Nur Fantasie reicht niemals aus - Band 1 - Mara Laue - E-Book

Nur Fantasie reicht niemals aus - Band 1 E-Book

Mara Laue

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Beschreibung

„Nur Fantasie reicht niemals aus!“ – Diese Erkenntnis steht am Beginn des Lernprozesses, mit dem Schreibbegeisterte sich auf den Weg machen, das Handwerk des kreativen Schreibens zu erlernen, um erfolgreiche Romane oder Kurzgeschichten zu schreiben. Mara Laue, selbst erfolgreiche Autorin und Schreibcoach, hat in diesem 3-bändigen Ratgeber die 21 Lektionen aus ihren Schreibkursen zusammengefasst, die alle Bereiche und Genres der Literatur abdecken, und ein komplettes Lehrwerk zum Selbststudium geschaffen, zugeschnitten auf den deutschen Buchmarkt. In diesem Band: Einführung, Grundlagen, Literaturformen, Sprache, „Show, don’t tell!“, Plotaufbau vom guten Anfang bis zum spannenden Ende

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Seitenzahl: 611

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Nur Fantasie reicht niemals aus

Kreativ Schreiben in 21 Lektionen

für alle Genres und Textarten

Band 1

Nur Fantasie reicht niemals aus

Kreativ Schreiben in 21 Lektionen

für alle Genres und Textarten

Band 1

Mara Laue

Impressum

Copyright: Autoren-Tipps im vss-verlag

Jahr: 2024

Lektorat/ Korrektorat: Hermann Schladt

Illustrationen: Mara Laue

Covergestaltung: Hermann Schladt

Verlagsportal: www.vss-verlag.de

Gedruckt in Deutschland

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Verfasserin unzulässig.

In diesem Buch:

nur fantasie reicht niemals aus 17

1. Schreiben ist ein Handwerk24

1.1Am Anfang: eine Idee 33

1.1.1„Geklaute“ Ideen 39

1.2 Schreibweise und Textgestaltung 42

1.3 Zeitmanagement 52

2. Shortstory bis Roman 59

2.1 Was ist eine Geschichte? 59

2.2 Die Unterschiede im Überblick 68

2.3Ein Buch ist ein Buch, wenn … 77

2.4 Literatur im Wandel der Zeit 78

3. Die Sprache 91

3.1 Wie Sie gut schreiben 97

3.1.1 Das Passiv 97

3.1.1.1 „Es“ – das Phantom 98

3.1.2 Das Adjektiv 105

3.1.3 Der Nominalstil 112

3.1.4 Infodump 113

3.1.5 Vergleiche/Metaphern 116

3.1.6 Füllwörter 118

3.1.7 Betonung von Nichthandlungen121

3.1.8 Der Genitiv122

3.1.9 Umgangssprache126

3.1.10Was noch zum guten Schreiben gehört131

3.1.11 Den eigenen Stil finden136

3.1.12 Gendern139

3.2 Klischees142

3.3 Satzbau146

3.4 Stilblüten149

3.5 Das Tempus (Zeitform)155

3.6 Sprache und Genre159

3.7 Kleine, tückische Biester160

3.8 Zahlwörter, Maße, Datum und Uhrzeit180

4. Zeigen, nicht erzählen190

4.1 So wird’s gemacht190

4.2Der Einfluss der Perspektive206

4.3 Gefühle beschreiben209

4.3.1 Hass211

4.3.2 Angst215

4.3.3Mut227

4.3.4 Schock239

4.3.5 Liebe245

4.4 Landschaftsbeschreibung261

4.5Atmosphäre schaffen267

4.6 Keine „Behauptung“ ohne Beweis271

4.7 Handlungsstruktur und Überleitung 277

4.7.1 Szenenüberleitung und -abschluss284

4.7.2 Kausalität und Reihenfolge291

4.8 Stringenz295

4.8.1 Wiederholungen301

4.9 Der Einfluss guter Beschreibungen303

5. Der Plot – Aufbau einer Geschichte320

5.1 Wie ein Plot entsteht322

5.1.1 Plotpoints – wichtige Wendepunkte331

5.1.2 Realitätsbezug333

5.2 Handlungsaufbau337

5.2.1 Plotskizze344

5.2.1.1 Die „Zutaten“347

5.2.1.2 Der Aufbau350

5.2.1.3 Die „Gewürze“355

5.2.2 Stringenz357

5.2.3 Die Zeittafel362

5.2.4Szenenaufbau363

5.3 Originalität371

5.4 Die unverzichtbare Logik376

5.4.1Der Teufel im Detail383

5.4.2Zufälle sind tabu!386

5.5 Ein guter Anfang394

5.5.1 Der Prolog als Anfang400

5.6 Der Konflikt408

5.7 Das Ende414

5.7.1 Offenes Ende421

5.7.2Der letzte Satz423

5.8 Die „Heldenreise“426

5.9 Mehrteiler schreiben431

5.9.1 Das Serienhandbuch437

5.9.2 Damit die Serie/Reihe Erfolg hat440

ANHANG:453

Glossar453

Über die Autorin481

Weitere Schreibratgeber von Mara Laue482

BAND 2:

6. Spannungserzeugung

6.1 Spannung. Eine Definition

6.2 Erzeugung der Grundspannung

6.3 Die „Eintrittskarten“

6.4 Die sieben Säulen der Spannung

6.4.1 Die Spannung im Klappentext

6.4.2 Plot

6.4.3 Originalität

6.4.4 Konflikte

6.4.5Persönlichkeiten mit „Profil“

6.4.6 Stringenz

6.4.7 Mit Worten Bilder malen

6.5 Methoden der Spannungssteigerung

6.5.1 Die Bedrohung

6.5.2 Haken schlagen

6.5.3 Cliffhanger

6.5.4 Der Gruseleffekt

6.5.5 Unverhofft kommt oft

6.5.6 Das Rätsel

6.5.7 Die Lesenden wissen mehr

6.5.8 Enttäuschte Hoffnung

6.5.9 Andeuten und auslassen

6.5.10Verzögerung und verpasste Gelegenheit(en)

6.5.11Verschleierungstaktik

6.5.12Der Sieg des Bösen

6.5.13Amnesie

6.5.14Falsche Fährten

6.5.15Kill your Darlings

6.5.16Mit dem Ende beginnen

6.5.17Der Echtzeit-Effekt

6.5.18Zeitnot

6.5.19Die Perspektive

6.5.20Der „Schwarze Freitag“

6.6 Die Spannung halten

6.7 Das retardierende Moment

6.8Besonderheiten bei Actionszenen

7. Figurenentwicklung

7.1 Klischees

7.1.1 Geschlechterklischees

7.2 Der Name

7.2.1 Figurennennung im Text

7.2.2 Die Namensliste

7.2.3 Personenregister im Roman

7.3 Das Aussehen

7.3.1 People of Colo(u)r

7.3.1.1 Religionen

7.4 Der Charakter

7.4.1 Charakterbeschreibung

7.4.2 Die Ausdrucksweise

7.5 Motive

7.5.1 Glaubhafte Reaktionen/Handlungen

7.5.2 Geschlechterunterschiede

7.6 Die „Personalakte“

7.6.1 Das Interview

7.7 Die Hauptfigur und ihr Gegenpart

7.8 Nebenfiguren

7.9 Broken Hero – „gebrochene“ Hauptfiguren

7.10Figuren stellen

8. Die Perspektive

8.1 Auktoriale Perspektive

8.2 Personale und wechselnde personale Perspektive

8.2.1 Schwebende Perspektive

8.2.2 Optische Kennzeichnung von Perspektivwechseln

8.2.3 Das Braiden

8.3 Eingeschränkt auktoriale/semi-auktoriale Perspektive

8.4 Ich-Perspektive

8.4.1 Varianten der Ich-Perspektive

8.4.2 Zeitformen der Ich-Perspektive

8.4.3 Doppelte Ich-Perspektive

8.5 Du-Perspektive

8.6Die „Täterperspektive“ – ein Fall für sich

8.7 Das Wissen der Schreibenden: immer ein Perspektivbruch

8.8 „Mauerschau“ und „Botenbericht“

8.9 Anrede und Figurenbenennung

8.10Was Sie beachten müssen

8.10.1Wo der Hase im Pfeffer liegt

9. Der Dialog

9.1 Dialogformatierung

9.2 Sprechhinweise und Unterfütterungen

9.3 Männer reden anders. Frauen auch.

9.4 Dialekte und Fremdsprachigkeit

9.5 Nonverbale Dialoge

9.6 Innerer Monolog, erlebte und indirekte Rede

10. Die Rückblende

11. Das Setting – Das Umfeld muss passen

11.1Ortsbeschreibungen in der Regionalliteratur

11.2Rechtliches

11.3Entwerfen fremder Welten für Fantasy und SF

11.3.1 Science-Fiction-Besonderheiten

11.3.2 Fremde Welten im realen Umfeld

11.3.3 Subkulturen

12. Die Wahl des Titels

12.1Titelfindung

12.2Das Cover

13. Die Kunst der Kurzgeschichte

13.1Kennzeichen der Kurzgeschichte

13.1.1Was eine Kurzgeschichte ausmacht

13.1.2 Inhaltliche Kennzeichen

13.1.3 Formale Kennzeichen

13.2 Aufbau einer Story

13.2.1 Der erste Satz

13.2.2 Der erste Absatz

13.2.3 Der zweite Absatz

13.2.4 Konflikt

13.2.5 Stringenz

13.2.6 Kernpunkt

13.2.7 Das Ende

13.2.8 Der Titel

13.2.9 Beschreibungen

13.3 Genre-Besonderheiten

13.3.1 Krimi

13.3.2 Fantasy

13.3.3 Lovestory

13.3.4 Horror

13.3.5 Science Fiction

13.3.6 Humoreske

13.3.7 Erotik

13.3.8 Experimentelle Texte

13.4 Storybeispiele

13.4.1 Krimi: Dumm gelaufen

13.4.2 Fantasy: Das Auge von Ruhakk

13.4.3 Science Fiction: Das menschliche Temperament

13.4.4 Liebesgeschichte: Liegende Venus mit Sandrose

13.4.5 Horror: Katzenknochen

13.4.6 Erzählende Story: Symphonie der Stadt

13.4.7 Humoreske: Dinner-Solitüde

13.5Schreiben für Wettbewerbe

13.6Der Heftroman: ein Hybrid

13.6.1 Der Kurzroman

Band 3:

