DIE LETZTEN KLASSIKER
LADY AN DER BOX
AUS EINER ANDEREN WELT
NÜRBURGRING
KAPPLN
JAMES HUNT
IM KREIS FAHREN
FLIEGEN
WELTMEISTER ZUM DRITTEN MAL
WILLI DUNGL
EIN MONTAG IM MAI
LAUDA AIR
DREI JOBS
DIE KÜHE VON URUGUAY
RACING KIDS
IM WEINBERG
FREUNDE
AUTOS
MAHLZEIT
RUSH
KLAMOTTEN UND KLEINGELD
LETZTER AUSFLUG
Der Rennfahrer
Über den Autor
Impressum & Bildnachweis
Herbert Völker, Niki Lauda am Pogusch, 2003
Winter 1999, wir hocken in Laudas Lieblingscafé und reden darüber, wie es so ist, wenn man 50 wird.
Die Aufzeichnung ist naturbelassen, drum sind auch seltene Wörter dabei, sie erklären sich hoffentlich selber.
Nikis Hauptjob zu jener Zeit war die Führung der Lauda Air in einer schwierigen Phase.
Die (erste) Nierenspende durch Bruder Florian hatte gut funktioniert.
HERBERT VÖLKER: Wie ist der Zustand deines Körpers mit 50?
NIKI LAUDA: Der Zustand ist der, dass ich um zwei Kilo zu viel habe, am Ranzen. Ich hab immer 76 gehabt und jetzt hab ich 78. Ich hab mir eine Karte für ein Fitnesscenter organisiert, aber ich bin einer, der nicht schwitzen mag. Das ist mir unangenehm. Alles im Leben müsste auch ohne Schwitzen gehen. Ansonst ist der Körper tadellos.
Hat sich die dritte Niere gut eingelebt?
Bestens. Allerdings hat mich die Marlene angerufen, sie hat in Barcelona einen Japaner getroffen, der lässt mir sagen, ich soll immer nur rückwärts gehen, also immer nach hinten, das soll so gut für die Nieren sein. Sag ich, da kann ich ja stolpern. Macht nichts, sagt die Marlene, geh rückwärts. Dann sag ich zu ihr, mein neues Nierndl ist ja vorne, da muss die Marlene jetzt den Japaner noch einmal fragen, ob ich trotzdem verkehrt gehen soll.
Wie ist der Zustand deines Geistes mit 50?
Unverändert. Ich kann noch immer nicht rechtschreiben, aber jetzt ärgert es mich zum ersten Mal. Wenn ich am Handy eine Message schicken will, muss ich oft ein anderes Wort verwenden, als ich will, weil ich nicht weiß, wie es sich schreibt. Wir zwei sollten uns auf ein Packl hauen. Du gibst mir deine Schreibe, und ich geb dir meinen Ranzen, dann kann ich Brief schreiben, und du hast nur zwei Kilo Übergewicht und nicht zehn.
Super Idee. Erkenne ich da einen Sinneswandel bei dir, dass es seinerzeit vielleicht doch g’scheiter gewesen wäre, etwas zu lernen, statt das Schulproblem per Fälschung des Maturazeugnisses zu lösen?
Natürlich wäre es g’scheiter gewesen. Aber jetzt hab ich’s dreißig Jahre so ausgehalten. Und die Frau Wünning schreibt die Briefe ganz super. Liebesbriefe schreib ich eh keine. Immerhin, wenn du mich nach meinem Geist fragst, dann ist die Rechtschreibung das Einzige, was mich stört. Manchmal denk ich mir, es wär schon gut, wenn ich alles schreiben könnt’.
Die Dinge, die du wirklich brauchst, hast du ja bestens drauf. Das muss man bedenken, damit die Antwort auf „Zustand deines Geistes“ nicht missverständlich daherkommt.
Ich hab ein Zahlengedächtnis von beängstigender Genauigkeit und kann überhaupt alles speichern, was für meinen Beruf wichtig ist.
Darf ich dich nach dem Zustand deines Gemüts mit 50 fragen?
Wechselhaft je nach den Frustrationsaspekten meines jetzigen Berufs (Führung der Lauda Air; Anm.). Das bestimmt meinen Gemütspegel, den Rest hab ich im Griff. Aber mit meiner Disziplin lasse ich auch den Berufsfrust nicht aus dem Lot kommen. Ich sag mir, ich hab mir das ja selber ausgesucht, damit ist das Problem ziemlich rasch gelöst.
Wer ist dein Lebensmensch?
Marlene, keine Frage (acht Jahre nach der Scheidung; Anm.). Sie hat auf ihre Art genau zu meinem Leben gepasst, und alles hat sich glänzend ergänzt. Toll, was sie den Kindern gegeben hat. Ich bin schon sehr happy, dass Lukas und Mathias so geraten sind, wie sie sind, das haben wir nur der Marlene zu verdanken.
Welche deiner Freundschaften waren oder sind für dich die wichtigsten?
