No End To Our Love - Audrey Carlan - E-Book

No End To Our Love E-Book

Audrey Carlan

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Beschreibung

Dieser Bodyguard will nicht nur dein Leben beschützen. Er will dich.

Als sie ihre Eltern verliert, findet Liliana Unterschlupf in Kerrighan House, einem Heim für Mädchen, denen nichts auf der Welt geblieben ist. Dort entdeckt sie, was Schwesternschaft und Familie wirklich ausmacht. Jahre später geraten Liliana und ihre Schwestern in ernsthafte Gefahr, weshalb sie den attraktiven Bodyguard Omar engagieren. Er macht keinen Hehl daraus, dass er Liliana näher kommen will, sie jedoch möchte der prickelnden Spannung zwischen ihnen um jeden Preis aus dem Weg gehen. Als Liliana in einen Banküberfall gerät, ist es ausgerechnet Omar, der sie rettet. Beide geben ihrer Leidenschaft nach. Doch Omar hat nicht die geringste Ahnung, auf was er sich eingelassen hat …

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Seitenzahl: 450

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Das Buch

Omar schlang sich meinen Rucksack über eine Schulter und verschränkte unsere Finger ineinander. Als er jedoch zur anderen Straßenseite hinüberblickte, packte er meine Hand plötzlich fester und schob mich dann hinter sich. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Sämtliche Gedanken an unseren Streit, den Biss, den Kuss und daran, dass er mich hochgehoben hatte, waren wie weggeblasen. Ich legte ihm die Hände auf den Rücken und spähte um ihn herum.

»Was haben Sie gesehen?«, flüsterte ich.

»Jemand macht Fotos von uns.« Seine Stimme klang angespannt, völlig emotionslos. Der spielerische Unterton von vorhin war verschwunden. Ich folgte seinem Blick und sah einen ganz in Schwarz gekleideten Mann davonlaufen. Er bog um die Ecke des Gebäudes auf der anderen Straßenseite und war schon bald verschwunden.

Die Autorin

Audrey Carlan ist eine international erfolgreiche Bestsellerautorin. Bekannt wurde sie vor allem durch ihre prickelnden Romance-Reihen Calendar Girl,Trinity und Dream Maker. Ihre Bücher wurden weltweit in über 30 Sprachen übersetzt. Audrey Carlan lebt gemeinsam mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern im California Valley. Wenn sie nicht schreibt, gibt sie Yoga-Unterricht, trinkt mit ihren »Seelenschwestern« Wein oder steckt mit ihrer Nase in einem sexy Liebesroman.

Lieferbare Titel

978-3-453-42430-2 – My Wish – Breite deine Flügel aus

978-3-453-42456-2 – My Wish – Strahle wie die Sonne

978-3-453-42457-9 – My Wish – Genieße jeden Moment

978-3-453-42458-6 – My Wish – Greife nach den Sternen

978-3-453-42671-9 – No Limits To Our Passion

978-3-453-42672-6 – No Distance Between Us

978-3-453-42673-3 – No End To Our Love

Audrey Carlan

no

end

to our

love

Aus dem Amerikanischen vonNicole Hölsken

Wilhelm Heyne VerlagMünchen

Die Originalausgabe Wild Spirit (Soul Sisters 3) erschien erstmals 2021.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Deutsche Erstausgabe 09/2024

Copyright © 2021 by Audrey Carlan, Inc.

Copyright © 2024 der deutschsprachigen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Anita Hirtreiter

Umschlaggestaltung: bürosüd, München, unter Verwendung von Motiven von © www.buerosued.de

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN: 978-3-641-29087-0V001

www.heyne.de

Für Elaine Hennig …

Auf medizinischem Gebiet bist du eine echte Koryphäe. Durch deine Kompetenz und dein Talent hast du dieser Buchreihe zu wahrem Glanz verholfen hast. Danke!

Deshalb ist dieses Buch für dich.

Ich hab’ dich lieb, meine Freundin.

Prolog

Gegenwart …

Tag des Banküberfalls

Der berühmte Singer/Songwriter Marc Anthony sagte einmal: »Wenn man tut, was man liebt, muss man keinen einzigen Tag im Leben arbeiten.« Offenbar hatte dieser weise Mann keine Ahnung vom Berufsalltag einer Lehrerin. Die zu allem Überfluss zweihundert Horrorteenager in den unterschiedlichsten Hormonstadien betreuen musste. Sie waren entweder Fluch oder Segen meines Daseins, je nach Tagesform. Heute eher Ersteres. Nachdem ich ein paar widerspenstigen Schülern noch nachmittägliches Nachsitzen aufgebrummt hatte – ihre Leistungen hätten eigentlich viel besser sein können, wenn sich die Eltern nur ein wenig mehr um sie gekümmert hätten –, war ich nun endlich auf dem Weg ins Wochenende, an dem ich mich mit meinen Pflegeschwestern treffen würde, um mit ihnen gemeinsam zu lachen und mich von ihrer Liebe wärmen zu lassen. Doch vorher musste ich noch was erledigen.

Ich freute mich, dass ich einen Parkplatz ganz in der Nähe der Liberty National Bank im Herzen Chicagos gefunden hatte. Dann schnappte ich mir meine Tasche und stieg aus meinem sportlichen knallblauen Chevy Blazer und drückte auf den Schließmechanismus meines Autoschlüssels. Einen Moment lang hielt ich inne, um meinen SUV zu bewundern. Er war schlank und schnittig, und ich hatte ein Jahr lang jeden Penny zweimal umgedreht, um ihn mir von meinem Lehrerinnengehalt überhaupt leisten zu können. Glücklicherweise war ich mit meinen achtundzwanzig Jahren so gut wie unkündbar. Ich musste bloß noch drei Jahre als Spanischlehrerin an der Franklin D. Roosevelt Highschool ausharren, dann konnte ich mich zurücklehnen.

Auf dem Weg ins Bankgebäude kramte ich mit gesenktem Kopf in meiner Tasche nach meiner Geldbörse und prallte plötzlich gegen eine Mauer. Beziehungsweise gegen einen riesigen, grinsenden Dickschädel von einem Mann, den ich nur allzu gut kannte.

»Verdammt, Omar! Verfolgst du mich etwa?« Vorwurfsvoll deutete ich mit dem Finger auf ihn und musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen.

Der heiße Typ grinste bloß, was mich wie immer stocksauer und gleichzeitig ein bisschen mal de la cabeza – etwas wuschig – machte.

»Es kann schon mal vorkommen, dass zwei Menschen, die in derselben Stadt wohnen, etwas in derselben Bank zu erledigen haben, chica.« Er hielt etwas hoch, das wie eine mit einem Reißverschluss verschlossene, prall gefüllte Geldtasche aussah. Vermutlich war sie voller Banknoten. Merkwürdig! Warum hatte er so viel Bargeld dabei?

»Du hast meine Frage nicht beantwortet. Verfolgst du mich?«, wiederholte ich.

Er presste die Lippen aufeinander. »No, mi lirio. Ich verfolge dich nicht. Für mich ist es Schicksal, dass wir gleichzeitig hier auftauchen. Meinst du nicht auch?«

Dass er mich »seine Lilie« nannte, ließ mich erschauern vor Erregung. Ich schluckte, um diese unwillkürliche Reaktion abzuschütteln. Seit ich diesen muskulösen mexikanisch-amerikanischen Mann vor ein paar Wochen zum ersten Mal gesehen hatte, war ich in ihn verschossen.

Omar Alvarado.

Er war ein richtiger Muskelprotz, der meine eins sechzig um mehr als Haupteslänge überragte. Offensichtlich trieb er jede Menge Sport. Momentan trug er ein perfekt sitzendes Paar dunkler Jeans und ein schwarzes T-Shirt. Es umspannte seine breite Brust so eng, dass ich mich besorgt fragte, ob es jeden Augenblick an den Nähten zu platzen und herabzufallen drohte. Keine üble Vorstellung. Er war glatt rasiert und duftete fantastisch. Er hatte eine schwarze, mit dem Emblem der Chicago White Sox bedruckte Kappe auf, deren Schirm flach nach hinten zeigte. Einfach zum Anbeißen. Sein Handgelenk zierten ein paar Lederarmbänder, und über seinem Shirt baumelte ein goldenes Kreuz, das im Sonnenlicht funkelte.

Als ich das Symbol meines Glaubens bemerkte, hielt ich den Atem an. Auch ich hatte stets ein Kreuz um den Hals, nur war meins zierlich und alt und gehörte zu meinen wertvollsten Besitztümern. Meine Mutter hatte es an jenem Tag getragen, an dem sie mit meinem Vater bei einem Autounfall ums Leben gekommen war.

