Nutztierhaltung und -hygiene - Steffen Hoy - E-Book

Nutztierhaltung und -hygiene E-Book

Steffen Hoy

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Beschreibung

Das Buch befasst sich mit den Grundlagen der Tierhaltung und Tierhygiene in Landwirtschaftsbetrieben. Ziel des Buches ist es, Basiswissen zu den Anforderungen und Normen bei der Haltung von Rindern, Schweinen, Schafen und Geflügel zu vermitteln. Die verschiedenen Haltungsformen für Rinder (Milchvieh, Kälber, Mutterkühe, Mastrinder), Schweine (tragende und ferkelführende Sauen, Aufzuchtferkel, Mastschweine), Schafe und Geflügel werden kompakt vorgestellt. Breiten Raum nehmen Aspekte des Tierschutzes, des Tierverhaltens und die daraus abgeleiteten Anforderungen der Tiere an ihre Haltungsumgebung ein. Dabei werden die Auswirkungen von Umweltfaktoren (Gase, Staub, Stallklima) auf Gesundheit und Leistung der Nutztiere beschrieben und die Durchführung wichtiger Hygienemaßnahmen erläutert, wie Reinigung und Desinfektion, Schadnager- und Insektenbekämpfung. Ausführungen zur Tränkwasserhygiene sowie zur Hygiene bei der Lagerung und Verwertung organischer Dünger und zur Geburtshygiene runden das Buch ab.

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Steffen Hoy, Matthias Gauly, Joachim Krieter

Nutztierhaltung und –hygiene

2., überarbeitete Auflage

86 Abbildungen

111 Tabellen

Inhaltsverzeichnis

Cover

Haupttitel

Die UTB-Reihe

Inhaltsverzeichnis

Über den Autor

Impressum

Vorwort

Tierhaltung

1Rinderhaltung

1.1Milchviehhaltung

1.1.1Allgemeine Anforderungen an die Milchviehhaltung

1.1.2Tierschutz bei der Milchviehhaltung

1.1.3Haltungsverfahren

1.1.4Managementmaßnahmen

1.1.5Prüfungsfragen

1.2Mutterkuhhaltung

1.2.1Allgemeine Anforderungen an Mutterkühe

1.2.2Produktionsablauf der Mutterkuhhaltung

1.2.3Haltungsverfahren

1.2.4Prüfungsfragen

1.3Rindermast

1.3.1Kälbermast

1.3.2Bullen-, Ochsen- und Färsenmast

1.3.3Prüfungsfragen

1.4Kälber- und Jungviehaufzucht

1.4.1Kälberaufzuchtverfahren

1.4.2Geburt und neugeborenes Kalb

1.4.3Allgemeine Anforderungen an die Haltung von Kälbern

1.4.4Tränkesysteme

1.4.5Haltungssysteme für Kälber

1.4.6Haltungssysteme für Jungrinder

1.4.7Prüfungsfragen

2Schweinehaltung

2.1Ferkelerzeugung

2.1.1Haltung güster Sauen

2.1.2Haltung tragender Sauen

2.1.3Haltung säugender Sauen

2.1.4Ferkelaufzucht

2.1.5Produktionsrhythmus und Raumprogramm

2.1.6Management-Informationssysteme

2.1.7Prüfungsfragen

2.2Schweinemast

2.2.1Haltung der Mastschweine

2.2.2Zukaufs- und Gesundheitsmanagement

2.2.3Verkaufsmanagement und Klassifizierung

2.2.4Prüfungsfragen

3Schafhaltung

3.1Allgemeine Anforderungen an Mutterschafe

3.2Produktionsablauf der Schafhaltung

3.3Haltung der Mutterschafe mit Lämmern

3.3.1Weidehaltung

3.3.2Stallhaltung

3.4Prüfungsfragen

4Geflügelhaltung

4.1Legehennenhaltung

4.1.1Allgemeine Anforderungen an Legehennen

4.1.2Produktionsablauf der Legehennenhaltung

4.1.3Haltungsverfahren

4.1.4Prüfungsfragen

4.2Hähnchenmast

4.2.1Produktionsablauf der Hähnchenmast

4.2.2Haltungsverfahren

4.2.3Prüfungsfragen

4.3Putenhaltung

4.3.1Produktionsablauf der Putenhaltung

4.3.2Haltungsverfahren

4.3.3Prüfungsfragen

Tierhygiene

1Gase in der Stallluft

1.1Prüfungsfragen

2Staub in der Stallluft

2.1Prüfungsfragen

3Stallklima

3.1Lufttemperatur

3.2Luftfeuchte

3.3Luftbewegung

3.4Licht

3.5Prüfungsfragen

4Biosecurity

4.1Externe Absicherung der Tierhaltung

4.2Interne Absicherung der Tierhaltung

4.3Prüfungsfragen

5Reinigung und Desinfektion

5.1Einweichen

5.2Reinigung

5.3Desinfektion

5.4Prüfungsfragen

6Entwesung

6.1Bekämpfung von Schadnagern

6.2Bekämpfung von Schadarthropoden

6.3Prüfungsfragen

7Tränkwasserhygiene

7.1Prüfungsfragen

8Hygiene bei der Tierische Nebenprodukte-Beseitigung

8.1Prüfungsfragen

9Hygiene bei der Lagerung und Verwertung organischer Dünger

9.1Prüfungsfragen

10Geburtshygiene und Neugeborenenversorgung

10.1Geburtshygiene in der Milchviehhaltung

10.2Geburtshygiene in der Sauenhaltung

10.3Geburtshygiene in der Schafhaltung

10.4Prüfungsfragen

Literaturverzeichnis

Über den Autor

Prof. Dr. Steffen Hoy war Dozent für Tierhygiene an der Veterinär­medizinischen Fakultät der Universität Leipzig und ist seit 1995 Professor für Tierhaltung und Haltungsbiologie am Institut für Tierzucht und ­Haustiergenetik der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Prof. Dr. Dr. Matthias Gauly lehrt seit 2014 an der Fakultät für Natur­wissenschaften und Technik der freien Universität Bozen (Italien).

Prof. Dr. Joachim Krieter ist Direktor des Instituts für Tierzucht und Tierhaltung der Christian-Albrechts-Universität Kiel.

Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

© 2006, 2016 Eugen Ulmer KG

Wollgrasweg 41, 70599 Stuttgart (Hohenheim)

E-Mail: [email protected]

Internet: www.ulmer.de

Produktion: primustype Hurler GmbH | v2

ISBN 978-3-8252-4369-2 (Print)

ISBN 978-3-8463-4369-2 (E-Book)

Vorwort

In der Landwirtschaft genutzte Tiere werden in künstlichen Ökosystemen gehalten. Viele unbelebte (abiotische) und belebte (biotische) Faktoren wirken auf sie ein. Die Haltungsformen unterliegen einem ständigen Wandel. Anbindeställe für Kühe werden in zunehmendem Maße durch Laufställe ersetzt. Geschlossene Milchviehställe werden geöffnet, um hohe Luftraten zu realisieren und die von den Kühen abgegebenen Stoffströme (Wärme, Wasserdampf, Kohlendioxid) aus dem Tierbereich zu entfernen. Tragende Sauen werden seit 2013 in Gruppen gehalten. Bei der Legehennenhaltung wurden nach dem Verbot der konventionellen Käfighaltung Ende 2009 die Kleingruppenhaltung entwickelt und angewendet sowie mit der Boden- oder Volierenhaltung neue Herausforderungen für Wissenschaft und Praxis gesetzt. Immer stärker finden die Anforderungen aus der Sicht des Verhaltens Eingang in die Entwicklung von Fütterungs- und Haltungstechnik. Tierschutz-Aspekte bei der Haltung von Rindern, Schweinen und Geflügel nehmen in der öffentlichen Diskussion einen breiten Raum ein, wobei emotionale Betrachtung oft die fachlich begründete Argumentation in den Hintergrund treten lässt. Landwirtschaftliche Tierhaltung ist dabei eingebunden in internationale und globale Entwicklungen. Wird die dynamische Entwicklung der Betriebe durch gesetzliche Regelungen zu Tier- und Umweltschutz sowie Baurecht in manchen Ländern oder Regionen zu stark behindert, fließt das Kapital in Länder mit geringeren Anforderungen. Die landwirtschaftlichen Erzeugnisse (z. B. Schweinefleisch, Masthähnchen, Eier) finden dennoch ihren Weg auf den europäischen Binnenmarkt.

Die Tierproduktion ist nicht zuletzt wichtige Einkommensquelle sowohl für den landwirtschaftlichen Familienbetrieb als auch für große Agrarunternehmen mit zahlreichen Angestellten. Zugleich sichert sie Arbeitsplätze im vor- und nachgelagerten Gewerbe (Mischfutterindustrie, Stalltechnik-Firmen, Zuchtunternehmen, Schlacht- und Verarbeitungsbetriebe). Dabei lässt sich landwirtschaftliche Tierhaltung nicht von den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen abkoppeln. Sie muss auch zukünftig und mehr als je zuvor kosten- und ressourcensparend organisiert werden. Elektronische Hilfsmittel der Herdenüberwachung, beim Füttern, Melken, bei der Stallklimakontrolle und -gestaltung sowie bei der Rückverfolgbarkeit der Produkte von der Ladentheke zum Stall halten Einzug in den Landwirtschaftsbetrieb.

Diese vielfältigen Entwicklungen müssen sich auch in den Lehrinhalten der Agrarwissenschaften an den Universitäten und Hochschulen widerspiegeln. Die agrarwissenschaftlichen Fakultäten an den deutschen Universitäten bieten Bachelor-/Masterstudiengänge an. Ein leichterer Übergang von der Hochschule zur Universität und der Wettbewerb zwischen den Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften sind durchaus beabsichtigt.

Das Lehrbuch „Nutztierhaltung und -hygiene“ erschien 2005 in der 1. Auflage. Nach gut 10 Jahren ist das Buch nun vergriffen. Außerdem gibt es veränderte gesetzliche Vorschriften und viele technische Neuerungen, die die Autoren in der vorliegenden zweiten Auflage berücksichtigt haben.