14. Erotik (be)schreiben: ein Kapitel für sich

14.1Die Sprache der Erotik

15. Recherche

15.1Psychologie, Verhalten, Plausibilität

15.1.1Polizeiarbeit

15.1.1.1 „Miss Marple“

15.2Einarbeitung der Recherche in den Text

15.3Werkzeuge der Recherche

15.4Vom Umgang mit fremdem geistigen Eigentum

15.4.1Zitieren von Gedichtzeilen und Songtexten

15.4.2Benutzung von Markennamen

15.4.3Hinweise für Selfpublishing

16. Überarbeiten

16.1Tipps fürs Kürzen

16.2Im Lektorat

17. Das Exposé

17.1So wird’s gemacht

17.2Aufbau des Rahmenexposés

17.3Entwerfen von Klappentexten

Abbildungen Exposéaufbau

18. Formales

18.1 Manuskriptgestaltung

18.1.1Kapitelwechsel

18.1.2Kapitelüberschriften

18.1.3„Bücher“ im Buch

18.1.4Szenenwechsel

18.1.5Kapitel/Szenenlänge

18.1.6Zeilen und Absatzwechsel

18.1.7Inhaltsverzeichnis

18.1.8Verlagsvorgaben

18.2Die Normseite

Abbildung Normseite

18.3Die Manuskriptnorm

18.4Das Verlagsanschreiben

Abbildung Musteranschreiben

18.5Das E-Mail-Anschreiben

18.6Entwerfen Ihrer Kurzvita

18.7Eine dringende Warnung

19. Das Genre

19.1Abenteuerroman

19.2All Age Literatur

19.3Animal Fiction

19.4Autobiografischer/Biografischer Roman

19.5Bildungsroman

19.6Chick Lit

19.7Coming of Age

19.8Entwicklungsroman

19.9Ethno-Literatur

19.10Fantasy

19.11Fur Fiction

19.12Generationenroman

19.13Historischer Roman

19.14Horror/Grusel

19.15Humoristische/heitere Literatur

19.16Kinder und Jugendliteratur

19.17Kriminalroman

19.18Liebesroman

19.19Mystery

19.20New Adult

19.21Science Fiction

19.22Sick Lit

19.23Spannungsroman

19.24Tatsachenroman

19.25Thriller

19.26Western und First Nations Roman

19.27Young Adult

20. Sachbücher, Biografien, Lyrik

20.1Sachbücher

20.2Biografien

20.2.1 Ghostwriting

20.3Lyrik

21. Veröffentlichung, letzte Tipps & Nützliches

21.1Regeln

21.2Veröffentlichung

21.2.1Wege zur ersten Veröffentlichung

21.2.2Agentur oder nicht?

21.2.3Selfpublishing

21.2.4Authentisch bleiben

21.2.5„Will das überhaupt jemand lesen?“

21.2.6Co-Autorin/Autor

21.3Das Pseudonym

21.4Schreibblockade – was nun?

21.5Schreiben als Beruf

21.5.1Was Schreibende brauchen

21.5.2Was Schreibende NICHT brauchen

21.5.3Das Finanzielle

21.6Rezensionen schreiben

21.7Lesungen vorbereiten und halten

21.7.1Worauf es bei einer Lesung ankommt

21.7.2Wie eine Lesung abläuft

21.7.3Abrechnung von Lesungen

21.7.4Der Umgang mit Lampenfieber

21.7.5Womit Sie rechnen müssen

21.7.6Die Kleiderfrage

21.7.7Was Sie sonst noch brauchen

21.7.8Ein wichtiger Hinweis

21.8Interviews

21.8.1Die Pressemappe

21.9Die letzten Tipps

Abschlussaufgabe

ANHANG:

A. Polizeiarbeit – Fiktion und Realität

A.1 Der trügerische Schein der Fiktion

A.2 Der Ablauf einer Mordermittlung

A.3 Feststellung der Identität/Anschrift

A.3.1 Erkennungsdienstliche Erfassung

A.4Grenzübergreifende Ermittlungen

A.5 Tatortarbeit

A.6 Obduktion

A.7 Vernehmung und Befragung

A.7.1 Aufzeichnung

A.8 Festnahme

A.9 Hausdurchsuchung

A.10 Waffenrecht

A.11 Der verliebte Kommissar

A.12Wissenswertes und Interessantes

B. Muster Verlagsvertrag

C. Literaturverzeichnis

Über die Autorin

Weiter Bücher

Nur Fantasie reicht niemals aus

Als ich 1970 im Alter von zwölf Jahren meine erste Geschichte schrieb und mich dadurch mit dem „Schreibvirus“ infizierte, gab es noch keine Schreibratgeber und keine Schreibkurse. Zumindest nicht auf dem deutschen Markt, und an ausländische, zum Beispiel englischsprachige Bücher, war kaum heranzukommen. Internetshops existierten damals noch nicht, und Buchhandlungen taten sich schwer mit Bestellungen aus dem Ausland. Die ohnehin nur funktionierten, wenn man den Titel des Buches und den Namen des herausgebenden Verlages kannte. Woher sollte ich die ohne Informationsmöglichkeiten über entsprechende Bücher kennen? Außerdem war damals mein Englisch noch sehr rudimentär, sodass ich den Inhalt kaum verstanden hätte.

Davon abgesehen lautete die damals gängige Meinung über das Schreiben von Romanen, Kurzgeschichten und erst recht Lyrik, dass „Talent“ und eine blühende Fantasie für den Erfolg ausreichend seien. Auf die Idee, das Schreibhandwerk zu erlernen, kam niemand, weil man im Gegensatz zum Ausland hierzulande die Kunst des Schreibens nicht als erlernbares „Handwerk“ wahrnahm. Als untermauerndes Argument wurde gerne auf die Klassiker von Johann Wolfgang von Goethe oder Annette von Droste-Hülshoff und andere verwiesen, die in keiner Schreibschule das Handwerk gelernt, sondern einfach ihre Texte geschrieben hatten, die trotz fehlender „Schreibausbildung“ gut genug waren, um veröffentlicht zu werden.

Die so Argumentierenden ließen jedoch außer Acht (oder wussten das gar nicht), dass die Bildung in den Schichten, denen die früheren erfolgreichen Literatinnen und Literaten entstammten, ein ganz anders Niveau gerade hinsichtlich des Deutschunterrichts besaß, als das heute der Fall ist. Und mangels Fernsehen und auch Radio waren Bücher die einzigen alltäglichen Unterhaltungsmedien, sodass die Menschen die nach damaligem Standrad guten Texte „täglich“ lasen. „Lesen bildet“, und so wusste damals jede/r, wie ein guter Text auszusehen und zu klingen hatte. Die Fernkommunikation erfolgte ausschließlich über sorgfältig geschriebene und möglichst gut formulierte Briefe.

„Schreiben kann doch jeder!“, war deshalb und ist teilweise immer noch eine verbreitete Ansicht. Ja, Aufsätze schreiben kann jeder mehr oder weniger gut, weil wir das in der Schule lernen. Deshalb lasen sich auch meine ersten Texte wie Aufsätze, gespickt mit Dialogen. Denn „Talent“ oder besser: Fantasie und Inspiration alleine reichen definitiv nicht aus, um gute Texte zu schreiben. Das Schreiben von Geschichten, Gedichten und Romanen war schon immer ein Handwerk, das man erlernen musste. Auch zu Droste-Hülshoffs und Goethes Zeiten war das nicht anders.

Aber damals, wie gesagt, hatte die Bildung im Fach „Deutsch“ ein ganz anderes (höheres) Niveau als heute. Und die damaligen Ansprüche der Lesenden (und der Verlage) an Unterhaltungsliteratur lassen sich nicht einmal im Entferntesten mit den heutigen vergleichen. Texte im Stil der Romane von damals würden heute nicht veröffentlicht werden. (Siehe Kapitel 2: „Literatur im Wandel der Zeit“.) Damals genügten aber die in der Schule vermittelten Kenntnisse über das Formulieren von Texten, um eigene Geschichten und erst recht Gedichte schreiben zu können.

Vielleicht erinnern Sie sich noch an Ihre Schulzeit und daran, wie im Deutschunterricht Texte analysiert und „interpretiert“ wurden. Gar nicht zu reden von der Zerpflückung von Gedichten und ihre Klassifizierung durch Jambus, Trochäus, Daktylus und andere Besonderheiten, die uns zeigten, dass ein Gedicht erheblich mehr ist als nur die Aufteilung von Sätzen in Versen, die sich am Ende reimen (oder auch nicht). Dass ein Gedicht „komponiert“ wird wie ein Musikstück, einen (Sprach-) Rhythmus hat und eine verborgene Aussage „zwischen den Zeilen“. Dass Prosatexte in einem bestimmten Stil geschrieben sind und die Autorinnen/Au-toren mit diesem oder jenem Stilmittel Spannung erzeugt oder ein „Wortbild“ gemalt haben, dass auch diese Texte in gewisser Weise „komponiert“ wurden. Und zwar nach bestimmten schreibhandwerklichen Kriterien.

Leider hat man uns in der Schule nicht beigebracht, ebenfalls solche Texte zu komponieren (jedenfalls nicht zu meiner Schulzeit). In anderen Ländern ist Unterricht in den Grundlagen des kreativen Schreibens Standard. Uns wurde nur das Schreiben von Aufsätzen und Sachtexten (Textanalysen) beigebracht.

Jedoch sind Menschen, die selbst Geschichten oder gar Romane schreiben, in der Regel auch begeisterte Leseratten. Ich verschlang jedes Buch, das ich in die Finger bekam. Und mir war herzlich egal, ob es sich um ein Kinder-, Jugendbuch, Erwachsenenliteratur oder Sachbuch handelte. (Ich glaube, ich gehöre zu den wenigen Menschen, die die 900 Seiten von „Brehms Tierleben“ vollständig durchgelesen haben; damals war ich ungefähr dreizehn Jahre jung.)

Durch diese Lektüren stellte ich fest, dass sich die Texte der Unterhaltungsliteratur drastisch von meinen Aufsatzstiltexten unterschieden. Durch Vergleichen und „Learning by doing“ brachte ich mir in über dreißig Jahren das Handwerk mühsam selbst bei – mit dem Traum vom eigenen Buch und einer Karriere als Schriftstellerin immer im Hinterkopf.

Im Jahr 2004 wurde der Traum von der ersten professionellen Veröffentlichung endlich wahr, zunächst auf dem Heftromansektor. Doch das erwies sich in doppelter Hinsicht als Durchbruch. Die dadurch wachsende Bibliografie (Veröffentlichungsliste) zeigte später anderen Verlagen, denen ich meine Romanmanuskripte anbot, dass ich keine blutige Anfängerin mehr war, sondern mir erste Sporen verdient hatte, was die Veröffentlichungen begünstigte. Seit 2005 bin ich Berufsschriftstellerin und lebe vom Schreiben.

