Nortons philosophische Memoiren - Håkan Nesser - E-Book

Nortons philosophische Memoiren E-Book

Håkan Nesser

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Beschreibung

Norton gehört zu den weitgereistesten Hunden Schwedens. Im Central Park hat er Bälle gejagt, in Stockholm um Fleischbällchen gebettelt und in Kensington Gardens Hündinnen hinterhergeschaut. Immer unter der Aufsicht seines Herrchens Håkan Nesser. Gemeinsam waren ihnen elf Jahre Abenteuer und Freundschaft vergönnt. Hier erzählt Norton von seinen vielen Reisen, verrät seine besten Tipps, um das Leben zu genießen, und berichtet von Erkenntnissen, die er daraus gewonnen hat, mit uns Zweibeinern zusammenzuleben.

Mit Liebe, Zärtlichkeit und verschmitztem Humor hat Håkan Nesser, vor allem bekannt für seine zahlreichen Kriminalromane, mit diesem Buch eine denkwürdige Huldigung seines geliebten Hundes Norton geschrieben.

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Zum Buch:

Norton gehört zu den weitgereistesten Hunden Schwedens. Im Central Park hat er Bälle gejagt, in Stockholm um Fleischbällchen gebettelt und in Kensington Gardens Hündinnen hinterhergeschaut. Immer unter der Aufsicht seines Herrchens Håkan Nesser. Gemeinsam waren ihnen elf Jahre Abenteuer und Freundschaft vergönnt. Hier erzählt Norton von seinen vielen Reisen, verrät seine besten Tipps, um das Leben zu genießen, und berichtet darüber, wie es ist, mit uns Zweibeinern zusammenzuleben.

Mit Liebe, Zärtlichkeit und verschmitztem Humor hat Håkan Nesser, vor allem bekannt für seine zahlreichen Kriminalromane, mit diesem Buch eine denkwürdige Huldigung seines geliebten Hundes Norton geschrieben.

Zum Autor:

HÅKAN NESSER, geboren 1950, ist einer der beliebtesten Schriftsteller Schwedens. Für seine Kriminalromane erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, sie sind in über zwanzig Sprachen übersetzt und mehrmals erfolgreich verfilmt worden. Håkan Nesser lebt abwechselnd in Stockholm und auf Gotland.

NORTONSPHILOSOPHISCHEMEMOIREN

Verfasst von

Norton Kierkegaard

Aufgezeichnet von

Håkan Nesser

Illustriert von Karin Hagen Übersetzt aus dem Schwedischen von Paul Berf

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Copyright © 2018 by btb Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Umschlaggestaltung: semper smile München Umschlagillustration: Karin Hagen Autorenfoto: © Ulla Montan Satz: Uhl + Massopust, Aalen ISBN 978-3-641-21343-5V002
www.btb-verlag.dewww.facebook.com/btbverlag

Inhalt

I. Stadien auf dem Lebensweg

(2004–2009)

II. Weitere Stadien auf dem Lebensweg

(2009–2014)

III. Endstadien auf dem Lebensweg

(2014)

SCHLUSSBEMERKUNG

I. Stadien auf dem Lebensweg

(2004–2009)

Darin enthalten: Der Mann auf der Heide– eine Erzählung aus der Wirklichkeit

OUVERTÜRE

Nein, macht euch nichts vor.

Ich bin kein Philosoph. Ich bin ein Hund. Aber ich sehe aus wie ein Philosoph, der Ansicht sind die meisten, außerdem bin ich mir nicht sicher, ob der Unterschied tatsächlich so groß ist, wie man gemeinhin annimmt. Wenn überhaupt, besteht er wohl darin, dass wir Hunde unsere Überlegungen für uns behalten. Was Vor- und Nachteile hat.

Ich bin ein sogenannter Rhodesian Ridgeback. Meine Vorfahren pflegten Löwen in Afrika zu jagen, aber ich selbst bin ein moderner, urbaner Hund, der im Großen und Ganzen nichts mit der Jagd am Hut hat. Während ich dies hier schreibe, befinde ich mich mit meinem Herrchen in einem Gasthaus in einer englischen Heidelandschaft. Es ist nicht die Heide von Baskerville, diese hier heißt Exmoor und liegt direkt daneben.