Die Autoren hoffen, dass möglichst viele Studierende nach den UTB-­Büchern greifen und sich das Rüstzeug für das Bachelor- und somit auch die Basics für das Masterstudium holen. Wir danken wiederum ­Carmen Weirich für die Unterstützung bei der Fertigstellung des Buches sehr ­herzlich.

Gießen, Bozen und Kiel im Sommer 2016

Steffen Hoy, Matthias Gauly, Joachim Krieter

Tierhaltung

1Rinderhaltung

1.1Milchviehhaltung

Die Milchviehhaltung unterliegt einem starken Wandel. Immer mehr Betriebe stellen von der Anbindehaltung auf den Laufstall um. Gleichzeitig nimmt der Preisdruck auf die Milchviehhalter zu. Der Kuhkomfort spielt eine große Rolle beim Bau tiergerechter Milchviehställe. Dazu zählen die Schaffung tierfreundlicher Liegeplätze, Laufflächen und Fressbereiche ebenso wie die Gewährleistung eines optimalen Stallklimas. Das setzt allerdings die Kenntnis der Funktionsmaße von Liegeboxen, Krippen und Laufgängen voraus. Milchkühe werden überwiegend in Liegeboxenlaufställen gehalten. In manchen Regionen existieren aber auch Tieflaufställe, Kompostierungsställe und Tretmistställe. Damit alle Haltungssysteme in der gewünschten Weise funktionieren, sind die Anforderungen an Bau und Bewirtschaftung zu beachten. Managementmaßnahmen zielen auf eine gute Tiergesundheit als Voraussetzung für hohe Leistungen.

In den letzten 50 Jahren wurde die Milchleistung pro Kuh und Jahr im Durchschnitt von 2700 kg auf mehr als 8200 kg bei den Herdbuchkühen gesteigert. In Spitzenbetrieben erreicht die Milchleistung pro Kuh und Jahr 11 000 l und mehr (Tab. 1).

Tab. 1 Ergebnisse von Spitzenbetrieben der Milchviehhaltung in Hessen (Holstein-Schwarzbunt, Auswahl – HVL-Jahresbericht 2014)

Betriebe

A

B

C

D

Kühe/Betrieb

80

91

131

312

Milchleistung (kg/Kuh)

11 012

11 553

10 715

11 442

Fettgehalt (%)

4,10

4,21

4,20

3,73

Eiweißgehalt (%)

3,36

3,45

3,46

3,24

Fett (kg)

452

486

450

427

HVL = Hessischer Verband für Leistungs- und Qualitätsprüfungen in der Tierzucht e. V.

Das Herdenalter in den (hessischen) Betrieben beträgt etwa 4,1 Jahre und die Lebensleistung 20 250 kg im lebenden und 25 690 kg je Kuh im gemerzten Bestand. Im Mittel sind 1,8 bis 2,2 Besamungen je Trächtigkeit erforderlich. Die Remontierungsrate liegt zwischen 31 und 35 %. Vor allem in größeren Spitzenbetrieben wird bereits dreimal täglich oder mit dem Melkroboter gemolken.

Insbesondere in den letzten Jahren stiegen die Leistungen der Milchkühe deutlich an (Tab. 2). In anderen Bundesländern sind die Milchleistungen noch deutlich höher. Allerdings nahm auch das Risiko zu, dass die Hochleistungstiere von verschiedenen Krankheiten und Fruchtbarkeitsstörungen stärker als in der Vergangenheit betroffen sind. Als Abgangsursachen für Milchkühe sind besonders zu beachten: Unfruchtbarkeit, Euter- und Klauenkrankheiten, ungenügende Leistung, sonstige Krankheiten und schlechte Melkbarkeit (Tab. 3). Das Ziel einer tiergerechten Milchviehhaltung muss somit darin bestehen, eine hohe Milchleistung bei einer stabilen Tiergesundheit über mehrere Laktationen hinweg sicherzustellen. Untersuchungen zeigen, dass eine deutliche Milchleistungssteigerung nicht zwingend zu einer Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit führen muss.

Tab. 2 Entwicklung der Milchleistung in hessischen MLP-Betrieben in den letzten Jahren (HVL-Jahresbericht 2014)

Jahr

Kühe/MLP-Betrieb

Milch (kg)

Fett (%)

Eiweiß (%)

Fett (kg)

Eiweiß (kg)

2000

35,6

7090

4,22

3,35

299

238

2002

37,3

7256

4,24

3,36

308

244

2004

40,4

7345

4,28

3,40

314

250

2006

41,9

7666

4,21

3,38

323

259

2008

45,9

7669

4,17

3,39

320

260

2010

50,2

7901

4,14

3,38

327

267

2012

54,3

8117

4,13

3,38

335

274

2014

61,9

8110

4,07

3,37

330

274

MLP = Milchleistungsprüfung

Tab. 3 Abgangsursachen (% der Abgänge) bei hessischen Kühen (HVL-Jahresbericht 2014)

Abgangsursache

2013

2014

Unfruchtbarkeit

22,7

23,1

Euterkrankheiten

14,8

15,1

Klauen und Gliedmaßen

12,4

13,1

Sonstige Krankheiten

6,9

8,0

Geringe Leistung

5,1

5,4

Stoffwechsel

3,0

2,6

Alter

1,9

2,0

Schlechte Melkbarkeit

1,2

1,3

Sonstige Gründe

18,8

18,4

Verkauf zur Zucht

11,8

10,9

1.1.1Allgemeine Anforderungen an die Milchviehhaltung

Die Milchviehhaltung steht unter einem sehr hohen betriebswirtschaftlichen Druck. In vielen Betrieben decken die Erlöse aus dem Verkauf der Milch nicht die Kosten der Erzeugung, wenn alle Kosten einschließlich der Entlohnung der Arbeitsstunden berücksichtigt werden (Vollkostenrechnung). In einer Modellkalkulation wurde die Gewinnerwartung beim Neubau eines Milchviehstalles unter verschiedenen Annahmen (Boxenlaufstall mit Melkstand oder mit Melkroboter, 8100 l oder 10 000 l je Kuh und Jahr) berechnet. Das Ergebnis war ernüchternd: unter Berücksichtigung aller Kosten und der Entlohnung der Arbeitsstunde mit 15 Euro war in keinem Fall ein Gewinn durch die Milcherzeugung zu erzielen. Im Gegenteil: im günstigsten Fall müsste der Betriebsleiter mit einem Verlust von 5,7 Cent/l erzeugte Milch rechnen (Tab. 4). Auch aktuelle Kalkulationen bei 30 deutschen EDF-Betrieben wiesen Vollkosten von 43,5 Ct/kg ECM bei Erlösen von 40,0 Ct/kg ECM nach. Das ergab einen unternehmerischen Verlust von 3,5 Ct/kg ECM.

Tab. 4 „Gewinn“-Erwartung bei Stallneubau – verschiedene Annahmen (nach Röhrich)

8100 l/Kuh/anno

(Cent/kg Milch)

10 000 l/Kuh/anno

(Cent/kg Milch)

Boxenlaufstall mit Melkstand

– 8,90

–5,66

Boxenlaufstall mit Melkroboter

–11,80

–8,65

Die Kalkulation fällt günstiger aus, wenn die Auszahlungspreise der Molkerei steigen. Die Beispiele dokumentieren jedoch die Schwierigkeit der Milchviehhalter, unter den gegenwärtigen und sicher auch zukünftigen ökonomischen Rahmenbedingungen (Wegfall der Milchquote) wirtschaftlich Milch zu erzeugen. Die Leistungssteigerung ist dabei eine Möglichkeit, um tendenziell die Produktionskosten (auf Vollkostenbasis) je Kilogramm erzeugte Milch zu senken. Dabei werden selbst in Spitzenbetrieben im Mittel kaum die Vollkosten gedeckt. Zwischen den Betrieben gibt es allerdings erhebliche Unterschiede, die auf Optimierungsmöglichkeiten hinweisen. Neben einer verbesserten Produktionstechnik, die auf die Senkung der Direktkosten (vor allem Futter) abzielt, müssen die Arbeitskosten gesenkt werden. Bei der Vollkostenrechnung werden sämtliche Direktkosten (u. a. Tierzukauf, Tierarzt, Medikamente, Besamung, Kraftfutter, Grundfutter – ebenfalls auf Vollkostenbasis bewertet) und Gemeinkosten (z. B. Löhne, Milchquotenpacht, Abschreibung für Gebäude, Steuern, Versicherungen) den Leistungen (Erlösen) des Betriebes gegenübergestellt (Tab. 5).

Die Produktivität schwankt auch in Spitzenbetrieben sehr stark (Tab. 6). Die 25 % leistungsstärkeren Betriebe erzielten 4,5 kg mehr ECM je Lebens­tag, eine um 17 Monate längere Nutzungsdauer, eine deutlich niedrigere Zellzahl in der Milch, geringere Tierarztkosten und letztlich eine um 1,40 EUR höhere Direktkostenfreie Leistung als die 25 % leistungsschwächeren DLG-Spitzenbetriebe.