Das Wichtigste war jedoch, dass ich in nur einem Jahr durch die Rückmeldungen aus dem Lektorat erheblich mehr gelernt habe, als ich mir in den vergangenen Jahrzehnten selbst beigebracht hatte. Unter anderem erfuhr ich dadurch von Dingen, von denen ich noch nie gehört hatte: „Show, don’t tell!“ (die Kunst des guten Beschreibens), die Feinheiten der Perspektiven, Dialogunterfütterung und viele, viele andere „Werkzeuge“, die mir beim Lesen gar nicht bewusst geworden waren, weil niemand mich auf sie hingewiesen und sie mir erklärt hatte. Das zeigte mir nachdrücklich, wie immens wichtig die Beherrschung des Handwerks ist, um gute Texte zu schreiben.

Zwar gab es zu diesem Zeitpunkt bereits etliche Schreibratgeber, aber die meisten waren Übersetzungen aus dem (überwiegend englischsprachigen) Ausland. Doch der Buchmarkt und die Vorlieben des Lesepublikums sind im Ausland ganz anders als bei uns, weshalb sich die darin propagierten Schreibregeln nicht eins zu eins auf den deutschen Markt übertragen lassen. Zum Beispiel befielt Bestsellerautor Elmore Leonad in seinem Schreibratgeber „Ten Rules of Writing“ („Zehn Schreibregeln“): „Never use another word than ‚said’ to carry dialogue.“ („Benutze niemals ein anders Wort als ‚sagte (er/sie)’, um einen Dialog zu unterfüttern.“) Aber dieser sogenannten „Inquit“ (siehe Glossar) ist bei deutschen Verlagen verpönt. Wer sich an diese Regel hält, gewinnt hierzulande keinen Blumentopf.

Auch gab es inzwischen etliche Fernkurse für kreatives Schreiben, aber die meisten von ihnen waren so teuer, dass nur gut Betuchte sie sich leisten konnten. Selbst wenn Ratenzahlung gewährt wurde, musste man monatlich um die hundert Euro oder mehr berappen (abhängig vom gewählten Kurs). Was etliche Schreibbegeisterte vom Erwerb der erforderlichen handwerklichen Fähigkeiten für eine schriftstellerische Karriere ausschloss: denn ohne Ausbildung (auf welche Weise auch immer) – keine guten Texte. Ohne gute Texte – keine Veröffentlichung. Ausbildung ist ein Muss, wenn man nicht nur für sich selbst schreiben will. Auch Genies, Talentierte und Hochbegabte (egal auf welchem Gebiet) müssen das Handwerk, die Kunst erlernen, ehe sie dadurch brillieren und ihr Talent vollständig entfalten können.

Nachdem ich einige Jahre lang Erfahrung als Berufsschriftstellerin gesammelt hatte, entschied ich mich deshalb, mein Wissen in „für alle“ bezahlbaren Schreibkursen weiterzugeben. Von Anfang an sollten diese eine fundierte Grundausbildung sein, in der die Teilnehmenden das Handwerk von der Pike auf erlernen konnten: von der Ideenfindung bis zum fertigen, sprachlich geschliffenen Text, der einen Verlag und später das Lesepublikum begeistert. Die Grundlagen jedes Unterrichts bilden Lehrbücher, deshalb schrieb ich Lektionstexte, anhand derer die Kursteilnehmenden alles lernen konnten, was ich selbst inzwischen wusste.

Weil Unterricht in dieser Form aber keine „Einbahnstraße“ ist, sondern auch die Lehrenden von ihren Lehrlingen lernen, wurden die Texte immer umfangreicher. Jemand fragte nach etwas, wollte über einen Themenkomplex noch mehr wissen oder verstand etwas nicht, und die Erläuterungen flossen als Ergänzungen in die Lehrbriefe ein. Umfasste das erste aus diesen Lehrbriefen entstandene Begleitbuch „Von der Idee zum fertigen Text“ gerade mal 172 Seiten, brachte es die siebte Auflage schon auf 484 Seiten. Und es wurden immer mehr. Unter anderem auch deshalb, weil ich selbst mit jedem Roman, den ich schreibe, etwas dazulerne, Erfahrung gewinne, Neues ausprobiere und weitere handwerklich relevante Erkenntnisse gewinne. Immer.

Aber alles hat mal ein Ende, und das Leben währt nicht ewig. Nachdem ich 2022 den „Unruhestand“ (das Rentenalter) erreicht hatte, beschloss ich, mich nur noch auf das Schreiben meiner eigenen Werke zu konzentrieren und keinen Unterricht mehr zu erteilen. Doch das gesamte Wissen über das Schreibhandwerk, das ich mir in bis dahin 52 Jahren Schreiberfahrung, davon siebzehn Jahre als Berufsschriftstellerin und zwölf Jahre als Schreibcoach, angeeignet habe, ist zu wertvoll, um es in der Schublade versauern zu lassen. Auch wenn ich persönlich nicht mehr unterrichte, kann ich das immer noch über meine Schreibratgeber tun und mein Wissen durch sie an die Schreibbegeisterten weitergeben, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen oder die sich weiterentwickeln und noch ein paar mehr Tricks und Kniffe kennenlernen wollen.

Das vorliegende dreibändige Werk enthält mein gesamtes Wissen, das ich über das Schreiben und alle damit verwandten Themen und Erfahrungen auf dem Buchmarkt bis heute gelernt habe.

Neulingen bietet es eine umfassende Grundausbildung über alle Bereiche des Schreibens – Romane, Kurzgeschichten, Lyrik, Sachbücher – sowie Verlagsfindung und worauf man bei Lesungen vorbereitet sein sollte. Wenn Sie Neuling sind, sollten Sie das Buch chronologisch durcharbeiten, weil spätere Lektionen auf den vorherigen aufbauen.

Fortgeschrittene können es als Nachschlagwerk benutzen, um ihre Kenntnisse auf einzelnen Gebieten zu vertiefen und zu erweitern. Auch Ihnen empfehle ich, das Buch und die Folgebände chronologisch zu lesen, denn Sie werden in allen Lektionen Dinge entdecken, die Sie bisher noch nicht wussten. Garantiert! (Einige wichtige Dinge aus vorherigen Lektionen werden aber ab und zu inhaltlich wiederholt für diejenigen, die das Buch auszugsweise statt chronologisch lesen.)

Krimischreibende erhalten in Band 3 zusätzlich eine Darstellung realistischer Ermittlungsarbeit, um auf diesem Gebiet sachlich korrekte Texte schreiben zu können, die positiv auffallen.

Ein Glossar, das Ihnen einen Überblick über die Fachbegriffe des Handwerks und der Buchbranche gibt, finden Sie am Ende dieses Buches. Ich empfehle, es vollständig zu lesen, nicht nur, weil Sie sonst unter Umständen einige Fachbegriffe nicht verstehen, die in diesem Buch und den Folgebänden ganz selbstverständlich gebraucht werden, sondern auch, weil sie Ihnen wichtige Einblicke in den Schreib„job“ geben. Außerdem werden darin einige Dinge aus den Lektionen knapp zusammengefasst.

Möge Ihnen die Arbeit mit diesem „Mammutwerk“ nicht nur Freude bringen, sondern Ihren Texten auch zu möglichst viel Erfolg verhelfen! Das wünsche ich Ihnen von Herzen!

Mara Laue

Niederrhein, 2024

1. Schreiben ist ein Handwerk

Ob Sie einen Brief, einen Aufsatz, einen Eintrag in Ihr Tagebuch, ein Gedicht, eine (kurze oder längere) Geschichte, einen Roman, ein Sachbuch oder eine Biografie schreiben, das „Handwerkszeug“, das Sie dafür benötigen und verwenden, ist immer dasselbe. Und zwar völlig unabhängig davon, ob Sie einen Krimi oder einen Liebesroman, einen zeitgenössischen Entwicklungsroman oder einen Fantasyroman, eine Kurzgeschichte oder eine Novelle mit historischem Inhalt schreiben. Malende benutzen auch immer dieselben Techniken für die Erzeugung von Licht, Schatten, Perspektive, Tiefenwirkung, Goldenem Schnitt und so weiter und auch dieselben Pinsel unabhängig davon, ob sie eine Landschaft, ein abstraktes Bild oder einen Akt malen. Mit dem Handwerk des kreativen Schreibens verhält es sich nicht anders.

Der wichtigste Teil dieses Handwerks ist die deutsche Sprache, die Sie auch für Ihren Beruf korrekt beherrschen sollten. In nahezu jedem Beruf – auch in handwerklichen und gewerblichen Berufen – kommen Sie irgendwann in die Verlegenheit, einen Brief oder Bericht zu schreiben. Wer dabei korrektes Deutsch schreibt und sich verständlich und je nach Situation eventuell auch humorvoll, in jedem Fall aber beredt ausdrückt, wird als erheblich kompetenter angesehen (und ernster genommen) als ein Mensch, dessen Brief/Bericht von Fehlern und schlechter Ausdrucksweise („Bürodeutsch“) wimmelt.

Bei Bewerbungen (und erst recht bei Kontakten mit einem Verlag) entscheidet schon das (fehlerfreie) Anschreiben darüber, ob der Rest der Unterlagen überhaupt gelesen oder gleich auf den Stapel „Zurücksenden!“ aussortiert wird. Deshalb gehört der Rechtschreib-Duden (Duden Band 1) in jeden Haushalt (alternativ oder zusätzlich: der Duden-Korrektor als Programm auf den PC).

Bei Literaturwettbewerben, zu denen Sie vielleicht einmal eine Kurzgeschichte einreichen, gilt mittlerweile fehlerhaftes Deutsch (wozu auch unkorrekte oder fehlende Zeichensetzung gehört) ab einer gewissen Fehlerzahl als Ausschlusskriterium, das die Geschichte disqualifiziert. In manchen Lektoraten gibt es den stillschweigenden Konsens, dass ein Manuskript, das auf jeder Seite fünf oder mehr Fehler enthält, allein deswegen abgelehnt wird, weil die Korrektur so vieler Fehler über mehrere Hundert Seiten zu viel Zeit in Anspruch nähme.

Und wenn Sie ein Sachbuch wie zum Beispiel einen Ratgeber verfassen oder vielleicht im Auftrag anderer Menschen deren Biografie schreiben („Ghostwriting“, siehe Lektion 20.2.1), sind Sie Ihrer Klientel und den das Buch später Lesenden neben sachlicher Korrektheit eine gut formulierte Sprache schuldig. Andernfalls wird es niemand kaufen oder Ihr Werk in einer Rezension verreißen und anderen Menschen vom Kauf abraten.