Früher der Bertl Wimmer, der als Landfreak aus dem Wald gekommen ist und mein stressiges Formel-1-Leben um die Lustigkeit bereichert hat, genauso wie Hannes Rausch, der mich auch vom Stress abgelenkt hat …
… klingt so, als wäre die wichtigste Eigenschaft deiner Freunde, dir den Kasperl zu machen …
… nein, nein, die Hetz ergibt sich einfach, die lässt sich nicht planen. Aber es liegt ja in der Natur von Freunden, dass sie dir etwas geben, das dir abgeht, und wenn es in umgekehrter Richtung auch funktioniert, dann klappt es eben. Der Bertl hatte ein natürliches Empfinden der Dinge, das bei mir als Großstadtmensch schon überlagert war von irgendwelchem Schutt. Und der Hannes, als Grafiker und Künstler, hat sein kreatives Denken in meine mechanische Welt hineingetragen und mir die Augen geöffnet für Schönheit und Visionen. Mit dem bin ich vor fünfzehn Jahren in Sydney gesessen, und er hat gesagt, da müsst’ man einmal herfliegen, als Lauda Air …
Aber sowohl den Bertl wie auch den Hannes seh ich heute eher selten. Es ist nicht mehr, wie es war, die Arbeit hat sich dazwischengedrängt. Heute verbindet mich die Arbeit automatisch mit dem Attila. Das ist halt ideal: Wenn zwei, die sich gut verstehen, das gleich in der gemeinsamen Arbeit umsetzen können … und genau das mache ich seit zehn Jahren mit Attila Dogudan.
Wie funktioniert der Antrieb des Niki Lauda?
Kann ich dir genau erklären. Ich krieg irgendeine Idee, was immer es ist. Das war damals das Rennfahren, dann war es die Airline. Das fasziniert mich aus irgendeinem Grund, den ich gar nicht erklären kann: Es fasziniert mich halt. Und ab diesem Moment fasziniert mich auch die Umsetzung dieser Idee bis zum Ziel. Jetzt zum Beispiel (schaut suchend herum): Wenn ich es toll finde, diese Römerquelleflasche auf den Mond zu tragen, dann hab ich ein Ziel und geb erst eine Ruh, wenn das Flaschl am Mond ist.
Da kannst du ja von Glück reden, dass dir mit achtzehn das Rennfahren eingefallen ist und nicht das Römerquelleflaschl-auf-den-Mond-Tragen …
Klar, das war mein Glück. Mit dem Grand-Prix-Sport hab ich mir zufällig etwas Medienwirksames ausgesucht, und danach ist mir die Airline eingefallen, das war zufällig auch wieder interessant für ein breites Publikum. Dadurch bin ich in eine Kontinuität geraten, die ich aber nicht angestrebt habe. Ich hab ganz sicher nicht gesagt, ich will groß und berühmt werden, wie es der Muhammad Ali gemacht hat. So eine depperte Idee darf dir nie kommen in deinem Leben, weil das ist ja kein Ziel.
Was ist der Sinn des Lebens?
Der liebe Gott hat uns auf eine breite Straße gesetzt, und auf der kannst du fuhrwerken, wie du willst. Du wirst versuchen, nirgendwo anzupledern, weil der liebe Gott hat dir nur diese eine Straße und kein Paradies gegeben. Du bist für dein eigenes Leben voll verantwortlich und musst wissen, was du daraus machen willst. Dass daneben noch ein anderer mitlenkt, ist ja offensichtlich. Irgendwas in dem ganzen System ist also vorgegeben und für uns als Schicksal rätselhaft. Aber innerhalb deiner Möglichkeiten musst du fuhrwerken wie ein Wahnsinniger: in schlechten Zeiten, um sie selber wieder besser zu machen, und in besseren Zeiten, um nicht abzuheben, sondern zu wissen, mein lieber Freund, die Landung kommt irgendwann einmal.
Glaubst du an den lieben Gott?
An einen übergeordneten Mitlenker unseres Lebens glaube ich schon. Aber nicht im Sinn von Leuten, die meinen, wenn sie jeden Sonntag in die Kirche gehen, können sie vorher die Alte prügeln und dann beichten und alles ist erledigt. So einfach kann es nicht funktionieren.
Wie gehst du in deiner Lebensgeschichte dir selbst gegenüber mit dem Absturz der Boeing 767 um?
Dass ich dabei zuallererst an das Schicksal der Betroffenen und die Trauer der Angehörigen denke, ist klar. Rein sachlich ist es so, dass die Schubumkehr der Boeing 767 einen gravierenden Konstruktionsfehler hatte und dass sich irgendwann irgendwo auf der Welt ein Fallbeispiel ergeben musste und man dadurch auf den Fehler draufkommen würde. Warum sich das Schicksal gerade uns ausgesucht hat, bleibt ein quälendes Mysterium. Danach kannst du dir nur aussuchen, ob du es zulässt, daran zu zerbrechen, oder deine ganze Kraft dafür einsetzen willst, da durchzukommen. Du weißt, dass ich versuche, mir jedes Problem logisch zu erklären, und in diesem Fall hab ich mir gesagt: Von mir ist verlangt, mit meinen Mitteln, was immer die sein mögen, da durchzukommen und nicht in Depression oder sonst wie zu versacken.
