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Ein heißer Flirt mit dem sexy Barkeeper Johnny? Nur für eine Woche ist die Geschäftsfrau Natalie in der Stadt. Und deshalb tut sie etwas, was sie noch nie getan hat: Sie versüßt sich ihre Abende mit einer ebenso prickelnden wie unverbindlichen Affäre ...
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Seitenzahl: 194
IMPRESSUM
Nur eine unverbindliche Affäre? erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2009 by Nancy Warren Originaltitel: „Under The Influence“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe TIFFANY SEXYBand 65 - 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Alina Lantelme
Umschlagsmotive: Alena Gan / Shutterstock
Veröffentlicht im ePub Format in 5/2024
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751529648
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Natalie Fanshaw tat an diesem Abend etwas, das sie in ihrem neunundzwanzigjährigen Leben bisher noch nie gemacht hatte. Sie betrat zum ersten Mal ohne Begleitung eine Bar.
Unentschlossen, ob sie weitergehen sollte, blieb sie in der Tür der Driftwood Bar and Grill in Orca Bay, Kalifornien, stehen. Es ging ihr nicht unbedingt darum, sich einen Drink zu genehmigen. Vielmehr hatte sie den Eindruck gehabt, es keine Minute länger an dem kleinen Schreibtisch in ihrem Hotelzimmer auszuhalten, ohne verrückt zu werden.
Das Driftwood war ein sehr beliebtes Lokal, in das die Leute gingen, um Cocktails zu trinken und zu Abend zu essen. Die Spezialitäten des Hauses waren frischer Fisch und Meeresfrüchte, die in allen erdenklichen Variationen zubereitet wurden.
Eine Kellnerin kam mit einer Speisekarte auf sie zu und sah sie fragend an. Nathalie schüttelte den Kopf und wunderte sich über ihre Schüchternheit. Dann straffte sie die Schultern und nahm zielgerichtet Kurs auf die graue Bar aus Granit, vor der etwa ein Dutzend Barhocker aus Chrom mit schwarzen Ledersitzen standen. Ein junges Pärchen saß so eng beieinander, dass sich die Knie des Mannes und der Frau berührten.
Natalie entschied sich für einen Hocker am anderen Ende und stellte ihre Handtasche auf den freien Platz neben sich, um deutlich zu signalisieren, dass sie keine Gesellschaft wollte. Sie nahm ihr Blackberry aus der Handtasche und prüfte, ob ihre Sekretärin ihr eine Nachricht geschickt hatte. Da das nicht der Fall war, legte sie das Blackberry auf den Tresen. Erst dann sah sie sich in dem zwanglos eingerichteten Restaurant um. Obwohl sie noch nie hier gewesen war, kannte sie das Driftwood vom Hörensagen. Sie war überrascht, wie gut besucht es an einem normalen Mittwochabend war. Fast alle rosarot dekorierten Tische waren besetzt – vorwiegend mit Liebespaaren. Und das ausgerechnet an einem Abend, an dem sie sich erstmals allein in eine Bar getraut hatte!
„Was kann ich für Sie tun?“
Sie wandte sich dem Barkeeper zu, der sie leise angesprochen hatte, und blickte in die blausten Augen, die sie jemals gesehen hatte. Der Mann mit dem zerzausten Haar und dem von der Sonne tief gebräunten Teint strahlte sie an und schien ihr zuzuzwinkern. Ein toller Typ. „Irgendwie komme ich mir hier vor, als wäre ich als einziger Single in ein regelrechtes Liebesnest geraten“, scherzte sie.
Er lachte. Seine Stimme war tief und sexy. „Nun, unsere Cocktailkreationen machen die Leute heiß. Und heute Abend haben wir als besonderes Highlight ein paar spezielle Drinks für Verliebte im Angebot“, erklärte er.
Der Kragen seines Hemds war aufgeknöpft. Auch wenn Natalie perfekt gebügelte Kleidung bevorzugte, musste sie zugeben, dass der zerknitterte Baumwollstoff zu seinem zerzausten Haar, seinem legeren Auftreten und seiner entspannten Art passte. Er wirkte, als wäre er gerade aus dem Bett gestiegen – und sah ausgesprochen gut dabei aus.
„Übrigens stehen Sie damit nicht allein“, meinte er.