Tab. 6 Kennwerte der Tiergesundheit und Produktivität in DLG-Spitzenbetrieben (DLG-Mitteilungen 4/2013)

Kennwert

Mittelwert DLG-Spitzenbetriebe 2013

Viertelschichtung nach jeweiligem Kennwert

+ 25 %

–25 %

errechnete Lebensleistung (kg ECM/Kuh)

30 381

~38 000

~24 000

errechnete Lebenstagsleistung (kg ECM/Tag)

14,9

17,1

12,6

bereinigte Reproduktionsrate (%)

28,7

20,0

38,0

Nutzungsdauer Abgangskühe (Monate)

39

48

31

Kuhverluste (%)

3,5

1,1

6,1

Zellzahl (× 1000)

201

140

265

Tierarztkosten (EUR/Kuh mit Nachzucht)

125

70

180

Totgeburten (%)

5,5

0,0

10,0

Aufzuchtverluste weiblich (%)

7,1

2,0

13,0

Produktivität (Tsd. kg ECM/AK)

507

677

342

DkfL/Lebenstag (EUR/Lebenstag)

2,40

3,10

1,70

Die Anforderungen an die langfristig wirtschaftliche Milchviehhaltung sind durch folgende Punkte zu charakterisieren:

der Standort muss die Erweiterungsfähigkeit des Stallgebäudes zulassen,

die Stallanlage soll sich in der Nähe der Grundfutter- und Gülleverwertungsflächen befinden,

der Stall ist vom Melkhaus getrennt, um die unterschiedlichen Ansprüche von Tier und Mensch (Melken!) zu erfüllen,

die Kühe sollen sich im Stall wohlfühlen (Kuhkomfort beim Liegen, tiergerechte Lauffläche, optimales Stallklima),

der Stall muss die Technisierung verschiedener Arbeitsvorgänge ermöglichen, insbesondere Futtervorlage und Entsorgung der Exkremente und

die tierpflegerische (z. B. Brunstkontrolle, Klauenpflege) und veterinärmedizinische Versorgung muss leicht möglich sein.

1.1.2Tierschutz bei der Milchviehhaltung

Für die Milchviehhaltung gilt allgemein das Tierschutzgesetz (zuletzt geändert im Jahre 2014). Nach § 1 darf niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Wer ein Tier hält oder zu betreuen hat, muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen. Die Möglichkeiten des Tieres zu artgemäßer Bewegung dürfen nicht so eingeschränkt werden, dass ihm Schmerzen, vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden. Der Milchviehhalter muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung der Tiere erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen (§ 2 Tierschutzgesetz). Das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft wird in § 2 a Tierschutzgesetz ermächtigt, soweit es zum Schutz der Tiere erforderlich ist, die Anforderungen an die Haltung von Tieren nach § 2 näher zu bestimmen und Vorschriften zu erlassen hinsichtlich der Bewegungsmöglichkeit, der Anforderungen an Räume, sonstige Einrichtungen, Lichtverhältnisse und Stallklima sowie im Hinblick auf die Betreuung der Tiere.

Während für die Kälberhaltung in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung entsprechende Vorgaben umgesetzt wurden, hat der Gesetzgeber in Deutschland für die Milchviehhaltung eine analoge Notwendigkeit bislang nicht gesehen, sodass damit keine gesetzlich verbindlichen, detaillierten Vorschriften existieren. Lediglich in Niedersachsen existiert eine Tierschutzleitlinie für die Milchviehhaltung. Mit dieser Leitlinie soll Be­­hörden und Tierhaltern bei der Beurteilung sowohl von Neu- und Umbauten als auch von bestehenden Rinderhaltungen Hilfestellung gegeben werden. Für Neubauten werden dabei Mindestwerte festgelegt, während für Altbauten lediglich Orientierungswerte angegeben werden. Werden diese Richtwerte nicht erfüllt, ist eine Einzelfallbeurteilung erforderlich. Im Weiteren werden wichtige Vorgaben der niedersächsischen Tierschutzleitlinie vorgestellt. Der Liegebereich besteht aus einzelnen Liegeboxen, die entweder in einer Reihe entlang der Wand angeordnet sind (wandständige Liegeboxen) oder als zwei parallele Reihen unmittelbar einander gegenüberliegen (gegenständige Liegeboxen). Bei Neubauten muss die Boxenbreite als Achsmaß bei freitragenden Abtrennungen mindestens 1,20 m betragen. Der zur Verfügung stehende Freiraum darf nachträglich nicht durch bauliche Veränderungen eingeschränkt werden. In Altbauten sind geringere Boxenbreiten (Richtwert bis 1,10 m) möglich, sofern keine Schäden an den Tieren auftreten. Die Maßangaben in der Leitlinie beziehen sich auf Tiere der Rasse Deutsche Holstein; für andere Rassen sind die Werte anzupassen. Für den Kopfschwung beim Hinlegen bzw. Aufstehen ist ein Freiraum im vorderen Bereich der Box von mindestens 80 cm (Altbauten mindestens 60 cm) erforderlich. Der Nackenriegel (s. Abb. 8) als Steuerelement, um ein Verkoten der Liegebox zu verhindern, soll 1,70 m von der hinteren Boxenkante entfernt und 1,15 bis 1,30 m über der Einstreuoberfläche installiert werden. Die Liegeplatzlänge beträgt in Hochboxen mindestens 1,70 m, in Tiefboxen mindestens 1,80 m (Altbauten: 1,65 m, sofern keine Schäden auftreten). Wandständige Boxen sollen mindestens 2,50 m (empfohlen bis 2,80 m) und gegenständige Boxen mindestens 2,40 m (empfohlen bis 2,70 m) lang sein. Die Liegefläche muss weichelastisch und verformbar, trocken und sauber sein. Bei Gummimatten ist Minimaleinstreu zu verwenden, um Feuchtigkeit zu binden und um dem „Radiergummi-Effekt“ (Abschürfungen des Felles und eventuelle Hautschäden beim Hinlegen und Liegen) entgegenzuwirken.

Zu den Verkehrsflächen gibt es in der niedersächsischen Leitlinie ebenfalls konkrete Vorgaben. Kühe bewegen sich 2,5 bis 4 h pro Tag auf der Lauffläche und legen 500 bis 700 m weite Strecken zurück. Die Breite der Laufgänge soll mindestens 2,50 m (behornte Tiere plus 1 m) betragen. Der Lauf-Fressgang ist mindestens 3,50 m breit, empfohlen ist sogar eine Breite von 4 m. Bei vorhandenen Altbauten können diese Maße mit 2 bzw. 3 m Breite geringer ausfallen. Es dürfen keine Sackgassen vorhanden sein. Treibgänge als „Einbahnstraße“ sollten höchstens 1 bis 1,2 m breit sein. Nach jeweils 15 bis 20 Liegeboxen ist ein Quergang vorzusehen. Bei Gruppen bis 50 Tieren beträgt die Verkehrsfläche im Stall 4 m2, für 50 bis 100 Tiere mindestens 3,75 m2 und für mehr als 100 Tiere mindestens 3,5 m2. Wenn ungenügende Klimareize bei ganzjähriger Stallhaltung herrschen, ist ein Laufhof mit einer Fläche von 3 m2/Tier anzubieten. Bezüglich der Futter- und Wasserversorgung muss jederzeit Zugang zu Grundfutter bestehen. Es wird ein Tier-Fressplatz-Verhältnis von 1,2 bis 1,5 : 1 gefordert, d. h. es muss nicht für jede Kuh ein Fressplatz vorhanden sein. Die Begründung liegt darin, dass in größeren Herden nicht mehr alle Tiere gleichzeitig zum Fressen gehen. Die Fressplatzbreite beträgt 70 bis 75 cm (in Altbauten sollte dieses Maß mindestens 65 cm sein, sofern keine Störungen bei der Futteraufnahme auftreten). Der uneingeschränkte Zugang zu Wasser muss gewährleistet sein. Die Durchflussmengen an der Tränke sollten mindestens 10 l/min betragen, empfohlen werden sogar Flussraten von 18 bis 20 l/min.

Für 50 Kühe ist eine Krankenbucht mit weicher und trockener Einstreu einzuplanen. Handelt es sich um eine Einzelbucht, sollte sie ca. 12 m2 groß sein. Bei einer Gruppenbucht wird eine Fläche von 8 m2 je Tier kalkuliert.

Auch die Abkalbebucht muss weiche und trockene Einstreu besitzen. Es wird eine Bucht für 30 Kühe mit den gleichen Maßen für eine Einzel- bzw. Gruppenbucht (ca. 12 m2 bei Einzelbucht, 8 m2 je Tier bei Gruppenbucht) wie bei der Krankenbucht gerechnet. Die Kühe müssen sich bis unmittelbar zur Abkalbung bewegen und drehen können; geburtshilfliche Maßnahmen müssen möglich sein.

Eine dauerhafte Anbindehaltung schränkt die arttypischen Verhaltensweisen der Rinder erheblich ein. Daher ist eine solche Haltung im Neubau nicht mehr zulässig. Vorhandene Anbindehaltungen sollten baldmöglich in Laufstallhaltungen umgebaut werden. Allerdings ist ein derartiger Umbau nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand zu realisieren. Deshalb kann die Anbindehaltung in kleineren Ställen für Kühe und Jungtiere (z. B. für Nebenerwerbsbetriebe) weiterhin bestehen bleiben, wenn keine haltungsbedingten Schäden festzustellen sind.

Die Tierpflege muss haltungsbedingte Krankheiten und Verletzungen verhindern. Zur Tierbetreuung gehört eine regelmäßige, fachgerechte Klauenpflege.

