Schweinezucht und Ferkelerzeugung - Steffen Hoy - E-Book

Schweinezucht und Ferkelerzeugung E-Book

Steffen Hoy

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Beschreibung

Gesunde und marktgerechte Schweine und Ferkel! • Alles über die aktuellen Haltungssysteme • Die Erfolgsparameter vom Stallbau bis zum gesunden Ferkel • Entscheidungshilfe für alle Aspekte der Schweineproduktion Ausgehend vom Markt für Ferkel und den Produktionszielen in der Schweinezucht und Ferkelproduktion werden die Haltungsverfahren und -abschnitte (Abferkel-, Besamungs-, Warte- und Aufzuchtstall) mit den dazugehörigen technischen Lösungen vorgestellt. Breiten Raum nehmen die Planung und Genehmigung von Stallbau- und Erweiterungsvorhaben ein. Ebenso wird die Wirtschaftlichkeit der Ferkelerzeugung analysiert. Informationen zur Fütterung von Zuchtschweinen, zur Gesunderhaltung der Schweinebestände und zu den wichtigsten Managementmaßnahmen runden das Buch ab.

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Steffen Hoy

Schweinezucht und Ferkelerzeugung

Ulmer E-Books

Mit Beiträgen von Friedrich Arends, Wolfgang Büscher, Albert Hortmann-Scholten, Steffen Hoy, Heinrich Kleine Klausing, Georg Riewenherm, Mathias Ritzmann, Peter Spandau, Martin Wähner

Inhaltsverzeichnis

Vorwort1 Markt für Ferkel1.1 Bedeutung der Ferkelerzeugung1.2 Strukturelle Ausgangslage1.3 Anforderungen an Qualitätsferkel2 Zucht- und Produktionsziele in der Schweinezucht2.1 Schweinerassen und -herkünfte2.2 Leistungsprüfung2.3 Züchtung2.4 Zuchtwertschätzung und Selektion2.5 Fortpflanzung und Fortpflanzungslenkung2.6 Bestandsremontierung3 Haltungsverfahren in der Ferkelerzeugung3.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen3.2 Abferkelstall3.3 Arena, Stimubucht oder Besamungsstall zur Gruppenbildung3.4 Besamungsstall3.5 Wartestall3.6 Aufzuchtstall4 Stallbau und Technik4.1 Erschließung eines neuen Standorts4.2 Baukonzepte und -kosten4.3 Arbeitswirtschaftliche Planung4.4 Raumlufttechnische Anforderungen4.5 Entmistungssysteme5 Planung und Genehmigung von Stallneubau- und Stallerweiterungsvorhaben/Abluftreinigung5.1 Bau- und planungsrechtliche Grundlagen bei Stallbauvorhaben5.2 Genehmigungsrechtliche Grundlagen5.3 Immissionsschutzrechtliche Anforderungen5.4 Emissionsminderung durch Abluftreinigung6 Wirtschaftlichkeit der Ferkelerzeugung6.1 Direktkostenfreie Leistung6.2 Produktionskosten in der Ferkelerzeugung6.3 Einflussfaktoren für die Produktionskosten6.4 Faktoren der Betriebsentwicklung6.5 Optimale Betriebsgrößen und Grenzen des Wachstums6.6 Chancen und Risiken des Marktes7 Fütterung von Zuchtschweinen7.1 Fütterung und Nährstoffverwertung der Sauen7.2 Versorgungsempfehlungen für Zuchtläufer und Jungsauen7.3 Versorgungsempfehlungen für tragende Sauen7.4 Fütterung im geburtsnahen Zeitraum7.5 Versorgungsempfehlungen für laktierende Sauen7.6 Fütterung der Ferkel7.7 Wasserversorgung8 Gesunderhaltung der Schweine8.1 Hygienische Maßnahmen/Organisations- und Managementmaßnahmen8.2 Gesunderhaltung der Sau8.3 Gesunderhaltung der Ferkel und Absetzferkel: PCV2, PRRSV8.4 Immunprophylaxe versus Antibiotikametaphylaxe8.5 Diagnostik9 Managementmaßnahmen9.1 Geburtsüberwachung und Neugeborenenversorgung9.2 Management großer Würfe9.3 Jungsaueneingliederung9.4 Sonstige ManagementmaßnahmenServiceLiteraturverzeichnisWichtige AdressenWeitere AdressenBildquellenÜber die Autoren
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Vorwort

