Nothing but Spies 1: Nothing but Spies - Mario Fesler - E-Book

Nothing but Spies 1: Nothing but Spies E-Book

Mario Fesler

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Beschreibung

Stell dir vor, dein Nachbar ist der größte Fake der Welt. Und stell dir vor, deine Nachbarin will dir die wichtigste Mission deines Lebens vermasseln. Ohne Abenteuer geht es gar nicht, findet Celia. Leider lebt sie in der wohl langweiligsten Kleinstadt des Universums. Ihr neuer Mitschüler Vincent schiebt hingegen eine ruhige Kugel. Er ist gechillt, smart, sportlich, beliebt – einfach zu perfekt, um wahr zu sein. Doch dann lockt Celia ihn aus der Reserve. Sie klaut ihm ein Kaugummi, das eine völlig andere Funktion hat, als frischen Atem zu verbreiten. Und bald wird ihr klar, dass auch Vincent eine völlig andere Funktion hat, als gechillt im Klassenzimmer rumzusitzen: Er ist Undercover-Agent und seine perfekte Familie nur ein großer Fake. Sie sind in Trockenstedt, um einen ebenso geheimnisvollen wie genialen Erfinder mit dem Decknamen Hypnos ausfindig zu machen. Vincent bleibt keine Wahl. Wenn nicht herauskommen soll, dass er von einer neugierigen Teenagerin entlarvt wurde, muss er auf Celias Forderung eingehen: Sie will bei seiner Mission dabei sein! Ausgerechnet Celia, diese unkalkulierbare Sicherheitslücke. Und auch Celia ist reichlich genervt von Bilderbuchboy und seinen Agenten-Ticks. Eins steht also von Beginn an fest: Diese Mission wird ihre erste und einzige sein. Oder etwa doch nicht  ...? Garantiert ohne Agenten-Klischees. Dafür mit jeder Menge Action, Humor und Coolness.

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Mario Fesler

Nothing but Spies

Mit Bildern von Helder Oliveira

Stell dir vor, dein Nachbar ist der größte Fake der Welt. Und stell dir vor, deine Nachbarin will dir die wichtigste Mission deines Lebens vermasseln.

Ohne Abenteuer geht es gar nicht, findet Celia. Leider lebt sie in der wohl langweiligsten Kleinstadt des Universums. Ihr neuer Mitschüler Vincent schiebt hingegen eine ruhige Kugel. Er ist gechillt, smart, sportlich, beliebt – einfach zu perfekt, um wahr zu sein.

Doch dann lockt Celia ihn aus der Reserve. Sie klaut ihm ein Kaugummi, das eine völlig andere Funktion hat, als frischen Atem zu verbreiten. Und bald wird ihr klar, dass auch Vincent eine völlig andere Funktion hat, als gechillt im Klassenzimmer rumzusitzen: Er ist Undercover-Agent und seine perfekte Familie nur ein großer Fake. Sie sind in Trockenstedt, um einen ebenso geheimnisvollen wie genialen Erfinder mit dem Decknamen Hypnos ausfindig zu machen.

Vincent bleibt keine Wahl. Wenn nicht herauskommen soll, dass er von einer neugierigen Teenagerin entlarvt wurde, muss er auf Celias Forderung eingehen: Sie will bei seiner Mission dabei sein! Ausgerechnet Celia, diese unkalkulierbare Sicherheitslücke. Und auch Celia ist reichlich genervt von Bilderbuchboy und seinen Agenten-Ticks. Eins steht also von Beginn an fest: Diese Mission wird ihre erste und einzige sein. Oder etwa doch nicht …?

Wohin soll es gehen?

Buch lesen

Viten

Für meine Firmenkolleg*innen. Ihr bleibt in (guter!) Erinnerung.

Stämme. Äste. Zweige.

Auf einem davon sitzt ein Eichhörnchen. Es schaut ihn aufmerksam an, als wollte es fragen: „Was machst du hier, Kollege?“

Er fragt sich dasselbe, während er sich stöhnend aufrichtet. Jeden einzelnen Knochen spürt er, jeder Muskel schmerzt und seine durchweichte Kleidung lässt ihn schlottern.

Es ist doch Sommer, denkt er. Dann fällt ihm auf: Das ist das Einzige, was er weiß. Ein unbehagliches Gefühl durchfährt ihn, überlagert vom Brummen seines Schädels. Er greift sich an die brennende Stirn, fühlt etwas merkwürdig Weiches, das er vorsichtig von der Haut löst und dann ratlos in seiner Handfläche betrachtet.

Was ist das?

Es sieht aus wie einer dieser billigen Saugknöpfe, an denen man Badezimmerhandtücher befestigt. Er steckt das Ding kopfschüttelnd in seine Jackentasche.