Ich werde erzählen, was gestern passiert ist, zum einen, weil es eine lehrreiche Geschichte ist, zum anderen, weil ich mich noch recht gut an sie erinnere – was nicht so oft vorkommt. Aber eins nach dem anderen. Lasst mich von vorn anfangen, das ist immer eine gute Idee.

PORTRÄT DES AUTORSALS JUNGER WELPE

Geboren wurde ich irgendwo in der Ebene westlich von Uppsala, ich habe kaum Erinnerungen daran. Anfangs war ich blind und taumelte zwischen meinen Geschwistern umher. Wir kackten und wir bissen uns und wurden gesäugt, und unsere Mutter – die, wie ich leider sagen muss, ein ziemliches Aas war – versuchte uns zu erziehen, so gut sie konnte. Ohne sonderlich großen Erfolg, wie ich auch sagen muss.

Nach einer Weile bekamen wir die Augen auf, aber in dieser ersten Zeit gab es nur wenig mehr zu sehen als unsere Familie. Wir lebten in einem ausgeklügelten Compact-living-Stil, und ich weiß noch, dass ich dachte, also, wenn das nicht besser wird, wäre man lieber zwanzig Generationen früher in Afrika zur Welt gekommen. Wenngleich wir Futter und Wasser bekamen und es uns an nichts fehlte.

Als ich ungefähr zwei Monate alt war, wurde ich adoptiert. Zwei langbeinige Menschen, ein Mann und eine Frau, holten mich ab, steckten mich in ein Auto und fuhren mit mir in die Stadt. Wenn ich Stadt sage, meine ich Uppsala. Die Wohnung war groß und schön, aber in der ersten Zeit hielt ich mich meist auf einer Matratze unter einer Bank in der Küche auf. Sobald ich pinkeln musste, hoben sie mich hoch und trugen mich auf den Hof hinaus, woraus ich schloss, dass die Toilette draußen war. Für das eine wie das andere.

Es gab in dieser Wohnung ein paar gute Plätze. Zum Beispiel einen großen, weichen Hocker mit einem

Schafsfell darauf, auf dem ich einen Großteil meines ersten Jahres verbrachte. Genau wie ein brauner Ledersessel, auf dem ich sitzen und auf einen Fluss hinausschauen konnte. Dieser hieß Fyris, wie ich irgendwann erfuhr, und floss recht träge. Das entsprach indes meinem Temperament; ich bin ein ausgesprochen ruhiger Philosoph, ich meine, Hund, insbesondere, wenn ich mich im Haus aufhalte. Ich kann bis zu fünfzehn Stunden am Tag schlafen, und selbst, wenn ich wach bin, lasse ich es mit Vorliebe ruhig angehen. Es gibt Menschen, die glauben, ich wäre ausgestopft, aber das trifft nicht zu.

Einer der Unterschiede zwischen Philosophen und Hunden besteht darin, dass wir Letztgenannten ein ziemliches Faible für das Leben außer Haus haben. Allerdings nicht im Übermaß, ein paar Stunden pro Tag reichen völlig. Mein neues Herrchen und mein Frauchen begriffen das; vermutlich hatten sie das eine oder andere Hundebuch gelesen, nehme ich an, denn ich musste ihnen im Grunde nichts erklären. Jeden Tag steckte mich einer der beiden ins Auto, und dann fuhren wir in den Wald. Verschiedene Wälder, meiner Schätzung nach fünfzehn Minuten oder eine halbe Stunde von der Stadt entfernt. Ich habe es von Anfang an geliebt, Auto zu fahren, zum Glück, wenn man mein weiteres Schicksal bedenkt.