Die übrigen Werkzeuge, die eine Geschichte oder einen Roman für die Lesenden spannend, interessant und gut zu lesen machen, sind ein „Appetit anregendes“ Thema, der Aufbau (der „Plot“), interessante Figuren und die mit Finesse erzeugte Spannung, die die Lesenden dazu veranlassen, jedes Wort zu verschlingen. All das und mehr werden Sie in den folgenden Lektionen kennenlernen.

Wie in jedem Handwerk und jedem kunstschaffenden Beruf oder Hobby gibt es auch fürs Schreiben von literarischen Texten erlernbare „Tools“, die uns zu einer guten, mit zunehmender Erfahrung auch sehr guten Beherrschung der Kunst befähigen. Wer auf der gesamten Klaviatur des Schreibhandwerks zu spielen weiß, ist in der Lage, auch ohne einen Kuss der ohnehin ewig launischen Muse als Inspiration gute Texte zu schreiben. Wollen Sie später das Schreiben professionell betreiben oder haben Sie dieses Stadium schon erreicht, ist diese Fähigkeit ein Muss.

Denn als Profi haben Sie vom Verlag vorgegebene Abgabetermine einzuhalten, zu denen Ihre Manuskripte fertig sein müssen. Lässt sich die Muse wochen- oder sogar monatelang nicht blicken, müssen Sie trotzdem in der Lage sein, einen glaubhaften Plot zu konstruieren, Perspektiven ohne Brüche und andere Katastrophen zu schreiben, real klingende Dialoge zu formulieren, glaubhafte und vor allem lebendig wirkenden Figuren zu erschaffen, Spannung zu erzeugen und Beschreibungen nach dem Prinzip „Show, don’t tell!“ (siehe Lektion 4) zu verfassen. Fantasie, Schreibbegeisterung und auch das größte Talent reichen dafür allein nicht aus.

Vom Handwerk abgesehen existiert selbstverständlich noch der persönliche Geschmack der Menschen im Verlag und Lektorat, der darüber entscheidet, ob Ihr Werk angenommen wird. Sollten Sie eine Veröffentlichung Ihrer künftigen Werke anstreben, werden Sie das bei Kontakten mit Verlagen und deren Lektoraten deutlich merken. Der eine Lektor findet eine von Ihnen gewählte Formulierung schrecklich, unlogisch und indiskutabel, eine andere Lektorin findet sie originell und witzig. Der eine ist ein „Perspektiv-Purist“ und ächtet die „schwebende Perspektive“ (siehe Glossar), eine andere Lektorin liebt sie heiß und innig.

Vor etlichen Jahren gab es ein Experiment, bei dem derselbe Deutschaufsatz einer repräsentativen Anzahl von Deutschlehrkräften von der Hauptschule bis zum Gymnasium, studierten Germanistinnen/Germanisten und Germanistikprofessorinnen und -professoren zur Beurteilung und Benotung vorgelegt wurde. Obwohl es sich um denselben Text handelte, gab es alle Noten von 1 bis 6 und Urteile von „brillant“ bis „Thema verfehlt“. Interessant: Je höher der Bildungsstand der Beurteilenden war, desto schlechter war in der Regel die vergebene Note.

Was beweist: Fachleute mit umfangreichem Wissen erkennen Fehler und Schwächen erheblich besser (und sind auch kritischer) als weniger Wissende. Das ist auch der Grund, warum Familie und Freundeskreis der Autorinnen/Autoren, die in der Regel kein Fachwissen besitzen, Texte toll finden, die nach literarischen Ansprüchen objektiv indiskutabel sind.

Sie brauchen sich im Internet nur die Rezensionen für dasselbe Buch anzuschauen, und Sie finden ebenfalls alle Bewertungen von „großartig – fünf Sterne“ bis „ganz schlecht – selbst ein Stern ist noch zu gut für dieses Werk“. Sogar manche Werke späterer Bestsellerautorinnen/-autoren wurden zunächst als „schlecht, so was will kein Mensch lesen“ von Verlagen abgelehnt. Einige dieser verschmähten Werke erhielten sogar Literaturpreise, nachdem sich ein Verlag „getraut“ hatte, sie zu veröffentlichen.

Ich betone das nicht nur, um Ihnen die spätere Angst vor Absagen zu nehmen. Viele Neulinge trauen sich nicht, ihre fertigen Texte Verlagen anzubieten, weil sie befürchten, nicht gut genug zu sein und deshalb abgelehnt zu werden. Doch eine Ablehnung Ihrer Werke bedeutet nicht zwangsläufig, dass Sie die tatsächlich schlecht geschrieben haben. Verlage haben viele Gründe, ein Manuskript abzulehnen, die nichts mit dessen mangelnder Qualität zu tun haben. Das Verlagsprogramm ist bereits für die nächsten zwei oder sogar drei Jahre festgelegt (keine Seltenheit!), man bevorzugt generell Übersetzungen von im Ausland bereits erfolgreichen Büchern, oder das Thema Ihres Werkes passt nicht zum aktuellen Trend und hat ein paar Jahre später erheblich bessere Chancen.

Außerdem ist das Erstlingswerk von Neulingen in den seltensten Fällen bereits veröffentlichungsreif. Selbst wenn Sie das Handwerk ordentlich gelernt haben, fehlt Ihnen noch die Erfahrung, die Übung. Im Durchschnitt haben heute erfolgreiche Autorinnen/Autoren mindestens zehn Romane geschrieben, bevor der erste veröffentlichungsreif war. (Bei mir waren es neunzehn plus dreiundzwanzig Romanfragmente mit unterschiedlichem Umfang. Alles in allem mehrere Tausend, damals noch größtenteils handgeschriebene Seiten.) Denn eine gute Idee allein genügt leider nie.

Ich betone das alles auch, weil in diesem Buch Dinge als suboptimal oder sogar als „No-Go“ eingestuft werden, die Sie vielleicht genau so in einem veröffentlichten Buch gelesen und sich daran orientiert haben. Oder die Ihr Freundeskreis toll findet. Von subjektiven Vorlieben und Abneigungen abgesehen, die Ihnen auch später im Verlagslektorat begegnen werden, gibt es etliche in Verlagen veröffentlichte Bücher, die tatsächlich auch objektiv schlecht sind, weil sie handwerkliche Fehler und Schwächen aufweisen. Ich wurde immer wieder von meinen Schreibkursteilnehmenden gefragt, warum solche Bücher veröffentlicht werden und („anklagend“) warum ich ihnen diese Fehler ankreide.

Die Antwort auf Letzteres ist einfach: Ich wurde dafür bezahlt (und Sie haben für dieses Buch bezahlt), damit ich meinen „Auszubildenden“ das Handwerk ordentlich und bestmöglich beibringe. Fehler und Schwächen zu ignorieren, nur weil Bücher mit ihnen veröffentlicht wurden oder ich Rücksicht auf die sensiblen Autorinnen-/Autorenseelen nehmen will, ändert nichts an der Tatsache, dass sie Fehler sind und bleiben und damit das Gegenteil von guten Texten.

Fehler durchgehen zu lassen, vereinbart sich nicht mit meinem Verständnis von gutem Unterricht und optimaler Wissensvermittlung. Wer nicht lernt zu erkennen, welche Fehler und Schwächen in einem Text stecken und wie man sie vermeidet, wird nie die „Abschlussprüfung“ bestehen und Texte schreiben, die sich positiv und vor allem qualitativ aus der Masse herausheben.

Warum trotzdem „fehlerhafte“ Bücher veröffentlicht werden, liegt zum Teil daran, dass manche Verlage in den letzten Jahren die Ansprüche an die bei ihnen veröffentlichten Texte heruntergeschraubt haben. Zum einen, weil es sich um übersetzte Bestseller aus dem Ausland handelt, wo zum Teil andere Schreibregeln gelten als hierzulande. Zum anderen, weil ihnen nicht genug qualitativ hochwertige Texte deutscher Autorinnen/Autoren eingereicht werden. Das Ergebnis sind bemühte, aber suboptimale Werke, bei denen die sprichwörtliche „Luft nach oben“ in unterschiedlicher Höhe offen ist.

Orientieren Sie sich bitte nicht an diesen Werken! Auch dann nicht, wenn sie auf der Bestsellerliste stehen. Ein vom Verlag vielbeworbenes Buch, das die Liste anführt und eben deswegen viel gekauft wird, bürgt nicht zwangsläufig für Qualität! Unter den heutigen Bestsellern befinden sich reihenweise Werke, die noch vor fünfzehn oder zwanzig Jahren wegen handwerklicher Mängel (in Deutschland) gar nicht veröffentlicht worden wären.

Wie solche Werke Bestseller werden konnten, fragen Sie sich? Der Hauptgrund ist das mangelnde Fachwissen des Lesepu-blikums. Geschätzte 95 Prozent aller Lesenden kennen sich mit dem Schreibhandwerk nicht aus. Deshalb sind sie nicht in der Lage, die Fehler und Schwächen der Texte zu erkennen. Sie beurteilen nur den Inhalt, und wenn der einigermaßen logisch präsentiert wird, sich nicht komplett langweilig liest oder so schlecht geschrieben ist, dass er wie ein Schulaufsatz klingt, sind sie begeistert.

Man kann das durchaus vergleichen mit zum Beispiel dem Textilgestaltungshandwerk und dem Unterschied zwischen den maßgeschneiderten Textilien einer Meisterin/eines Meisters und maschinell „für die Stange“ gefertigten Stücken. Letztere erfüllen ihren Zweck, passen aber nicht annähernd so gut wie ein Kleidungsstück, das von meisterlicher Hand einem Körper buchstäblich „auf den Leib geschneidert“ wurde. Doch wer nicht vom Fach ist, bemerkt den Unterschied nicht, sieht nicht, dass hier ein Abnäher zu lang oder zu kurz ist, ein Saum unregelmäßig ist, eine Naht unterschiedlich große Stiche aufweist oder so eng „auf Kante“ genäht ist, dass der Stoff nach kurzer Zeit ausfransen wird. Oder dass der Stoff von minderer Qualität ist. Dem Laienpublikum genügt das Kleidungsstück, es gefällt ihnen, sie finden es gut und ziehen es gerne an. Aber jeder Fachmensch erkennt auf Anhieb die Fehler und findet das Ding alles andere als gut oder auch nur akzeptabel.

Genauso ist das auch bei Büchern. Die fehlerhaften Werke begeistern das fachlich unwissende Publikum, die Menschen kaufen sie und finden sie gut, obwohl sie das nicht sind. Schließlich bedeutet „Bestseller“ nur, dass das Buch sich sehr gut verkauft hat, nicht dass es tatsächlich gut ist. Denn das stellt man erst nach dem Kauf fest, wenn man es gelesen hat. Doch zu dem Zeitpunkt ist das gekaufte Buch bereits in die Statistik einge-flossen, die es zum Bestseller macht (oder nicht).