Sind in all den Jahren irgendwann noch irgendwelche Zweifel an der Absturzursache zurückgeblieben – bei dir oder auch bei den untersuchenden Behörden?
Null. Der Konstruktionsfehler wurde zu 120 Prozent nachgewiesen. Sonst wäre mein persönliches Problem ja ungleich größer gewesen, ich habe keine Ahnung, wie ich damit hätte fertig werden können. Dieses Gefühl stammt schon aus der Rennfahrerzeit: Was immer ich mir zumute, ich darf mit meinem Wahnsinn keinen anderen gefährden. Ich werd in meinem Leben nie vergessen, wie der Gilles Villeneuve dem Ronnie Peterson in Japan aufgefahren ist und in die Zuschauer geflogen ist (Großer Preis von Japan, 1977; Anm.), es gab zwei Tote – was da in meinem Kopf vorgegangen ist. Ich wollte alles tun, um nie, nie, nie in eine solche Situation zu kommen.
Themenwechsel. Kommen wir zu deiner Lebensweise, die für Leute, die dich näher kennen, doch sehr imponierend ist. Ich meine deine Art von Zeitmanagement, das dir erlaubt, trotz all dem Stress und der Verantwortung über die Jahrzehnte ausgeglichen und locker zu sein und eigentlich immer lockerer zu werden.
Ich nehme die Zeit unheimlich wichtig und kämpfe daher gegen die täglichen Zeiträuber und zeiträuberische Aktionen. Ich hab einen ausgeprägten Horror vor Leerläufen, die andere Menschen vielleicht nicht einmal als Leerlauf empfinden. Daher ziehe ich meinen persönlichen Rhythmus durch und passe mich nicht dem gängigen Tempo an. Die völlige Abschaffung höflichen Smalltalks ist ein gutes Beispiel. Sofort auf den Punkt kommen, danke, wiederschaun. Der Verzicht auf Herumreden. Ich mach lieber einmal in der Zeit einen Fehler durch eine allzu rasche Entscheidung als ein Leben lang herumlabern und Probleme verschieben. Geschäftsessen: Wenn ich gegessen hab und der Punkt besprochen ist, steh ich auf und geh. Dass das unhöflich wirken mag, nehme ich in Kauf. Um seine eigene Zeit zu verteidigen, muss man sich manchmal richtig egoistisch aufführen.
Mir persönlich taugt deine Selbstironie. Menschen, die sich selber auf die Schaufel nehmen, sind ein echter Segen. Bei Promis ist das ja eher selten. Hast du diese Eigenschaft immer schon gehabt, oder ist sie mit der Zeit gekommen?
Ich hab’s auf die harte Tour gelernt. Wenn du dich einmal so verunstaltet hast wie ich, lebst du entweder dauernd mit einem belastenden Gefühl oder hupfst einfach drüber. Bevor ich darunter leide, dass mich einer blöd anschaut, frag ich lieber, ob er hier irgendwo ein Ohrwaschl gefunden hat, weil mir geht nämlich eines ab.
Ich hab zuerst zwar eher die Leichtigkeit der Selbstironie und nicht Sarkasmus gemeint, den hast du natürlich auch gut drauf. Ist das erst nach dem Unfall gekommen?
Schon. Vorher war ich durchaus ein braves Buberl. Bei dem Film, den sie jetzt im ORF zu meinem Fünfziger gemacht haben, gibt’s eine Szene, da zeigen sie mich und die Mariella Reininghaus 1973 oder 1974. Ich hab eine Kuh gehalten oder ein Kalb und rede über die Formel-1-Saison. Wenn ich das jetzt seh, erschreck ich. Ich hab geredet wie der Wurz, na, nicht ganz so aufgedreht wie der Wurz, aber in der gleichen Abfolge, Handling, Oversteer, Understeer, alles todernst, schrecklich. Ich bin im Lauf der Zeit immer kürzer geworden, dadurch prägnanter. Mit der Altersweisheit ist halt dann auch der Witz gekommen … und natürlich die schützende Ironie von einem, der lädiert ist.
Wenn wir schon dabei sind, dich zu loben: Ich hab Freude an deinem Sinn für die Smoothness von Bewegungen, die Art, wie du etwas angreifst … das hat unsere gemeinsamen Fahrten und Tests immer recht vergnüglich gemacht.
Ich hab ein Talent, mit technischem Gerät umzugehen, so wie es logisch richtig ist. Dazu gehört der sanfte, harmonische Bewegungsablauf im Auto wie im Flieger. Ich hab den Ehrgeiz, nach einem Zwölfstundenflug nicht nur weich zu landen, sondern den Flieger auch ganz sanft am Gate abzuliefern, ohne Ruck und ohne harten Bremser, dass es alle beutelt. Gib einmal drauf acht, wie vielen Piloten das völlig wurscht ist. Und: Ich mag auch keine dreckigen Autos. Ein blöder Fingerabdruck kann mich so ärgern, dass ich das Auto gleich wieder waschen lass.
Hängt das mit deiner Erziehung in einer sehr großbürgerlichen Familie zusammen?