Ferkelerzeuger und Schweinezucht-Betriebe stehen erneut vor tiefgreifenden strukturellen Veränderungen. Gesetzliche Rahmenbedingungen in der Europäischen Union werden in deutsches Recht umgesetzt, wobei Vorgaben des Tierschutzes und des Umweltschutzes Grenzen für die betriebliche Entwicklung – zumindest in bestimmten veredelungsstarken Regionen – aufzeigen. Damit wird zugleich der Strukturwandel beschleunigt, der momentan ohnehin schneller als in anderen Zweigen der landwirtschaftlichen Produktion voranschreitet, wenn z. B. Zuschläge für Mastferkel erst ab Partien von 200 gleichaltrigen Ferkeln zu erzielen sind. Der Gesunderhaltung der Bestände kommt eine immer größere Bedeutung bei der Ausschöpfung des Leistungspotenzials (Fruchtbarkeitsleistung) und bei der Senkung der Verluste zu. Größer werdende Tierbestände und ein zunehmender Infektionsdruck stellen besondere Herausforderungen für die Sauenhalter dar. Die Zuchtziele müssen sich den Wünschen des Handels und der Verbraucher anpassen, stehen aber auch unter dem Druck neuer Schlachtkörperbewertungen und Preismasken. Züchten heißt jedoch in Generationen denken; die Schweinezucht kann also nur mit einem zeitlichen Abstand darauf reagieren.

Die Erzeugung von Schweinen bildet mit etwa 28 % nach der Milcherzeugung den zweithöchsten Produktionswert tierischer Erzeugnisse – bezogen auf die Tierhaltung in Deutschland – und stellt somit eine bedeutsame Einkommensquelle für viele landwirtschaftliche Betriebe dar. Zugleich werden mit diesem Produktionszweig viele Arbeitsplätze in den vor- und nachgelagerten Unternehmen der Futtermittel-, Landtechnik- und Pharmaindustrie, in Zucht-, Schlacht- und Verarbeitungsbetrieben sowie in der Beratung gesichert. Dabei findet in Zucht, Ernährung, Tiergesundheit, Produktionsmanagement und Landtechnik ein steter Erkenntnisfortschritt statt, der – beschleunigt durch neue gesetzliche Vorschriften – zu modernen Verfahren und technischen Lösungen, Präventionsstrategien (bezüglich Erkrankungen) und letztlich zu einem großen Beratungsbedarf aller Beteiligten in der Erzeugungskette von Mastferkeln führt.

Unter diesem Aspekt hat sich das Autorenteam das Ziel gesetzt, mit dem vorliegenden Buch die wichtigsten Informationen zu Zucht, Haltung, Anforderungen des Marktes, Stalltechnik, Fütterung, Betriebswirtschaft und Gesunderhaltung der Schweine zu bündeln. Außerdem sollten die Abläufe bei der Planung und Genehmigung von Stallneubau oder -erweiterung beschrieben werden. Dabei standen die Autoren vor der Herausforderung, kein allumfassendes Werk entstehen zu lassen, sondern möglichst in gedrängter Form das aktuelle Wissen zusammenzufassen.

Das Autorenteam und der Verlag haben den Wunsch, dass die „Schweinezucht und Ferkelerzeugung“ zu einem universellen „Werkzeug“ für Leiter und Mitarbeiter Sauen haltender Betriebe, Agrarwissenschaftler, Tierärzte, Tierzüchter, Berater und Studierende werden möge. Wir möchten uns bei Carmen Weirich für die unermüdliche technische Arbeit herzlich bedanken. Unser Dank gilt aber auch dem Verlag Eugen Ulmer und insbesondere Werner Baumeister für die hervorragende Unterstützung des Buchprojektes.

 

Im Sommer 2012

Das Autorenteam

 

Friedrich Arends, Wolfgang Büscher, Albert Hortmann-Scholten, Steffen Hoy, Heinrich Kleine Klausing, Georg Riewenherm, Matthias Ritzmann, Peter Spandau, Martin Wähner.