Sie sah ihn fragend an.
„Mir geht es genauso.“
Wollte er ihr sagen, dass er auch Single war? Natalie war so aus der Übung, was das Flirten betraf, dass sie nicht sicher war, was er gemeint hatte. Vielleicht beschwerte er sich auch nur darüber, dass er arbeiten musste, während eine begehrenswerte Frau in seinem Bett auf ihn wartete. Doch danach würde sie ihn bestimmt nicht fragen.
„Da wir beide nun einmal hier sind – was möchten Sie trinken?“
„Oh.“ Sie musterte die unzähligen Flaschen mit rotem, rosa, gelbem und blauem Inhalt, die vor einer Spiegelwand hinter ihm standen und zum Teil exotisch wirkten. Eine ganze Reihe enthielt verschiedene Whiskeysorten, und sie wusste, dass einige davon älter waren als sie. Schließlich bestellte sie, was sie immer bestellte. „Ein Glas Weißwein, bitte.“
Der Barkeeper schüttelte den Kopf.
„Sie führen keinen Weißwein?“, fragte Natalie ungläubig.
„Sicherlich führen wir den, aber Weißwein ist nichts für Sie. Nicht hier und heute Abend.“
Da sie eine Frau war, die immer genau wusste, was sie wollte, und gewöhnlich ihre eigenen Entscheidungen traf, war sie zugleich ein bisschen verärgert und fasziniert. „Und was schwebt Ihnen für mich vor? Hier und heute Abend?“, fragte sie und hätte die Worte am liebsten im selben Moment wieder zurückgenommen. Sie hörten sich so sexy und provozierend an, als wollte sie einen Annäherungsversuch machen. Und das war das Letzte, was sie im Sinn hatte. Unbehaglich rutschte sie auf ihrem Sitz hin und her. Sie würde schnell einen Cocktail trinken und sofort danach verschwinden.
Der Mann hinter der Bar schien ihr Unbehagen nicht zu bemerken. Er betrachtete sie mit diesen Augen, die sie an den Ozean erinnerten, und fragte: „Hatten Sie jemals einen Blue Crush?“
Himmel, dachte Natalie, während sie in seine Augen so blau wie der Ozean starrte, gerade jetzt habe ich so einen Zusammenstoß. Siedende Hitze stieg in ihr auf. Sie wusste, dass sie übermüdet war, dennoch war das eine erstaunliche Reaktion auf einen Mann, mit dem sie absolut nichts gemeinsam haben konnte.
„Ich kenne nur einen Orange Crush. Orangenlimonade mit zerstoßenem Eis habe ich als Kind öfter getrunken.“
Er grinste sie an. Seine weißen Zähne blitzten. „Vertrauen Sie mir. Der Blue Crush macht erheblich mehr Spaß.“
Ach, zum Teufel, dachte Natalie. Jetzt, wo ich schon mal hier bin, kann ich ja zumindest einmal einen neuen Drink probieren. „In Ordnung. Ich vertraue Ihnen.“
„Sie werden es nicht bereuen.“
Warum fiel es ihr so schwer, das zu glauben?
„Und jetzt“, hörte sie plötzlich die Stimme einer Frau neben sich, „brauche ich zwei Screaming Orgasms und einen Sex on the Beach.“
„Nicht nur Sie“, sagte Natalie. Erst als die Frau in schallendes Gelächter ausbrach, merkte sie, dass sie die Worte laut ausgesprochen hatte.
„Unsere total heißen Cocktails sind heute Abend der Renner und zeigen bereits Wirkung“, sagte die Kellnerin, die wegen der Bestellungen an die Bar gekommen war, und zwinkerte ihr zu.
Natalie sah sich im Lokal um und kam sich bei all den Paaren, die sich prächtig zu amüsieren und mit jeder Minute näherzukommen schienen, plötzlich ausgeschlossen vor. Diese Männer und Frauen, die zusammen zu Abend aßen und ihre Drinks genossen, würden sich ganz bestimmt nicht mit irgendwelchen Kalkulationstabellen beschäftigen, wenn sie später nach Hause gingen. Sex lag in der Luft. Sie beobachtete eine Frau, die mit einem Schokoladenfondue beschäftigt war. Sie tauchte eine Weintraube in die heiße Schokolade und schob die Frucht dann dem Mann ihr gegenüber in den Mund. Als ihm die flüssige Schokolade über das Kinn lief, beugte sie sich zu ihm, lächelte verführerisch und leckte sie ihm ab. „Ach, du meine Güte“, entfuhr es Natalie, obwohl sie keineswegs prüde war.