Warum weiß ich eigentlich, was Saugknöpfe und Badezimmerhandtücher sind, aber nicht, wer oder wo ich bin? Er steht mit wackeligen Beinen auf, lehnt sich an eine dünne Birke. (Ah ja, Birken kennen wir also auch.) Vor ihm ragt ein steiler Abhang auf und im Schlamm ist eine Spur zu erkennen. Sie führt zu einem Holzstamm, der kurz vor dem Abgrund liegt.

Habe ich da gesessen und bin dann runtergefallen?

Die Vorstellung, tollpatschig einen Abhang in einem menschleeren Wald runterzukullern, kränkt ihn. Auch wenn er keine Ahnung hat, wer er ist, weiß er, dass ihm so was nicht passieren dürfte.

Eine Welle der Übelkeit lenkt ihn von dem Gedanken ab. Er beugt sich zur Seite, übergibt sich. Als es vorbei ist, sieht er etwas Schwarzes im bunten, knöcheltiefen Laub.

Ein Handy. Gott sei Dank.

Er springt hin, hebt es auf und stößt ein leises Fluchen aus. Das Ding ist total nass. Wäre ein Wunder, wenn es überlebt hätte.

Wasserdicht bis dreitausend Meter, flüstert eine Stimme in seinem Ohr. Auch wenn er keine Ahnung hat, wer bei einem Smartphone so ein Feature braucht, drückt er den seitlichen Knopf. Es geht problemlos an. Er legt seinen Daumen auf das dafür vorgesehene Feld und scheitert an der geforderten PIN.

Hauptsache, Bug geht es gut, denkt er. Dann wundert er sich, wer oder was zur Hölle Bug nun schon wieder sein soll.

Das alles muss ein Albtraum sein. Hilfe suchend guckt er zu der Stelle, wo das Eichhörnchen saß, aber es ist weg. Er fühlt sich wahnsinnig einsam und fragt sich, warum diese Einsamkeit so vertraut wirkt.

Vincent. Mein Name ist Vincent Lurking.

Der Gedanke ist wie ein herumtreibendes Brett auf einem tosenden Meer der Ahnungslosigkeit. Er greift gierig danach und zieht sich darauf. Endlich hat er etwas. Auch wenn es nur ein Name ist. Dann stolpert Vincent los.

Als er den Wald hinter sich gelassen hat, sieht er rechts von sich einen kleinen Fluss.

Die Neisel.

Ein weiterer Name, ein weiterer Hinweis. Etwas stromaufwärts der Neisel sind Häuser. Eine Stadt.

1,7 Kilometer, verrät ihm diese spooky Stimme in seinem Kopf, die offensichtlich verdammt gut Entfernungen einschätzen kann.

Als Erstes erreicht Vincent ein kleines Gewerbegebiet. Eine große Kfz-Werkstatt mit angeschlossenem Autohaus. Eine stillgelegte Fabrik, die laut einem Schild davor mal Deutsche Qualitätsreifen hergestellt hat. Ein Discounter, der sich mit einem Elektrogeschäft den Parkplatz teilt. Vincents Schritte sind fester, als er weitermarschiert. In seinem Kopf tauchen neue Daten auf, die er leise wie Vokabeln für einen alles entscheidenden Test vor sich hin murmelt.

„Tatjana Lurking, 38. Meine Mutter.

Mark Lurking, 42. Mein Vater.

Siri Lurking, 9. Meine Schwester.“

Er ist mittlerweile im Zentrum dieser Stadt angekommen. Ein Marktplatz mit einem Brunnen. Menschenleer. Kein Wunder, bei diesem kalten Nieselwetter. Die kleine Buchhandlung, das Blumengeschäft, die Parfümerie sind geschlossen. Lediglich hinter den Fensterscheiben eines Cafés erahnt Vincent ein paar Gäste.

Das sechsfache Schlagen einer Turmuhr lenkt seinen Blick zu dem größten Gebäude.

Die spätgotische Kirche St. Gregor, verrät seine Gruselstimme. Erbaut im Jahr 1263 und damit das älteste Bauwerk von Trockenstedt.

Der Name der Stadt reißt einen Staudamm ein. Erinnerungen fluten Vincents Kopf.

Trockenstedt, denkt er. Aber da ziehen wir doch erst noch hin!

Immerhin: Jetzt weiß er, wo er ist. Wer er ist. Wo er hinmuss. Er ruft in seinem Kopf den Stadtplan auf, orientiert sich und läuft dann zum Neubaugebiet.

Flemmingkarree, liest er auf dem Straßenschild. Sehr gut. Das ist der richtige Weg.

Hausnummer 2. Die Hagenbecks.

Hausnummer 16. Die Cauders.

Hausnummer 25. Herr Frescher.

Bei der Hausnummer 26 sieht er ein Gesicht hinter dem Fenster. Celia Lopez. Sie schaut ihn an wie einen Geist.

Er kennt sie nur von Fotos. Aber sie scheint deutlich mehr mit ihm zu verbinden als nur ein Gesicht.