1.1.3Haltungsverfahren

Bei der Haltung von Milchvieh ist eine klare Tendenz von Anbindeställen hin zu Laufställen zu erkennen. Moderne Laufställe sollten kühl und zugfrei mit guter Luftdurchspülung sein. Der Trend geht zu Außenklimaställen. Sie sind kostengünstig und gesundheitsfördernd. Die Giebelseite wird nach der Hauptwindrichtung ausgerichtet. Bei Offenställen (= Außenklimaställen) zeigt die offene Seite nach Süden. Die Ställe besitzen ein hohes Raumvolumen (> 35 m3 pro Kuh) und oft einen offenen First. Der Abstand zwischen mehreren Einzelställen sollte mindestens 15 m betragen, um die Durchströmung mit Außenluft zu gewährleisten. Dies sichert eine gute Abfuhr der von den Tieren abgegebenen Wasserdampfmenge sowie der sensiblen Wärme (vgl. S. 223 ff.). Außerdem dient die ausreichende Luftdurchströmung dem Abtransport von Keimen, Staub und Gasen und senkt somit den Keimdruck. Niedrige Temperaturwerte stellen für die Kühe kein Problem dar. Milchvieh produziert neben einer hohen Milchleistung viel Wärmeenergie, die an die Umgebung abgegeben werden muss, damit die Tiere thermisch entlastet werden. Je geringer die Raumtemperatur ist, umso besser gelingt den Kühen die Wärmeabgabe über Konvektion. Allerdings muss das Auftreten von Zugluft vermieden werden. In modernen Laufställen wird das durch Windbrechnetze gewährleistet, die in Abhängigkeit von der Außentemperatur geöffnet oder geschlossen werden. Es gibt technische Systeme, bei denen die Regelung der Netze durch Klimacomputer ausgeführt wird. Bei niedrigen Stalltemperaturwerten muss allerdings das Einfrieren der Tränken und Wasserleitungen verhindert werden. Ringleitungen und Zirkulationsverfahren sorgen dafür, dass das Wasser in den Leitungen bewegt wird. Auswirkungen auf die Milchleistung und die (Euter-)Gesundheit sind beim Auftreten hoher Temperaturwerte zu erwarten. Besonders belastend wirkt sich auf die Kühe die Kombination von hoher Temperatur und hoher Luftfeuchte aus (Schwüle). Dies wird durch eine geringe Strömungsgeschwindigkeit der Luft im Stall (wenn die Luft steht) noch forciert. Bei hoher Luftfeuchte haben die Kühe zusätzlich die Schwierigkeit, die an Wasserdampf gebundene (evaporative) Wärmemenge abzuführen, da die Stallluft bei hoher Feuchte nur noch wenig Wasserdampf bis zur Sättigung aufnehmen kann (vgl. S. 223 ff.). Daher werden in den Milchviehställen große Ventilatoren aufgehängt, die im Sommer für eine ausreichende Luftgeschwindigkeit sorgen, die konvektive Wärmeabgabe der Kühe unterstützen und damit eine Entlastung der Kühe bewirken. Dann können auch in heißen Klimaten hohe Milchleistungen gewährleistet werden.

Bei Milchviehställen unterscheidet man Anbinde- und Laufställe (Abb. 1).

Abb. 1 Systematik der ­Milchviehställe

Anbindehaltung

Die Anbindehaltung ist die traditionelle Form der Kuhhaltung, die immer mehr durch die tiergerechte Gruppenhaltung im Laufstall abgelöst wird. Beim Anbindestall sind die Funktionsbereiche Fressen, Liegen, Stehen, Melken und Entmisten am selben Ort des Anbindestandes konzentriert. Die Tiere haben die Möglichkeit der Minimalbewegung. In der traditionellen Milchviehhaltung war die Anbindehaltung mit der zeitweiligen Weidehaltung verbunden.

Das Anbinden bedeutet aber auch eine nicht zu unterschätzende Einschränkung für die Tiere. Vor allem das unbehinderte Aufstehen und Abliegen sowie eine arttypische Körperhaltung beim Liegen müssen möglich sein. Beim arttypischen Hinlegen nehmen Rinder zunächst den Karpalstütz ein, nachdem sie den Liegeplatz mit tief gehaltenem Kopf erkundet haben. Nach einigen trippelnden Bewegungen mit den Hinterbeinen legen die Tiere sich dann schnell ab, wobei sie etwas auf der Seite zum Liegen kommen. Beim Aufstehen holen Rinder durch eine wippende Bewegung Schwung, um dann die Hinterbeine aufzurichten und in den Karpalstütz zu gelangen. Mit einem Ausfallschritt stehen sie dann auch vorn auf. Ein völlig ungestörtes Aufstehen und Hinlegen ist den Kühen auf der Weide, in Tiefstreu- bzw. Tretmistställen und – mit Einschränkungen – in Laufställen möglich. Verhaltensuntersuchungen ergaben, dass das Abliegen auf der Weide erwartungsgemäß zügiger als im Stall verläuft. Vor allem unterbrochene Hinlegevorgänge bei der Anbindehaltung werden als Hinweis gewertet, dass die Kuh in diesem Haltungssystem Schwierigkeiten hat, ihr arttypisches Verhalten auszuleben. Auch Kollisionen mit der Ausrüstung beim Hinlegen und Aufstehen der Kuh deuten darauf hin, dass die Haltungstechnik nicht richtig auf die Tiergröße eingestellt ist. Ein pferdeartiges Aufstehen mit den Vorderbeinen zuerst ist ein Indikator für Anpassungsprobleme der Kuh.

Als Ausgleich für das Bewegungsdefizit in einem Anbindestall muss nach der Niedersächsischen Tierschutzleitlinie entweder täglich Zugang zu einem Laufhof oder zumindest in den Sommermonaten Weidegang ge­­währt werden. In begründeten Einzelfällen können für auslaufende Rinderhaltungen in beengter Dorflage Ausnahmen zugelassen werden.

Bei ausschließlicher Anbindehaltung ist infolge fehlender Bewegungsmöglichkeit der Klauenabrieb oft nicht ausreichend. Bei mangelhafter oder fehlender Klauenpflege kann es in der Folge zur Bildung von „Stallklauen“ kommen. Die ungünstigen Belastungsverhältnisse führen dann unter Umständen zu schwerwiegenden Klauen- und Gelenkerkrankungen. Regelmäßige Kontrollen und bei Notwendigkeit die Korrektur der Klauen sind daher notwendig und in einem regelmäßigen Abstand (z. B. 3- bis 4-mal pro Jahr) durchzuführen.

Stallklaue: Veränderte Klaue durch mangelnde Pflege in der Anbindehaltung. Bei der Stallklaue verlängern sich die Klauenwände und die Klauenspitze durch die zu geringe Abnutzung. In der Folge kann es zu mechanischer Überlastung und Fehlstellungen kommen.

Bei der Anbindehaltung wird zwischen Mittellang- und Kurzstand unterschieden (Abb. 1). Der traditionelle Langstand (220 bis 240 cm lang) spielt wegen verschiedener Nachteile (hoher Strohverbrauch, große Stallflächeninanspruchnahme, Verschmutzung der Kühe, hohe arbeitswirtschaftliche Aufwendungen für die Reinigung u. a.) keine Rolle mehr. Der Mittellangstand mit einer Länge von bis zu 200 cm und einer Breite von 110 cm ist durch eine erhöhte Krippe und durch ein Fressgitter zu charakterisieren (Abb. 2). Außerhalb der Fresszeit wird das Gitter geschlossen, sodass die Kuh veranlasst wird zurückzutreten und sich hinter der Krippe hinzulegen. Dieses Steuerelement soll für eine größere Sauberkeit des Standplatzes sorgen. Kühe legen – im Gegensatz zu Schweinen – keine festen Kotplätze an und verkoten den eigenen Liegeplatz, wenn das Verhalten nicht gesteuert würde. Die Verschmutzung des Liegebereiches führt zu einem größeren Aufwand für die Reinigung der Euter vor dem Melken und erhöht das Risiko von Euterinfektionen und Mastitis. Wenn das Fressgitter außerhalb der Futterzeiten geschlossen ist, kann die Kuh nicht mehr über den Tag verteilt kontinuierlich Grundfutter aufnehmen. Aus ernährungsphysiologischer Sicht ist das nicht zu akzeptieren.

Abb. 2 Mittellangstand (Prinzipskizze)

Mastitis: Euterentzündung; infektiöse Faktorenkrankheit einzelner oder aller Euterviertel, hervorgerufen durch euter- oder umweltassoziierte Krankheitskeime in Verbindung mit einer Vielzahl von Umweltfaktoren

Die Tränke ist beim Mittellangstand standplatzseitig angebracht, da die Tiere auch bei geschlossenem Fressgitter ständig Zugang zu Wasser haben müssen. Die Anbindevorrichtung darf die Bewegungsabläufe der Kühe möglichst wenig einschränken.

Abb. 3 Kurzstand (Prinzipskizze)

Beim Kurzstand (Abb. 3) steht der gesamte Raum über der Krippe den Tieren zum Abliegen, Aufstehen, Fressen, Trinken und Liegen zur Verfügung. Die Anordnung der Futterkrippe muss die arttypischen Bewegungsabläufe beim Hinlegen und Aufstehen, die ungehinderte Futteraufnahme und eine unbeeinträchtigte Körper-, insbesondere Kopfhaltung beim Ruhen ermöglichen. Kühe fressen auf der Weide in Schrittstellung und mit dadurch etwas abgesenktem Körper. Sie können bequem das Gras mit der Zunge fassen und abreißen. Bei der Anbindehaltung stellt die Krippe ein Hindernis für die Schrittstellung dar. Die Tiere sind gezwungen, mit paralleler Stellung der Vorderbeine an der Futterkrippe zu stehen. Wenn die Krippensohle zu tief (z. B. auf dem Standplatzniveau) angeordnet ist, haben die Kühe Schwierigkeiten, die gesamte Futtermenge in unbeeinträchtigter Körperhaltung aufzunehmen. Sie stemmen sich mit dem Karpalgelenk gegen die Krippenwulst, um auch das zuunterst in der Krippe befindliche Futter zu erlangen. Geschieht dies über einen längeren Zeitraum, kommt es zu pathologischen Veränderungen im Karpalgelenk und zu Verdickungen desselben. Diese krankhaften Veränderungen müssen als Technopathie bewertet werden.

Technopathie: pathologische Veränderungen am Tier, die ihre Ursache in einer nicht sachgerechten Gestaltung der Haltungsumgebung haben, z. B. Klauen- und Gliedmaßenverletzungen durch fehlerhaften Fußboden

Als Konsequenz muss beim Kurzstand die Krippensohle um 10 bis 15 cm gegenüber dem Standplatzniveau angehoben werden (Abb. 4). Untersuchungen ergaben, dass nach einer derartigen baulichen Veränderung keine weiteren Karpalgelenkschäden auftraten und bestehende Läsionen zum Teil abheilten.