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1Markt für Ferkel

(A. Hortmann-Scholten)

Die deutsche Schweinefleischerzeugung befindet sich seit Jahren auf einem stetigen Wachstumskurs. Die Schlachtzahlen pendelten, inklusive der Lebendeinfuhren, zuletzt um 59 Mio. Schweine pro Jahr. Seit Mitte der 90er Jahre hat sich die Zahl der in der Bundesrepublik Deutschland geschlachteten Schweine um rund 20 Mio. Stück erhöht (Abb. 1).

Der Selbstversorgungsgrad für Schweinefleisch liegt im Jahr 2012 deutlich über 110 %. Insbesondere die großen Schlachtunternehmen, die mitunter auch Schlachtschweine aus dem benachbarten Ausland mit erfassen und verarbeiten, treiben diese Entwicklung voran. Mit diesem Wachstumstempo hat allerdings die Ferkelerzeugung nicht Schritt halten können. Allein im Jahre 2011 sind über 11 Mio. Ferkel aus den Niederlanden und Dänemark nach Deutschland eingeführt worden (Abb. 2). In den Intensivgebieten der Schweinemast kann der Ferkelbedarf bei weitem nicht aus heimischen Quellen abgedeckt werden. In Südoldenburg beispielsweise liegt in einigen Gemeinden der Selbstversorgungsgrad für Ferkel unter 35 %.

1.1Bedeutung der Ferkelerzeugung

Seit Jahren stagniert die Ferkelerzeugung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Während die Schweinemast tendenziell immer weiter ausgebaut wird, nimmt insbesondere die Zahl der Sauenhalter und Sauenplätze in einigen Regionen Deutschlands drastisch ab. Mit Blick auf die Anforderungen der EU-Richtlinie 2008/120 ab dem 1.1.2013, dem Datum, ab dem in der Europäischen Union flächendeckend die Gruppenhaltung für Sauen eingeführt werden muss, werden in Europa gravierende Strukturänderungen erwartet.

Abb. 1 Zahl der in der Bundesrepublik Deutschland geschlachteten in- und ausländischen Schweine (Quelle: AMI; Destatis)

Die Bundesrepublik Deutschland hat in den letzten Jahren innerhalb der EU ihre Spitzenposition als größter Schlachtschweineproduzent weiter ausgebaut. Davon konnten allerdings bisher die Ferkelerzeuger nicht profitieren. Deutschland ist die Nr. 1 bei den Schweineschlachtungen, in der Ferkelerzeugung ist es allerdings nach Spanien deutlich die Nr. 2.

Laut der Viehzählung aus 2011 halten von den rund 31 000 Schweinehaltern (Abb. 3) noch knapp 15 000 Betriebe Zuchtsauen. In deutschen Ställen werden derzeit etwa 2,2 Mio. Sauen gezählt; das sind rund 400 000 weniger als vor zehn Jahren. Die Zahl der Zuchtschweinehalter hat sich in diesem Zeitraum um etwa 28 000 Betriebe verringert. In den nächsten Jahren wird sich der drastische Rückgang der Sauenzahlen fortsetzen.

Abb. 2 Ferkelversorgung 2011 in Deutschland (verschiedene Quellen)

Abb. 3 Zahl der Schweine und Schweinehalter in Deutschland (jeweils zum Jahresende, in 1000; *Vergleichbarkeit zu Nov. aufgrund veränderter Erfassungsgrenze nicht gegeben, Betriebe ab 50 Schweine, vorher 8)

Nicht nur in Deutschland, sondern auch in der gesamten EU wird sich die Zahl der Sauen haltenden Betriebe voraussichtlich binnen weniger Jahre um ein Drittel reduzieren. Der Hauptgrund für diese Entwicklung liegt in einem verschärften EU-weiten Wettbewerb, der die Betriebe zu einer zunehmenden Professionalisierung der Ferkelerzeugung zwingen wird. Jedes Jahr steigt EU-weit die Zahl der je Sau verkauften Ferkel zwischen 2 und 5 %. Bei einer konstanten EU-Erzeugung von etwa 255–260 Mio. Schlachteinheiten verringert sich die Zahl der in der EU benötigten Sauen um den Prozentsatz der biologischen Leistungssteigerung.