Aber wo. Das kommt von dem Gefühl, das ich beim Rennfahren entwickeln musste. Es wird kaum einen guten Rennfahrer geben, dem es wurscht ist, wie sein Auto ausschaut. Ideal war natürlich, wenn die Schönheit eines Formel-1-Autos sich total in Speed umsetzen ließ. Das ist ja das Geheimnis der Ferrari-Legende, dass Speed und Schönheit einander beflügeln. Davon lebst ja du und deine Kollegen – dass viele Menschen eine Wechselwirkung zwischen Schönheit und Performance nachempfinden können und sich interessieren, was es dazu zu sagen oder zu schauen gibt.
Wenn du das als Rennfahrer grundsätzlich draufhast, achtest du auf Details, schließlich wird ja die Aerodynamik schon von Winzigkeiten beeinflusst. So hab ich ein Gespür für die Perfektion einer Maschine entwickelt und konnte immer besser mit ihr leben. Beim Warmfahren eines Autos hab ich gespürt, wie das kalte Öl durch den Motor rinnt, zumindest hab ich es mir eingebildet. Natürlich weiß ich, dass die heutigen Motoren so konstruiert sind, dass du sie nicht mehr warmfahren brauchst, trotzdem tut’s mir weh, gleich draufzusteigen. Und wenn ich mit dem Flieger hinausroll, dann sind all meine Antennen genauso ausgefahren wie damals, als ich mir gedacht hab, ich muss es besser machen als die anderen Rennfahrer.
Dieser Blick fürs Detail wird manchmal schon wunderlich. Wenn ich durch eine 777 mit ihren 344 Sesseln geh, kannst du sicher sein, dass ich gerade jenen Aschenbecher aufmach, in dem ein Kaugummi pickt, und dann sag, Herrschaften, warum ist der Flieger dreckig?
Was ist die romantischste Situation, an die du dich erinnerst?
(Denkt nur kurz nach.) Wie ich mit dem Hans Kemetinger in einer Golden Eagle, das war ein Propellerflugzeug, Ende 1975, nach Genf geflogen bin, um die Marlene zu treffen. Da war ich schon Weltmeister, offiziell noch mit meiner früheren Freundin zusammen und musste auf die Medien aufpassen, wenn ich jemand treffen wollte, ohne dass es gleich in der Zeitung steht. Am Rollfeld sind wir hinter einem Follow-Me-Lotsenauto nachgetaxelt, und in dem Follow Me macht mir einer dauernd irgendwelche Zeichen, und ich denk mir, spinnt der da drin. Als wir zum Stillstand kommen, hupft die Marlene aus dem Auto und wachelt wie eine Wilde. Wie die in den Follow Me gekommen is’, das darfst mich nicht fragen.
Das war die romantischste Situation deines Lebens?
Jaja, das werd ich nie vergessen. Warum lachst so blöd, das ist doch romantisch, oder?
Klar, alles dabei, schöne Frau, Flughafen, Flugzeug, Auto. – Was wünscht du dir, heute, ganz sehnlich vom Leben?
Gesundheit.
Das ist alles?
Na klar, das ist wichtig. Das Ohrwaschl ist mir an’brennt, das Nierndl klackert vorn, also was soll ich mir wünschen?
Hast du keine große übergeordnete Sehnsucht?
Irgendwas zu machen, was ganz anders ist. Was Gemütliches. In Uruguay Kühe züchten oder auf Haiti ein Zehn-Betten-Hotel aufmachen, irgend so eine Blödheit. Hauptsache, es ist das Gegenteil von dem, was ich jetzt mach. Also: auf sich selbst gestellt sein, in der Natur leben, woanders, in einem anderen Klima, unter anderen Menschen.
Also die klassische Aussteigergeschichte?
Schaut so aus.
Kann das ganz plötzlich passieren, durch irgendeinen Zufall? Zum Beispiel morgen?
Natürlich könnte es plötzlich passieren, man kann das nie ausschließen, aber im Grunde bin ich ein disziplinierter Mensch. Ich hab noch für dreieinhalb Jahre einen Vorstandsvertrag (bei Lauda Air; Anm.), wo ich meinen Leuten verpflichtet bin und mir selber, also ich bin schon drauf eingestellt, diesen Vertrag mit Sicherheit einzuhalten. Erst dann stellt sich die Frage: Mach ich das Gleiche noch einmal oder ganz was anderes?
Du wirst es uns rechtzeitig sagen, gell.
Lauda machte sich nie etwas aus Geburtstagen. Dies ist sein Sechziger.
Wenn ein Bub auf die Welt kommt, sagt er rasch einmal Papa und Mama, dann bald Ferrari. Haben Sie schon gehört, dass ein Baby Toyota schreit?