Bislang hatte ich diese Kette noch nie bei Omar gesehen. Aber womöglich hatte er sie bloß nie über der Kleidung getragen. Bei jenem nervigen Bodyguard, der mir während Addys Debakel mit diesem Ungeheuer Cory Pitman ständig vorgeschrieben hatte, was ich zu tun und zu lassen hatte, war dieses Schmuckstück jedenfalls nirgends zu entdecken gewesen. Allerdings hatte ich ihn auch nie in lässigen Freizeitklamotten gesehen, sondern immer nur in atmungsaktiven T-Shirts oder Langarmshirts, schwarzen Cargohosen und Stiefeln. Doch eins stand fest: Der Mann sah gut aus, egal, was er anhatte.

»Hat es dir die Sprache verschlagen, Liliana?«

Mechanisch schüttelte ich den Kopf.

»Warum hast du weder angerufen noch meine Textnachrichten beantwortet?«, fragte er abrupt.

Was mir wieder ins Gedächtnis rief, dass ich ihn eigentlich meiden wollte wie die Pest. Er war zu herrisch, zu besitzergreifend, zu sehr Alphamännchen, als gut für ihn war. Mama Kerri hatte mich zu einer unabhängigen Frau erzogen, die niemanden brauchte und sich ihre Träume selbst erfüllte. Allerdings hatte sie mir auch beigebracht, stets offen für die Liebe zu sein. Aber über Lust hatte sie nie ein Wort verloren. Und jedes Mal, wenn ich Omar ansah, hätte ich ihn am liebsten von Kopf bis Fuß abgeleckt und abgeküsst. Angesichts seines attraktiven Äußeren verschwanden sämtliche Gedanken an Unabhängigkeit stets spontan auf Nimmerwiedersehen.

Omar Alvarado war der Inbegriff meiner erotischen Fantasien. Und genau darin lag das Problem. Ich wollte mich in diesen Mann keinesfalls verlieben. Ich wünschte mir durchaus einen Mann an meiner Seite, wollte jedoch selbstbestimmt bleiben, ohne mich seinen Launen unterordnen zu müssen. Meine leibliche Mutter hatte meinen Vater abgöttisch geliebt und alles für ihn getan. Sie hatte sich verhalten, wie jede gute Mexikanerin es sollte. Das waren ihre Worte, nicht meine. Sie hatte mich und das Haus versorgt, die Mahlzeiten zubereitet, die Wäsche gewaschen und sich für ihren Ehemann immer hübsch gekleidet. Wenn er abends von der Arbeit nach Hause kam, war er mit einem Dos Equis – einem mexikanischen Bier –, einem Lächeln und einem reichlich gedeckten Tisch begrüßt worden.

Zugegeben: Ich behandelte die Männer, mit denen ich ausging, ebenfalls gut, doch ich war eine hart arbeitende, in Amerika geborene Mexikanerin, die genauso geliebt und verwöhnt werden wollte wie der Mann, für den ich mich eines Tages entscheiden würde. Leider hatte das bislang keiner der Betreffenden verstanden. Außerdem hatte mein Glaube sie abgeschreckt. Vornehmlich, weil ich nach Möglichkeit nie einen Gottesdienst versäumte, auch wenn die Cubs, die Sox, die Bulls, die Bears oder irgendwelche anderen Mannschaften am Sonntag spielten. Ich ging regelmäßig in die Kirche und erwartete, dass der Mann, mit dem ich letztlich zusammenkommen würde, auch Christ war. Damals auf jenem Highway, auf dem meine Eltern starben, war ich selbst verschont worden. Die Dinge, die ich in jener Nacht sah, hatten meinen Glauben auf ewig gefestigt. Er war genauso ein Teil von mir wie mein mexikanisches Erbe, meine Liebe zu meiner Pflegemutter, meinen leiblichen Eltern und jeder einzelnen meiner Pflegeschwestern.

»Wieso gehst du mir aus dem Weg, Liliana?«, drängte sich seine tiefe Stimme in meine Gedanken.

Ich schüttelte die Vergangenheit ab und strich mir die wilden Locken aus dem Gesicht, was eine vergebliche Geste war, denn sie hüpften stets wieder zurück. »Weil ich mich nicht mit dir treffen will!«, rief ich patzig, umrundete ihn und trat durch die breiten Glastüren in die Bank. Ich eignete mich wirklich nicht zum mexikanischen Hausmütterchen, aber es gab noch einen anderen Grund, warum ich nichts mit ihm zu tun haben wollte.

Omar war mir dicht auf den Fersen, während ich mich durch die zahllosen Menschen drängte und mich am Schalter in die Warteschlange einreihte. Mit der Geldbörse fest in der Hand verschränkte ich die Arme vor der Brust. Ungeduldig tippte ich mit dem Fuß auf den Boden und hoffte, dass meine Bankgeschäfte nicht allzu lange dauern würden. Eigentlich wollte ich mich nämlich mit meinen Schwestern im Kerrighan House zur Anprobe der Kleider für die Brautjungfern treffen. Blessing und die zukünftige Braut Simone warteten schon auf mich. Aber zuerst brauchte ich Bargeld für die Spendenaktion in der Highschool, denn ich hatte ein paar Schülern versprochen, etwas zu kaufen. Sie waren eifrig dabei, Geld für eine mit öffentlichen Mitteln geförderte Reise nach Mexiko zu sammeln, die ich als Aufsichtsperson begleiten sollte. Ich konnte es kaum erwarten, die alten Maya-Fundstätten wie Tulum oder Chichén Itzá zu sehen, die ungefähr zwischen 600 und 1200 n. Chr. besiedelt waren. Es würde meine erste Reise nach Mexiko sein, der Heimat meiner Großeltern. Ich freute mich darauf wie ein Schneekönig.

»Du lügst«, hörte ich Omar direkt hinter mir sagen.

Ich wirbelte herum. »Nein, ich lüge nicht! Ich habe nur einfach kein Interesse an dir. Schockierend, was? Ruf sofort die Presse an!«, schnauzte ich. Meine Wangen brannten, denn in Wahrheit log ich gerade wie gedruckt. Wütend wandte ich mich wieder um und versuchte, ihn zu ignorieren.

Er schnalzte mit der Zunge. »Dir ist hoffentlich klar, dass Lügen eine Sünde ist«, raunte er dicht an meinem Ohr, sodass sein warmer Atem über den Haarflaum in meinem Nacken hinwegstrich.

»¡Cállate!«, zischte ich. Er sollte endlich den Mund halten. Was wusste er schon über Sünden? Der Mann war schließlich selbst die personifizierte Sünde.

»O, große Worte von einer sehr kleinen Frau«, neckte er mich.

»So kriegst du mich nie herum, das ist dir hoffentlich klar«, bemerkte ich trocken.

»Ach ja?« Er klang belustigt.

»Sí, allerdings.«

Er beugte sich vor, obwohl ich ihn auch weiterhin ignorierte. Dann legte er mir die Hände auf die Hüften und schmiegte sich an meinen Rücken. Ich bekam eine Gänsehaut am ganzen Körper, mein Herz pochte wie wild, und die Erregung floss zähflüssig und heiß geradewegs zwischen meine Beine.

»Wie gut, dass ich nicht nur versuche, mit dir auszugehen. Nein, mi lirio, ich will noch viel mehr von dir. Ich will dich küssen. Ich will, dass du meinen Namen seufzt, und zwar in dem gleichen süßen Ton, den du anschlägst, wenn du dich für eine deiner Schwestern freust. Ich will dich mit nach Hause nehmen und deinen wunderschönen Körper berühren, bis du mich inständig bittest aufzuhören. Aber vor allem will ich dich mi madre vorstellen und ihre Augen leuchten sehen, wenn sie die Frau kennenlernt, die ich als die meine ausgewählt habe.«

Einerseits waren seine Worte die Erfüllung all meiner Träume, andererseits verabscheute ich sie mit jeder Faser meines Seins. Genau das war der Grund, weshalb ich heiße mexikanische Amerikaner mied. Ich hatte die Erfahrung gemacht, dass sie sich mit Leib und Seele um das bemühten, was sie haben wollten. Um ihr Ziel zu erreichen, schreckten sie in der Regel vor nichts zurück. Aber ich wollte nicht bloß eine Siegestrophäe sein. Ich wünschte mir einen Mann, der alles dafür tat, um mein Partner zu sein. Die andere Hälfte eines Ganzen. Auf Typen, deren Dominanzgebaren lediglich darauf abzielte, mich zu unterwerfen, und die womöglich nebenher noch andere Frauen hatten, konnte ich verzichten.