Abb. 4 Richtwerte zur Höhe der Krippensohle beim Kurzstand

Die Krippenwulst darf beim Kurzstand nicht zu hoch sein. Die Krippe gehört mit zum Standplatz, d. h. beim Liegen hält die Kuh ihren Kopf über die Futterkrippe. Die Höhe der Krippenwulst beträgt maximal 32 bis 35 cm bei einer Dicke von höchstens 15 cm (Abb. 5), andernfalls ist die liegende Kuh gezwungen, ihren Kopf abzuwinkeln und auf die Seite zu legen. Lediglich flexible Gummistreifen dürfen höher als 32 cm sein. Allerdings darf dadurch nicht das Abliegen und Aufstehen behindert werden. Die Krippe muss genügend breit sein, um die großen Raufuttermengen aufzunehmen. Auf einer Höhe von 20 cm über dem Standplatzniveau muss zwischen dem tierseitigen Krippenrand und der futtergangseitigen Krippenwand ein Freiraum von 60 cm sein (Abb. 6).

Abb. 5 oben: Richtwerte zur Krippenwulstgestaltung beim Kurzstand

Abb. 6 unten: Richtwerte zur Tiefe der Krippe beim Kurzstand

Bei der Kurzstandhaltung gelten die in Tabelle 7 zusammengestellten Mindestabmessungen für die Standplätze von Jungvieh und Kühen. Die Maße für Milchkühe sind ausreichend für Tiere mit einer Widerristhöhe von 135 cm ± 5 cm. Für größere Tiere müssen die Abmessungen vergrößert, für kleinere Kühe dürfen sie angemessen reduziert werden. Die Breite des Kurzstandes beträgt 110 bis maximal 120 cm. Mit abnehmender Breite und Länge des Standes bei der Anbindehaltung (das betrifft den Kurz- und Mittellangstand) erhöht sich die Häufigkeit von Klauen- und Gelenkverletzungen. Ebenso kann die Häufigkeit von Eutererkrankungen – bedingt durch Trittverletzungen – bei zu schmalen Ständen ansteigen. Je nach der Länge der eigentlichen Liegefläche in Verbindung mit der Entmistungsart werden zwei Varianten beim Kurzstand unterschieden. Im Gitterrost-Kurzstand ohne Kuhtrainer ist die Liegefläche sehr kurz (1,40 m). Bei dieser strohlosen Haltung schließt sich an die planbefestigte Fläche ein (z. T. gummiummantelter) Gitterrost an, der zur Liegefläche hinzugerechnet wird. Allerdings liegt dadurch die Kuh meistens mit dem Euter und den Sprunggelenken auf dem Rost, was zu Euterentzündungen, Schleimbeutelerkrankungen im Sprunggelenksbereich bis hin zu Gelenksentzündungen führen kann. Im Stehen fußen die Hintergliedmaßen stets auf dem Rost. Dadurch können Klauendeformationen sowie Sohlengeschwüre und Klauenentzündungen entstehen. Aus Tierschutzsicht muss diese Form der Anbindehaltung mit extrem kurzer Liegefläche und hohem Verletzungsrisiko für die Haltung von Milchkühen abgelehnt werden. Für Jungtiere kann diese Aufstallungsform übergangsweise noch genutzt werden, sofern keine haltungsbedingten Schäden auftreten und im Sommer Weidegang gewährt wird. Andernfalls muss sie (in Niedersachsen) unverzüglich in eine tiergerechte Haltungsform umgebaut werden. Für Milchkühe beträgt der Richtwert für die Länge des Kurzstandes 1,65 m (Tab. 7). Die Auftrittsbreite der Gitterroststreben muss mindestens 20 mm, der Zwischenraum darf höchstens 35 mm betragen.

Tab. 7 Mindestabmessungen von Standplätzen für Jungvieh und Milchkühe (Schweizer Tierschutzverordnung, Niedersächsische Tierschutzleitlinie)

Standplatz

Breite cm

Länge cm

Jungtiere bis 200 kg im Kurzstand

 70

120

Jungtiere bis 300 kg im Kurzstand

 80

130

Jungtiere bis 400 kg im Kurzstand

 90

145

Jungtiere über 400 kg im Kurzstand

100

155

Milchvieh im Kurzstand

110

165/180

Milchvieh im Mittellangstand

110

200

Die Maße für Milchvieh gelten für Tiere mit einer Widerristhöhe von 135 ± 5 cm

Der Kurzstand mit langer Liegefläche und Kuhtrainer ist bis 1,80 m lang. Die Liegefläche ist üblicherweise eingestreut (ungefähr 1 kg/Tier und Tag), und es schließt sich ein bis zu 30 cm tiefer Kotgraben für den entstehenden Festmist an. Die lange Liegefläche kann aber auch mit einem Gitterrost kombiniert werden. Sowohl die Kante des Kotgrabens als auch der Gitterrost besitzen ein Verletzungsrisiko für Klauen, Sprunggelenke und Euter. In einer Reihe von Betrieben wird noch ein Kuhtrainer (Abb. 7) eingesetzt, um die Verschmutzung der Liegefläche zu verhindern.

Abb. 7 Kuhtrainer

Kuhtrainer: elektrisch geladener Leiter als Steuerelement, um die Tiere zu veranlassen, vor dem Koten und Harnen einen Schritt zurückzutreten und somit den Liegebereich sauber zu halten

Dabei handelt es sich um einen individuell einstellbaren Elektrobügel, der bei Berührung einen Stromschlag als Strafreiz erzeugt. Die Berührung findet im Zusammenhang mit dem Koten und Harnen statt, indem die Tiere dabei in arttypischer Weise ihren Rücken krümmen. Durch die Bestrafung werden die Kühe konditioniert (= dressiert), vor dem Kot- und Urinabsatz einen Schritt zurückzutreten.

Operante Konditionierung: Lernverhalten, bei dem die Tiere durch Belohnung oder Bestrafung lernen, bestimmte Verhaltensweisen zu zeigen oder auch zu unterlassen

Problematisch ist, dass die Kühe auch bei anderen bewegungsintensiven Verhaltensweisen, vor allem beim Brunstverhalten, Strafreize empfangen. Der Kuhtrainer stellt somit durchaus eine Belastung für die Tiere dar und beeinträchtigt das Körperpflege- und das Brunstverhalten. Allerdings er­­laubt das Gerät im Vergleich zu früher etwa 20 cm längere Standplätze, ohne dass stärker verschmutzte Tiere oder ein größerer Reinigungsaufwand zu verzeichnen sind. Wegen der Auswirkungen auf das Verhalten und möglicher gesundheitlicher Schäden darf das Steuerelement Kuhtrainer in Niedersachsen und in anderen Bundesländern grundsätzlich nicht mehr eingesetzt werden. Sofern bei Altbauten ein Bestandsschutz für Anbindehaltungen mit Kuhtrainer besteht, die nur mit unvertretbar hohem Aufwand umgestaltet werden können, ist seine Verwendung (in Niedersachsen) in Ausnahmefällen unter folgenden Bedingungen weiterhin zugelassen:

nur Einsatz von geprüften und bewilligten Geräten,

individuelle Anpassung für jeden Standplatz,

Abstand zwischen Widerrist und Kuhtrainer-Bügel minimal 5 cm,

Anwendung nur bei Kühen und Rindern ab 18 Monaten,

kein Dauerbetrieb; Empfehlung: Einsatz an einem oder zwei Tagen pro Woche,

vor der Abkalbung bis einige Tage danach kein Einsatz, ebenso nicht einige Tage vor der zu erwartenden Brunst, Einstellung des maximalen Abstandes zur Kuh,

Nutzung aller Möglichkeiten für regelmäßigen, ausgiebigen Weidegang oder Auslauf,

regelmäßiges, gründliches Putzen der Tiere, da das arttypische Körperpflegeverhalten der Kühe eingeschränkt ist,

Einhaltung der Anforderungen ist ggf. durch ein entsprechendes Gutachten des Amtstierarztes zu belegen.

Bei der Kurzstandhaltung können im vorderen Bereich des Standplatzes Trennbügel zwischen jeder zweiten Kuh angebracht sein. Diese Bügel richten die Tiere auf den Standplätzen aus und verhindern ein Diagonalstehen über zwei nebeneinanderliegende Standplätze hinweg. Die Rangordnung der Kühe kann dazu führen, dass ranghohe Tiere sich quer auf die Standplätze stellen und legen. Im Extremfall werden benachbarte rangniedere Tiere daran gehindert, sich hinzulegen. Aus der Diagonalstellung resultiert wiederum eine stärkere Verschmutzung des Liegebereiches mit den oben geschilderten Konsequenzen für Euterreinigung und -gesundheit.

Über der Krippe angebrachte Fressgitter schränken den Raum über der Futterkrippe ein und sind somit beim Kurzstand kritisch zu betrachten. Die Tränke wird beim Kurzstand krippenseitig zwischen zwei Standplätzen angebracht. Hohe Durchflussmengen sind notwendig, um den Wasserbedarf der Kühe zu decken.

Der Fußboden bei der Anbindehaltung kann eingestreut sein. Dies funktioniert allerdings nur beim Kurzstand mit Kotgang. Die Entmistung erfolgt dann mit Seilzugschieber oder Schubstangenentmistung. Falls die Entmistung mit Traktor und Schiebeschild vorgenommen wird, muss der Kotgang 180 bis 220 cm breit sein. Beim Gitterrost-Kurzstand kann eine Gummimatte als Liegefläche verwendet werden. Sie kann mit etwas Strohmehleinstreu betrieben werden, um die Feuchtigkeit zu binden.

Das Melken der Kühe erfolgt am Standplatz der Tiere mit einer Eimer- oder Rohrmelkanlage (s. Jungbluth et al. 2005). Bei der Anbindehaltung muss eine Möglichkeit bestehen, die Tiere gruppenweise zu lösen, um sie in einer Havariesituation schnell aus dem Stall treiben zu können.