Lurking steht auf einem Schild am Gartenzaun des nächsten Hauses. Vincent blickt hoch. Das Haus sieht genauso aus wie auf den Konstruktionsplänen. Auch der Pool ist da, aber das Wasser wurde anscheinend schon abgelassen. Im Garten wurde bereits gearbeitet. Auf den Blumenbeeten liegt frischer Rindenmulch.

Die Haustür öffnet sich. Tatjana eilt ihm entgegen.

„Vincent!“, ruft sie mit sorgenvoller Stimme und greift ihm unter den Arm, als könnte er gleich zusammenbrechen.

Mark ist nun ebenfalls da und stützt ihn. „Wir haben uns solche Sorgen gemacht!“

Die beiden bringen ihn in die Küche, platzieren ihn auf einem Stuhl in der Essecke. Siri sitzt am anderen Ende und schaut ihn prüfend an.

Vincent greift sich die Zeitung, die auf dem Tisch liegt. Sein Blick sucht das Datum.

„Hast du das wirklich gemacht?“, fragt Siri.

15. Oktober. Vincent fühlt sich absurderweise, als müsse er lachen.

Ich weiß nicht, was du meinst und ob ich es gemacht habe, beantwortet er im Kopf Siris Frage. Ich weiß ehrlich gesagt nicht mal, was ich die letzten vier Wochen gemacht habe. Ein leises Glucksen schiebt sich aus seiner Kehle. So verstörend das alles ist, es hat doch etwas Komisches, findet er.

„Ist alles in Ordnung?“ Eine Frau und ein Mann stehen mit sorgenvollen Gesichtern im Flur. Die Haustür wurde wohl offen gelassen, als man ihn hereingebracht hat. Wie unprofessionell. Lorena und Christian Lopez, hilft seine Geisterstimme weiter, die vermutlich sein wieder anspringendes Gedächtnis ist.

„Ich denke schon“, sagt Mark.

„Hauptsache, er ist wieder da“, ergänzt Tatjana. „Um alles Weitere wird sich unsere Hausärztin kümmern.“

„Ich hatte solche Angst um ihn.“ Siri klingt, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen.

„Gut, dann … sammelt euch erst mal. Wenn ihr was braucht, gebt Bescheid. Ihr wisst ja, wo ihr uns findet.“ Christian nickt allen zu.

„Kommt wirklich, wenn ihr was braucht“, ergänzt seine Frau mit liebenswürdigem Ton. „Falls ihr es noch nicht gemerkt habt: Ihr seid eine Familie, die wir wirklich sehr gernhaben.“

Sie schaut Vincent fassungslos an, als er in schallendes Gelächter ausbricht.

„Was ist denn so lustig?“, fragt Mark ratlos.

Vincent schüttelt nur den Kopf und lacht weiter.

Das wäre jetzt natürlich der Höhepunkt, wenn er den Gedanken aussprechen würde, der das Lachen wieder und wieder hervorkitzelt.

Wir sind doch gar keine Familie!

„Celia! Jetzt komm schon! Wir müssen nicht die Letzten sein, die da auftauchen!“ Wäre es nach meiner Mutter gegangen, wären wir mit Sicherheit die Allerersten gewesen, die den Rasen unserer neuen Nachbarn betreten hätten. Aber ich hatte nicht die geringste Lust, den Rasen überhaupt zu betreten.

„Ich tauche nirgendwo auf!“, rief ich und schloss prophylaktisch meine Zimmertür ab. Keine fünf Sekunden später rüttelte es am Türknauf.

„Celie! Was soll das denn? Ständig jammerst du, dass du dich langweilst. Dann passiert endlich mal was und du machst dicht!“

Phase 1 im Mutter-Tochter-Konflikt war damit eingetreten. Gekennzeichnet durch hörbare Verstimmung, während aber noch mit Argumenten gearbeitet wurde.

Das Blöde war: Mum hatte ja recht. Nach mittlerweile fast vier Jahren in Trockenstedt war ich derart ausgehungert nach allem, was das Leben interessanter machte, dass ich normalerweise mit Freuden auf jede Party gegangen wäre. Na ja, außer vielleicht auf eine Party von Siegfried Strötz am Ende der Straße. Aber verbitterte Rassisten geben eh selten Partys.

Doch heute war selbst mir nicht nach Feiern zumute. Am Montag fing die Schule wieder an und das Aufregendste würden neue Bücher und ein paar ausgewechselte Lehrkörper sein. Meine Eltern hatten mir schon vor Ewigkeiten versprochen, in „das Land unserer Ahnen“ (Brasilien!) zu reisen. Aber auch nach diesen Ferien lagen mal wieder nur drei Wochen Schweden hinter mir. Ich konnte Köttbullar und Zimtschnecken für den Rest meines Lebens nicht mehr sehen und war völlig deprimiert. Seit fünf Wochen war ich fünfzehn, aber erlebt hatte ich in diesen fünfzehn Jahren nichts. Freiheit! Spaß! Abenteuer! Nichts davon passierte, wenn man in Trockenstedt wohnte. Warum hatte sich Mom damals auf diesen Deal eingelassen? Wir hatten früher mitten in Berlin gelebt!