Ich wünschte mir das, was meine Schwester Simone mit Jonah verband. Was Addison mit Killian hatte.

Wieder wandte ich mich um. »Du bist sowohl blind als auch taub, wenn du dir allen Ernstes einbildest, davon irgendetwas von mir bekommen zu können. Bei mir bist du eindeutig an der falschen Adresse, Mister!« Ich deutete auf seine Brust und spürte nichts als stahlharte Muskeln. Der Mann war in Höchstform. Wahrscheinlich trainierte er in dem gleichen Maße, wie ich selbst Eiscreme verschlang, was der Grund dafür war, dass ich trotz meiner zierlichen Statur einen ziemlich weiblichen Po hatte.

Er ergriff meine Hand, hob sie an seine lächelnden Lippen und knabberte spielerisch an meinem Finger. Seine Berührung war so verführerisch, dass es schmerzte. Unwillkürlich blickte ich ihm tief in die Augen und schnappte nach Luft, als ich das Feuer in ihren endlosen Tiefen lodern sah.

»Eines Tages wirst du mir gehören, Liliana. Kämpf nicht länger dagegen an, sondern genieß das, was dicht unter der Oberfläche zwischen uns brennt.« Er sprach direkt, ohne Umschweife und voller Begierde.

Wie gern hätte ich mich diesem Verlangen hingegeben! Aber es würde nicht funktionieren. Ich war nicht die Frau, die er sich wünschte. Ich würde mich ihm niemals beugen. Niemals dem Klischee entsprechen, an das er mit Sicherheit gewöhnt war.

»Ich bin nicht die Richtige für dich«, flüsterte ich.

»Du bist genau die richtige Frau für mich. Und ich werde nicht aufgeben, bis du es auch spürst.«

Ich schloss die Augen und wollte ihm gerade eine erneute Abfuhr erteilen, als Schüsse fielen.

Wir wirbelten herum, und er legte mir den Arm um die Taille und schob mich hinter seinen Rücken, um mich mit seinem Körper abzuschirmen.

Ich spähte um sein breites Kreuz herum und entdeckte vier maskierte Männer, die die Bank stürmten. So große Waffen wie diese hatte ich außer im Kino noch nie gesehen.

Entsetzte Schreie überall. Mich überlief es eiskalt, und meine Nerven vibrierten. Das hier war real.

Ein Banküberfall.

Während die Gangster ausschwärmten, blickte ich nochmals zum Eingang hinüber, durch den sie die Bank betreten hatten. Auf dem Boden lag ein großer Weißer in der Uniform des Sicherheitspersonals. Blut tränkte seine Brust und bildete eine Lache auf den weißen Marmorfliesen. Er atmete nicht mehr.

»Keine Bewegung! Legt euch mit dem Gesicht nach unten hin! Sofort! Sonst seid ihr genauso mausetot wie er!«, befahl uns einer der maskierten Männer in energischem Ton.

Omar und ich ließen uns auf den Boden fallen und lagen bäuchlings auf dem kalten Marmorboden. Heiß und schwer pulsierte die Furcht durch meine Adern, und mir stellten sich die Nackenhaare auf.

»Alles wird gut. Bleib einfach ruhig und gib keinen Ton von dir«, flüsterte Omar mir zu.

Schnell wie der Blitz ließ er eine Tasche, vermutlich mit Geld, über den Boden und direkt unter einen Tisch gleiten.

Ob die Gangster sie irgendwann fanden, würden wir vielleicht nie erfahren, denn möglicherweise würden wir eine Sekunde später bereits tot sein.

»Du, du, du«, brüllte einer der Männer den drei Kassierern zu, die mit erhobenen Händen hinter einer Glasscheibe standen. »Wenn ihr den Alarmknopf auch nur anrührt, seid ihr tot, genau wie alle anderen hier.«

Mit kreideweißen Gesichtern nickten sie ihm zu.

Ein weiterer bewaffneter Mann trieb ein paar Kunden zusammen und ließ sie dicht an der Wand Aufstellung nehmen, an der man an der Kasse anstand. Ich wusste kaum, wie mir geschah, als jemand von hinten meinen Ellbogen nach oben zerrte, sodass mein Rücken schmerzhaft protestierte.

Ich schrie entsetzt auf, weil ich grob auf die Füße gezogen wurde und ein Fremder mich rücklings an sich presste. Doch nur für den Bruchteil einer Sekunde, denn schon reagierte Omar mit ein paar Kampfgriffen, wie ich sie bislang lediglich aus Actionfilmen kannte.

Der Gangster lag auf dem Boden und spuckte Blut über die weißen Marmorfliesen. Das Ganze wirkte so makaber, wie man es sonst bloß im Boxring sah. Seine Waffe war scheppernd zu Boden gefallen und so weit fortgeschlittert, dass keiner von uns mehr drankam.

»Rühr. Sie. Nicht. An«, stieß Omar wütend zischend zwischen den Zähnen hervor und drückte dem Mann seinen Stiefel in den Nacken. Leider hatte er aber nur einen einzigen der Bande entwaffnet, nicht alle vier. Ehe er Zeit zum Reagieren hatte, stand eine neue Bedrohung hinter ihm, von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet und ebenfalls maskiert. Er hielt Omar den Lauf seiner Waffe an den Kopf.

»Zurück, sonst verteile ich dein Hirn auf deiner Freundin.« Er sprach so ruhig, beinahe gleichgültig, dass ich ihm hundertprozentig glaubte. Dieser Mann würde nicht lange fackeln. Wahrscheinlich hatte er bereits unzählige Menschen umgebracht.

»Omar, bitte.« Meine Stimme zitterte.

Ich sah, wie Omar die Zähne zusammenbiss, die Hände hob und den Fuß vom Nacken des anderen löste. Der sprang auf und rammte Omar die Faust ins Gesicht. Ich schrie.

Obwohl es ein sehr schmerzhafter Schlag gewesen sein musste, ließ Omar sich nichts anmerken.

Der Mann hinter Omar gab ihm mit der Waffe einen Stoß auf den Hinterkopf und in den Rücken. »An die Wand!«, forderte er.

Ich griff nach Omars Hand und verwob unsere Finger ineinander. Wir wurden zu den anderen Kunden hinübergestoßen und so grob auf den Marmorboden geworfen, dass meine Knie schmerzten. Omar versuchte zwar, mich aufzufangen, um den Aufprall zu mildern, aber erfolglos. Ich kroch ein Stück weiter und presste den Rücken gegen den Holztresen. Omar schob sich halb vor mich hin, legte mir den Arm um die Hüften und hielt mich dicht bei sich.

Der Gangster, den Omar niedergestreckt hatte, richtete die Waffe auf die verängstigten Kunden. Als sein Blick auf Omar und mich fiel, sprühten seine braunen Augen Funken, als wolle er jeden Moment Vergeltung für seine Niederlage üben.

»Schnappt euch die Kohle und dann raus hier!«, schrie einer der Männer.

In der Ferne hörte man Sirenen, aber das schien die Bankräuber nicht weiter zu interessieren. Mit vorgehaltener Waffe zwangen sie die Kassierer, ihre Tasche mit dem Geld aus den Schubladen zu füllen. Einer von ihnen verlangte Zugang zum Tresor. Ich lauschte gebannt und voller Hoffnung auf die immer lauter werdenden Martinshörner. In wenigen Minuten würden wir gerettet sein.

Doch dann stellte ich entsetzt fest, dass ein Polizeiwagen nach dem anderen mit heulenden Sirenen die Straße entlangraste, geradewegs an der Bank vorbei, offensichtlich auf dem Weg zu einem ganz anderen Ziel. Verzweifelt ließ ich die Schultern hängen. Der miese Gangster vor uns lachte los wie ein Irrer. Omar schlang beide Arme um mich, und ich presste die Wange an seine Brust. Der Rhythmus seines Herzschlages beruhigte mich gerade genug, um nicht in Tränen auszubrechen.

Aber in diesem Augenblick ertönte ein weiterer Schuss, so ohrenbetäubend laut, dass meine Zähne aufeinanderschlugen. Schreie gellten von den Wänden wider, und der durchdringende Geruch nach Eisen erfüllte die Luft.

Und wieder fiel ein Körper zu Boden.