Eine meiner Schreibkursteilnehmerinnen beschwerte sich einmal bitter, dass der Schreibkurs ihr die Freude am Lesen vergällt habe, weil sie erst durch das Erlernen des Handwerks begriffen habe, wie schlecht ein Großteil der Bücher de facto ist, von denen sie bis dahin begeistert war.

Aber es gibt weitere Gründe, die aus suboptimalen Büchern manchmal Bestseller machen. Ich darf Sie an dieser Stelle mit einigen Praktiken des Buchhandels bekannt machen. Sicherlich kennen Sie die Präsentationstische in den Buchhandlungen: jene Tische, über die man beim Betreten beinahe stolpert, weil sie mitten im Weg stehen. Bestimmt sind Ihnen auch die Regale an den Wänden aufgefallen, auf denen die Bücher nicht dicht an dicht mit dem Buchrücken zur Kundschaft stehen, sondern das Titelbild zeigen. Falls Sie bisher geglaubt haben, dass dort die guten Bücher hingestellt/gelegt werden, täuschen Sie sich. Die Verlage bezahlen den Buchhandlungen mehrere Hundert, teilweise sogar über tausend Euro (pro Buch!) dafür, dass ihre Bücher auf diesen Plätzen präsentiert werden, wo sie allen Leuten ins Auge fallen, ob diese wollen oder nicht. Sie mieten also diese Plätze. Je exponierter der Platz, desto höher ist die Miete. (Zwar macht nicht jede Buchhandlung diese Praktik mit, aber viele tun das.)

Das rechnet sich für die Verlage durchaus, denn durch die augenfällige Präsentation werden mehr Bücher verkauft als solche, die ein Dasein unter vielen in den regulären Regalen fristen. Kundinnen und Kunden, die in Buchhandlungen stöbern und nicht nach einem bestimmten Titel suchen, tun das in der Regel bei den Präsentiertischen und -regalen. Meistens werden sie dort fündig und sehen keine Veranlassung mehr, in den „hinteren“ Regalen noch nach anderem/weiterem Lesefutter zu suchen. Unter anderem deshalb nicht, weil nach der „Beute“ von den Präsentierplätzen das Budget für neuen Lesestoff oft erschöpft ist.

Durch den Massenverkauf bekommt der Verlag die investierte Mietgebühr wieder herein und macht zusätzlich Gewinn. Vielleicht ist Ihnen auch schon einmal aufgefallen, dass die dort ausgestellten Bücher fast ausschließlich die von bereits bekannten (Bestseller-) Autorinnen/Autoren sind, die allein schon wegen ihres renommierten Namens einen hervorragenden Absatz versprechen. Oft haben sie noch einen Aufkleber auf dem Cover „Bestseller“ beziehungsweise „XY-Preisträger des Jahres“. So rechnet sich eine Präsentation auf den dafür gemieteten Plätzen doppelt.

Jedoch: Kleinere Verlage, die auf Klasse statt auf Masse setzen oder auch Innovatives im Programm haben, können sich die Miete solcher Plätze nicht leisten und „verschwinden“ in den hinteren Regalen, wenn sie überhaupt in den stationären Buchhandel gelangen. Die meisten von ihnen haben kein Budget für Buchhandelsvertreterinnen/-vertreter, die mit den Büchern im Gepäck bei den Buchläden buchstäblich hausieren gehen, sodass sehr viele „Perlen“ unter den Büchern gar nicht in dort landen; nicht mal in den hinteren Regalen.

Verlage sind Wirtschaftsunternehmen, deren Ziel es ist, Gewinne zu machen und Geld zu verdienen. Ausschließlich handwerklich einwandfreie Bücher zu verlegen, die auch inhaltlich hervorragend sind, können beziehungsweise wollen sich viele Verlage nicht (mehr) leisten und setzten daher zu oft auf Masse statt Klasse. Hauptsache, die Bücher werden verkauft. Ob einige Lesende hinterher von ihnen enttäuscht sind, ist zweitrangig und für manche Verlage sogar komplett uninteressant, sobald sie ihren Schnitt durch den Verkauf gemacht haben. Denn dass ein Buch sich mehrtausendfach verkauft hat, sagt nichts, aber auch gar nichts über seine handwerkliche und/oder inhaltliche Qualität aus, weil man die in der Regel erst erkennt und beurteilen kann, nachdem man das Buch gekauft und gelesen hat.

***

Ich vermittele Ihnen in diesem dreibändigen Buch mein Wissen und Können auf dem Gebiet des kreativen Schreibens, so gut ich es vermag, „nach bestem Wissen und Gewissen“, wie man so schön sagt. Ich bemühe mich in meinen eigenen Texten um eine gute „Schreibe“ und versuche, Ihnen die Tricks und Kniffe in die Hand zu geben, mit denen auch Ihre Werke positiv aus der Masse herausragen können.

Mein Wissen ist auf meiner persönlichen langjährigen Erfahrung gewachsen. (Ich lebe vom Schreiben und blicke – Stand 2024 – auf über 90 veröffentlichte Bücher, über hundert Heftromane, mehr als zweihundert Kurzgeschichten, knapp 3000 Gedichte und drei Theaterstücke zurück.) Und nach dieser Erfahrung setzt sich Qualität früher oder später immer durch.

Ob Ihnen ein Werk gut gelungen ist oder nicht, beurteilt letztendlich Ihr künftiges Lesepublikum. Ich drücke Ihnen schon jetzt die Daumen, dass die Mehrheit von denen begeistert sein wird.

REGELN

Sie werden in diesem Buch einige Dinge lernen, die ich Ihnen als „Regeln“ vermittle. Bitte stören Sie sich nicht an dem Begriff, auch wenn Sie vielleicht eine grundsätzliche Abneigung gegen Regeln haben. Was ich Ihnen als Regeln vermittle, sind Dinge, die tatsächlich teilweise so von Verlagen vorgeschrieben oder gewünscht werden. Wenn Sie später Verlagsveröffentlichungen anstreben, sollten Sie sich an zumindest diese Regeln halten.

Andere Dinge sind deshalb „Regeln“, weil sie für jeden Text funktionieren und gute Ergebnisse bringen und Ihr Text sich durch ihre Beherzigung positiv vom Gros der den Verlagen monatlich eingereichten Manuskripte abhebt. Diese Regeln sind jedoch nicht in Stein gemeißelt. Wie gesagt: Sie funktionieren immer, sonst würde ich sie Ihnen nicht vermitteln. Aber oft gibt es auch andere Methoden, die ebenso gut wirken.

Ein Widerspruch? Keineswegs, denn ob eine Regel oder deren Missachtung oder sogar ihr Bruch funktioniert, hängt von Ihrer Geschichte ab. Manche Dinge funktionieren für die eine Story ganz hervorragend, passen aber für eine andere Handlung überhaupt nicht.

Im Laufe Ihrer zunehmenden Schreiberfahrung werden Sie ein Gespür (und die Routine) dafür entwickeln, wann eine Regel greift und wann nicht. Bis zu diesem Zeitpunkt bitte ich Sie, mir und meiner Expertise zu vertrauen und die Regeln erst einmal anzunehmen. Mark Twain prägte den Spruch: „Bevor man eine Regel brechen kann, muss man sie erst einmal kennen.“ Das bedeutet, dass ein bewusster Regelbruch dem Text nützen kann; ignoriert man aber eine Regel, weil man sie gar nicht kennt, leidet der Text darunter.

Sie lernen mit dem vorliegenden Werk, wie Sie gute Texte schreiben können. Mit den hier beschriebenen Methoden, Tricks und Kniffen („Regeln“) sind Sie definitiv auf der sicheren Seite hinsichtlich Qualität und somit Erfolgschancen. Sobald Sie das Handwerk beherrschen, werden Sie in der Lage sein zu erkennen, wann Sie eine Regel zwingend anwenden sollten und wann Sie von ihr abweichen können. Bis dahin sollten Sie sie beherzigen.

1.1 Am Anfang: eine Idee

Jeder Roman, jede Geschichte – ob lang oder kurz –, jedes Gedicht beginnt mit einer Idee. In den meisten Fällen bezieht sie sich auf den Inhalt. Manchmal hat man auch eine beeindruckende Person vor Augen oder einen Ort, einen Gegenstand, ein Tier, vielleicht sogar ein Kleidungsstück und möchte darum herum eine Geschichte weben. Auch ein Satz – gesprochen, gehört oder gelesen – und sogar ein einziges Wort kann uns zu einer Geschichte inspirieren.

Die österreichische Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschen-bach (1830–1916) antwortete auf die Frage, woher Schriftstellerinnen/Schriftsteller ihren Stoff (= die Ideen) nehmen: „Bücken Sie sich, und heben Sie ihn auf, er wächst überall aus dem Boden. So strecken Sie die Hand aus, wenn Sie sich nicht bücken wollen, Stoffe fliegen zu Hunderten in der Luft herum.“ Besser lässt sich das nicht ausdrücken. Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, findet an jeder Straßenecke, in jedem Zimmer, bei jedem Blick aus dem Fenster Inspiration für die schönsten Geschichten.

Hier ein paar Beispiele von Dingen, die mich inspiriert haben.

Eine zerschlissene Couch auf dem Sperrmüll wurde erst zu einer Story, später zu einem Theatersketch, in dem eine Couch von ihrem bewegten Leben „unter“ ihren Besitzern erzählt. Die vogelähnliche Maserung einer hölzernen Tischplatte gab die Idee zu einer mystischen Geschichte, in der diese Maserung lebendig wird.

Eine ganz in regenbogenfarbene Kleidung gehüllte Frau auf einem Parkplatz wurde zum Märchen über eine Regenbogenfee. Ein Stück Bindfaden auf der Straße fand sich als Held in einer Geschichte wieder, in der er ein Menschenleben rettet. Eine um Haaresbreite verlorene Schachpartie gab den Anstoß, die Schlacht auf dem Brett aus der Sicht der Figuren zu beschreiben. Und ein wunderschöner Ring in der Auslage eines Juweliers erweckte konspirative Gedanken zu einem Kriminalroman.

Erst recht birgt jede Begegnung mit anderen Menschen eine Fülle von Stoffen für Geschichten und Romane. Aus diesem Grund haben manche Schriftstellerinnen und Schriftsteller die Angewohnheit, regelmäßig in Cafés oder ähnliche Lokale und an andere belebte Orte zu gehen und dort ihre Zeit (unter anderem) damit zu verbringen, die Menschen zu beobachten und ihren Gesprächen zu lauschen. Bahnhöfe, Supermärkte, Straßenbahnen, Kinos und so weiter sind fantastische Orte für einschlägige Studien.