„Och Cilly-Billy, bittebittebitte“, flehte meine Mutter.

Phase 2. Wie immer, wenn die autoritäre Tour versagte, griff Mum zu weinerlichem Tonfall und albernen Spitznamen. „Du kannst mich nicht mit Christian alleine dahin lassen!“

Das war zugegebenermaßen ein gutes Argument. Papa konnte sich in Gesellschaft einfach nicht benehmen.

„Und was soll ich denn Sophia sagen?“, fragte Mum nun. „Sie wird bestimmt enttäuscht sein.“

Auch ein guter Versuch. Aber da kannte ich meine beste Freundin besser.

„Soff ist garantiert nicht auf dieser Party“, stellte ich klar.

Ich wusste, dass Sophia Partys nicht mochte – na ja, eigentlich hatte sie sogar Angst davor. Sie hatte so ziemlich vor allem und jedem Angst. Und außerdem hätte ihr Vater sie da niemals hingelassen. Kurt Cauder war der Letzte – außer dem alten Strötz vielleicht –, der sich von neuen Nachbarn zu einer Feier einladen ließ. Schon gar nicht, wenn keine achtundvierzig Stunden zwischen Event und Einladung lagen. Die Lurkings hatten die Einladung nämlich erst gestern allen aus der Nachbarschaft gebracht – zusammen mit einer Flasche Sekt und einem (zugegebenermaßen total leckeren) Gugelhupf. Eine Beamtenseele wie Herr Cauder brauchte mindestens vier Wochen, um Vorteile, Nachteile und natürlich Risiken einer solchen Feier vernünftig analysieren zu können.

„Doch, Sophia ist da!“, widersprach Mum. „Sie ist gerade mit ihrem Vater zum Gartentor rein.“

Ich schwang meine Beine vom Bett und ging zum gekippten Fenster, durch das bereits vereinzeltes Lachen und lahme Swingmusik drangen.

Tatsächlich, unter dem Birnbaum und den noch ausgeschalteten Lichterketten entdeckte ich Soff und ihren Vater. Herr Cauder musterte die bisher recht überschaubare Menge an Gästen. Man stand etwas ratlos mit einem Glas Sekt um den Pool herum, als könnte sich unter den Anwesenden ein Alien verstecken.

Sophia schaute hoch zu meinem Fenster. Ihr Blick sagte (oder schrie eher): RETTEMICH!

Das konnte ich als beste Freundin wohl kaum ignorieren.

„Celia, ich kann dir sagen …“

Bevor meine Mutter in Phase 3 – Drohung – einsteigen konnte, hatte ich die Tür schon aufgeschlossen und einen Spalt geöffnet.

„Ich zieh mich noch um. Bin in zwei Minuten unten. Geht ruhig schon rüber.“

Sie schaute mich verblüfft an und schüttelte den Kopf. „Manchmal verstehe ich dich einfach nicht.“

„Mum, du verstehst mich meistens nicht. Mach dir keinen Kopf deswegen. Das soll zwischen Eltern und Kindern in meinem Alter häufiger vorkommen.“

Sie grinste, zwickte mich in die Wange – was man weder mit fünf noch mit fünfzehn gut findet – und hüpfte dann summend die Treppe hinunter.

„Endlich“, raunte Sophia mir zu, als ich mich neben ihr auf der Bierbank niederließ. „Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr.“

„Sorry, du bist die Letzte, die ich hier erwartet habe. War ja bestimmt nicht deine Idee. Was uns zu dem noch größeren Rätsel bringt, was deinen Vater hierhergetrieben hat.“

Herr Cauder stand an der Salattheke neben dem riesigen Gasgrill. Er überlegte anscheinend sehr genau, in welcher Schüssel die Wahrscheinlichkeit für einen Giftanschlag am geringsten war.

„Modellbau“, seufzte Sophia. „Herr Lurking hat in unserem Flur eines von Papas Schiffsmodellen entdeckt. Da sind sie ins Fachsimpeln gekommen. Die Aussicht, sich die Sammlung hier mal angucken zu können, hat Papa wohl irgendwie verlockt.“

Ich konnte ein anerkennendes Nicken nicht unterdrücken. Da hatte der neue Hausbesitzer wohl das einzige Knöpfchen gefunden, mit dem man Sophias Vater zu einer Veranstaltung wie dieser locken konnte.

„Oh, voll die schöne Jacke!“, flötete ein fremdes Stimmchen. Ein kleines Mädchen, das seine Arme um einen Stoffigel geschlungen hatte, stand plötzlich vor uns. Auch wenn ich Kinder eigentlich vor allem eins fand – nervig –, musste ich zugeben, dass sie ganz niedlich aussah mit den zwei Zöpfchen, die über ihre Schultern hingen. Wirklich tragisch, dass dieses süße Ding unter fortgeschrittener Geschmacksverirrung litt. Denn meine Freundin Sophia war wahrscheinlich die einzige Jugendliche der Welt, die ausgerechnet Grau zu ihrer Lieblingsfarbe auserkoren hatte und deshalb von den Idioten an unserer Schule „Mäuschen“ genannt wurde.