(Niki Lauda)
Enzo Ferrari, 1956, vor dem Sportwagen 860 Monza
Eine neue Zeit beginnt 1960: Test des ersten Mittelmotor-Ferrari in Fiorano
Enzo Ferrari kam aus dem anderen Jahrhundert und war schon als Maultier-Hufschmied in einer Gebirgseinheit im Ersten Weltkrieg dabei. Er bekam einen Job als Testfahrer, was immer man darunter verstehen mochte, bei einer Firma, die Lastwagen-Recycling betrieb. In den 1920er-Jahren hatte er die Chance, sich als Rennfahrer bei Alfa Romeo zu versuchen, es waren hauptsächlich Bergrennen auf unbefestigten Straßen. Im ganzen Land spürte man schon die Schubkraft eines Regimes, das eindeutig mehr an die Macht der Maschinen als an die Schönheit der Künste glaubte. Geschwindigkeit wurde zum Fetisch der Epoche, nirgendwo dramatischer inszeniert als in Italien.
Enzo Ferrari fuhr gut zehn Jahre lang für Alfa, auch gegen Leute wie Alberto Ascari und Tazio Nuvolari, war oft genug an der Spitze dabei und gewann etliche der größeren Rennen. Deutlicher gesagt: Er war einer von denen, die manchmal Tazio Nuvolari geschlagen haben!
Aus den alten Schriften lässt sich herausbuchstabieren, dass er als Rennfahrer ein technischer Typ war, mit Kalkül, materialschonend. Daraus erklärt sich auch die Faszination, die der gegensätzliche Typ zeitlebens auf ihn ausübte, der des Instinktfahrers, des Vollgastiers – wie Nuvolari, Stirling Moss, Gilles Villeneuve. Enzo Ferrari selbst baute verdächtig wenig Stürze und kam praktisch nur dann ins Spital, wenn er Nuvolari besuchte.
1923, als 25-jähriger Rennfahrer, der noch die ganze Karriere vor sich hatte, begann er mit dem Verschieben von Dingen und Menschen. Er hatte die Organisation der Alfa-Sporteinsätze übernommen und machte Druck in Richtung Technik. Im Lauf der nächsten fünfzehn Jahre holte er die besten Ingenieure, darunter die Jahrhundert-Motorenkonstrukteure Jano und Colombo.
Wann war Enzo Ferrari als abgehobener Einzelner erkennbar, als ein Außerordentlicher?
Wohl 1931, 1932. Er hatte seinen eigenen Rennstall, die Scuderia, gegründet. Sie durfte den Namen Ferrari tragen, aber nur Autos der Type Alfa Romeo ins Rennen führen. Enzo Ferrari hatte das Talent, die besten Fahrer an sich zu binden. Da ging es sowohl um Klasse als auch Ausstrahlung. Das „erwachende“ Mussolini-Italien war auf Heldentrip und brauchte den Garibaldino-Rennfahrertyp als Heldenvorlage für werdende Soldaten. Idealbesetzung: Nuvolari.
Enzo Ferrari 1920 auf Alfa Romeo
Zufall oder nicht: Just zu jener Zeit wurde die Optik des Scuderia-Auftritts durch ein sehr hübsches, einprägsames Symbol bereichert: cavallino rampante, prancing horse, das springende Pferdchen. Ohne jetzt zwei Jahrhunderte zuvor mit dem Herzog von Savoyen und dem 2. Piemontesischen Kavallerie-Regiment zu beginnen: Das Pferd gehörte als Wappentier zur Staffel des Francesco Baracca, Italiens strahlendstem Fliegerhelden des Ersten Weltkriegs, im Tiefflug abgeschossen von einem österreichischen MG im Juni 1918.
Die Eltern des Helden, Graf und Gräfin Baracca, hatten Ferrari eher zufällig kennengelernt und boten ihm das Bildnis des Pferdchens als Glücksbringer für seine Rennwagen an. Das ist rund hundert Jahre her und lässt sich wunderbar über viele Seiten erzählen, ist auch oft verbessert und angereichert worden, die spätere Registrierung als Markenzeichen hat zu einer kurzen Verstimmung mit Porsche (Stuttgarter Wappen) geführt. Seither führen Ferrari und Porsche in neidloser Eintracht das gleiche Vieh spazieren, auf italienischer Seite allerdings mit sehr viel höherer Strahlkraft.
Mittlerweile kann man für die gesamte Geschichte des charmanten Pferdchens auf gesicherte Wahrheit zurückgreifen und dies in höchst empfehlenswerter Weise mit einem Besuch des Museums „Francesco Baracca“ in Lugo bei Ravenna verbinden.
Wir sind aber noch in den 1930er-Jahren, Enzo Ferrari arrangierte sich mit der Mussolini-Zeit, auch mit ihrer patriotischen Schwurbelei, ohne sich sein Lebensprofil ernsthaft zu vermasseln. Der Dichter- und Kriegerfürst Gabriele D’Annunzio hatte die Figur des „todesmutigen“ Rennfahrers Tazio Nuvolari zur Projektion seines Bilds von Genius, Sieg und Rasse erwählt. Etliches davon färbte auf den Rennleiter Ferrari ab, der seine eigene Art von Pathos einbrachte. Das gehörte also auch schon zum Zauber des Namens Ferrari, lang vor der Gründung der Marke.