Kapitel 1

Fünf Monate vor dem Banküberfall

Die Welt um uns stürzte schon wieder ein. Kaum hatten wir die erste Tragödie überstanden, ging das Ganze anscheinend wieder von vorn los, nur dass jetzt nicht Simone, sondern Addison das Ziel der Anschläge war. Meine Familie war durch die Hölle gegangen und sollte so bald wohl keinen Frieden finden.

Addy wollte gerade zur Arbeit, aber ich musste sie einfach noch einmal sehen und fest in den Arm nehmen, ehe sie losfuhr. Nachdem wir gestern Abend erfahren hatten, dass jemand eine Frau ermordet hatte, die meiner Schwester ähnlich sah, wollte ich kein Risiko eingehen.

Offenbar war das Opfer nicht nur erdrosselt worden, sondern man hatte ihm auch Brandwunden an den Unterarmen zugefügt, die Addisons Verletzungen glichen. Diese wiederum waren ihm von jenem Serienmörder zugefügt worden, der es ursprünglich auf Simone abgesehen hatte. Er pflegte sich auf die Rücksitze ahnungsloser Frauen zu stehlen, um sie zu erdrosseln, doch zunächst war ihm Simone um Haaresbreite entgangen. Aber dieses Ungeheuer hatte nicht lockergelassen, hatte Addy und Simone entführt und Addy gefoltert. Schließlich war unsere geliebte Schwester Tabby bei dem Versuch, den Verbrecher ganz allein zur Strecke zu bringen, durch eine Kugel in die Brust getötet worden. Sie hatte ihr Leben hingegeben, um das ihrer Pflegeschwestern zu retten.

Diese Tragödie hatten wir noch gar nicht richtig verarbeitet, als wir uns bereits einer neuen Bedrohung gegenübersahen. Daher hielt ich es mittlerweile keineswegs mehr für selbstverständlich, meine Schwestern lebend wiederzusehen.

»Warte, warte!«, rief ich und stürmte die Treppe im Kerrighan House hinab, wo wir uns aufgrund der neuesten Bedrohungslage verkrochen hatten.

An der Haustür fiel ich ihr um den Hals. Sie nahm mich in die Arme, und ihr vertrauter Duft erfüllte meine Sinne und ließ mein Unbehagen ein wenig verebben.

Nachdem ich mich meiner Schwester wieder verbunden fühlte, löste ich mich von ihr. »Ich wollte mich auf jeden Fall noch von dir verabschieden, bevor du aus dem Haus gehst.«

Addison umfing meine Wange und lächelte liebevoll. Ehe sie eine Antwort geben konnte, wurde unser Moment vom Grunzen eines Mannes unterbrochen.

»Oh.«

Addison hob den Kopf und sah den muskulösen Mann an, der schweigend in der Nähe gestanden hatte. »Das ist Omar, unser Bodyguard. Er bringt dich, Charlie und Gen heute zur Arbeit und holt dich wieder ab.«

Ich runzelte die Stirn. »Bodyguards … ¿Qué? ¿Por qué?«

»Blessings Werk.« Sie seufzte.

»Diese Frau.« Ich verdrehte die Augen. Wenn Blessings Beschützerinstinkt einmal geweckt war, ließ sie sich nicht aufhalten und war völlig unnachgiebig. Ein Außenstehender hätte sie mit einem geschmeidigen Panther verglichen. Ehrgeizig, fokussiert, unerbittlich und erfolgsorientiert. Doch bei uns, ihren Pflegeschwestern, war sie normalerweise zahm wie ein Kätzchen. Warmherzig, liebevoll, verspielt und unserer Familie hundertprozentig ergeben. Im Alter von nur zehn Jahren hatte Blessing ihre Familie durch einen Gewaltakt verloren. Nachdem nun auch Tabby einem Verbrechen zum Opfer gefallen war, überraschte es niemanden, dass sie es mit ihren Schutzmaßnahmen ein wenig übertrieb. Sie beschützte jeden, den sie zu ihrer Familie gehörig wähnte, und das waren definitiv wir, ihre Wahlschwestern, die sie liebte und verehrte.

Der Mann neben uns verbarg die Arme hinter dem Rücken und ließ sie dort verharren. Erst in diesem Moment registrierte ich, dass es Omar war, der Bodyguard.

Hitze überzog meine Wangen, und ich starrte den überaus attraktiven Mann mit offenem Mund an. Er war viel größer als ich, aber das galt für die meisten Menschen. Nicht umsonst nannten meine Schwestern mich »Kobold«. Mit einer Körpergröße von eins sechzig war ich einige Zentimeter kleiner als alle anderen. Neben Addy wirkte ich geradezu wie ein Zwerg.

Dieser Mann war etwas Besonderes. Seine muskulösen Oberarme spannten den Stoff seines schwarzen Sport-T-Shirts bis aufs Äußerste. Der Saum schnitt in seine braune Haut, als bemühe er sich verzweifelt, angesichts solcher Fülle nicht zu reißen. Mein Blick wanderte an seiner breiten Brust hinab bis zu dem V an seiner Taille. Unter dem eng anliegenden Stoff konnte ich auffällige Einkerbungen erkennen, die darauf schließen ließen, dass er tatsächlich einen Waschbrettbauch hatte. Unten herum trug er eine schwarze Cargohose und Stiefel in der gleichen Farbe. Aber es war nicht seine imposante Körpergröße oder sein Outfit, das mir den Rest gab. Es war sein glattes, schönes Gesicht. Ein unnachgiebiges, kantiges Kinn, markante Wangenknochen und dunkle, gewölbte Brauen über absolut unwiderstehlichen dunklen Augen. Während meine Augen espressofarben waren, erinnerten seine an geschmolzenen braunen Zucker, in denen es geradezu zu brodeln schien, während wir schweigend dastanden und uns am jeweils anderen sattsahen. Sein schwarzes Haar war an den Seiten kurz rasiert, am Oberkopf aber länger und aus dem Gesicht gekämmt. Mit dieser Frisur wäre er im Anzug leicht auch als seriöser Geschäftsmann durchgegangen. Seinen sinnlichen Mund zierte eine besonders üppige Unterlippe. Sicher würde es Spaß machen, daran zu saugen und sie dann spielerisch zurückschnellen zu lassen.

Mein Blut geriet in Wallung und schien schneller durch meine Adern zu fließen, während ich mir unwillkürlich vorstellte, diese Muskeln zu berühren und mit den Fingerspitzen über seine goldbraune Haut zu fahren. Je länger ich ihn ansah, umso klarer erkannte ich, dass er schlicht und ergreifend der attraktivste Mann war, den ich je zu Gesicht bekommen hatte.

In dem Versuch, meine instinktive Reaktion zu verbergen, schob ich mir eine widerspenstige Locke hinters Ohr, vergewisserte mich verstohlen, dass mein sexy Baumwollkleid nach dem Spurt über die Treppe noch saß, und blickte in die Brauner-Zucker-Augen hinauf. »Ähm, hola. Ich bin Liliana.«

Er lächelte, und ich schluckte langsam und stieß die Luft aus, die ich angehalten hatte, seit dieses Bild von einem Mann in mein Sichtfeld geraten war.

Addisons Stimme war es, die mich aus meinem Tagtraum riss. »Na ja, dann lasse ich euch mal allein. Bis später also?«

Ich antwortete automatisch und beinahe benommen: »Sí. Ähm, te quiero. Pass auf dich auf und melde dich. Ich mache mir sonst Sorgen.«

Addison nahm mich noch einmal in die Arme und gab mir einen Kuss auf die Wange. »Ich hab’ dich auch lieb, Kobold. Einen schönen Tag mit deinem Muskelprotz.«

Das wilde Hämmern meines Herzens ging in ein dumpfes Pochen über, als ich mich wieder auf den Gegenstand meiner Betrachtungen konzentrierte. Wie durch einen Nebel drangen mir ihre Worte ins Bewusstsein, und unwillkürlich legte ich die Hand auf meine Brust. »Er ist nicht mein Muskelprotz …« Doch dann versagte mir die Stimme. Wie konnte sie mich nur so in Verlegenheit bringen! Sobald sie wieder zu Hause war, würde ich ein Hühnchen mit ihr rupfen. Ich kniff die Augen zusammen und wollte gerade etwas hinzufügen, um ihre Behauptung zu widerlegen, als Omar sich einmischte und mich bis ins Mark erschütterte.

»Könnte ich aber sein«, raunte er mit sündigem Grinsen auf dem schönen Gesicht, während er mich von Kopf bis Fuß musterte.

»Was?« Mein Kopf wirbelte zu ihm herum, und meine Augen wurden noch schmaler.