Manchmal wurde ich auf diesen Waldspaziergängen von einem Kameraden begleitet. Er war ein Schäferhund und hieß Kastor. Anfangs lief das noch recht gut, wir tollten wie optimistische Irre über Stock und Stein und zwischen den Bäumen herum; Moos und Stöckchen und Heidelbeerreisige wirbelten durch die Luft, aber als Kastor geschlechtsreif wurde, verschlechterte sich seine Laune zusehends. Wir gerieten mehrfach aneinander, es kam zu Blutvergießen und allem Möglichen, und ich musste leider feststellen, dass er stärker war als ich.

Ungefähr in diesem Stadium meines Lebens beschloss ich, Pazifist zu werden. Das ist eigentlich eher unüblich unter uns Philosophen, Verzeihung, ich meine, Hunden, dennoch möchte ich behaupten, dass ich meiner Linie treu geblieben bin. Ich bin generell nicht aggressiv, kein bisschen. Selbst als meine langbeinigen Pfleger einen Kater namens Nelson anschleppten, blieb ich ruhig. Mit der Zeit wurden wir sogar richtig gute Freunde, Nelson und ich, obwohl er weiß Gott reichlich bescheuert war. Ich schreibe war, weil Nelson inzwischen zu einer anderen Familie gezogen ist. Etwas später in seinem Leben hatte er in New York eine komplizierte Liebesaffäre, aber jetzt greife ich den Dingen voraus.

MEINE LEHRJAHRE

Die Langbeinigen schickten mich in diesem ersten Jahr in eine Art Schule, was eine ungewöhnlich triste Angelegenheit war. Wir waren etwa zehn junge Hunde, die alles Mögliche lernen sollten, was wir nicht tun wollten. Auf Kommando dahin und dorthin laufen, oder stillsitzen oder uns hinlegen oder Stöckchen holen und weiß der Himmel was noch alles. Gott sei Dank endete meine Schulzeit schon nach etwa einem Monat, und ich muss sagen, dass Ausbildung generell überschätzt wird.

Diese Familie, bei der ich wohnte, bestand nicht nur aus dem großen Mann, der großen Frau und dem bescheuerten Nelson. Es gab auch noch eine etwas kleinere, jüngere Frau, sowie jemanden namens Johannes, von dem ich lange Zeit nicht wusste, ob er nun ein Mensch oder ein Hund war. Er war auf jeden Fall kein Philosoph, aber wir hatten viel Spaß miteinander. Wir balgten uns und wälzten uns herum und bissen uns gegenseitig, aber dann zog er nach Stockholm und wurde Eishockeyspieler. Die kleinere, jüngere Frau war ebenfalls zeitweilig verschwunden, ist in späteren Jahren jedoch zurückgekehrt.

Während unserer täglichen Waldspaziergänge lernte ich so manches. Unter anderem, dass Herrchen sich manchmal verläuft, aber stets zum Auto zurückfindet. Man braucht ihn nicht zu suchen, nicht einmal, wenn er irgendwo herumsteht und ganz verloren ruft; es kann nicht schaden, wenn er es allein lernt, ich will ihn nicht verwöhnen.

Es war eine ziemlich ruhige und angenehme Zeit, diese ersten Jahre in Uppsala. Man könnte sagen, dass ich eine gute Grundlage bekam, auf der ich aufbauen konnte. Doch dann, im Juni 2006, als ich ungefähr zweieinhalb war, endete dieses ruhige Dasein. Die große Wohnung am Fluss wurde systematisch von Möbeln befreit, sogar mein Hocker und meine Matratze verschwanden, und wirklich jedem musste daraufhin klar sein, dass ein Aufbruch vor der Tür stand.

Trotzdem staunte ich nicht schlecht, als wir, Frauchen und ich, zu einem großen Flughafen fuhren, wo ich in einen Käfig gesteckt und in ein Flugzeug geladen wurde. Da war es ein Glück, dass man sich seiner philosophischen Seite zuwenden konnte, sicherheitshalber hatte Frauchen mich allerdings zusätzlich unter Drogen gesetzt, so dass ich das einzig Richtige tat: Ich knackte ein und verschlief die ganze, acht Stunden lange Reise über den Atlantik.