„Keine Sorge“, sagte der Barkeeper. „Wir haben mehrere Feuerlöscher – falls es hier zu heiß werden sollte.“
„Oh, Johnny.“ Die Kellnerin verdrehte die Augen, nahm das Tablett mit den Drinks und verschwand wieder.
„Johnny?“ Natalie starrte den Mann vor ihr an. Obwohl sie sich erst kurze Zeit in Orca Bay aufhielt, hatte sie bereits von ihm gehört. Er war eine Art lokale Berühmtheit – was seine legendäre Wirkung auf Frauen anging. „Sie sind der ‚heiße Johnny‘?“
Johnny musste lachen, als die Frau ihn anstarrte und dabei rot wurde. Er war noch nie einer Person begegnet, an deren Gesicht man so leicht ablesen konnte, was sie dachte. „Normalerweise sagen mir die Leute das nicht so offen ins Gesicht.“ Natürlich hatte er schon davon gehört, dass man ihm diesen Spitznamen verpasst hatte. Schließlich lebte er seit fünfzehn Jahren in Orca Bay. Und warum sollte er sich dagegen wehren? Die Frauen mochten ihn – was er als eine Art glückliche Fügung betrachtete, für die er dem Schicksal ausgesprochen dankbar war.
Auch er mochte Frauen und war dabei keineswegs auf einen Typ festgelegt. Einige Männer würden die Frau vor ihm, die sich allein mit einer Aktenmappe an die Bar gesetzt hatte, vielleicht abschreiben, aber er tat das nicht. Ihm gefiel, dass sie so widersprüchlich war. Ihr konservativer Hosenanzug stand in Kontrast zu den Bemerkungen, die ihr scheinbar gegen ihren Willen herausrutschten. Ihre Frisur war gepflegt, dennoch zeugten die mühevoll gebändigten Locken von Wildheit. Dass sie sich zuerst für einen Weißwein entschieden hatte, war absolut vorhersehbar gewesen, aber dann war sie sehr schnell bereit, etwas Neues auszuprobieren. Diese Frau war definitiv weitaus interessanter als ihr seriöses und geschäftsmäßiges Auftreten vermuten ließ.
„Entschuldigen Sie“, sagte sie und wand sich vor Verlegenheit. „Ich wollte nicht unhöflich sein, aber ich habe gehört, wie einige Frauen sich über Sie unterhalten haben.“
„Was haben Sie denn mitgehört?“
„Ich kann mich nicht erinnern“, wich sie aus.
„Sie sollten an einem so schönen Abend nicht lügen. Das bringt Pech.“
Sie warf einen Blick auf ihr Blackberry, als wenn sie hoffte, es würde klingeln, aber es gab keinen Ton von sich. Er wartete schweigend auf ihre Antwort.
„Es könnte etwas über das Küssen gewesen sein.“
Jetzt war er wirklich interessiert. „Was ist damit?“
„Es war einfach nur dahingesagt – so wie Frauen es eben tun. Ich habe zufällig mitgehört, wie diese beiden Frauen miteinander geplaudert haben, als ich in einem Restaurant gefrühstückt und dabei die Zeitung gelesen habe. Eine erwähnte einen ‚heißen Johnny‘, der sie einmal geküsst hatte, und dass sie dabei fast …“ Sie wirkte peinlich berührt. „Sie wissen schon …“ Jetzt deutete sie mit der Hand in Richtung der Tische. „Nun, dasselbe, was der Name dieses Cocktails verheißt, der vorhin bestellt wurde.“
Warum verbringt diese Frau nur so viel Zeit allein in Restaurants, fragte er sich. „Welcher Cocktail?“
„Der Screaming Orgasm“, flüsterte Natalie.
„Wollen Sie damit sagen, dass sie fast gekommen ist, als ich sie geküsst habe?“ Wie großartig war das denn?