„Danke“, sagte Sophia und strahlte. Sie liebte Kinder. Vermutlich, weil sie sich bei ihnen sicherer fühlte. Ein Bedürfnis, das ich irgendwie so gar nicht kannte.

„Wie heißt du denn?“, fragte Sophia fast schon gesprächig. Sie war echt nicht wiederzuerkennen, wenn Kinder ins Spiel kamen.

„Siri“, sagte das Mädchen.

Nun, da Siri uns kannte, glaubte sie wohl, unverschämte Forderungen stellen zu können.

„Wollt ihr was mit mir spielen?“

Ich wollte keinesfalls. Dummerweise rief Sophia aber schneller „Na klar!“, als ich mir eine Ausrede einfallen lassen konnte.

Immerhin: Siri hatte echt ’ne Menge Spielzeug. Unmengen von Kuscheltieren, Harry-Potter-Fanartikeln, Puppen, Lego, Playmobil und vieles mehr. Ich bereute beinahe, kein Kind mehr zu sein. Aber Sophia war umso besser darin, das Kind in sich wiederzubeleben. Deshalb waren wir fünf Stunden später immer noch in Siris Zimmer, als wir eine Stimme aus Richtung der Tür hörten: „Ach, da steckst du! Ich wollte dich schon als vermisst melden.“

„Das ist doch mein Zimmer!“, protestierte Siri. „Wo soll ich denn sonst sein?“

Der blonde Junge in der Tür klatschte sich übertrieben an die Stirn. „Stimmt“, sagte er. „Irgendwie logisch. Du bist einfach die Klügere von uns beiden.“

Er kam ins Zimmer, ließ sich neben Siri auf den Boden fallen und strich ihr übers Haar. Sie lächelte geschmeichelt.

Ich unterdrückte einen Würgereiz. Ältere Brüder, die total nett zu ihren kleinen Schwestern sind, fand ich schon in Filmen ziemlich creepy. Er musste ja wohl ihr Bruder sein, auch wenn die beiden sich nicht gerade ähnlich sahen. Sie war dunkelhaarig mit asiatisch anmutenden Zügen. Er hatte eine viel zu kleine Nase, war blond und auf eine öde Art hübsch, bei der Sophia vermutlich jetzt schon dahinschmolz. Er erinnerte mich an irgendjemanden, ich wusste aber nicht, an wen.

„Das sind Sophia und Celia“, krähte Siri.

„Vincent“, sagte er und hielt erst Sophia und dann mir seine Hand hin.

Sophia schüttelte sie ehrfürchtig und ich widerwillig.

„Und, wie läuft die Party da draußen?“, fragte ich, da ich für Sophia und mich den höflichen Small Talk übernehmen musste.

„Ganz gut, glaube ich“, antwortete er. „Aber echt ’ne ganze Masse neue Gesichter. Ist für mich eigentlich too much.“

„Das kann ich mir vorstellen“, raunte Sophia, die schon einen Einkauf im Kiosk als soziale Herausforderung empfand.

„Keine Sorge“, sagte ich. „Zu viel Neues ist ein Phänomen, das du in Trockenstedt nicht allzu oft erleben wirst.“

Er grinste. „Klingt ja nicht so begeistert.“

„Kommt halt drauf an, was man erwartet“, redete ich weiter. „Wenn du noch vor deiner Volljährigkeit wissen willst, wie sich eine ruhige Rente anfühlt, bist du hier goldrichtig.“

„Ich mag’s hier“, warf Sophia kraftlos ein.

„Ein bisschen Ruhe tut unserer Familie gut“, erklärte Vincent. „Wir sind die letzten Jahre ständig von Land zu Land gezogen. Erst die USA. Dann Frankreich. Dubai. Chile. Es ist schön, mal irgendwo anzukommen.“

„Ihr seid aber dummerweise an dem Ort angekommen, bei dem selbst Google Maps Mühe hat, ihn zu finden“, bemerkte ich spitz. Vielleicht, weil ich neidisch auf Blondies Weltenbummler-Leben war.

„Warum musstet ihr so oft umziehen?“, fragte Sophia, für die sein Lebenslauf vermutlich nach einer Horrorstory klang.

„Meine Eltern sind Architekten. Hauptsächlich Großprojekte – Hotelanlagen, Flughäfen, so was halt. Da wird man einfach vor Ort gebraucht.“ Er seufzte. „Gott sei Dank ist das vorbei.“

„Sind sie jetzt keine Architekten mehr?“, fragte ich nach.