Laufstallhaltung

Im Laufstall sind die Funktionsbereiche Füttern, Melken, Entmisten und Liegen getrennt. Die Tiere werden nicht am Standplatz, sondern im Melkhaus gemolken. Das Füttern erfolgt am Fressband – getrennt vom Liegebereich. Gegenüber der Anbindehaltung besitzt der Laufstall eine Reihe von Vorteilen:

Rinder sind sozial lebende Tiere – der Laufstall ermöglicht eine artgerechte Haltung in Gruppen,

die Bewegung hat bei ganzjähriger Stallhaltung positive Auswirkungen auf Fruchtbarkeit und Gesundheit,

die Brunst der Tiere kann im Laufstall besser als bei Anbindehaltung erkannt werden,

die Melkarbeit im Melkstand ist bequemer, hygienischer und geht schneller (kurze Wege von Melkplatz zu Melkplatz, aufrechte Körperhaltung),

in größeren Kuhbeständen sinkt der Arbeits- und Kostenaufwand pro Kuh bzw. pro Liter erzeugte Milch,

bei geschickter Anordnung des Melkhauses sind einfache Erweiterungsmöglichkeiten vorhanden,

das Unfallrisiko beim Melken (Schlag- und Trittverletzungen) ist ge­­ringer

und Altgebäude können besser genutzt werden.

In vielen Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass es bei richtiger Ge­­staltung des Laufstalles zu einer Verbesserung von Gesundheit und Leistung der Kühe gegenüber der Anbindehaltung kommt. Das am weitesten verbreitete System der Laufstallhaltung ist der Liegeboxenlaufstall. Zwischen 90 und 100 % der Spitzenbetriebe wenden diese Haltungsform an. Daneben gibt es gelegentlich Fressboxenställe und selten Tieflaufställe (Abb. 1). Vor allem in Süddeutschland findet man sehr selten den Tretmist­stall als Einraum- oder Zweiraumstall. Außerdem gibt es die ersten Kompostierungsställe, zu denen aber aktuell (2015) intensive Untersuchungen stattfinden, um mögliche lebensmittelhygienische Risiken auszuschließen (s. S. 35). Die Laufstallhaltung kann ausschließlich im Stall – zunehmend als Außenklimastall – oder in Verbindung mit einem Laufhof außerhalb des Stalles durchgeführt werden. Im Liegeboxenlaufstall sind Liege- und Laufbereich baulich-funktionell voneinander getrennt. Für jede Kuh soll eine Liegebox vorhanden sein.

Tab. 8 Mindestabmessungen für die Gruppenhaltung von Jungvieh und Milchkühen (Schweizer Tierschutzverordnung, Niedersächsische Tierschutzleitlinie)

Standplatz

Bodenfläche je Tier m2

Breite cm

Länge cm

Liegefläche mit Einstreu

Jungtiere bis 200 kg

1,8

Jungtiere bis 300 kg

2,0

Jungtiere bis 400 kg

2,5

Jungtiere über 400 kg

3,0

Milchvieh

4,5

Milchvieh, wandständige Liegebox

120

240–250

Milchvieh, gegenständige Liegebox

120

220–240

Die Maße für Milchvieh gelten für Tiere mit einer Widerristhöhe von 135 ± 5 cm

Bei der Laufstallhaltung müssen (in der Schweiz bzw. in Niedersachsen) die in Tabelle 8 zusammengestellten Mindestabmessungen für die Standplatzgestaltung und die Bodengestaltung eingehalten werden. Die Werte gelten für Jungvieh und für Milchkühe. Bei der Liegeboxengestaltung wird zwischen wandständiger und gegenständiger Liegebox unterschieden. Die Liegeboxen müssen ein ungehindertes Aufstehen, Ablegen und Ruhen ermöglichen, ohne zu stark zu verschmutzen. Die wandständige Liegebox (Abb. 8) befindet sich – wie aus dem Namen ableitbar – an einer Stall- oder einer Zwischenwand. Die Wand kann das Aufstehen und Ablegen behindern, sodass die wandständige Liegebox länger als die gegenständige Liegebox sein muss. Bei dieser steht der Freiraum zwischen den beiden sich gegenüber befindlichen Boxen zum Schwungholen beim Hinlegen und Aufstehen zur Verfügung. Die wandständige Liegebox ist insgesamt von der Wand bis zur Kotkante 240 bis 250 cm lang (empfohlen bis 2,80 m). Eine Bugkante als Steuerelement in mindestens 45 cm Abstand von der Wand verhindert, dass die Kuh zu nahe an die Wand rutscht und dann Probleme beim Aufstehen hat. Ein zweites Steuerelement ist das Nackenrohr (auch als Nackenbügel bezeichnet). Es wird etwa 70 bis 80 cm von der Wand entfernt in 115 bis 130 cm Höhe über der Liegefläche angebracht. Das Nackenrohr veranlasst die Kuh, beim Aufstehen einen Schritt zurückzutreten. Da Kühe häufig nach dem Aufstehen Kot absetzen, dient das Steuerelement der Sauberhaltung der Liegefläche. Die Liegeplatzlänge beträgt, analog dem Mittellangstand, mindestens 185 cm. Die Liegebox wird durch eine Kotkante (bei der Tiefbox) bzw. eine Kotstufe (bei der Hochbox) begrenzt. Kot- und Bugkante sind jeweils etwa 10 bis 20 cm hoch. Die Tiefbox (vgl. Abb. 8 und 9) wird auf dem Niveau der Lauffläche angelegt und eingestreut (0,5 bis 1 kg täglich bei Spaltenboden und etwa 3 kg pro Tier und Tag bei Festmist). Die Hochbox (vgl. Abb. 9) ist gegenüber der Lauffläche um 20 bis 25 cm erhöht. Sie wird mit einer weichen Matte oder Matratze ausgelegt und mit etwas Strohmehl (bis 0,5 kg täglich pro Box) zum Binden der Feuchtigkeit betrieben. In den Spitzenbetrieben sind Hochboxen deutlich häufiger als Tiefboxen anzutreffen.

Abb. 8 Wandständige Liegebox

Bei der gegenständigen Liegebox (Abb. 9) werden zwei Liegeboxen so aneinandergebaut, dass die Kühe mit den Köpfen einander zugewandt liegen. Der Freiraum zwischen den Boxen kann von beiden Tieren genutzt werden, sodass die Box etwa 20 cm kürzer als die wandständige Variante sein kann. Der grundsätzliche Aufbau ist mit der wandständigen Liegebox vergleichbar. Um das Durchlaufen beider Liegeboxen zu verhindern, muss eine Begrenzung dazwischen sein (z. B. ein Rohr in 60 bis 70 cm Höhe), ohne jedoch das Abliegen und Aufstehen sowie die Kopfhaltung im Liegen zu beeinträchtigen. Der Raum zwischen den beiden Boxen kann zur Bevorratung von Stroh, Strohmehl oder Sägespänen genutzt werden (Abb. 10).

Abb. 9 Gegenständige ­Liegeboxen

Abb. 10 Gegenständige Liegeboxen mit Einstreu

Die Maße für die Liegeboxen sind – wie auch bei der Anbindehaltung – für Tiere mit einer Widerristhöhe von 135 ± 5 cm vorgesehen. Für größere Tiere (z. B. Deutsch Holstein mit Kreuzhöhe = 145 cm) sollten die Abmessungen vergrößert, für kleinere Tiere dürfen sie verringert werden. Die in Tabelle 8 dargestellten Funktionsmaße gelten für den Herdendurchschnitt. Diese Anforderungen können aus verschiedenen Körpermaßen der Kühe abgeleitet werden. Die wichtigsten Maße sind die schräge Rumpflänge (gemessen zwischen Bugspitze und Sitzbeinhöcker) und die Schulterbreite (Abb. 11). Aus den folgenden Formeln können die tierindividuellen Idealmaße berechnet werden:

Standplatzbreite = schräge Rumpflänge × 0,922 + 23 cm

Standplatzbreite = 2 × Schulterbreite + 5 cm.

Abb. 11 Körpermaße bei Kühen, aus denen Funktionsmaße für die Stalleinrichtung abgeleitet werden können

Gelegentlich werden geringfügig davon abweichende Maße angegeben (s. Jungbluth et al. 2005).

Die Boxenmaße sollten sich an den großen Tieren der Herde orientieren. Das Problem ist allerdings, dass die freie Liegeboxenwahl die individuelle Anpassung erschwert und kleinere Tiere die Boxen verschmutzen. Zwischen den einzelnen Liegeboxen befinden sich Trennbügel, die im vorderen Bereich fest verankert sind. Im Hüftbereich sollen sich keine Stützen befinden, damit die Tiere sich nicht verletzen bzw. einklemmen können. Die Bodenfreiheit zwischen dem Standplatz und dem unteren Querholm soll 40 cm betragen.

Seit einigen Jahren kommt dem Kuhkomfort eine große Be­deutung zu. Kühe liegen täglich etwa 12 h in bis zu 9 Perioden. Somit muss die Liegefläche weich und angenehm sein. Druckstellen sollen nicht auftreten. Für die Liegeboxen steht eine Vielzahl an Bodenbelägen zur Verfügung: Kuhmatratzen (Granulat aus verschiedenen Materialien mit einem Deckbelag bespannt), Weichbetten (Gummi- und Schaumstoffunterlage), Gummimatten (mit Profil oder Noppen auf der Unterseite), Ethyl-Vinyl-Acetat (EVA)-Matten, Wasserbetten u. a. Wahlversuche haben eindeutig gezeigt, dass Kühe zum Liegen ein weiches und verformbares Material bevorzugen, das sich dem Körper anschmiegt. Sand ist ebenso ein gutes Material für die Liegebox. Allerdings gibt es das praktische Problem, dass Sand in den Güllekanal geraten kann und von dort nur schwierig zu entfernen ist.