Die Zeit des Faschismus und des Kriegs hat er in der möglichst neutralen Ecke des nützlichen Technikers überstanden. Technik und Erfolg waren ihm immer gut genug, er musste sie nie verbrämen mit irgendwelcher Ideologie, vor allem aber war er bauernschlau. Vielleicht hatte er Mussolini sogar durchschaut, wir finden dazu keine verlässliche Aufzeichnung.
Die Umbrüche hatten es mit sich gebracht, dass Ferraris Betrieb (nunmehr Werkzeugmaschinen) stark wuchs und wegen der Nazi-Befehle zur Industrie-Dezentralisierung aus Modena verlegt werden musste. So ergab sich der Standort Maranello, und bei Kriegsende verfügte Enzo Ferrari über ein vergleichsweise weitläufiges Industriegelände. Weiteres Start-kapital waren sein guter Name, seine Beziehungen (Nuvolari meldete sich zurück: „Ich bin bereit, Ferrari“) und die besten Beute-Ingenieure vom Vorkriegspartner Alfa Romeo.
In diesem Gründungsjahr der Firma, also 1947, war Ferrari 49 Jahre alt.
Einziges Geschäftsfeld, vorerst: Konstruktion von Rennwagen, die aber, wenn’s wirklich sein musste, auch auf der Straße gefahren werden konnten. Hilfreich in dieser Auslegung war der Text des ersten gedruckten Ferrari-Prospekts, der sich in der Übersetzung so liest: „Bevor Sie sich für Ihre zukünftige sportliche Tätigkeit entscheiden, bevor Sie einen Wagen kaufen, der Ihren Ansprüchen genügt, geben Sie uns die Ehre, denken Sie an die Scuderia Ferrari und schreiben Sie uns. Vielen Dank.“
Es war absolut sensationell, im finstersten Nachkriegs-Italien ein neues Sportauto auf die Räder zu stellen, ansonst wurden höchstens die alten Kisten von Alfa und Maserati aus den Scheunen geholt. Und, mit welchem Material auch immer, es wurden auch gleich wieder Rennen gefahren, diese Nation war tatsächlich rennsportverrückt.
Zur allgemeinen Verrücktheit kam der süße Wahnsinn des Enzo Ferrari, gleich einmal einen Zwölfzylinder in Auftrag zu geben, obwohl es dafür nur anderthalb Liter Hubraum gab, festgelegt vom Reglement. Wieder ein Puzzlestein zur historischen Verklärung: Ferrari fabulierte von „la canzone del dodici“, dem Lied des Zwölfers, das so unvergleichlich schöner sei als das Brodeln der Achtzylinder.
Dieser Mut zur eigenen Phantasie, die Kraft zum tatsächlichen Vollzug von Visionen führen zum Kern des Phänomens Ferrari. Er war kein gelernter Ingenieur, auch kein gelernter Unternehmer, aber er konnte sich als Führer glaubhaft darstellen und die richtigen Leute für den richtigen Job gewinnen.
Bald wurden die klassischen Rennen wiederbelebt, Mille Miglia und Targa Florio, und 1950 erfand man sogar eine völlig neue Liga. Man nannte sie Formel 1.
Nur fünf Teams waren für die erste Weltmeisterschaft aufzutreiben, drei italienische (Alfa Romeo, Maserati und Ferrari) und zwei französische (Gordini, Talbot). Ferrari war als Erster mit neu konstruierten Autos fahrbereit, also nicht mit überwinterten Vorkriegsmodellen, und schon 1952 hieß der Weltmeister Alberto Ascari – auf Ferrari.
Enzo Ferraris Charisma, gefüttert mit mancherlei Listen und erstaunlicher Bigotterie, kam immer besser zur Geltung. Er war ja auch einer der wenigen Motorsportmenschen, die als Sprücheklopfer schon eine gewisse mediale Reichweite hatten. Als ein Ferrari zum ersten Mal Alfa Romeo besiegte, jammerte Enzo Ferrari: „Ich habe meine Mutter getötet.“
Als sich die ganze Welt weiter erholte, war Ferrari also wie selbstverständlich ganz vorn, auch wenn die wirtschaftliche Dimension der ganzen Branche noch lächerlich war.
Es ging dann alles sehr schnell, mittendrin auch schroff bergab. Ein Unfall mit elf Toten führte 1957 zum Ende der Mille Miglia und zu einer Anklage gegen Ferrari, er habe seinen Fahrer mit unpassenden Reifen ins Rennen geschickt und damit das Unglück ausgelöst. In den folgenden unsicheren Monaten traute sich Ferrari nicht ins Ausland (Kosmopolit war er aber wahrlich nie gewesen), und als die Luft wieder rein war, machte er das Daheimbleiben zur Gewohnheit. Das sollte auch für Niki Lauda eine Rolle spielen, der damals allerdings erst acht Jahre alt war.
Mit dem Auftauchen der englischen und deutschen Hersteller und frisch erworbenem Ruhm neuer Weltstars wie Juan Manuel Fangio und Stirling Moss hatte der Rennsport enorm an Volumen gewonnen, konnte sich aber kaum noch selbst ernähren, es gab mehr Pleiten als Erfolgsstories.