„Doch. Aber sie haben in der Nachbarstadt – also in Hinterwald …?“

„Hinterforst“, korrigierte ich. „Sind allerdings fast fünfzig Kilometer bis dahin. Zählt eigentlich nicht mehr richtig als ‚Nachbarstadt‘.“

„Na ja“, sprach er weiter, „jedenfalls haben sie in Hinterforst ein Büro aufgemacht. Da backen sie kleinere Brötchen, also bauen kleinere Häuser. Aber wenigstens haben wir auch selbst mal eins.“

„Und was für ein tolles Haus“, seufzte Sophia. „Sogar mit Pool!“

Vincent lächelte stolz. „Ja, wir haben heute extra Wasser eingelassen, um ihn mit der Nachbarschaft einzuweihen. Bin echt ein bisschen enttäuscht, das noch keiner reingesprungen ist. Scheint allen irgendwie peinlich zu sein.“

In diesem Moment hörte man ein Platschen von draußen, gefolgt von fröhlichem Gejohle.

„Oh“, bemerkte Vincent. „Da hat sich wohl doch einer getraut.“

Ich musste nicht mal ans Fenster gehen, um zu wissen, wer. Das entsetzte „Christian!“ meiner Mutter bestätigte kurz darauf, dass es natürlich Papa war.

Um 0:31 verließ der letzte Gast die Feier. Erwin Frescher, der Witwer aus der Hausnummer 25, hatte am längsten durchgehalten und dabei eindeutig zu viele alkoholische Getränke konsumiert. Diese Neigung hatte Siri bei ihren Recherchen zu den zukünftigen Nachbarn komplett übersehen. Vincent wusste, dass es sie wurmte. Der Gedanke ließ ihn beschwingt die Spülmaschine zuklappen, die ihren leise rauschenden Dienst begann. Im Gegensatz zu handelsüblichen Spülmaschinen befreite sie nicht nur Teller, Besteck und Schüsseln von Speiseresten. Zuvor wurden mittels ultravioletten Lichts alle vorhandenen Fingerabdrücke abgetastet, gespeichert und – sofern möglich – zugeordnet. Außerdem ermittelte der im Luftfilter enthaltene Sensor, ob sich Keime oder Krankheitserreger auf dem Geschirr befanden. Tatsächlich wurde er fündig. Ein Gast hatte sich wohl eine üble Erkältung eingefangen, was alle Lurkings zur sofortigen Einnahme eines vorbeugenden Medikamentencocktails verpflichtete, den der vorgebliche Kaffeevollautomat bereits zubereitete.

Siri hatte man schon vor zwei Stunden öffentlichkeitswirksam mit liebevollen Neckereien zu Bett geschickt. Jetzt freute sie sich, dass sie für die Medikamenteneinnahme wieder aufstehen durfte. Sie hasste es, dass ihr Rollenprofil ein altersgerechtes Schlafverhalten vorschrieb, und genoss jede Ausnahme. Von denen es nach Vincents Meinung eh zu viele gab.

Das Schlagen der altmodischen Pendeluhr riss ihn aus seinen Gedanken. Es war jetzt 0:35 und die Uhr hatte überhaupt keinen Grund, ihr Konzert abzuliefern.

„Na klar, ein Meeting. Wäre ja auch zu schön, wenn man sich einfach nur aufs Ohr legen könnte“, nörgelte Tatjana.

Vincent fragte sich, wie Tatjanas Meinung nach ihr Arbeitgeber sonst auf dem Laufenden gehalten werden sollte. Aus Sicherheitsgründen wurde ja auf so gut wie jede Form der Überwachung oder Aufzeichnung der Mitarbeitenden verzichtet. Denn das waren alles nur Spuren, die man dem Feind hinterließ.

„Ich bin dann mal oben“, verkündete Mark vergnügt und verzog sich ins Schlafzimmer.

Als Marionette, wie man Leute wie ihn intern abfällig bezeichnete, musste er an Sitzungen mit Midnight nur teilnehmen, wenn es ausdrücklich gefordert wurde. Das war heute – die Uhr hatte nur zweimal geschlagen – nicht der Fall. Mark kam das gelegen und Vincent fragte sich, wie man nur so wenig Ehrgeiz haben konnte. Aber Mark war nicht der einzige frustrierte Schauspieler, der auf eine Karriere im Rampenlicht verzichtete. Diese Leute empfingen gerne ein großzügiges Gehalt und ließen die plastischen Operationen klaglos über sich ergehen, auch wenn das hieß, Freunde und Familie für immer hinter sich zu lassen.

„Vertrau mir: Kein Mensch braucht Freunde und Familie, wenn er eine Aufgabe hat.“ Das hatte Hieronymus Vincent einmal im Rahmen des Unterrichts erklärt, als er mit sieben oder acht danach gefragt hatte. Vincent glaubte ihm und schämte sich ein bisschen, dass er seinen Mentor vermisste. Das hätte Hieronymus nämlich als Zeichen einer „emotionalen Bindung“ eingestuft, die er für einen der gefährlichsten Fallstricke im Leben eines Agenten hielt.