Nebenbei: Eine gute Beobachtungsgabe ist gerade für die authentische Schilderung des Verhaltens von Menschen für kreativ Schreibende von Vorteil. Je mehr Sie in Ihrem ganz normalen Alltagsleben beobachten, desto besser gelingt Ihnen das.

Doch wie wird aus der Idee die Geschichte, die in ihr steckt? Wie formen wir daraus eine Story oder sogar einen Roman, die/der nicht nur uns selbst gefällt, sondern auch andere Menschen begeistert oder doch zumindest interessiert?

Sehen wir einmal davon ab, dass es einige sehr seltene Naturtalente unter den Schreibenden gibt, die ein intuitives Gespür für die Materie haben und ausreichende Kenntnisse des dafür erforderlichen Hauptwerkzeugs (der Sprache) besitzen, so ist und bleibt Schreiben ein Handwerk, das man lernen kann und lernen muss, wenn man nicht nur für sich selbst schreiben will. Jeden Beruf und auch die Fertigkeiten jedes Hobbys muss man in einer Lehrzeit oder einem Studium zwischen zwei und acht Jahren (Regellehr- beziehungsweise Regelstudienzeit) lernen. Der Beruf/das Hobby des kreativen und erst recht des journalistischen Schreibens bildet da keine Ausnahme! (Ein Studium „Literarisches Schreiben“ an der Universität dauert drei Jahre.) Sogar für die Naturtalente gilt das alte Sprichwort: „Begabung macht dich allenfalls gut; allein die beständige Übung bringt dich zur Meisterschaft.“

Beginnen wir also mit den ersten Schritten auf dem Weg zu Ihrer Meisterschaft.

Vergessen Sie bitte alles, was Sie noch aus der Schule über das Schreiben von Aufsätzen wissen. Ein Aufsatz verhält sich zu einer belletristischen Geschichte und erst recht zu einem Roman (abgesehen von der Länge) wie Fastfood zu einem Drei-Gänge-Menü in einem Nobelrestaurant; wie ein Volkslied zu einer Mozart-Oper. Womit ich weder etwas gegen Fastfood noch Volkslieder oder Aufsätze sagen will. Es handelt sich dabei völlig wertfrei um etwas ganz anderes als das, was Sie anstreben.

Das gilt auch für den Fall, dass Sie sich mit dem Schreiben von Sachtexten auskennen und sich vielleicht auch schon durch Veröffentlichungen in diesem Bereich einen Namen gemacht haben. Sachtexte leben, wie ihr Name schon andeutet, von Sachlichkeit und damit verbundener nüchterner Sprache. Belletristik lebt vom Beschreiben und davon, dass wir Schriftstellenden in den Köpfen unseres Lesepublikums Bilder erschaffen, die in ihren Gedanken das sogenannte „Kopfkino“ ablaufen lassen, die Fantasie anregen. Sachlichkeit ist dabei zu ungefähr fünfundneunzig Prozent fehl am Platz.

Wie Sie gutes Beschreiben in Ihren Texten erreichen, lesen Sie in Lektion 4.

Gehören Sie zu jenen vom Schreiben begeisterten und faszinierten Menschen, die von einer Idee oder mehreren Ideen übersprudeln und genau wissen, was in Ihrer Geschichte, Ihrem Roman zumindest als grober Handlungsplan ablaufen soll (auch wenn es Ihr erster Versuch ist), dann wird Ihnen der Einstieg in die Arbeit nicht schwerfallen. Gehören Sie aber zu denen, die sagen: „Ich habe eine wundervolle Idee für eine Geschichte, einen Roman, aber ich weiß nicht, wie ich sie umsetzen, wie ich anfangen soll!“, dann finden Sie hier die ersten Tipps für den Einstieg. Detaillierte Beschreibungen, wie aus einer Idee ein Plot, ein tragfähiger „Handlungsplan“ wird, lesen Sie in Lektion 5.

Das Wichtigste: Sitzen Sie bitte niemals vor einem leeren Blatt oder der weißen Fläche einer frisch geöffneten Textverarbeitungsdatei, ohne sofort etwas darauf oder hinein zu schreiben. Schreiben Sie! Und wenn es nur der Titel oder ein einziger, vager Satz ist, der Ihre Idee formuliert: „Meine Hauptfigur soll die Welt retten.“ Da Sie mit Sicherheit schon ein bisschen mehr im Kopf haben, wenn Sie mit dem Schreiben beginnen, schreiben Sie auch das auf. Dabei dürfen Sie Ihre Ideen schlagwortartig und auch zusammenhanglos skizzieren. Es kommt nur darauf an, dass Sie alles aufschreiben, was Ihnen zu Ihrer Idee einfällt. „Sortiert“ wird hinterher.

Falls Sie tatsächlich noch nicht allzu viel mehr von Ihrer Idee entwickelt haben, können Sie sich für den Aufbau Ihrer Geschichte, Ihres Romans an folgenden Punkten orientieren:

Was ist der Kernpunkt der Geschichte? Rettung der Welt, Aufklärung eines Verbrechens, Held/Heldin verliebt sich ...

Wer ist die Hauptperson? Name, ungefähres Alter und Geschlecht genügen für den Anfang. Grundsätzlich reicht erst einmal sogar das Geschlecht. Alles andere kann nachgetragen werden.

Welches ist der zentrale Konflikt der Handlung? Jemand will die Welt zerstören (warum?), Eifersucht, Hass, Feigheit ...

Wer ist der „Bösewicht“, der Feind/die Feindin Ihrer Hauptperson? Vor allem: warum?

Welche wichtige(n) Nebenfigur(en) braucht die Geschichte? Freunde/Freundinnen oder Familie der Hauptperson und des Bösewichts, Ermittelnde, Arbeitskollegschaft und so weiter.

Wo soll die Handlung spielen? Legen Sie Zeit, Orte, berufliches und soziales Umfeld fest.

Wie soll sie anfangen? Mit einer Szene aus dem Alltag der Hauptperson? Mitten in einem Konflikt, einer Actionszene? Mit einem Ereignis aus der Vergangenheit? Entwerfen Sie ruhig mehrere mögliche Anfänge! (Hier jedoch gleich ein TIPP vorweg: Beginnen Sie Ihre Geschichte nach Möglichkeit nicht mit einer Beschreibung von Landschaft, Wetter, Ort oder einer Person. Von Ausnahmen abgesehen wirkt das in vielen Fällen zähflüssig. Näheres darüber erfahren Sie in Lektion 4 und 5.)

Wie soll sie enden? Auch hier sollten Sie mehrere mögliche Ausgänge entwerfen und den wählen, der am spannendsten und/oder überraschendsten ist. Grundsätzlich kann das Ende offen bleiben, bis Sie beim Schreiben zu eben diesem Ende kommen.

ACHTUNG: Geschichten haben manchmal die unangenehme (aber höchst spannende) Angewohnheit, sich im Laufe des Schreibens zu verselbstständigen, das heißt, sie entwickeln sich ganz anders, als wir das ursprünglich geplant hatten. TIPP: Versuchen Sie in so einem Fall bitte nicht, mit Gewalt die Story in die ursprünglichen Bahnen zu zwingen. Das klappt nie! Darauf gebe ich Ihnen aus langjähriger Schreiberfahrung Brief und Siegel. Lassen Sie die Geschichte sich entwickeln, wie sie sich entwickeln will. Das bringt in der Regel die besten Ergebnisse.

Haben Sie für die genannten Dinge noch keine richtige Idee, können Sie sich an den „7 W-Fragen“ orientieren:

Wer

(Hauptpersonen) tut

was

(zum Beispiel die Welt retten),

wo

(Orte),

wann

(Zeitpunkt, Zeitraum),

wie

(auf welche Weise),

warum

(Motive) und

womit

(oder mit wem beziehungsweise mit wem zusammen)?

Für den Anfang genüg das vollkommen. Sie können die einzelnen Teile in eine Computerdatei oder auf Zettel schreiben und diese an die Wand oder die Tür kleben (ein sogenanntes „Storybord“ anfertigen), um sich daran zu orientieren. Wenn Ihnen zu einem Punkt noch nichts einfällt – macht nichts. Lassen Sie die gesammelten Ideen ein paar Stunden, einen Tag oder mehrere Tage ruhen, irgendwann fällt Ihnen das Fehlende ein. Manchmal erst im Lauf des Schreibprozesses.

Falls Sie eine konkrete Szene im Kopf haben oder den Teil einer Szene oder auch nur einen einzigen Satz, der Ihnen gefällt, schreiben Sie das sofort auf, auch wenn Sie noch nicht einmal die Namen der darin vorkommenden Personen festgelegt haben. Nehmen Sie irgendeinen Namen oder Platzhalter wie X1, YY, Z2 oder „Mann3“, „Frau2“, „WH“ (für „weibliche Hauptperson“) und so weiter, die Sie später austauschen können. Jede Szene ist wertvoll und hilft Ihnen, Ihre Geschichte zu entwickeln, auch wenn sich später herausstellt, dass Sie diese Szene doch nicht verwenden wollen oder können, weil sich die Handlung anders entwickelt hat, als ursprünglich geplant. Werfen Sie die Szene aber nicht weg! Speichern Sie sie in einer gesonderten Datei, denn sie könnte perfekt in eine andere Geschichte passen. Das gilt selbstverständlich auch für jede Idee und jeden gesammelten „Zettel“.

Haben Sie Ihre Idee soweit skizziert, folgt, sofern das nicht schon für Sie feststeht, vor der detaillierten Ausarbeitung des Plots (siehe Lektion 5) die Entscheidung, welcher Textart Ihre Geschichte angehören soll. Ist Ihre geplante Handlung umfangreich genug für einen Roman? Wollen Sie nur eine einzige Episode aus dem Leben einer Person schildern? Möchten Sie nur aus der Sicht einer einzigen Figur erzählen oder die Perspektive wechseln?

In Lektion 2 erfahren Sie, welche Möglichkeiten Sie haben.

1.1.1 „Geklaute“ Ideen

Wir alle sind von Büchern, die uns begeistert haben, so fasziniert, dass wir liebend gern „auch so ein Buch“ schreiben möchten. Das ist normal, und viele von uns haben ihre ersten schriftstellerischen Gehversuche damit begonnen, Geschichten zu entwerfen/zu schreiben, die den geliebten Vorbildern ähneln. Oder eine von einer Autorin/einem Autor entworfene Welt (Fantasy oder Science Fiction) gefällt uns so gut, dass wir unsere eigenen Geschichten in ihr spielen lassen wollen. Oder wir sind von einer Figur oder mehreren Figuren begeistert und möchten ihnen eigene Geschichten auf den Leib schreiben.