Als wir ankamen, stellte sich heraus, dass wir in Amerika waren. Der träge Nelson war mit Frauchen die ganze Zeit in der Menschenabteilung des Flugzeugs gereist, und als ich endlich aus dem Käfig herauskam, stand Herrchen vor mir und nahm mich in Empfang. Er hatte sich ein grellbunt bemaltes Wohnmobil besorgt und erklärte, es werde in den nächsten drei Monaten unser Zuhause sein. Du liebe Güte, dachte ich; man ist afrikanischer Abstammung, man wird in der Ebene vor den Toren Uppsalas in Schweden geboren, und nun soll man sich auch noch durch die Vereinigten Staaten von Amerika kutschieren lassen. Der Philosoph in mir beschloss, zum Stoiker zu werden.

AMERIKA, FRÜHE MANNESJAHRE

Das große Land im Westen war, wie sich herausstellte, gar nicht so dumm. Heiß war es allerdings, den ganzen Sommer lang, aber ich achtete schon bald darauf, den Beifahrerplatz auf der Vorderbank neben Herrchen in Beschlag zu nehmen, denn die meiste Zeit saß er am Steuer. Dort konnte man seine Schnauze über die Lüftungsklappe legen und es richtig angenehm haben. Ich musste mich natürlich damit abfinden, auch als Kartenleser tätig zu werden, da Herrchen ein Wunder an technischem Unverstand ist und vergessen hatte, sich ein Navi zu besorgen. Wenn wir auf einen neuen Campingplatz fuhren, trug ich stets Strohhut und Sonnenbrille. »Good God!«, schrien sie daraufhin an der Rezeption. »He looks like Sean Connery! What an excellent co-driver!« Ich glaube, Herrchen und Frauchen hatten sich ausgerechnet, dass wir auf die Art immer den besten Stellplatz auf dem Campinggelände bekommen würden. Abends entfachten wir ein Lagerfeuer; und Nelson und ich waren oft gemeinsam an eine Laufleine gekoppelt, da er sonst die Tendenz hatte zu verschwinden. Habe ich schon erwähnt, dass er nicht besonders helle ist? Jedenfalls hatte es ganz eindeutig etwas für sich, im Lichtschein des Lagerfeuers in der Prärie zu liegen und leise Country und Western-Musik aus dem Transistorradio des Nachbarn zu hören, gelegentlich konnte man sogar einen gegrillten Happen Fleisch ergattern. Marshmallows probierte ich dagegen nie. Ich habe einen etwas empfindlichen Magen, ich schäme mich nicht dafür.

Wir tuckerten drei Monate umher, durch Minnesota, Michigan, Montana, Oregon, Kalifornien, und wie sie alle heißen, diese vereinigten Staaten. Vor allem unten im Süden, in Louisiana, Florida und Georgia war es so heiß wie in Afrika, und ich dachte an meine alten Ahnen, als ich dort auf dem Beifahrersitz saß und die Karte las. Vielleicht ganz gut, dass sie mich jetzt nicht sahen: ein afrikanischer Löwenhund mit Strohhut in einem Wohnmobil! Sie hätten ihren Augen nicht getraut, Hunde sind von Natur aus gern ein wenig konservativ.

Das Wohnmobil war dann allerdings plötzlich verschwunden. Wir befanden uns in einer Stadt mit unheimlich hohen Häusern und einer unglaublichen Menge Menschen. Das war New York, begriff ich. Hier würden wir wohnen, auch das begriff ich. In der dritten Etage in einer Straße, die Carmine Street hieß und in etwas lag, das »The Village« genannt wurde.

Jaja, dachte ich stoisch. Solange sie sich eine Couch anschaffen, erkläre ich mich wohl auch damit einverstanden.

NEW YORK, NEW YORK

Nach wenigen Tagen in dieser Stadt war ich vollkommen fertig. Ich weiß, dass Herrchen und Frauchen dachten, ich wäre krank geworden. Das stimmte aber nicht; es ging um die Gerüche.