Vincent folgte Tatjana und Siri ins Wohnzimmer. Es lag in der Mitte des Hauses und war der einzige Raum im Erdgeschoss ohne Fenster. Doch die dunklen Lichtverhältnisse wurden nicht etwa für familiäre Kinoabende oder als optimales Setting für WM-Spiele auf dem Flachbildfernseher genutzt. Familie Lurking schätzte es, für ihre eigentliche Arbeit einen Ort zu haben, der nicht von außen einsehbar war. Wo man unter sich blieb.

Vincent schloss die Tür hinter sich und zog die drei Pfeile aus der Dartscheibe. Die 3 und die 5 traf er blind, für das Bullseye musste er kurz hochschauen.

„Angeber“, flüsterte Siri. „Man kann die Dinger auch einfach reinstecken.“

Der Übertragungsmodus war aktiviert. Aus den Flügelhalterungen der Pfeile schossen drei Lichtstrahlen, die sich über dem verglasten Wohnzimmertisch vereinten. Dort formten sie durch das elektromagnetische Feld der Glasplatte ein dreidimensionales Bild: In majestätischer Bedächtigkeit drehte sich das Logo von ORGA im Raum. Es war ein Omega – der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets. Langsam verwandelte es sich in ein Schlüsselloch und wieder zurück. Ein Sinnbild dafür, dass alle Geheimnisse am Ende gelüftet wurden. Das Motto der Organisation war in goldenen Lettern ober- und unterhalb des Logos zu lesen:

NON ROGAMUS

RESPONSA INVENIMUS

Wir fragen nicht. Wir finden Antworten.

Wie immer empfand Vincent bei diesem Anblick eine Ehrfurcht, die ihn sofort etwas aufrechter stehen ließ.

„Wenn ich gewusst hätte, wie lange wir hier warten“, nörgelte Tatjana, „wäre ich noch mal aufs Klo …“

Das Logo zerstob in weiße Lichtpartikel, die sich neu formierten und eine schwebende Gestalt bildeten. Sie schien aus transparenten Seidentüchern zu bestehen, die in einem Luftzug träge flatterten. Die Tücher verhüllten den Kopf der Gestalt und ließen die knöchernen Gesichtszüge nur erahnen. Deutlich sichtbar waren allein die unnatürlich grün leuchtenden Augen.

Diese Darstellung von Midnight als eine Art geschmackloser Halloween-Dekoration sollte vermutlich witzig sein. Vincent fand sie für den Vorsitz von ORGA einfach nur unangemessen. Aber Humor war ja eine der wenigen Eigenschaften, bei der Vincent im Rahmen seiner monatlichen Charakteranalysen immer unterdurchschnittlich abschnitt.

„Erster Tag bei Operation TROJA“, fasste Midnight die Ausgangslage wie gewohnt ohne Begrüßung zusammen. Die Stimme wechselte dabei zwischen unterschiedlichen Tonlagen, damit man nicht wusste, ob ein Mann oder eine Frau sprach. „Meldepflichtige Vorfälle?“

„Keine“, antwortete Tatjana, die als Älteste zu antworten hatte, wenn nicht jemand anders ausdrücklich angesprochen wurde.

„Einschätzung?“, wandte Midnight sich an Siri.

„War langweilig. Ich musste den ganzen Abend wie so ein Kleinkind mit Lego und Puppen und anderem Schnickschnack spielen. Ich hasse diesen Babykram!“

Vincent fand es unpassend, dass Midnight über diese Äußerung persönlicher Befindlichkeiten lachte. Eigentlich wäre eine Rüge wegen unprofessionellen Verhaltens angebracht gewesen. Zum Glück war das Unterdrücken persönlicher Gefühle eine der vielen überdurchschnittlich ausgeprägten Fähigkeiten von Vincent. Deshalb merkte man seiner Stimme nichts an, als er nach seiner Meinung gefragt wurde.

„Insgesamt positiv. Alle Vorgaben wurden eingehalten. Vertrauen wurde aufgebaut, Sympathien wurden geweckt. Wir müssten nur überdenken, ob wir Siri mit der Profilerstellung überfordern. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir etwas über das sehr eindeutige Alkoholproblem von Herrn Frescher gelesen haben.“

„Ich kann die Profile nur auf Grundlage dessen erstellen, was ich auf legalen und illegalen Wegen im Netz finde“, fauchte Siri. „Der Mann ist über sechzig. Der geht für Überweisungen noch zu einer Sparkassenfiliale! So jemand bläst nicht alles, was ihn gerade beschäftigt, als Story oder Newsfeed in die Welt!“

„Da hat Siri recht“, erklärte Midnight. „Charakterprofile sind immer lückenhaft. Damit muss man als Teammitglied souverän umgehen, Vincent.“

Der mahnende Unterton entging Vincent ebenso wenig wie Siri. Er äußerte eine Entschuldigung, die das Gespenst mit einem Nicken quittierte.

Siri gab sich keinerlei Mühe, ihr Grinsen zu verstecken.