»Tschüss!«, rief Addy noch und schlüpfte nach draußen, wo die Paparazzi bereits auf sie warteten. Diese Geier belagerten das Kerrighan House, seit die Presse Wind von der Verbindung des Mordopfers zu Addison bekommen hatte. Was wohl kaum überraschend war.

Immerhin war das innerhalb kürzester Zeit das zweite Drama, das unsere Familie betraf. Erst Simone und nun Addy.

Zu allem Überfluss war Simones leibliche Schwester Sonia Wright-Kerrighan Senatorin des Staates Illinois. Simone und Sonia waren unsere Pflegeschwestern, zwei der acht Mädchen, die Mama Kerri aufgenommen hatte, weil sie kein liebevolles Zuhause hatten.

Durch unsere Verbindung zu einer prominenten Politikerin standen wir ohnehin schon im Fokus der Öffentlichkeit. Die Tatsache, dass das jüngste Mordopfer Addy ähnlich sah, dem bekanntesten Plus-Size-Model der Branche, machte es nicht besser. Eigentlich hatten wir geglaubt, das alles hinter uns lassen zu können, doch jetzt stand unser Leben erneut Kopf.

Ich biss die Zähne zusammen und streckte die Hand aus. »Liliana Ramírez-Kerrighan.« Sämtliche Pflegeschwestern hatten den Namen Kerrighan mittlerweile offiziell ihrem Geburtsnamen hinzugefügt. Dadurch demonstrierten wir unsere Loyalität und Liebe und ehrten die Frau, die uns aufgezogen und zu den Menschen gemacht hatte, die wir heute waren.

Omar nahm meine Hand in seine muskulöse Pranke. Kaum berührte ich seine Haut, durchflutete mich eine Empfindung, die von meiner Hand meinen Arm hinauf und von dort direkt in meine Brust strömte. Das hier war richtig. Was für ein überwältigendes Gefühl! Meine leibliche Mutter hatte mir in früher Kindheit erzählt, dass es so etwas gab. Bei der Berührung blitzte die Erinnerung an ihre Worte auf.

»Mi hija, wenn du deine bessere Hälfte findest, wirst du spüren, dass die betreffende Person die richtige ist. Das Gefühl wird deine Adern durchströmen und dir geradewegs bis ins Herz fahren. Sei dir darüber im Klaren, meine Liliana, dass eine schlichte Berührung dein ganzes Leben verändern kann.«

Ich zog meine Hand so schnell zurück, als hätte ich mich verbrannt.

»Omar Alvarado. Ich bin auf absehbare Zeit für Ihre Sicherheit zuständig.« Er schenkte mir ein strahlendes Lächeln. »Definitiv keine unangenehme Aufgabe«, fügte er hinzu, während sein Blick wie eine Liebkosung über meine Gestalt wanderte.

Jegliche erotische Anwandlung war plötzlich wie weggeblasen. Zornig stemmte ich die Hände in die Hüften und funkelte ihn an. »Wohl kaum ein professionelles Verhalten für einen bezahlten Bodyguard«, blaffte ich.

Seine Lippen zuckten. »An der Art, wie mein Körper auf Ihren Anblick reagiert, ist absolut gar nichts professionell, mi lirio«, antwortete er ebenso kühn wie sachlich. Nannte mich seine Lilie, als habe er ein Recht dazu.

Vor Schreck blieb mir der Mund offen stehen. »Wow, Sie sind ein ganz schöner Frauenheld, was?« Ich presste die Lippen aufeinander und richtete mich zu voller Größe auf. Nicht dass ich auch nur annähernd an ihn hätte heranreichen können. Der Mann war weit über eins achtzig groß und ich überdies barfuß.

Omar senkte den Kopf und tippte sich mit dem Daumen an die Unterlippe. Allein bei dieser Geste hätte ich mir normalerweise schon Luft zugefächelt. Diesmal aber nicht. Sein unverfrorenes Interesse machte mich stocksauer.

»Bei Ihnen würde ich nur allzu gern den Helden spielen, chica.«

In diesem Moment hätte bereits ein heftiger Windstoß ausgereicht, um mich umzupusten. Dieser Mann war eine Bedrohung. Eine aufreizend sexy Bedrohung, die ich gleichzeitig erwürgen und küssen wollte. Diese blöden Hormone! Warum musste Gott mir unbedingt einen Mann mit perfektem Äußeren und toller Figur als Bodyguard schicken, aber gleichzeitig dafür sorgen, dass ich ihn am liebsten erdolcht hätte!

Ich stieß zischend den Atem aus – mein Zorn nahm geradezu epische Ausmaße an –, als meine Schwestern Genesis und Charlie die Treppe hinabstürmten und im Flur stehen blieben.

Charlies roter Pferdeschwanz wippte immer noch hin und her, während Gen in ihrer Aktentasche herumkramte und nach irgendetwas suchte. Sie hatte einen eleganten cremefarbenen Hosenanzug an, denn als Sozialarbeiterin in downtown Chicago glaubte sie fest daran, dass Kleider Leute machten. Charlie hingegen trug im Job Jeans, ein Babydoll-Oberteil, schwarze High-Top Converse und dazu ein Lächeln zur Schau. Sie leitete The Center, eine gemeinnützige Einrichtung für Jugendliche, die beispielsweise auf die schiefe Bahn geraten oder von zu Hause abgehauen waren und nun einen sicheren Ort brauchten, an dem sie etwas zu essen bekamen und wo sie sich aufhalten und weiterbilden konnten.

»Wir sind ja schon da«, keuchte Charlie etwas außer Atem. »Sorry, Lil, wir haben erst vor zwanzig Minuten erfahren, dass wir früher fertig sein mussten, damit du nicht zu spät zur Schule kommst.«

Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr, während Omar sich meinen Schwestern vorstellte und sich erkundigte, ob er Aurora, Genesis’ Tochter, die wir Rory nannten, ebenfalls zur Schule bringen sollte.

»Rory bleibt hier bei Mama Kerri«, erklärte Genesis.

»¡Mierda! Ich gebe gleich die erste Stunde Unterricht.« Ich eilte zu meinem Lederrucksack in der Ecke hinüber und schlüpfte in ein paar Sandaletten mit hohem Keilabsatz, die mit zwei goldenen Lederriemen über dem Spann und einem weiteren, schmalen Riemen um den Knöchel befestigt waren. In der Schule trug ich fast ausschließlich High Heels, denn ich fand es ätzend, dass die meisten Teenager größer waren als ich selbst. Trotzdem war ich schnell wie der Blitz. Auf diesen verdammten Dingern konnte ich wenn nötig sogar rennen, was ich heute wohl unter Beweis stellen musste, wenn ich noch pünktlich zur Arbeit kommen wollte.

Ich schnippte mit den Fingern. »Kommt! ¡Rápido, rápido!«

Omar wurde sofort aktiv, öffnete uns die Tür, vor der die Paparazzi sogleich verrücktspielten und uns wie die Wilden mit Fragen bestürmten.

»Was können Sie uns über den Backseat Strangler sagen?«

»Was über den neuen Killer?«

»Ist es ein Nachahmungstäter?«

Omar führte uns drei zu einem SUV mit verdunkelten Scheiben, schob mich auf den Vordersitz und dirigierte meine Schwestern auf den Rücksitz.

Glücklicherweise war die Schule nicht allzu weit vom Kerrighan House entfernt. Omar war kaum vorgefahren, als ich schon aus dem Wagen sprang und mit Volldampf ins Gebäude rannte, um nicht nur meinen Schwestern, sondern vor allem ihm zu entkommen und dazu all den unerwünschten Gefühlen, die dieser nervige Mann in mir hervorrief.

***

Nachdem ich einen langen Arbeitstag damit verbracht hatte, Kindern eine Fremdsprache beizubringen, die sie in den meisten Fällen gar nicht lernen wollten, sondern nur belegt hatten, um die für den Abschluss relevanten Leistungsnachweise zu ergattern, verließ ich das Gebäude.

Vielleicht sollte ich lieber am College unterrichten, überlegte ich, während mir von den Stunden noch der Kopf schwirrte, in denen einige der Kids nicht mal lang genug stillsitzen konnten, um aufmerksam zuzuhören und den Stoff durchzugehen, den ich zu Hause stundenlang für sie aufbereitet hatte.