„Nein. Sie sagte das. Diese Frau, die Sie den ‚heißen Johnny‘ genannt hat. Und dann sagte die andere … ach, egal. Jedenfalls habe ich auf diese Weise von Ihnen gehört.“
„Wie hat sie ausgesehen? Diese Frau, die fast … Sie wissen schon.“
„Keine Ahnung. Ich habe Zeitung gelesen und sie nicht wirklich gesehen. Eine Blondine, denke ich.“
„Aha.“ Das war in Kalifornien nun nicht gerade außergewöhnlich. Nicht, dass die Identität der Frau für ihn eine Rolle spielte, denn es hörte sich nicht danach an, als wären sie und er jemals über diesen Kuss hinausgekommen.
Mein neuer Gast macht diesen Abend erheblich interessanter, dachte er, während er den Blue Crush mixte und den Cocktail in ein Martiniglas goss. Er wusste, dass sie jede seiner Bewegungen beobachtete, und drapierte die Orangenschale wellenförmig um das Glas, sodass die Verzierung besonders aufreizend wirkte.
„Danke.“
Als ob sie bereute, nicht doch auf den Weißwein bestanden zu haben, betrachtete sie den Cocktail mit der tiefblauen Farbe einen Moment lang unschlüssig. Dann nippte sie vorsichtig daran.
Johnny beobachtete sie und genoss es, wie sie sich den Geschmack auf der Zunge zergehen ließ, sich dann die Lippen leckte und leicht die Augenbrauen runzelte. So verharrte sie einen Augenblick, als wäre sie mit allen Sinnen darauf konzentriert, den Drink zu kosten und ein Urteil zu fällen. „Und?“, fragte er schließlich.
„Er ist gut“, verkündete sie und nahm noch einen winzigen Schluck. „Ich dachte, dass er zu süß sein könnte, weil er nach einer Limonade benannt ist.“
„Das ist er nicht. Der Cocktail ist nach einer Welle beim Surfen benannt. Eine von der Sorte, die einen umhaut.“
„Oh.“ Beunruhigt warf sie einen Blick auf den Drink. „Meinen Sie?“
„Keine Sorge. Ein Blue Crush wird nicht diese Wirkung haben.“
„Gut, denn ich muss heute Abend noch arbeiten.“
Er war im Begriff, sich nach ihrer Arbeit zu erkundigen, als Suzanne, die Oberkellnerin, mit einer großen Anzahl Bestellungen an die Bar kam. Gleich darauf war sie schon wieder auf dem Weg zu den Tischen. Während er die Drinks zubereitete, knüpfte er wieder an das Gespräch an. „Erzählen Sie mir, warum Sie allein hier sind?“
Sie betrachtete ihn mit großem Ernst. „Ist das nicht ziemlich persönlich?“
Er machte einen trockenen Martini fertig und schenkte Rotwein in ein Glas. „Ich bin Barkeeper. Ich bin dafür da, dass die Leute mir von sich erzählen.“
„Und tun sie es? Wie in den Spielfilmen? Ich dachte, das sei ein Klischee.“
„Es ist ein Klischee, weil es so oft passiert. Sicherlich erzählen mir die Leute von sich.“ Johnny wischte die Theke ab. „Manchmal wollen sie auch einfach nur einen Drink und ein bisschen quatschen. Darauf stelle ich mich ebenfalls ein.“
„Ein flexibler Plauderer also. Das ist eine nützliche Eigenschaft.“ Aus ihrem Mund klang das, als würde sich jemand um einen Job bewerben. „Ich habe geschäftlich in Orca Bay zu tun“, erklärte sie. „Deshalb bin ich allein hier.“
„Haben Sie einen Freund, der zu Hause auf Sie wartet?“ Sie trug keinen Ring, aber das bedeutete nicht notwendigerweise, dass sie Single war. „Oder einen Ehemann?“
Sie strich mit der Fingerspitze über den Stiel ihres Glases. „Ich war einige Jahre mit jemandem zusammen und dachte, dass wir vielleicht heiraten würden. Dann hat er einen fantastischen Job in Genf angeboten bekommen, und ich war nicht bereit, deswegen meinen Job sausen zu lassen. Vermutlich war er nicht wichtig genug für mich.“ Sie zuckte mit den Achseln. „Jedenfalls ist er jetzt mit einer Deutschen zusammen. Eine Biochemikerin, die in der pharmazeutischen Industrie tätig ist. Ehrlich gesagt war er kein großer Romantiker. Zu meinem letzten Geburtstag etwa hat er mir einen Geschenkgutschein von einem Küchengeschäft zugemailt.“
„Das ist nicht Ihr Ernst.“ Er hatte schon einige traurige Geschichten von solchen Verlierertypen gehört – gewöhnlich von diesen Männern selbst, aber das übertraf alles.