Diese Art der Literatur nennt man „Fan Fiction“. (Ich selbst habe in meiner Neulingszeit unzählige Storys geschrieben, die auf dem „Raumschiff Enterprise“ spielten und ließ in ihnen eigene Figuren mit der Stammbesatzung von Captain Kirk, Mr. Spock und Co. interagieren.) Fan Fiction macht ungeheuren Spaß und ist in jedem Fall eine hervorragende Übung, um unsere „Schreibmuskeln“ zu stählen.

Jedoch darf man sie nicht veröffentlichen, weil die Urheberrechte an allen fiktiven Figuren und Welten den Autorinnen und Autoren gehören, die sie erfunden haben. Die sogenannten „Verwertungsrechte“ (= das Recht, die Texte zu veröffentlichen – als Buch und eBook –, zu Filmen, Theaterstücken, Hörbüchern zu verarbeiten und eine Menge mehr) gehören den Verlagen, die die Romane veröffentlicht haben. Ohne deren schriftliche Genehmigung ist eine Nutzung durch andere Autorinnen/Autoren nicht nur strengstens untersagt, sie stellt auch einen Straftatbestand nach dem Urheberrechtsgesetz dar. Das heißt, dass bei Entdeckung der Tat eine Strafanzeige gegen die „diebischen“ Autorinnen/Autoren erfolgt, die richtig teuer werden kann. (Außerdem gilt man im Fall einer Verurteilung zu mehr als drei Monaten Freiheitsstrafe oder mehr als 90 Tagessätzen Geldbuße als vorbestraft.)

Manche Neulinge (und leider nicht nur die) glauben, das umgehen zu können, indem sie die Namen der Figuren ändern, einen anderen Handlungsort wählen und/oder „Geschlechtsumwandlung“ vornehmen, indem sie die im Original vorkommenden Männern zu Frauen machen und umgekehrt. Doch das genügt nicht, um vor einer Strafverfolgung wegen „Ideenklau“ sicher zu sein. Ihr Text muss sich zwingend und sehrdeutlich (!) vom ideengebenden Original unterscheiden. Idealerweise ähnelt Ihr Werk überhaupt nicht mehr dem Original außer in dem von Ihnen verarbeiteten Thema, denn ein völlig neues, noch nie literarisch ausgearbeitetes Thema zu erfinden, ist nahezu unmöglich. Irgendwo auf der Welt hat irgendwer irgendwann dasselbe Thema schon einmal bedient.

Deshalb gibt es zum Beispiel unzählige Fantasyromane, in denen eine Gruppe von Auserwählten (seltener eine auserwählte Einzelpersonen) ein (magisches) Artefakt vernichten und einen „dunklen Herrscher“ (im weitesten Sinn) zu Fall bringen muss, um das eigene Heimatland oder gleich die ganze (Fantasy-) Welt zu retten. Doch mit dem Thema als solchem sollte jede Ähnlichkeit zu bereits vorhandenen Werken enden. Sind die Hauptfiguren Ihrer Geschichte kleinwüchsige Wesen, die in höhlenartigen Wohnungen in Erdhügeln hausen und in einem Land mit überwiegender Wiesenlandschaft leben, „brüllt“ das allen Lesenden ins Gesicht, dass Sie sich bei Tolkiens „Der Hobbit“/„Herr der Ringe“ bedient haben.

Und die Verlage werden reihenweise abwinken, Ihren Roman zu veröffentlichen. Nicht nur wegen der Gefahr, wegen Urheberrechtsverletzung Probleme zu bekommen. (Deshalb haben die meisten Verlage einen Passus im Vertrag, dass die Autorinnen/Autoren versichern, mit/in ihrem Werk keine Rechtsverletzung zu begehen und dass sie allein für diese haften, sollte eine existieren und entdeckt werden; siehe Anhang B in Band 3.) Der zweite Ablehnungsgrund ist, dass bereits mindestens ein Werk wie das „geklonte“ existiert. Ist das ein weltbekannter Bestseller, gibt es unzählige „Klone“, und kein Verlag macht sich die Mühe, dem noch einen weiteren hinzuzufügen. Auch das Lesepublikum wünscht sich frische, unverbrauchte Geschichten und will nicht die gefühlt tausenderste Variation eines sattsam bekannten Plots lesen.

Von den rechtlichen Problemen, die „geklaute“ Ideen nach sich ziehen, abgesehen: Sie sind Autorin/Autor. In dieser Eigenschaft sollten Sie genug Fantasie besitzen, eigene Ideen zu entwickeln und, wenn Sie schon bekannte Themen als Grundhandlung wählen, diese individuell auszuarbeiten, ohne die vorhandenen Werke anderer Autorinnen/Autoren „zweit zu verwerten“ oder „nur“ zu „zitieren“, egal wie sehr die Sie begeistern.

Nebenbei: Zu Bestsellern werden nie die „Klone“ bereits erfolgreicher Bücher, sondern die Innovationen, deren Handlungen und/oder Figuren „so“ noch nie zuvor existierten. Versuchen Sie also immer, etwas hundertprozentig Eigenes zu erschaffen. Das sind Sie sich als Autorin/Autor und Ihrem Lesepublikum schuldig.

1.2 Schreibweisen und Textgestaltung

WICHTIG:

Auch wenn Sie überzeugt sind, dass Sie wissen, wie man einen Text gestaltet, bitte ich Sie, dieses Kapitel unbedingt durchzulesen. Gerade die Gestaltung belletristischer Texte unterscheidet sich in den aufgeführten Punkten gravierend von jeder anderen Textart. Neulingen und bei manchen Punkten leider auch Fortgeschrittenen unterlaufen dabei Fehler, die Ihre Manuskripte allein deshalb bei den Verlagen für eine Veröffentlichung disqualifizieren, weil deren Korrektur zu viel Zeit in Anspruch nähme.

Reichen Sie einem Verlag ein Manuskript ein, setzt er voraus, dass Sie besonders auch in den nachfolgenden Punkten das Schreibhandwerk beherrschen. Ist das offensichtlich nicht der Fall, wird es von vorn herein abgelehnt.

Wer noch wenig Erfahrung im Schreiben von erzählenden Texten hat und vielleicht auch wenige Bücher liest oder bei diesen nur auf den Inhalt, aber nicht auf die Gestaltung des Textes achtet, begeht meistens einige Fehler bei der Textformatierung. Hier finden Sie die wichtigsten Hinweise, die Sie in Ihren künftigen Texten berücksichtigen sollten. Die meisten werden später in den entsprechenden Lektionen noch ausführlich erläutert. Der Rest kommt, wie so Vieles, mit der Übung.

Jedoch: Dass Sie diese Regeln der Textgestaltung beherrschen, setzt man in den Verlagen voraus. Missachten Sie die, outen Sie sich nicht nur als Neuling, sondern Ihr Manuskript wird von vorn herein abgelehnt, weil die Korrektur der Formfehler zu viel Zeit in Anspruch nähme. Selbst wenn Ihr Text richtig gut sein sollte, wird er nicht einmal gelesen, wenn einem schon auf den ersten Blick zig Formfehler „ins Gesicht springen“.

Textverarbeitungskenntnisse

Dass Sie Textverarbeitung beherrschen (das immer noch gängigste Programm ist „Word“), setzt man in den Verlagen voraus, denn die heute am weitesten verbreite Form der Manuskripteinreichung ist die als Textdatei per Email-Anhang. Das heißt, Sie schreiben im Fließtext und schalten nicht am Ende jeder Zeile manuell in eine neue Zeile (wie damals bei der guten alten Schreibmaschine).

Sie generieren einen manuellen Seitenwechsel mit „Strg“ plus Drücken der Entertaste und nicht, indem Sie zigmal die Entertaste drücken, bis das Programm automatisch auf eine neue Seite springt. Diese so generierten Leerzeilen müssen später im Verlag „per Hand“ wieder gelöscht werden. Sie formatieren Ihr gesamtes Manuskript als Normseite (siehe Glossar und Lektion 18). Sie wissen, wie man Kommentare einfügt, löscht, den Text im Überarbeitungsmodus korrigiert, Änderungen annimmt oder ablehnt und vor allem eine Seite formatiert.

Falls Ihnen diese Kenntnisse fehlen, sollten Sie die in einem Kursus oder durch ein Lehrbuch erwerben, denn sie sind neben korrekten Deutschkenntnissen die Basis für jede schriftstellerische Arbeit.

Rechtschreibung, Grammatik, Zeichensetzung

In Deutschland gilt die Rechtschreibung nach dem jeweils aktuellen „Duden“. Sollten Sie eine Veröffentlichung Ihrer Texte anstreben, setzt man in den Verlagen voraus, dass Sie diese beherrschen und umsetzen. Spätestens beim Überarbeiten Ihrer Texte (siehe Lektion 16) sollten Sie alle Fehler ausmerzen, die Sie entdecken. Schlagen Sie die korrekte Schreibweise eines Wortes lieber einmal zu viel nach als einmal zu wenig. Und die grammatikalisch oft falsche Umgangssprache, bei der zum Beispiel der Dativ „dem Genitiv sein Tod“ ist, hat außerhalb von direkter (wörtlicher) Rede in Ihren Texten nichts zu suchen (siehe Lektion 3.1). Erst recht sollten Sie in mindestens 95 Prozent der Fälle wissen, wohin ein Komma gehört.

Fehlen Ihnen gerade diese Kenntnisse, sollten Sie sich die Duden-Regeln für Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung durchlesen und verinnerlichen. Sie stehen im gedruckten Duden am Anfang im Kapitel „Rechtschreibung und Zeichensetzung“ oder im Internet unter www.duden.de.

Unterschätzen Sie bitte nicht den Einfluss dieser Kenntnisse auf den Erfolg Ihrer Werke! Zu viele Fehler disqualifizieren Ihre Texte in den Verlagen. Immer.

