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Ein zauberhaftes indianisches Märchen vom Suchen der menschlichen Seele nach ihrem Zuhause! Ein Schamane, der traditionelle Grenzen überschreiten muss, um seine Erfüllung zu finden. Eine Seherin, die dem Ruf des Unbekannten folgt. Welten voneinander entfernt finden sie dennoch zueinander. Bevor das Neue geboren werden kann, verlangt ihnen das Leben große Prüfungen ab. Nur das selbstlose und hingebungsvolle Opfer der Liebenden wird die Erlösung bringen...
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Inhaltsverzeichnis
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI
XII
XIII
XIV
Über die Autorin
Impressum
Für reine Herzen:
“Möge die unendliche Inspiration ewiger Schönheit, Harmonie und Wahrheit dein Leben durchweben und erleuchten.”
(Invokation Serapis Bey)
Sie erwachte eines Morgens und alles war anders. Alles, woran sie geglaubt hatte, zerbrach wie ein Spiegel in Myriaden mikroskopisch kleiner Splitter. Sie war kein unbedarftes Kind mehr, von einem Tag zum anderen.
Der Tag brach mit einem glutroten Sonnenaufgang an. Sie hörte die Wellen des Ozeans, die sich sanft am Riff brachen; das Meer türkisblau, schäumende Wellenkronen, ein langer, einsamer, weißer Strand – der Sand so fein wie Samt auf ihrer Haut und sich hartnäckig in ihrem Haar verfangend, wenn sie sich von ihm wärmen ließ. Der Wind, der ihr Gesicht streichelte, erinnerte sie an eine zärtliche Hand, die sie kannte. Äonen der Zeit, die sie von ihm trennten und in einer anderen Welt. Sie musste an die Unterwasserwelt denken, in der sie zuhause war, sich schwerelos und behende bewegte. An die prächtige, farbenfrohe Vielfalt von Flora und Fauna; wie die Seeanemonen ihr jedes Mal freudig die Kelche entgegen reckten, um sie zu begrüßen und die Seesterne sich pfauenhaft aufplusterten, damit sie sie ja nicht übersah. Der Delphin, der ihr Geschichten aus der Ferne erzählte. Jeder kannte sie – dort. Sie hatte nie einen Spiegel gesehen und sie war allein. Jetzt.
All ihre Freunde im Meer konnten ihren Kummer nicht mehr stillen, die Leere in ihrem Herzen war zu groß geworden. Sie konnte sich nicht mehr genau erinnern, wann es begonnen hatte und sie wusste auch nicht, warum.
Sie bückte sich, hielt ihre Hand ins Wasser und wartete auf eine Antwort. Das Meer umspielte ihre Finger und die nackten Füße, ein zarter Ruf. Komm – komm. Und da wusste sie, dass sie gehen musste. Dass es Zeit war, dieses geliebte Paradies zu verlassen, die Heimat seit einer kleinen Ewigkeit. Sie drehte sich um, ging zu ihrem Zelt aus Palmwedeln, packte die wenigen Habseligkeiten und wandte sich gen Norden.
Norden.
Die Mukh-Thar lebten in den Bergen zwischen dem Pazifik und den weit gedehnten Grassteppen der Prärie. Ihre Blockhütten wurden von alten, hochgewachsenen Nadelwäldern geschützt. Der frische Wind brachte die salzige Meerluft mit sich und im Winter den Schneesturm. Es war die Zeit der Büffel. Aber ihr Medizinmann war mit anderen Dingen beschäftigt und machte ein Geheimnis daraus. Seit Wochen ritt er bei Tagesanbruch in die Wälder und kehrte erst nach Sonnenuntergang zurück. Kein Mensch wusste weshalb oder was er dort tat und sie machten sich Sorgen. Man munkelte von ausgedehnten Reisen in die verbotene Welt der dunklen Geister. Ein Flüstern von verängstigten Zungen, er hätte sich von einem Sukkubus einfangen lassen, der ihn mehr und mehr gefangen nahm und ihn vom Stamm entfernte. Er sollte im Dorf sein, die reiche Ernte und die erlegten Tiere segnen und die Dankesrituale führen, doch er hüllte sich in Schweigen und setzte seine Ausflüge fort.
Or-al-Tha war ein hochgewachsener, gutgebauter Mann mit markanten Zügen und wundervollem, langem, glattem schwarzen Haar und braungebrannter Haut. Seine dunklen Augen waren offen und klar und schienen demjenigen, den sie ansahen, auf den Grund der Seele zu blicken. Er hatte schmale, aber weiche Lippen und jedes Wort, das er sprach, war wohlüberlegt. Nie traf er unüberdachte Entscheidungen. Die Adlernase in seinem Gesicht verriet die Abstammung aus dem Haus der Jäger und seinem Blick schien nichts zu entgehen. Die Hände, die heilten, waren sanft und warm, obwohl sie ihre Kraft nicht leugnen konnten.