„Doch. Damals ist gerade meine Küche renoviert worden. Ich hielt das Geschenk für sehr praktisch. Er wusste ja nicht, welche Farben oder Geräte ich bevorzugen würde, und so war ich in der Lage, mir mein Geschenk selbst auszusuchen.“
Er nahm sie eingehend in Augenschein. Sie hatte haselnussbraune Augen, einen hellen Teint und Sommersprossen auf der Nase. Wahrscheinlich bekam sie schnell einen Sonnenbrand. Ihr Mund war hübsch, ohne besonders auffallend zu sein – wie der Rest von ihr. Er bezweifelte, dass ein Mann ihr jemals durch einen Kuss einen Orgasmus beschert hatte. Sicherlich nicht der Typ mit dem Küchengerät. „Was haben Sie ihm denn zu seinem letzten Geburtstag geschenkt?“
Erneut schien sie sich auf ihren Drink zu konzentrieren. „Ich habe für uns beide ein Wochenende in einem luxuriösen Spa gebucht. Nun, meine Sekretärin hat das erledigt.“
Zumindest hatte sie versucht, in der Wahl ihres Geschenks etwas persönlicher zu sein. Dass ihre Sekretärin sich darum gekümmert hatte, war aber auch nicht gerade romantisch. „Wie lange ist er denn schon in der Schweiz?“
„Frederick? Er ist im Oktober fortgegangen.“
„Haben Sie sich seitdem mit jemandem getroffen?“
„Mit jemandem verabredet, meinen Sie?“ Sie schüttelte den Kopf. „Meine Arbeit lässt mir kaum Zeit dazu. Mit Frederick hat es nur funktioniert, weil unsere Sekretärinnen unsere Terminpläne koordiniert haben. Gewöhnlich haben wir es gerade so geschafft, uns eine Woche im Monat am selben Ort aufzuhalten.“
„Und das romantische Wochenende im Spa? Wie ist es gelaufen?“
„Sehr erfolgreich, vielen Dank.“
„Haben Frederick die Schlammbäder und Gesichtsbehandlungen mit Meeresalgen gefallen?“
„Tatsächlich haben wir es nie geschafft, unsere Terminkalender darauf abzustimmen. Ich habe dann meine Mutter mitgenommen.“
Das war wohl die kläglichste Geschichte, die er jemals gehört hatte. Vielleicht würde er nie Chef oder Geschäftsführer von irgendetwas werden, aber ganz sicher würde er auch nie eine Sekretärin brauchen, um sein Sexleben zu organisieren. Und falls er jemals einer Frau zum Geburtstag ein Küchengerät schenken sollte, würde er sich begraben lassen.
„Und Sie? Sind Sie Single?“, fragte sie.
Er war überrascht. Es gab nicht viele Leute, die sich für sein Leben interessierten. Normalerweise wollten sie nur von sich erzählen. Und für ihn ging das auch in Ordnung. Er hörte lieber zu, als sich anderen anzuvertrauen. „Ja.“
„Wie lange schon?“
Er zuckte die Achseln. „Seit ein paar Wochen.“
„Oh, erst seit kurzer Zeit. Das tut mir leid. Was ist passiert?“
Sie schaute ihn mit diesem ernsten Gesichtsausdruck an, der wahrscheinlich daher rührte, dass sie zu viel arbeitete.
„Nichts Dramatisches. Sie hieß Rosalie und stammte aus Guatemala. Sie arbeitete in einem großen Hotel als Kellnerin. Ich denke, dass sie Heimweh hatte. Jedenfalls ist sie nach Hause zurückgekehrt.“ Er hatte Rosalies Gesellschaft genossen, war aber auch nicht sehr traurig gewesen, als sie weggegangen war. Das war ein Teil des Lebens in einem Urlaubsort. Die Leute kamen und gingen wie Ebbe und Flut. Er war sicher, dass irgendwann eine andere Frau auftauchen würde.