Auch die Firma Ferrari war bedrängt, und man förderte langsam den Verkauf von (grenzwertig sportlichen) Straßenautos. Man fand auch einen Agenten in den USA, und ein paar hundert Autos pro Jahr konnten schon abgesetzt werden. Die Autos sahen so aus, wie italienische Autos in den 1950er-Jahren einfach aussehen mussten: Sie nahmen „italienisches Design“ vorweg, ein paar Jahre vor der Weltgeltung des Begriffs.
Ob dem Motoren-Freak Enzo Ferrari die Ästhetik überhaupt wichtig war? Schwer zu sagen, denn der Mann hockte mittendrin in jenem Kraftfeld Norditaliens, aus dem sich das italienische Design-Wunder entwickelte: Architektur, Industrie, Möbel, Mode, schließlich ein ganzes Lebensgefühl. Wenn man in den fünfziger Jahren in Modena lebte und einen „Pinin“ Farina zum Freund hatte, war es die selbstverständlichste Sache der Welt, das Handwerk, das man betrieb, in den Formen eines Jahrhundertkünstlers auszudrücken.
Farina und Scaglietti, Anderloni und Vignale, Michelotti und Bertone, über diese Leute musste Ferrari einfach stolpern, und er stolperte jedenfalls nicht schlecht. Es ergaben sich Verbindungen von Technik und Emotion, die wir längst als Kunstwerke verstehen, heute vielleicht ein bissl gelangweilt von den Abermillionen am Preiszettel eines obszönen Markts. Enzo Ferrari hätte vor Rührung eines seiner riesigen Schnäuztüchln hervorgezogen.
In den 1960er-Jahren war der Ford-Konzern eine Weltmacht mit sportlichem Image. Für die Amerikaner lag nahe, die eigenen Ambitionen mit einem kleinen Schmuckstück wie Ferrari aufzupeppen. Die Kaufverhandlungen scheiterten an der Sturheit und den hemdsärmeligen Manieren Enzo Ferraris. Durch einen Rachefeldzug, der hauptsächlich in Le Mans ausgetragen wurde, vermehrte Ford zwar auch den eigenen Ruhm, vor allem aber den globalen Stellenwert von Ferrari. Was immer in Jahrzehnten an Filmen zu dem Thema gedreht wurde: Auch wenn die Amerikaner gewannen, kam Ferrari am besten rüber.
Lauda wurde für die Saison 1974 von Enzo Ferrari ins Team geholt. Es folgten stürmische Zeiten, Zerwürfnis und Versöhnung, fünfzehn Grand-Prix-Siege und zwei Weltmeistertitel.
In der Zeit um 1970 war Ferrari wirklich schon eine glamouröse Firma, aus der Tiefe der Racing History, veredelt durch die ikonischen Straßenfahrzeuge, legitimiert durch sechs Weltmeistertitel in der Formel 1.
Just in diesem Topsegment, dem Grand-Prix-Sport, gab es aber eine langanhaltende Flaute, weil Ferrari gefühlt ewig (also seit 1964, mit John Surtees) ohne WM-Titel geblieben war. Da ein solches Thema längst eine gesamtitalienische Affäre war und sich Enzo Ferrari als Archetyp eines Medien-Junkies aufführte, wurde es langsam ungemütlich. Peinlich auch wegen der gern geübten Überheblichkeit – Enzo Ferrari hatte die kleinen englischen Rennställe als „garagisti“ verhöhnt, und nun hatten Lotus, McLaren, Brabham und Tyrrell offensichtlich die progressiveren Autos. Dazu passten eindrucksvolle Fahrerpersönlichkeiten wie Emerson Fittipaldi und Jackie Stewart.
Wie bei jedem Rennen war Enzo Ferrari nicht persönlich angereist, sondern saß vor dem Fernseher, als 1973 der Grand Prix von Monaco lief. Dort sah er die Vorstellung eines jungen Österreichers, der sich mit einem glanzlosen BRM, also einem wirklich unterlegenen Auto, den Star des Ferrari-Teams vorknöpfte: Jacky Ickx. Der war zwar eindeutig einer der Weltbesten, aber zuletzt etwas glücklos. Man mag sich die Wut des alten Herrn vorstellen: Vorneweg die beiden Champions dieser Ära, Stewart auf Tyrrell, Fittipaldi auf Lotus, dahinter gleich ein Nobody aus einem kaum ernst zu nehmenden Team, dann erst Ferrari. So ging das zwanzig Runden lang, dicke Luft im Fernsehraum in Maranello: Wie sich die Entourage des Chefs dauernd entschuldigte, es war ja auch wirklich skandalös.
Sechs Wochen später war Lauda im Regentraining von Holland der Schnellste des ganzen Feldes, damit fügte sich das neue Bild des Rennfahrers zusammen. Ferrari beauftragte den später berühmt gewordenen Luca Cordero di Montezemolo damit, diesen jungen Österreicher einzufangen und vorzuführen.
Der wird Jahrzehnte später sagen: Dass ich heute der Niki Lauda mit dem roten Kappl bin, habe ich nur Ferrari zu verdanken. Ich bin durch ihn gemacht worden.