„Dann wollen wir doch mal sehen, ob deine Einschätzung besser zutrifft als Siris Charakterprofil von Herrn Frescher.“ Midnights Gestalt, die über der Tischplatte schwebte, drehte sich zu Vincents angeblicher Schwester. „Siri, hol bitte den Schnatz.“

Sie griff in die ausgeleierte Tasche ihres Einhorn-Schlafanzugs und zog das gewünschte Utensil hervor.

„Ich hab mir schon gedacht, dass der heute noch zum Einsatz kommt.“ Sie warf die geflügelte goldene Kugel, die Harry-Potter-Fans auf der ganzen Welt kannten, in die Luft.

Die Flügel begannen augenblicklich mit hundertzwanzig Schlägen in der Sekunde zu schlagen. In der Mitte der Kugel legte sich nun das Objektiv frei. Neben Midnight erschien ein Rechteck, das zeigte, was der Schnatz sah: Die drei ORGA-Agenten, die abwechselnd die Höchstleistungsdrohne und die von ihr gefilmten Aufnahmen betrachteten.

„Ich bin gespannt, was eure neuen Nachbarn so von euch denken.“

Vincent erschien es ziemlich übertrieben, wertvolle Technik für ein bisschen Nachbarschaftstratsch einzusetzen. Er verkniff sich aber jeden Kommentar und öffnete stattdessen die Wohnzimmertür ein Stück. Midnight sollte nicht noch einmal an seiner Loyalität zweifeln.

„OBSERVE: Flemmingkarree 1“, befahl Siri und die Drohne machte sich durch den Türspalt auf den Weg.

Die Zuschauer rasten mit ihr die Straße entlang, bis zu deren Anfang. In dem angegrauten Kasten wohnte Siegfried Strötz. Die Drohne folgte auffälligen Tonsignalen an der Zieladresse automatisch. Daher flog sie, angezogen von einem donnernden Schnarchen, zum Schlafzimmerfenster. Die Kamera wechselte in den Nachtsichtmodus und zeigte: Der Bewohner tat das, was man in Schlafzimmern nun mal tat. Schlafen.

„Ihr habt keinen besonderen Eindruck hinterlassen“, bemerkte Midnight.

„Ging auch schlecht. Der Mann war nicht da“, erklärte Tatjana.

„Was ich übrigens exakt so prognostiziert habe“, warf Siri mit einem hochnäsigen Blick zu Vincent ein, bevor sie die Drohne weiterschickte. „OBSERVE: Flemmingkarree 2.“

Hier war das Ergebnis ganz in Vincents Sinne. Das fröhliche Rentnerpärchen Hagenbeck machte sich gerade bettfertig und ließ beim Abschminken und bei der Zahnpflege den Abend Revue passieren.

„Das Mädchen ist ja eine ganz Niedliche. So eine hätte ich auch immer gerne gehabt“, erklärte Adele Hagenbeck, während ihr Mann vor sich hin gurgelte. „Aber der Junge hat auch Format. Ich hätte mich gefreut, wenn unser Torben damals so höflich und gepflegt gewesen wäre!“

„Ich würde mich freuen, wenn Torben heute so höflich und gepflegt wäre“, seufzte Sigmund Hagenbeck, nachdem er ausgespuckt hatte.

„OBSERVE: Flemmingkarree 3.“ Siri, die die Hagenbecks beschatten sollte, hatte es offenbar eilig. Es war ihr natürlich gar nicht recht, dass ihr angeblicher Bruder bei denen so gut ankam. Vincent schmunzelte.

Der Schnatz flog die gesamte Straße ab. In allen Häusern, in denen man noch nicht schlief, war das Ergebnis das Gleiche: Man war voll des Lobes für die neuen Nachbarn, die so nett waren und auch noch zu feiern verstanden. Sogar Herr Frescher in der Nummer 25 war derselben Meinung.

„Du hättest sie gemocht, Annette. Na ja, du hast ja jeden gemocht. Aber die hätten es tatsächlich verdient.“

Da Herr Frescher alleine lebte, sprach er mit dem Bild seiner verstorbenen Frau, das neben seinem Bett stand.

„Sieht so aus, als liege Vincent bislang richtig mit seiner Einschätzung“, kommentierte Midnight. „Hoffen wir nur, dass das auch bei unserer heißesten Spur der Fall ist.“

Da machte Vincent sich wenig Sorgen. Wenn dieser Auftritt bei jemandem gepunktet hatte, dann ja wohl bei Familie Lopez direkt nebenan. Für die hatte man sich schließlich besonders viel Mühe gegeben. Vincent hatte sich nicht nur die Haare blondiert, sondern auch die Nase verkleinern lassen, damit er dem Hauptdarsteller einer Serie ähnlich sah, dem Celia Lopez verdächtig oft hinterhergoogelte. Also entspannte er sich, während Siri „OBSERVE: Flemmingkarree 26“ anordnete.