Das Paar am anderen Ende der Bar bezahlte und machte sich auf den Heimweg. Die Höhe des Trinkgelds, das der Mann hinterlassen hatte, sprach dafür, dass er sich vom Rest des Abends noch eine Menge erwartete. Und so wie die Frau sich an ihn schmiegte, würden sich seine Hoffnungen wohl erfüllen. Johnny legte den Kreditkartenbeleg in die Kasse und das Trinkgeld in ein Glas hinter ihm.
„Kommt hier das gesamte Trinkgeld in eine Gemeinschaftskasse, oder behält jeder Servicemitarbeiter seins?“, fragte Natalie.
Er sah sie misstrauisch an. „Warum? Kommen Sie vom Finanzamt?“ Nicht, dass er etwas zu verbergen hatte, aber die Leute von der Steuer waren wie Zahnärzte oder Cops, mit denen er möglichst wenig zu tun haben wollte.
Sie lachte. „Nein, nur neugierig. Ich bin Unternehmensberaterin. Eine Art Expertin in Sachen Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Und ich bin immer daran interessiert, wie Systeme funktionieren.“
„Oh. Nun, keine Sorge. Wir haben hier ein faires System. Hier wird niemand übervorteilt.“ Eine Unternehmensberaterin also. Passte das nicht wirklich perfekt zu ihr?
Halte den Mund, ermahnte Natalie sich. Was war nur in sie gefahren, den armen Barkeeper über das Trinkgeldsystem in dem Lokal auszufragen? Sie war ein total hoffnungsloser Fall. „Entschuldigung“, sagte sie. „Ich bin wohl ein Workaholic. Anscheinend kann ich nicht abschalten.“
„Kein Problem.“ Johnny deutete auf ihr fast leeres Glas. „Möchten Sie noch einen Blue Crush?“
Natürlich musste sie später weiterarbeiten, aber das musste sie ja immer. Vielleicht konnte sie einen Abend lang einmal ihren Job vergessen. Nachdem sie diesem Fremden erzählt hatte, dass sie zum letzten Geburtststag einen Gutschein für ein Küchengerät geschenkt bekommen hatte, schwante ihr, dass sie sich wie eine vollkommene Verliererin fühlen würde, wenn sie sofort zurück an ihren Laptop eilte. Außerdem amüsierte sie sich tatsächlich. Auch wenn sie keinen Freund hatte, konnte sie dennoch ausgehen und Spaß haben. „Ja, aber ich möchte etwas anderes probieren.“
Seine Augen funkelten. „In Ordnung, und das wäre?“
Sicherlich keinen Weißwein. Und jeder andere Drink, der ihr einfiel, klang ebenfalls langweilig. „Keine Ahnung. Überraschen Sie mich.“
Johnny sah sie einen Moment nachdenklich an. Dann nickte er und griff nach einer Flasche.
„Schätzen Sie oft intuitiv ein, welche Drinks zu ihren Gästen passen?“
„Aber ja. Tatsächlich ist jede Person wie ein alkoholisches Getränk.“
Sie lachte. „Das ist nicht wahr.“
„Schauen Sie sich um.“ Er lehnte sich näher zu ihr und deutete über ihre Schulter hinweg auf die Restauranttische. „Sehen Sie den angeheiterten Mann mit der tiefen Stimme?“
Neugierig drehte Natalie sich um. „Der, der ein bisschen übergewichtig ist?“
„Genau. Er ist ein Baileys Irish Cream.“
Das war lächerlich, aber der Mann sah mit dem quadratischen Kinn und den verträumten Augen tatsächlich ein wenig wie ein Ire aus, und seine Figur ähnelte einer Baileysflasche. „Ja, da ist etwas dran.“
„Die elegante Rothaarige dort in der Ecke ist ein Chartreuse.“
Auch das konnte sie sofort nachvollziehen. Sie musterte die anderen Gäste, um ihn weiter herauszufordern. „Was ist mit der zierlichen Frau im schwarzen Kleid zwei Tische weiter hinten?“ Die schöne Frau mit den dunklen Augen und Haaren fiel auf, weil sie anders als die anderen Gäste nicht in romantischer Stimmung, sondern wütend auf ihren Partner war. Ihre Stimme klang gereizt und eindringlich. Sicherlich konnte Johnny mit keinem passenden alkoholischen Getränk für sie aufwarten.