Glücklicherweise waren sämtliche Schüler bereits nach Hause gegangen. Kaum ertönte die letzte Glocke und verkündete den Unterrichtsschluss, waren sie – Simsalabim! – innerhalb eines Wimpernschlags verschwunden gewesen. Ich selbst blieb meist noch bis halb fünf in der Schule, weil ich – wenn irgend möglich – keine Arbeit mit nach Hause nehmen wollte. Die beiden Stunden nach dem Unterricht reichten normalerweise aus, um Leistungen zu bewerten und den Stoff für den nächsten Tag durchzugehen, aber nicht immer. Wie hieß es so schön? Als Lehrer wird man nie fertig. Irgendwie war da was dran. Zumindest bis zu den Sommerferien. Ab Mai/Juni brauchten wir diese Pause dringend. Den ganzen Sommer, um uns von den neun Monaten des Schuljahres zu erholen, in denen wir uns bemühten, den Geist der Kinder zu formen und pädagogisch auf sie einzuwirken, was alles andere als ein Kinderspiel war. Ich hätte eine Menge darum gegeben, wenn sich jedes einzelne Elternteil einmal in meine Lage versetzt und unterrichtet hätte. Länger als einen Tag würde es wohl keiner von ihnen aushalten. Spätestens dann würden sie schreiend die Flucht ergreifen. Vielleicht könnten wir nach so einer Maßnahme mehr Eltern dazu bekommen, sich zu engagieren, und würden zudem auch besser bezahlt. Ich musste laut lachen, als ich mir die Eltern vorstellte, die wild und panisch mit den Armen fuchtelnd vor ihren eigenen Kindern aus dem Gebäude flohen.

»Hey!«, hörte ich da jemanden rufen.

Ich war dermaßen in Gedanken versunken gewesen, dass ich erst jetzt aufblickte und mich umsah.

»Unklug, chica. Sie haben sich beim Rauskommen nicht mal umgesehen. Da hätte sich unversehens jeder x-Beliebige auf Sie stürzen und in ein Auto zerren können, ohne dass es jemand mitbekommen hätte.«

Wütend runzelte ich die Stirn und deutete zu den Kameras am Schulgebäude hinauf. Triumphierend sah ich ihn an.

»Haben die Kameras den Backseat Strangler davon abgehalten, sich Addison oder Simone zu schnappen?«, konterte er ohne Häme und ohne Ich habe es Ihnen ja gleich gesagt-Unterton in der Stimme. Er wies einfach nur auf die Fakten hin, sodass ich meine eigene Schlussfolgerung ziehen konnte.

Und er hatte recht, dieser Mistkerl.

»In Zukunft bin ich vorsichtiger«, versicherte ich ihm ein wenig kleinlaut, während er die Beifahrertür seines SUV öffnete. Doch ich wollte keinesfalls neben ihm sitzen, weshalb ich nach hinten ging, die Tür aufriss, meinen Rucksack hineinwarf, ins Fahrzeug stieg und die Tür hinter mir zuknallte.

Omar lachte leise, schloss die Beifahrertür und umrundete den Wagen, um zur Fahrerseite zu gelangen. Kaum war er eingestiegen, zückte ich mein Handy, um nicht mit ihm reden oder gar in sein schönes Gesicht blicken zu müssen, denn sicher grinste er selbstgerecht.

Schon bald darauf fuhr er vor dem Jugendzentrum vor, um Charlie einzusammeln.

Er drehte sich in seinem Sitz um. »Bleiben Sie, wo Sie sind. Oder wollen Sie mit hineinkommen? Die Glasscheiben des Wagens sind kugelsicher, und ich schließe die Türen hinter mir ab.«

Ich riskierte einen Blick auf sein Gesicht. »Ich bin kein Hund, dem Sie Sitz und Bleib befehlen können. Aber ich bleibe im Wagen. Hier drin geht es mir bestimmt gleich besser, wenn Sie nicht da sind, danke.«

»Sie für mich zu gewinnen, wird mir sicher ein Vergnügen sein, mi lirio. Ich freue mich schon auf die Jagd.« Grinsend stieg er aus dem Fahrzeug.

»Geben Sie acht, dass die Tür beim Aussteigen nicht Ihren culo trifft! ¡Idiota!«, schnaubte ich und las dann die Textnachricht, die Mama Kerri in unsere Familiengruppe geschickt hatte und in der sie darum bat, dass eine von uns ihr Bittersalz mitbrachte. Bei all dem Stress, dem sie durch das Drama um Simone, durch Tabithas Verlust und nun durch Addisons neuerliche Bedrohung ausgesetzt war, hatte sich unsere Mama ein entspannendes Bad mit heilenden Salzen redlich verdient. Außerdem hatte ich heute Morgen nur noch die kümmerlichen Reste meiner Mascara zusammengekratzt und das Röhrchen weggeworfen. Ich brauchte eine neue.

Ich drehte mich um und musste lächeln, als ich den Walgreens auf der anderen Straßenseite entdeckte. Ich musterte das Gebäude vor mir, aber weder von Charlie noch von diesem Grobian war irgendetwas zu entdecken. Charlie war bekannt dafür, dass sie immer trödelte. Eines Tages würde diese Frau noch zu spät zu ihrer eigenen Hochzeit kommen.

Er hatte mir befohlen, mich nicht von der Stelle zu rühren. Wie einem Hund, rief ich mir ins Gedächtnis.

»Pfff. Ich werde mir doch von un hombre importante nicht vorschreiben lassen, was ich zu tun und zu lassen habe. Wann ich Sitz und Platz machen muss. Ich treffe meine eigenen Entscheidungen«, murmelte ich leise vor mich hin und stieß die Wagentür auf, um mich sogleich noch einmal nach Charlie und Omar umzusehen. Sie befanden sich immer noch drinnen. Ich würde in den Walgreens huschen und zurück sein, ehe die beiden es bis zum Wagen geschafft hatten.

Voller Stolz auf mich selbst sah ich gewissenhaft nach links und rechts und rannte über die stark befahrene Straße.

Schnell wie der Blitz schnappte ich mir zwei Packungen meiner Lieblingswimperntusche und eine große Tüte mit nach Lavendel duftendem Bittersalz, dann noch einen Schnuller für Rory und eine Tüte Skittles für mich selbst.

Die ganze Aktion hatte bestimmt nicht länger als fünf Minuten gedauert. Aber als ich den Walgreens wieder verließ, lehnte Omar an dem SUV, hatte seine riesigen, muskulösen Arme vor der Brust verschränkt und fixierte den Laden – die Augen hinter einer schwarzen Sonnenbrille verborgen. Er presste die Lippen so fest aufeinander, dass sie ganz weiß waren und sich deutlich von seiner knackig braunen Haut abhoben.

»¿Qué? Was?«, fragte ich in bemüht lässigem Ton, obwohl mir natürlich klar war, warum er so fuchsteufelswild war.

Seine Nasenflügel bebten, als er den Wagen umrundete und die vordere Beifahrertür öffnete, obwohl er doch wusste, dass ich lieber hinten saß, um möglichst viel Abstand zu ihm zu haben.

»Ich setze mich wieder hinten rein, danke …«

»Einsteigen, bevor ich Sie höchstpersönlich ins Auto setze!«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und ließ die Beifahrertür weit offen stehen.

»Wie kommen Sie dazu, in diesem Ton mit mir zu reden! Sie sind nicht mein Boss!«, wütete ich und bereitete mich mental schon mal auf den nächsten Schlagabtausch vor.

»Herrgott nochmal, Liliana! Steigen. Sie. Ins. Auto.« Seine Stimme duldete keinen Widerspruch.

Ein Schauer lief mir bei seinem strengen Befehl über den Rücken. Immer noch verstimmt stapfte ich zum Auto hinüber, warf meine Einkäufe auf den Beifahrersitz und hievte mich in das hohe Fahrzeug.

Omar beobachtete jede einzelne meiner Bewegungen und schloss dann hinter mir die Tür.

»Hmmm, du steckst in der Paaatsche!«, kicherte Charlie vom Rücksitz aus.

»¡Cállate!«, schleuderte ich meiner Schwester wütend entgegen, die grinste wie ein Honigkuchenpferd.

Kaum war Omar ins Auto gestiegen und hatte rücklings die Parklücke verlassen, explodierte er.

»Haben Sie überhaupt eine Vorstellung, was Ihnen alles hätte zustoßen können?!«, brüllte er. »Ein Mörder ist hinter Ihrer Schwester her. Ein Killer, dem Menschenleben völlig egal sind und den nur der kranke, abartige Kick interessiert, den die Ermordung unschuldiger Frauen ihm verschafft.«

»Ich bin doch bloß in den Laden gegenüber gegangen!«, versuchte ich zu erklären, aber davon wollte er nichts hören.