Die Raumstruktur muss einen stressfreien Kuhverkehr von den Liegeboxen zum Melkstand und zu den Fressplätzen ermöglichen. Es dürfen keine Sackgassen und Engstellen auftreten. Rangniedere Tiere müssen die Möglichkeit haben, in einer sozialen Mindestdistanz an ranghohen Tieren vorbeigehen zu können. Bei beengten räumlichen Verhältnissen schränken vor allem rangniedere Kühe ihre lokomotorische Aktivität ein, um nicht ständig Begegnungen mit ranghohen Tieren auf engem Raum zu haben. Für die maßliche Gestaltung des Laufstalles bedeutet das, dass die Laufgangbreite entlang des Fressbereiches mindestens 350 cm betragen muss. Manche Berater empfehlen Maße bis 400 cm. Laufgänge zwischen den Liegeboxen sollten 250 cm breit sein. Bei freitragenden Bügeln, die nicht bis zur Kotkante reichen, ist ein maximal 40 cm kleineres Maß möglich. Bei mechanischer Entmistung muss beachtet werden, dass die fressenden Tiere mit den Hinterbeinen bei etwa 150 cm ab Krippe stehen. Quergänge und Zugänge zum Melkstand oder zum Auslauf werden entweder für die Breite eines Tieres (die Tiere können nur nacheinander diesen Gang passieren) oder für die Begegnung von zwei Tieren ausgelegt. Daraus ergibt sich eine Gangbreite von 80 bis 90 cm bzw. von 180 cm (Abb. 12). Werden jedoch Tränken in diesen Gängen platziert, müssen diese auf 240 cm verbreitert werden.

Abb. 12 Grundrissschema eines Laufstalles

Die Stallböden im Laufbereich müssen trittsicher und rutschfest sein und eine gute Reinigungseignung aufweisen. Spalten- und Lochböden sind dabei durch die Hersteller dem Gewicht der Tiere anzupassen. Sie müssen plan und die einzelnen Balken unverschiebbar verlegt sein. Die Kanten der Balken dürfen keine vorstehenden Grate haben oder müssen vor der Erstbelegung abgeschliffen werden. Für Milchkühe soll eine Spaltenweite von 25 mm im Fressgang und von 30 bis 35 mm im sonstigen Laufbereich bzw. ein Lochdurchmesser von 55 mm nicht überschritten werden. Die Mindestauftrittsbreite der Balken beträgt 80 mm. Spaltenböden sind wesentlich häufiger als planbefestigte Laufflächen in deutschen Spitzenbetrieben zu finden. Etwa 70 bis 90 % dieser Betriebe haben perforierte Laufflächen.

In planbefestigten Laufgängen wird rau abgezogener Beton oder Guss­asphalt eingesetzt. Durch die Kot-Urin-Schicht werden Betonflächen im Laufe der Zeit glatt. Laufgänge können dann saniert werden. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten: das Aufrauen mittels Fräsen, die Beschichtung mit Kunstharz oder die Sanierung durch eine Gussasphalt-Beschichtung. Die letzte Variante ist am teuersten, hält jedoch am längsten und bietet eine anhaltend gute Trittsicherheit.

Laufflächen (auch Spaltenböden) können mit Gummimatten beauflagt werden. Auf diesem tierfreundlichen, weichen Belag laufen die Tiere zügiger mit größeren Schritten. Die Verformbarkeit der Lauffläche (gemessen durch die Einsinktiefe) sorgt für eine bessere Standsicherheit bei der Körperpflege. Beim Lecken in der Anogenitalregion stehen die Tiere nur auf drei Beinen. Ein glatter Boden kann zum Ausgleiten führen, sodass dieses arttypische Verhalten auf diesen Böden nicht mehr oder nur eingeschränkt gezeigt wird. Es liegen noch keine Ergebnisse zur Haltbarkeit und zur Hygiene der Gummimatten nach längerer Einsatzzeit vor.

Zur Raumstruktur gehört auch, dass Abkalbe- und Krankenbox (bzw. -stall) nahe dem Melkstand einzuordnen sind, um kurze Treibewege für die euterkranken Kühe beim mehrmaligen täglichen Melken bzw. für die klauenkranken Tiere zu gewährleisten. Als Fläche für den Warteraum vor dem Melkstand sind mindestens 1,4 bis 2 m2 je Kuh zu veranschlagen, maximal jedoch 3,5 m2.

Die Fressplatzbreite beträgt am Fressgitter 70 bis 80 cm, für hochtragende Tiere bis 100 cm. Das Tier-Fressplatz-Verhältnis sollte 1 : 1 betragen. Beim Einsatz von Total-Misch-Rationen (TMR) kann die Relation auf 1,2 bis 1,5 : 1 erweitert werden, da alle Tiere ständig Zugang zu einer ausgeglichenen Futterration haben. Neben der oben beschriebenen Krippe ist in vielen Betrieben ein Futtertisch anzutreffen, der mit dem Futterverteilwagen befahren wird. Die Futterfläche aus Beton mit Kunstharzbeschichtung oder aus Steinzeugschalen soll glatt und leicht zu reinigen sein. Beim Futtertisch muss das Futter mehrmals täglich nachgeschoben werden. Dazu gibt es selbstfahrende Geräte. Die Beleuchtung des Fressbereiches erfolgt über mindestens 16 h pro Tag (80 bis 100 lx), um eine kontinuierliche Futteraufnahme zu ermöglichen.

Ein Fressgitter (Abb. 13) ermöglicht die zeitweilige Fixierung aller oder einzelner Tiere, z. B. für Trächtigkeitsuntersuchungen, veterinärmedizinische Behandlungen, Blutentnahmen oder die Besamung. Dagegen erfolgt die Klauenpflege zumeist in einem speziellen Stand.

Abb. 13 Fressgitter

Zum Stand der Technik bei der Laufstallhaltung gehört die Abruffütterung über eine oder mehrere Kraftfutterstationen. Die Kühe werden durch eine elektronische Tiererkennung identifiziert und in Abhängigkeit von ihrer Milchleistung mit einer individuell festgelegten täglichen Kraftfutterration gefüttert (zu den technischen Details s. Jungbluth et al. 2005). Für 25 bis 30 Kühe soll eine Kraftfutterstation vorhanden sein.

Große Bedeutung kommt einer ausreichenden Wasserversorgung zu. Wasser ist das wichtigste Futter- und Lebensmittel. Milchkühe nehmen große Wassermengen insgesamt und pro Zeiteinheit auf. Die Trinkgeschwindigkeit beträgt 5 bis 10 l pro min. Um die Tränke muss ausreichend Platz sein. Ranghohe Tiere blockieren gelegentlich die Tränken; für rangniedere Tiere muss eine Ausweichmöglichkeit bei Verdrängungen bestehen. Es kommen Schwimmertränken zum Einsatz, bei denen stets so viel Wasser nachläuft, wie getrunken wird. Wenn die Wasserleitungen frostsicher verlegt sind, besteht angesichts des großen Volumens der Tränken mit Vorratsbehälter (80 bis 150 l) und des häufigen Trinkens der Kühe keine Frostgefahr. Für 20 Kühe soll ein Tränkplatz vorhanden sein (eine Doppeltränke für 40 Tiere).

Eine Voraussetzung für eine hohe Milchleistung ist möglichst wenig Stress rund um die Abkalbung und eine optimale Vorbereitung auf die nächste Laktation. Daher müssen die Kühe rechtzeitig vor dem Abkalben trockengestellt werden. Trockenstellen bedeutet, dass die Kühe nicht mehr gemolken werden. Angestrebt, und in vielen Betrieben auch realisiert, ist ein Trockenstellen 51 bis 42 Tage vor dem Abkalben. Etwa 2 Wochen (16 Tage) vor der Kalbung erfolgt die Umstallung in die Transitgruppe (= Vorbereitungsgruppe), d. h. in den Betrieben befinden sich zwei Gruppen Trockensteher. Das Trockenstellen wird in den Betrieben unterschiedlich gehandhabt. In 80 % der Milchviehbetriebe erfolgt das Trockenstellen unter Antibiotikaschutz. In den ersten Tagen nach dem Trockenstellen wird in den Alveolen des Euters noch Milch gebildet, die in dem Hohlraumsystem der Euterviertel gespeichert wird. Diese sezernierte, aber nicht mehr abgemolkene Milch bildet ein ideales Nährmedium für die Erreger von Eutererkrankungen. Da die trockengestellten Kühe nicht mehr täglich auf mögliche Eutersekretionsstörungen untersucht werden (können), steigt in dieser Phase das Risiko von unerkannten oder zu spät erkannten Mastitisfällen mit Auswirkungen auf die Leistungen und die Eutergesundheit in der nachfolgenden Laktation. Daher wird vorsorglich ein Antibiotikum in die Zitzenzisterne appliziert, um die Keimvermehrung zu unterbinden. Allerdings sollte von Zeit zu Zeit ein Antibiotika-Resistenztest vorgenommen werden, um die Wirksamkeit des Präparates zu überprüfen. In 10 % der deutschen Spitzenbetriebe wird ein Antibiotikum prophylaktisch nur bei Problemkühen eingesetzt und in weiteren 10 % erfolgt eine intensive Mastitisuntersuchung vor dem Trockenstellen ohne Antibiotika-Einsatz. Mit dem Ziel, den Antibiotika-Einsatz zu reduzieren, werden zunehmend interne Zitzenversiegler eingesetzt, die für einen mechanischen Verschluss des Strichkanals sorgen. Aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes spielt das Trockenstellen unter Antibiotikaschutz aber auch weiterhin eine große Rolle.