„Das ist leicht. Sie ist ein italienischer Wermut, ein bittersüßer Absinth.“
Perfekt. „Das ist eine interessante Art, Leute einzuordnen. Und ich kann verstehen, dass es für Sie funktioniert.“ Natalie trank ihr Glas aus.
Johnny beobachtete sie einen Moment leicht amüsiert. Schließlich sagte er: „Nur zu, fragen Sie.“
Sie war verblüfft, dass er sie so leicht durchschaut hatte. „In Ordnung. Welcher Art Drink gleiche ich?“
„Bei Ihnen ist es einfach. Sie sind nach außen hin kühl und verschlossen. Offensichtlich verbringen Sie viel Zeit drinnen, weil Ihre Haut blass ist. Unter dieser Oberfläche stecken jedoch überschäumende Energie und Lebenslust. Sie haben Stil und sind teuer, aber nicht auffällig angezogen. Sie sind ein klassischer Champagner.“
Auch wenn Natalie sich sagte, dass es dumm war, dem Zauber dieses Charmeurs zu erliegen, fühlte sie sich absolut geschmeichelt. „Ein klassischer Champagner, hm? Also eine Art Weißwein.“
„Aber so viel mehr.“
Seit sie denken konnte, hatte sie Tag und Nacht gearbeitet. Sie hatte ihre Ausbildung forciert, als besonderes Talent verschiedene Förderprogramme durchlaufen und mit fünfundzwanzig Jahren in Harvard ihr Diplom in Betriebswirtschaft gemacht. Jetzt war sie eine der jüngsten Wirtschafts- und Unternehmensberaterinnen in einer Top-Agentur. Sie reiste viel, analysierte kränkelnde Unternehmen und behob deren Defizite. Geschäftsleute, die doppelt so alt waren wie sie, bezahlten viel Geld für ihre Meinung und versuchten fast immer, sie abzuwerben. Und nun saß sie hier und unterhielt sich mit einem Barkeeper, der nicht einmal ihren Namen kannte. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal so viel Spaß gehabt hatte. „Übrigens: Ich heiße Natalie“, stellte sie sich vor.
„Schön, Sie kennenzulernen, Natalie.“ Johnny streckte ihr förmlich die Hand hin.
Als sich ihre Handflächen berührten und ihre Blicke sich trafen, kam ihr plötzlich der Gedanke, dass er diesen Abend vielleicht auch mehr genoss, als er erwartet hatte. Natürlich war er ein Frauenheld, der davon lebte, Alkohol auszuschenken, aber dennoch. Er war ein Mann, der eine Frau allein mit einem Kuss glücklich machen konnte. Kein Wunder, dass sie verstohlen seinen Mund betrachtete. Auch wenn sie keine Expertin war, sahen diese festen, sinnlichen Lippen aus, als könnte er damit einer Frau viel Vergnügen bereiten. Sie wusste eine Menge über Körpersprache – das war wichtig in ihrem Beruf – und konnte sehen, dass er sehr entspannt und locker war. Was könnte diesen Mann wohl unter Stress setzen?
Sie beobachtete, wie er Wodka und ein paar andere Zutaten in ein Glas gab und dann einen feuerroten Drink vor sie hinstellte. „Was ist das für ein Cocktail?“
„Das ist ein Drink, der Ihnen guttun wird. Probieren Sie ihn, und sagen Sie mir, ob Sie ihn mögen.“
Vorsichtig kostete sie den Cocktail, der zugleich gehaltvoll und prickelnd, süß und herb schmeckte und wahrscheinlich süchtig machen konnte. „Oh, lecker. Ich mag ihn.“
„Hatten Sie ihn schon jemals zuvor?“
„Nein, ich denke nicht. Wie heißt er?“
Seine Augen schienen zu glitzern. „Sex on the Beach.“
„Nein, den hatte ich noch nie.“ Den Drink auch nicht, dachte sie.