Luca Montezemolo (Mitte) war zuerst als Rennleiter die Schaltstelle zwischen Chef und Pilot, später kehrte er als Präsident zurück zur Firma und holte Lauda als Berater.
Enzo Ferrari (*1898, Modena, †1988, Modena) geriet nach dem Ersten Weltkrieg in die allgemeine Begeisterung für Automobile. Er durfte sich als Rennfahrer versuchen, hatte Talent und Erfolge und fiel durch organisatorisches Geschick auf. Anlässlich der Geburt seines Sohnes Alfredo „Dino“ trat er 1932 vom aktiven Rennsport zurück. Wäre es eine Tochter geworden, hätte er noch nachdenken müssen, jedenfalls hat er es so gesagt.
Die Scuderia Ferrari war in den 1930er-Jahren verantwortlich für die Einsätze der Werkswagen von Alfa Romeo. Berühmtester Rennfahrer unter dem Einfluss von Ferrari war Tazio Nuvolari. Die Scuderia betrieb zwar keine eigene Fertigung, erwarb aber schon ein weitläufiges Gelände nahe Modena. In dieser Zeit entstand Ferraris Netzwerk aus Automenschen der nördlichen Industrieregion Italiens.
Ferraris Bindung an Alfa Romeo lief aus, es konnte 1947 erstmals ein Rennwagen unter dem Namen Ferrari gebaut werden. Das springende Pferd wurde zum Markenzeichen.
Mit der Produktion von straßentauglichen Sportwagen ließ sich der Rennsport in den 1950er- und 1960er-Jahren halbwegs finanzieren. Wichtigster Markt waren die USA, bis dort immer strengere Verkehrs- und Umweltmaßnahmen gültig wurden. 1963 lehnte Enzo Ferrari ein Übernahmeangebot von Ford ab, 1969 stieg Fiat bei Ferrari ein. Heute ist Ferrari eine Aktiengesellschaft: Größter Gesellschafter ist die Holding der Agnelli-Familie.
Als Niki Lauda und Enzo Ferrari noch vernünftig miteinander reden konnten.
Das Hauptgebäude in Maranello umfasste sowohl die Fertigungsanlagen wie auch Büroräume. Die Teststrecke lag ein paar Minuten außerhalb in Fiorano. Mittlerweile wurde der ganze Komplex zu einer Mainstream-Erlebniswelt zurechtgerückt.
Skizze aus dem analogen Alltag, 1976
Ich übernachtete in Nikis luftigem Haus bei Salzburg. Lauda besaß noch beide Ohren, leider nicht mehr lange, denn es war schon Juni 1976. Er war regierender Weltmeister und führte auch haushoch in der laufenden WM, ein echter Gegner war nicht einmal erkennbar.
Marlene spielte mit großer Beharrlichkeit Randy-Newman-Platten über beide Stockwerke. Sie machte Frühstück um sechs in der Früh. Frühstück um sechs! Marlene!
In der Garage stand der Jaguar am günstigsten. Am Salzburger Flughafen wartete Hans Kemetinger, der Mann, der dem Niki das Fliegen beibrachte. In der zweimotorigen Cessna Golden Eagle mit Niki als Copilot ging es nach Bologna, Sante Ghedini holte uns ab, um neun waren wir im Werk in Maranello.
Niki fuhr hinüber zur Teststrecke nach Fiorano, um seinen Einsatzwagen für den Grand Prix von Schweden zu überprüfen, ich keilte derweilen im Büro mit Daniele Audetto herum, dem Ferrari-Rennleiter, der zuvor bei Lancia einer meiner Rallye-Kumpel gewesen war.
Das gewaltige Problem, das es zu besprechen galt: Ich war im Auftrag von „Playboy“ unterwegs, sollte ein Porträt des Enzo Ferrari schreiben, garniert mit einem Interview.
Audetto: „Der alte Herr gibt kein Interview für ‚Playboy‘, das hab ich dir schon am Telefon gesagt. Er hat auch gesagt: Wenn diese Leute zu uns kommen, will ich nichts davon wissen, ich will es überhaupt nicht erfahren.“
Wir Jungen hatten ja keine Ahnung von der unglaublichen Bigotterie des Enzo Ferrari, der es immer ordentlich hatte krachen lassen, diese Dinge wurden erst nach seinem Tod bekannt. Noch glaubte man ihm selbstverständlich seine tiefe Sorge um den Verfall der Moral. „Playboy“, uggh.
Audetto: „Du könntest ja als ‚Autorevue‘ auftreten, das löst das Problem.“
„Aber die Geschichte erscheint im ‚Playboy‘, das ist doch Betrug.“
„Er wird es nicht sehen“, sagte Audetto milde, also kann es auch kein Betrug sein, wollte er in typischer Ferrari-Logik ausdrücken.
Wir fuhren nun auch hinüber nach Fiorano, Audetto stellte mich vor, „Autorevue“, Freund von Niki … und der alte Charmeur lächelte ganz freundlich und sagte, die Freunde von Niki sind auch meine Freunde.
Daniele Audetto (rechts) moderierte unseren Besuch bei Ferrari und an der Teststrecke.