»Wayne Gilbert Black hat weniger als drei Minuten gebraucht, um Addison Michaels dazu zu bringen, freiwillig in sein Auto zu steigen. Dann hat er sie gekidnappt und misshandelt! Solange ich auf Sie aufpasse, wird so etwas nicht passieren, chica! Jetzt nicht und in Zukunft genauso wenig. Kein Mann wird einem so schönen Mädchen wie Ihnen auch nur ein Haar krümmen!«

»Mensch, Lil, nun hat er es dir aber gegeben!« Wieder kicherte Charlie und wackelte vielsagend mit den Schultern hin und her.

Ruckartig wandte ich den Kopf und erdolchte sie mit meinem Blick.

Sie hob beschwichtigend die Hände. »Tut mir leid. Ich bin ja schon still. Schaue bloß aus dem Fenster. Nichts zu sehen. Oooh, sieh doch, die hübschen Bäume da hinten. Und ein Typ mit riesigem Bierbauch wäscht mit freiem Oberkörper sein Auto. Toll.«

Ich stöhnte leise. Je zorniger ich wurde, umso heißer schien ich zu glühen.

»Verstehen Sie denn wenigstens, warum Sie nicht einfach verschwinden dürfen? Ja? Wenn ich beim Verlassen des Gebäudes nicht beobachtet hätte, wie Sie den Laden betraten, hätte ich nicht mal gewusst, wo Sie sind.« Seine Miene war düster und zornig. »Ich hätte jedes einzelne Mitglied meines Teams in Alarmbereitschaft versetzt. Hätte die Polizei angerufen, Ihre Familie …« Kopfschüttelnd setzte er energischer als nötig den Blinker.

»Okay, okay. Ich hätte nicht gedacht, dass es so wichtig ist.« Ich wollte einen versöhnlichen Ton anschlagen, hatte aber offensichtlich die falschen Worte gewählt.

»Wichtig? Ich hätte dadurch meinen Job verlieren können!« Jetzt brüllte er wieder.

Meine Haut fing an zu prickeln. Gleich würde ich explodieren. »Wenn Sie mir ganz klar gesagt hätten, weshalb es so wichtig ist, im Auto zu bleiben, statt wie mit einem Kleinkind oder einem Haustier mit mir zu reden, hätte ich vielleicht hingehört«, versicherte ich ihm mit meiner schönsten Lehrerinnenstimme. »Ich bin eine erwachsene Frau, und so möchte ich auch behandelt werden.« Obwohl ich fuchsteufelswild war, bemühte ich mich, nach außen hin cool zu bleiben.

»Ich hätte nicht gedacht, dass das nötig ist. Die Leiche der Frau, die das Foto Ihrer toten Schwester in der Hand hielt, hätte doch eigentlich ausreichen müssen. ¡Dios mío! ¡Mujer, me vas a volver loco!«, ging Omar nun vollends zum Spanischen über.

»Ich treibe Sie in den Wahnsinn? Vielleicht sollten Sie darum bitten, einer anderen Person zugeteilt zu werden. Denn dieses Gefühl beruht eindeutig auf Gegenseitigkeit.«

Er fuhr in der Nähe des Gebäudes vor, in dem Genesis arbeitete, und hielt an.

Fasziniert beobachtete ich, wie er die Augen schloss und mit den Fingern das Lenkrad so fest umklammerte, dass die Knöchel weiß hervortraten. Dann löste er sie wieder und streckte sie aus, um gleichzeitig tief und beruhigend Luft zu holen.

»Wenn Sie so freundlich wären, im Wagen zu bleiben – mit anderen Worten: Steigen Sie keinesfalls aus! –, wäre ich Ihnen dankbar. Ich würde meinen Job gern behalten, und Ihre Sicherheit steht für mich momentan an erster Stelle.« Er setzte ein falsches Lächeln auf und sah mir in die Augen. »War das besser?«

Hinter uns hörte man Charlie belustigt losprusten, die sich ansonsten jedoch jede weitere Bemerkung verkniff.

Ich schnaubte wütend und sah auf meine Nägel herab, wie um meine Maniküre zu checken. »Schon besser, aber noch lange nicht gut«, antwortete ich schnippisch, denn so leicht gab ich mich nicht geschlagen. Mein Temperament und meine Halsstarrigkeit waren geradezu legendär und kannten keine Grenzen. Deshalb bezeichnete Mama Kerri mich immer als Wild Spirit, als ungezähmt und rebellisch. Mein Feuer war wie ein Flächenbrand, den niemand zu kontrollieren vermochte. Ihrer Meinung nach konnte nur ein Mann, der mein Feuer nicht bekämpfte, sondern es im Gegenteil schürte und als Quell seiner eigenen Energie nutzte, der Richtige für mich sein.

Er schüttelte bei meiner Antwort bloß den Kopf und lachte sich schlapp. Sein Körper entspannte sich noch mehr, sein Zorn war genauso schnell verraucht, wie er aufgeflammt war, als habe jemand eine Kerze entzündet und dann wieder ausgepustet. Sein tiefes, volltönendes Lachen drang durch jede einzelne Pore meiner Haut, schlug in mir Wurzeln der Lust, die sich durch mein Innerstes schlängelten.

Ich presste die Schenkel zusammen und biss die Zähne aufeinander. »Müssen Sie nicht irgendwohin?« Um meine körperliche Reaktion zu unterdrücken, blinzelte ich heftig.

Er beugte sich so dicht zu mir vor, dass seine Nase höchstens eine Handspanne von meiner entfernt war. »Nichts täte ich lieber, als hier im Auto sitzen zu bleiben und mit Ihnen zu streiten, mi lirio, aber ich habe einen Job zu erledigen. Deshalb werden wir das auf ein anderes Mal vertagen. Vielleicht in einem etwas privateren Rahmen«, fügte er mit dreistem Zwinkern hinzu.

»Wie bitte? Nein! Das kann unmöglich Ihr Ernst sein«, schnauzte ich, während er aus dem SUV stieg. Ein Piepton signalisierte mir, dass er die Zentralverriegelung betätigt hatte. Wie vor den Kopf geschlagen saß ich da.

»Du liebe Güte, Lil, zwischen euch knistert es ja gewaltig. Lässt du dich darauf ein oder nicht?« Charlie beugte sich zwischen den beiden Vordersitzen zu mir vor.

»Nein!«

Sie runzelte die Stirn. »Und warum nicht? Er ist heiß. Er ist genau dein Typ. Und er steht ja soooooo sehr auf dich.« Sie grinste und wackelte vielsagend mit den Augenbrauen.

»Er macht mich so stinksauer, dass ich ihm am liebsten die Faust ins Gesicht rammen und ihm eine zusammengerollte schmutzige Socke in seinen blöden sexy Mund stopfen würde, damit er ihn endlich hält!« Wütend drehte ich mich zu ihr um und schaute ihr ins Gesicht.

Sie nickte. »Das war nicht zu übersehen, aber gleichzeitig willst du ihn vögeln. Auch das ist offensichtlich – für ihn ebenso wie für mich.«

Ich knirschte mit den Zähnen. »Wenn du mich das nächste Mal bittest, einem deiner spanischsprachigen Kids im Jugendzentrum zu helfen, lautet die Antwort Nein!«, knurrte ich. Doch das war gelogen. Ich würde jedem Kind in Not helfen, genau wie Mama Kerri seinerzeit nach dem Verlust meiner Eltern mir und meinen Schwestern geholfen hatte.

Sie schüttelte sich vor Lachen. »Wie du meinst, Kobold.«

»Nenn mich nicht Kobold!«, blaffte ich gerade, als sich die hintere Beifahrertür öffnete und Genesis einstieg – mit heiterem Lächeln und müden Augen.

Weder Charlie noch ich sagten ein Wort, als Omar es sich hinter dem Steuer bequem machte. Zumindest war ich so klug, ihn ebenso zu ignorieren wie den köstlich duftenden Hauch seines erdigen Eau de Cologne.

»Was habe ich verpasst?«, erkundigte sich Genesis.

Charlie ergriff ihre Hand und sah aus dem Fenster. »Frag besser nicht.«

Kapitel 2

Zwei Wochen später …

Viereinhalb Monate vor dem Banküberfall

Während der darauffolgenden Woche wurde ich tagtäglich von Omar zur Arbeit gefahren und wieder abgeholt. Seit unserem Streit an seinem ersten Einsatztag hatte er noch eine Schippe draufgelegt. Und mit »Schippe« meine ich, dass der Mann nicht nur alles daran setzte, um mich auf die Palme zu bringen, sondern auch um dafür zu sorgen, dass ich den Tag verfluchte, an dem er in mein Leben getreten war.