Die Frühtrockensteher (etwa 7 Wochen vor der Abkalbung) können im Boxenlaufstall gehalten werden. Jedem Tier muss eine Liegebox zur Verfügung stehen. Überbelegungen sind wegen der längeren Liegezeiten der hochtragenden Kühe unbedingt zu vermeiden. Während der Vorbereitungsfütterung (= 2 bis 3 Wochen vor der Abkalbung) sollten die Kühe in einem eingestreuten Laufstall (= Abkalbebox) gehalten werden. Vorteilhaft ist eine etwa 160 cm tiefe und 40 cm hohe (zwei Stufen) befestigte Standfläche am Fressgitter (je Kuh etwa 90 bis 100 cm breit). Dadurch wird die Einstreumenge reduziert und durch das harte Stehen die Klauenqualität gefördert. Bei gleichmäßiger Abkalbung über das Jahr und einer angestrebten Zwischenkalbezeit von etwa 365 bis 385 Tagen lassen sich die erforderlichen Tierplätze in einem Milchviehbetrieb für die einzelnen Haltungsabschnitte berechnen (Tab. 9). Allerdings beträgt in vielen Betrieben die Zwischenkalbezeit deutlich über 400 Tage. Etwa 30 % der Plätze sollten für die Färsengruppe veranschlagt werden. Färsen benötigen Zeit, um ihr Immunsystem an das betriebsspezifische Keimmilieu anzupassen. So wird eine Eingliederung der Färsen in den Kuhbereich ca. 6 Wochen vor der Abkalbung empfohlen. In der Praxis erfolgt die Färsenintegration häufig später, z. T. erst eine Woche vor der Kalbung. Die Tiere werden zumeist mit den Trockenstehern gehalten. Das verringert die Rangkämpfe, bietet den Färsen mehr Ruhe beim Fressen und gestattet eine bedarfsgerechte Versorgung der Tiere. Einige Betriebe integrieren die Färsen direkt in die Herde der laktierenden Kühe. Die Färsen können sich bereits mit den Herdenmitgliedern auseinandersetzen und lernen den Melkstand und ihre spätere Haltungsumgebung kennen. Nachteilig bei dieser Eingliederung ist, dass das Risiko von Euterinfektionen steigt, harte Rangordnungskämpfe auftreten können (Gefahr von Aborten!) und dass Färsen von den älteren Kühen am Futtertisch verdrängt werden, sodass sie zu wenig Futter aufnehmen. Die Rationsgestaltung für laktierende Kühe ist außerdem nicht optimal auf den Nährstoff- und Energiebedarf der Färsen abgestimmt.

Tab. 9 Anteil Kuhplätze in den verschiedenen Haltungsabschnitten und empfohlene Aufstallung

Tiergruppe/

Haltungsabschnitt

Dauer

Anteil (%)

Empfohlenes Haltungsverfahren

Frühtrockensteher

4 Wochen

10

Laufstall, Liegebox; evtl. Weide

Vorbereitungsgruppe

2–3 Wochen

(4–)5

Zweiraumlaufstall; Stroh

Abkalbung

(1)

dito oder Tieflaufstall; Stroh

Frischlaktierer

3 Wochen

 5

Laufstall, weiche Liegebox

Hochleistende

35 Wochen

30

Laufstall, weiche Liegebox

Altmelkende

10 Wochen

20

Laufstall, weiche Liegebox

Färsengruppe

45 Wochen

30

Laufstall, weiche Liegebox

Für hochtragende Tiere müssen eine oder mehrere Abkalbeboxen vorhanden sein. In 85 % der deutschen Spitzenbetriebe gibt es mindestens eine Abkalbebox. Die Fläche pro Box beträgt 3 × 4 bis 4 × 4 m. Werden mehrere hochtragende Kühe gemeinsam in einer Abkalbebox gehalten (in etwa der Hälfte der Betriebe ist dies der Fall), ist der Flächenanspruch pro Kuh mindestens 8 bis 10 m2. Die Abkalbebox wird als eingestreute Bucht mit Zugang zu Wasser und Futter ausgelegt. Die Bewegung bis zur Abkalbung fördert den Geburtsablauf. Man rechnet eine tägliche Strohmenge von 10 bis 15 kg pro Kuh. Durch das ungehinderte Hinlegen und Aufstehen haben die hochtragenden Kühe weniger Stress. Anbindeplätze für abkalbende oder auch kranke Kühe aus dem Laufstall sind nicht mehr Stand der Technik. In der Abkalbebox hat die Kuh die Möglichkeit, das neugeborene Kalb trocken zu lecken, was sich positiv auf die Durchblutung des Kalbes und auf die Nachgeburtsphase der Kuh auswirkt (s. Kap. 1.4.2). Von der Abkalbebox aus sollten die Kühe Sichtkontakt zur übrigen Herde haben. Das erleichtert die Wiedereingliederung in die Gruppe nach der Kolostralmilchperiode. Für etwa 30 Kühe sollte eine Abkalbebox zur Verfügung stehen. Neben der Versorgung des Kalbes (s. Kap. 1.4.2) kommt auch der Betreuung des Muttertieres in den ersten Stunden und Tagen nach der Geburt große Bedeutung zu. Die Kuh soll nach der Abkalbung möglichst schnell mit der Festfutteraufnahme beginnen. Daher sollte das Kalb innerhalb weniger Stunden von der Mutter getrennt und separat versorgt werden. Eine wichtige Maßnahme bei der Erstversorgung des Muttertieres ist die Verabreichung von (lauwarmem) Wasser. Die Kühe haben nach der Geburt ein Flüssigkeitsdefizit, das schnell gedeckt werden muss. Vor allem bei Schwergeburten kann es zu Kreislaufproblemen bei der Kuh kommen. Die Wasseraufnahme durch die Kuh hat folgende positive Effekte:

Pansenstimulation zur Anregung der Festfutteraufnahme,

die teilweise Füllung des Pansens reduziert die Gefahr einer Labmagenverlagerung,

beschleunigter Abgang der Nachgeburt und

besseres Wohlbefinden der Tiere.

Die Kühe bevorzugen handwarmes Wasser aus dem Eimer im Vergleich zum Wasser aus der Tränke. Mit dem Wasser können Zusatzstoffe (Vitamine, Mineralstoffe, Propylenglykol) verabreicht werden. In manchen Betrieben wird das Wasser den Tieren über einen Drench eingeflößt.

Drench: Schlauchleitung, über die mittels Pumpe Wasser, ggf. mit Zu­satzstoffen, appliziert werden kann

Eine Krankenbucht muss unbedingt separat vorhanden sein.

Weitere Laufstall-Varianten sind Fressliegeboxen, Tieflaufställe und der Tretmiststall. Bei Fressliegeboxen-Ställen sind die Liegeplätze unmittelbar an der Krippe bzw. dem Futterband angeordnet. In der maßlichen Gestaltung entspricht der Liegebereich dem Kurzstand der Anbindehaltung, wobei die Kopffreiheit über der Krippe gesichert sein muss. Für die Laufgänge gelten dieselben Anforderungen wie für den Liegeboxen-Laufstall.

Bei Tieflaufställen wird zwischen Einraum- und Zweiraumställen unterschieden. Durch die Einstreu werden Trittsicherheit, Wärmedämmung und Verformbarkeit des Liegebereiches gewährleistet. Allerdings ist der Strohverbrauch bei solchen Aufstallungen sehr hoch. Beim Einraumstall, bei dem die gesamte Lauf- und Liegefläche eingestreut ist, wächst die Einstreuschicht durch das tägliche Nachstreuen. Somit müssen die Fress- und Tränkplätze – ähnlich wie bei der Schafhaltung – „mitwachsen“, was um­­ständlich und aufwendig ist. Wird zu knapp eingestreut (weniger als 15 kg je Kuh und Tag), verschlammt die Einstreu. Ungenügend eingestreute, vernässte Tiefstreuflächen erfüllen vor allem in Außenklimaställen die Forderung nach einem ausreichend wärmegedämmten Liegebereich nicht. Bei hoher Stalltemperatur kann andererseits eine hohe Ammoniakkonzentration resultieren.

Einraum-Tiefstreuställe für Rinder über 4 Monate sind aus den folgenden Gründen als problematisch zu beurteilen:

ungenügender Klauenabrieb,

Sauberkeit der Tiere nur bei sehr hohem Strohverbrauch gewährleistet und

Fressplatzniveau muss laufend an die wachsende Tiefstreumatratze angepasst werden.

Für Milchvieh ist daher von einer derartigen Aufstallung abzuraten.

Im Zweiraum-Tiefstreustall sind der Fress- und der Liegebereich getrennt. Über eine Schräge oder Stufen erfolgt der Übergang vom Einstreu- zum planbefestigten oder perforierten Bereich an den Futterplätzen. Bei Spaltenboden stellt allerdings der Stroheintrag in das Güllesystem ein Problem dar. Der Strohverbrauch (6 bis 10 kg je Tier und Tag) ist geringer als im Einraumstall. Allerdings verursacht die Einstreuversorgung im Vergleich zum Liegeboxenlaufstall Mehrarbeit und höhere Kosten.

Beim Tretmiststall besteht das Grundprinzip darin, dass auf einer schrägen Liegefläche mit einem Gefälle zwischen 6 und 10 % eine Stroh-Mist-Matratze aufgebaut wird, die unter der Bewegung der Tiere (von oben nach unten) durchgetreten wird und über eine Abrisskante aus dem Stall bzw. aus dem Liegebereich befördert wird. Voraussetzung ist ein Mindestgewicht der Tiere von 180 kg. Durch das Stroh-Exkremente-Gemisch entsteht eine Rotte mit einer Temperatur von 35 bis 45 °C. Nach etwa 30 Tagen ist dann Stalldung entstanden, der über eine Faltschieberanlage oder mit Traktor und Schiebeschild aus dem Stall befördert wird. Auch beim Tretmiststall kann prinzipiell zwischen dem Einraum- und dem Zweiraumstall unterschieden werden. Die Strohversorgung erfolgt auf der „Bergseite“. Der Futterplatz ist auf der „Talseite“ angeordnet. Beim Einraumstall stehen die Tiere allerdings am Fressplatz im Morast, sodass diese Variante nicht empfohlen werden kann. Beim Zweiraumstall ist der Liege- vom Fressbereich getrennt.

Die Vorteile des Tretmiststalles gegenüber dem Tiefstreustall bestehen in der Verringerung der Strohmengen (ca. 5 kg Einstreu/Kuh und Tag) sowie in der Selbstentmistung. Nachteilig wirkt sich der Keimdruck aus der feuchten und warmen Einstreuschicht auf die Eutergesundheit (Mastitis) und die Klauenhärte