Zahlen

In literarischen Texten schreibt man Zahlen als Wörter, sofern es sich nicht um ein komplettes Datum handelt (12.07.2017) oder sie als Wörter zu kompliziert zu lesen wären. Man schreibt zwar Zahlen wie „hunderteinunddreißig“ als Wort, aber statt „hunderteinunddreißigtausendfünfhundertdreiundsiebzig“ schreiben wir 131.573 (mit Tausendertrennpunkt zur besseren Übersichtlichkeit). Das gilt auch für Aufzählungen innerhalb eines Textes. Statt 1., 2., 3. und so weiter schreiben wir „erstens, zweitens, drittens“ (und am Satzanfang natürlich mit großem Anfangsbuchstaben). Konkrete Hausnummern werden aber in Verbindung mit den Straßennamen als Zahlen geschrieben: Ringstraße 13, Ku’damm 102 und so weiter. Eine Ausnahme bildet die wörtliche Rede. Innerhalb der schreiben wir so, wie eine Person spricht, das heißt, dass dort die Zahlen (bis auf die „Endlosmonstren“) auch als Wörter geschrieben werden: „Sie wohnt Ringstraße dreizehn, ihr Freund Ku’damm hundertzwei.“ (Weitere Details zur Schreibweise von Zahlen und anderen Besonderheiten finden Sie in Lektion 3.)

Das „Deppen-Apostroph“

Im Gegensatz zum Englischen wird das besitzanzeigende Genitiv-s nicht mit einem Apostroph vom dazugehörigen Wort getrennt, besonders wenn es sich dabei um Namen handelt. „Toms Uhr“ gehört Tom, „Lindas Buch“ gehört Linda. Die Schreibweise „Tom’s/ Linda’s“ ist falsch (beziehungsweise englisch) und wird gern von den Leuten im Verlag und Lektorat als „Deppen-Apostroph“ bezeichnet (weil jeder Mensch die korrekte Schreibweise normalerweise schon in der Schule lernt beziehungsweise gelernt haben sollte). Ganz besonders gilt das für Zusammensetzungen von „in das“, „an das“ und so weiter. NIEMALS schreibt man „in’s“, „an’s“ et cetera, sondern „ins/ans“ und so weiter.

Anders verhält es sich, wenn etwas ausgelassen wird, was durch ein Auslassungsapostroph angezeigt wird. Dann verkürzt sich zum Beispiel „Schön wäre es!“ zu „Schön wär’s!“ oder „Ich habe es gleich geschafft!“ zu „Ich hab’s gleich geschafft!“ Dies gilt allerdings nur für die wörtliche Rede, erlebte Rede und den inneren Monolog (Erklärung siehe Glossar). Im normalen Text schreiben wir „Schön wäre es“ und so weiter.

Formatierung von wörtlichen Gedanken

Ein beliebter Fehler ist, wörtlich wiedergegebene Gedanken in „doppelte Anführungszeichen“ zu setzen. Doppelte Anführungszeichen sind in erzählenden Texten ausschließlich direkter/wört-licher Rede oder wörtlichen Zitaten außerhalb direkter Rede vorbehalten. Wollen Sie jemanden etwas wörtlich denken lassen, setzen Sie das Gedachte entweder in ‚einfache Anführungszeichen’ (das ist das Zeichen oben auf der Rautetaste # Ihrer Tastatur), alternativ formatieren es kursiv. ‚So ein Scheißwetter!’, dachte Tom. Oder: So ein Scheißwetter!, dachte Tom.

Wörtliche Rede

Wörtliche Rede, auch „direkte Rede“ genannt, wird im Deutschen immer in „doppelte An- und Ausführungszeichen“ gesetzt. Wird sie von Einschüben unterbrochen, steht hinter dem Ausführungszeichen des ersten Redeteils ein Komma, darauf folgt der Einschub, danach ein weiteres Komma, und nach einem Leerschritt wird nach einem neuen Anführungszeichen die wörtliche Rede fortgesetzt und das erste Wort kleingeschrieben: „Ich denke“, Ina kratzte sich am Kopf, „das könnte funktionieren.“

Wird an einen abgeschlossenen Satz ein Sprechhinweis angefügt, der in sich selbst keinen eigenständigen Satz bildet, wird auch der mit einem Komma hinter dem Ausführungszeichen angehängt und kleingeschrieben, sofern er nicht mit einem Namen beginnt: „Ich denke, das könnte funktionieren“, meinte Ina.

Wird eine folgende wörtliche Rede „angekündigt“, so steht hinter der „Ankündigung“ ein Doppelpunkt, nach einem Leerschritt folgt das doppelte Anführungszeichen, und der folgende Satz wird IMMER mit einem Großbuchstaben begonnen: Schweigen. Sekunden später: „Ich habe keine Ahnung.“

Ankündigungen wie Ina sagte: „...“, Dann sagte er: „...“ oder ähnliche Formulierungen als nachgestellte Sprechhinweise „...“, sagte er/sie sind out. Wenn in einem Dialog klar ist, wer einen Satz/Absatz gesagt hat/sagt, werden Sprechhinweise vollständig weggelassen. Wo sie erforderlich sind, werden sie anders formuliert, zum Beispiel durch Tätigkeiten (im weitesten Sinn) in Verbindung mit Namensnennung: Ina blickte Mario an. „Ich denke, das könnte funktionieren.“ Hier ist zweifelsfrei klar, dass Ina die Sprecherin ist und das Gesagte an Mario adressiert ist. Mehr dazu erfahren Sie in Lektion 9 über die Kunst der Dialogführung.

Doppelpunkt, Fragezeichen, Ausrufezeichen

Ein Doppelpunkt vor Beginn einer wörtlichen Rede steht ausschließlich nach Einleitungen, die die Rede „ankündigen“, weil in diesem Fall die folgende wörtliche Rede als Teil des gesamten Satzes definiert wird. Steht vorher ein vollständiger Satz, der mit dem Redebeginn nichts zu tun hat, wird er immer mit einem Punkt, Ausrufezeichen oder Fragezeichen abgeschlossen, niemals mit Doppelpunkt. Nur wenn in irgendeiner Form vorausgeschickt wird, dass im nächsten Moment jemand spricht, steht vor der wörtlichen Rede ein Doppelpunkt. Tom sagte: „Ich bringe dich um, wenn du mich verlässt!“ Aber: Tom starrte sie aus verengten Augen an. „Ich bringe dich um, wenn du mich verlässt!“

Folgt nach einem Doppelpunkt ein vollständiger Satz (auch außerhalb wörtlicher Rede), wird das erste Wort dieses Satzes immer mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben. „Die Krux: Sie hatte ihre Kreditkarte vergessen.“ Aber: „Das Ergebnis ihrer Nachforschungen: gar keins.“

Was Frage und Ausrufezeichen betrifft, so gilt die eiserne Regel, dass am Satzende immer nur ein einziges Zeichen steht, niemals zwei oder gar drei. Wenn Sie zum Beispiel einen lauten Ruf oder eine nachdrückliche Forderung besonders betonen oder hervorheben wollen, haben Sie dafür andere Möglichkeiten, als multiple Frage/Ausrufezeichen. (Näheres dazu erfahren Sie in Lektion 9 sowie in Lektion 4). Davon abgesehen sollten Sie mit dem Ausrufezeichen sparsam umgehen. Das Ding heißt Aus-RUF-ezeichen, was zeigt, dass es nur dort verwendet wird, wo ein Ausruf, auch ein rein gedanklicher, stattfindet. Nirgends sonst! Und ein FRAGE-zeichen steht immer nur am Ende eines Satzes, der eine Frage darstellt. Nirgends sonst!

Auch die Form, dass erst ein Fragezeichen steht und sofort dahinter ein Ausrufezeichen folgt oder umgekehrt („...?!“), gibt es in der Schriftsprache nicht. Das ist den Comics vorbehalten.

Auslassungspunkte

Auslassungspunkte (...) stehen immer nur dort, wo tatsächlich etwas weggelassen wird wie zum Beispiel ein Wort, ein Satzteil oder ein Wortteil. Wird ein Wort mittendrin abgebrochen, stehen die Punkte OHNE Leerschritt direkt hinter dem letzten Buchstaben vor dem Abbruch: „Sch...“ Sabrina konnte gerade noch verhindern, dass ihr ein heftiges „Scheiße!“ entfuhr. Wird ein Wort oder ein Satzteil weggelassen, stehen die Auslassungspunkte MIT einem zwischengeschalteten Leerschritt hinter dem letzten vollständigen Wort: Tom kam der Verdacht, dass ... Aber er wagte nicht, den Gedanken zu Ende zu führen. Oder: „Du bist ein gottverdammtes ...“ Sandra biss sich auf die Lippen, um Jonas nicht ein „Arschloch!“ ins Gesicht zu brüllen.

Dasselbe gilt für Auslassungspunkte am Anfang eines Wortes oder Satzes. Ist das Wort, das jemand hört, „verstümmelt“, das Wort also unvollständig, stehen die Punke OHNE Leerschritt vor dem Wort. Hört jemand nur den Schluss eines Satzes, aber nicht dessen erste Worte, stehen sie MIT einem Leerschritt davor. „...ab ich abba ...icht ...sacht“, lallte John und überließ es Tom, daraus das Dementi zu interpretieren, John habe das aber nicht gesagt. („Hab ich aber nicht gesagt“, hätte der unverstümmelte Satz gelautet.) Oder: „... ist ein richtiges Miststück“, hörte Mia, als sie den Raum betrat. Bei ihrem Anblick unterbrachen Katja und Mona ihr Gespräch. Mia fragte sich, ob die beiden über sie gesprochen hatten und sie für ein Miststück hielten.

Allerdings sehen viele Verlage das nicht mehr so „eng“ und schreiben aus buchsatztechnischen Gründen alle Auslassungspunkte ohne Leerschritt. Doch das wird im Bedarfsfall der Verlag in Ihrem Manuskript ändern. Sie sollten immer „nach Vorschrift“ schreiben.

Auslassungspunkte dienen NICHT dazu, „Pausen“ in der Handlung, im Reden oder im Denken einer Figur zu zeigen oder anzudeuten, dass die Lesenden sich den nicht geschriebenen Rest denken sollen. Dies ist ein beliebter Fehler von Neulingen und führt manchmal dazu, dass ein Text vor lauter Auslassungspunkten „lückenhaft“ wirkt: Jonas dachte sich nichts dabei ... Er überlegte nur ... Sollte er sich bei Sandra entschuldigen? ... Oder doch lieber nicht? In solchen Fällen beschreiben wir die Pausen: Jonas dachte sich nichts dabei, jedoch nur für einen Moment. Dann überlegte er, ob er sich bei Sandra entschuldigen sollte. War das klug? Oder sollte er das doch besser lassen? (Mehr zum guten Beschreiben erfahren sie in Lektion 4.)

Wenn ein Satz abgebrochen wird, steht, weil der Rest fehlt, am Ende KEIN Satzzeichen. In dem Fall endet der „verstümmelte“ Satz mit den Auslassungspunkten. Danach wird ein etwaiger Folgesatz nach einem Leerschritt mit einem großen Anfangsbuchstaben begonnen.

„Du“ und „Sie“