Im Grunde war Omar der bestaussehende Mann überhaupt, und zu allem Überfluss schien er auch noch Gefallen an meiner verrückten Art zu finden. Die Tage liefen etwa folgendermaßen ab:

Am Dienstag pflanzte ich mich mit Absicht auf den Rücksitz, damit er mich vorn nicht ärgern konnte. Also aktivierte er die Kindersicherung. Als wir schließlich an meiner Schule anlangten und ich verzweifelt versuchte, wie von der Tarantel gestochen das Auto zu verlassen, grinste er bloß boshaft und ließ sich dann jede Menge Zeit, um seinerseits auszusteigen und gemächlich das Fahrzeug zu umrunden. Daraufhin lachten sich Genesis und Charlie kaputt. Sie verfolgten das Spiel ebenso gebannt wie ihre Lieblingsserie und genossen jede einzelne Minute.

Ich knurrte laut, als Omar endlich grinsend die Tür öffnete. Doch bevor ich wie ein Tier, dessen Käfig man gerade geöffnet hatte, aus dem Fahrzeug flüchten konnte, ergriff er ganz unverfroren meine Hand und hielt sie fest, um mich bis zum Eingang des Schulgebäudes zu bringen.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass mir Rauchwölkchen aus den Ohren stieben, denn mein Gesicht brannte vor Zorn und Verlegenheit. Er hatte nicht nur meinen Plan vereitelt, sondern auch für einiges Aufsehen gesorgt. Nachdem er mich nämlich bis zur Tür begleitet hatte, hob er meine Hand an die Lippen und gab mir einen Kuss auf den Handrücken.

Ich bleckte die Zähne und stieß zischend die Luft aus.

Mit einem atemberaubenden, blitzend weißen Lächeln sagte er laut genug, dass alle es hören konnten: »Einen wunderschönen Arbeitstag wünsche ich Ihnen, mi lirio. Sie sehen wunderschön aus. Bis später.« Dann ließ er meine Hand wieder los und kehrte mit unzweifelhaft wiegendem Gang zu seinem SUV zurück. Unwillkürlich sah ich seinen festen Pobacken und seinem breiten Rücken hinterher, dessen Muskeln sich bei jedem Schritt regten.

All das beobachteten einige meiner ebenfalls gerade eintreffenden Kollegen mit großen Augen – ebenso wie unzählige Kinder. Ein paar Mädchen aus der Klasse, die ich in der zweiten Stunde unterrichtete, riefen: »Donnerwetter! Ms. Ramírez hat einen heißen Typen an der Angel! ¡Muy caliente!« Wäre ich nicht so stinksauer gewesen, wäre ich stolz darauf gewesen, wie fließend ihr Spanisch war.

Am Mittwoch lief es nicht besser.

Ich versuchte, ihn komplett zu ignorieren. Das hatte die gegenteilige Wirkung: Nun bedrängte er mich bloß noch umso mehr. Angefangen mit meinem Haar. Diesmal setzte ich mich auf dem Weg zum SUV nicht dagegen zur Wehr, dass er mich durch die versammelten Paparazzi zum vorderen Beifahrersitz führte, denn zweimal ließ ich mich von der Kindersicherung nicht hereinlegen. Die Paparazzi stieben auseinander und ließen von uns ab, als die Tür vom Kerrighan House sich erneut öffnete und Simone auf der Türschwelle erschien, die mit Jonah zur Arbeit fuhr.

Doch als ich einsteigen wollte, zog Omar einfach an meinem langen, geflochtenen Zopf.

»Was soll das denn darstellen? Buchstäblich den Schwanz eines Pferdes?« Er schnippte das Haar zur Seite.

Wütend funkelte ich ihn an. »Das sind Extensions. Finger weg!«, warnte ich ihn.

Er senkte den Kopf und versetzte dem langen Zopf einen kühnen Schubs, sodass er an meinem Rücken hin und her schwang.

»¿Estás loco? Wenn Sie so weitermachen, hasse ich Sie irgendwann bis aufs Blut! Niemals …« Ich biss die Zähne aufeinander. »Und ich meine wirklich niemals dürfen Sie das Haar einer Frau anfassen.«

Er ignorierte meine Worte und strich mit der Hand über den Zopf. Ehrlich gesagt genoss ich seine Berührung, aber vor allem machte es Spaß, sein Gesicht zu beobachten, während er herauszufinden versuchte, warum ich nun statt meiner schulterlangen Naturlocken wie durch Zauberhand langes Haar hatte.

»Der Pferdeschwanz gefällt mir. Wenn Sie das Haar so zusammenfassen, kann ich ungehindert Ihr hübsches Gesicht betrachten.« Er ließ die Finger von meiner Schläfe über meine Wange bis zu meinem Kinn hinabwandern und tippte mir mit dem Daumen an die Unterlippe. Ich erschauerte. Anscheinend war mein Körper ganz anderer Ansicht als mein Hirn. Dieser miese Verräter!

»Wollen Sie mir diese Extensions erklären? Sind das Ihre eigenen Haare, die Sie sich wieder anheften können?«, erkundigte er sich wieder.

Ich brummte vor mich hin. »¡Dios mío! Leben Sie denn noch in der Steinzeit?« Mit der Hüfte stieß ich ihn beiseite, stieg endgültig ins Auto und bemühte mich, die körperliche Reaktion auf seine süße Liebkosung vollständig zu ignorieren.

Anscheinend immer noch verwirrt schloss er die Wagentür, umrundete das Gefährt und setzte sich schweigend ans Steuer. Die Stille hielt ganze fünf Sekunden lang an, bis wir das Ende der Straße erreicht hatten und er mich mit gerunzelten Augenbrauen ansah.

»Wie funktioniert das? Dieser Pferdeschwanz?«

»Gott, steh mir bei!« Ich seufzte und schloss kopfschüttelnd die Augen.

Genesis und Charlie lachten sich auf dem Rücksitz schlapp. Etwas anderes schienen sie zu unserem neuen morgendlichen Ritual nicht beizutragen zu haben.

»Einige Frauen, wie ich zum Beispiel, haben etwas übrig für abwechslungsreiche Frisuren. Ich fühle mich dann gut. Ich kaufe Hair-Extensions, die zu meiner natürlichen Haarfarbe passen, und trage sie immer, wenn ich anders aussehen will. Heute beispielsweise hatte ich Lust, ein wenig frech rüberzukommen, daher der lange Zopf.«

»Hm, frech. Das sind Sie definitiv, mi lirio. Das würde mi madre gefallen. Sie wünscht sich eine Frau für ihren Sohn, die offen sagt, was sie denkt.« Er grinste.

Meine Brust zog sich schmerzhaft zusammen, und mein Herz fing bei der Erwähnung seiner Mutter wild an zu klopfen. »Ich habe nicht die geringste Absicht, Ihre Mutter kennenzulernen. Das dürfte also keine Rolle spielen.« Dann holte ich meine Puderdose aus dem Rucksack und frischte mein Make-up auf.

Vor der Schule versuchte ich, schneller als er aus dem Auto zu gelangen, aber ohne Erfolg. Trotz seiner geschmeidigen Art bewegte sich dieser Mann so pfeilschnell wie ein Ninja und tauchte neben mir auf, noch bevor ich überhaupt Gelegenheit hatte, den Fuß in meinen High Heels auf den Asphalt zu setzen.

Um das Händchenhalten zu umgehen, das er gestern erzwungen hatte, klammerte ich mich bewusst an die beiden Riemen meines Rucksacks. Daraufhin legte Omar mir die Hand ins Kreuz und führte mich zum Schuleingang. Einfach unverbesserlich, dieser Kerl!

»Ich freue mich schon darauf, Sie später abzuholen. Das ist die schönste Zeit meines Tages«, versicherte er mir charmant und salutierte dann spielerisch vor mir, indem er – Inbegriff des heißen Typen, der er war – zwei Finger von der Stirn zur Seite schnellen ließ. Ich kniff nur die Augen zusammen und hielt ansonsten den Mund. Die Lehrerinnen, deren Klassenräume sich in der Nähe des Eingangs befanden, an dem ich abgesetzt worden war, seufzten schwärmerisch, »wie süß« er doch sei.

Als er mich nachmittags abholte und mich buchstäblich aus dem Gebäude zerrte, ging es mit den Komplimenten weiter. In diesem Augenblick kam mir ein brillanter Gedanke. Die einzige Möglichkeit, diesen Mann loszuwerden, bestand darin, mir einen anderen zu suchen. Oder zumindest zu erfinden.