Vergleicht man die ökonomische Situation der letzten 5 Jahre zwischen Ferkelerzeugung und Mast muss eindeutig festgehalten werden, dass die Schweinemäster im Vergleich zu den Ferkelerzeugern die wesentlich höheren Renditen und stabileren Betriebsergebnisse erzielt haben. Die Faktorverwertung pro eingesetzte Arbeitsstunde war in der Mast ungleich höher als in der Ferkelproduktion. Folglich lassen sich in Deutschland in den letzten Jahren immer häufiger betriebliche Anpassungsreaktionen beobachten. Kleinstrukturierte Ferkelerzeugerbetriebe sind entweder aus dem Markt ausgeschieden oder haben, wenn die betrieblichen Voraussetzungen es zuließen, den Schritt in das geschlossene System gewagt. Zum Teil sind beispielsweise sogar in Norddeutschland Entwicklungen erkennbar, dass langjährig geführte geschlossene Systeme die Sauenhaltung abstoßen und sich damit zum spezialisierten Schweinemastbetrieb mit der Notwendigkeit des Ferkelzukaufs umorganisieren.

In Süddeutschland, wo in der Regel die Strukturen noch wesentlich schlechter sind, brechen den klein strukturierten Ferkelerzeugerbetrieben die Absatzkanäle weg. Auch kleinere Mäster werden aufgrund der schwindenden Metzgervermarktung aus dem Markt gedrängt. Die handwerklich arbeitenden Fleischereifachbetriebe können, u. a. aufgrund der Lohnkostenunterschiede und den immer kostenträchtigeren Hygienemaßnahmen, preis- und kostenmäßig mit den großen Schlachtunternehmen nicht mehr konkurrieren. Metzgerbetriebe kaufen deshalb die benötigten Teilstücke lieber in den kostengünstigen Fleischzentren zu. Sollte künftig die Ebermast Einzug halten, wird sich der Strukturwandel bei den kleinen und mittleren Ferkelerzeuger- und Mästerbetrieben von der Absatzseite noch weiter forcieren, da die Mast von Ebern noch größere Anforderungen an Haltung und Management stellt.

 

Regionaler Schwerpunkt der Ferkelerzeugung verschiebt sich

Betrachtet man die Agrarstrukturergebnisse vom Mai 2010, lassen sich interessante Rückschlüsse für die weitere Zukunft des Zuchtschweinesektors ableiten. Global gesehen ist der Selbstversorgungsgrad für den bundesdeutschen Ferkelmarkt in den letzten Jahren deutlich unter 100 % abgerutscht. War die Bundesrepublik Deutschland in den 80er Jahren noch Ferkel-Nettoexporteur, so müssen mittlerweile schon mehr als 20 % der benötigten Ferkel eingeführt werden. Dies ist vor allen Dingen auf ein rapides Absinken der Sauenbestände in Bayern und Baden-Württemberg zurückzuführen. Die dort ansässigen, zum Teil recht klein strukturierten Betriebe, die häufig noch neben der Sauenhaltung weitere Betriebszweige koordinieren müssen, tun sich in der Vermarktung der Ferkel zunehmend schwerer. Häufig betreiben die Altenteiler aus einer gewissen Tradition heraus die Sauenhaltung oder Ferkelerzeugung. Sie wird im Nebenerwerb betrieben, weil sich dies beispielsweise gut mit einer Beschäftigung in der Automobilindustrie kombinieren lässt. Zukunftsträchtig ist dies allerdings nicht (Abb. 4).

Abb. 4 Mittlere Bestandsgrößen in der deutschen Schweinehaltung

Hoch spezialisierte Betriebe, wie sie häufig in den neuen Bundesländern anzutreffen sind, bauten ihre Marktposition in den letzten Jahren zunehmend aus. Dies erkennt man daran, dass entgegen dem bundesdeutschen Trend die Sauenhaltung in den ostdeutschen Bundesländern expandiert. Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und vor allem Mecklenburg-Vorpommern haben den Sauenbestand deutlich aufgestockt. Die besten Betriebsstrukturen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland sind nunmehr in Brandenburg vorzufinden. Hier werden im Mittel schon heute über 1000 Sauen je Betrieb gehalten. Aber auch Thüringen mit rund 900 und Mecklenburg-Vorpommern mit annähernd 800 Sauen je Betrieb liegen deutlich über dem Bundesdurchschnitt und sogar deutlich oberhalb der Durchschnittsbestände, die in Dänemark und in den Niederlanden vorhanden sind. Hier werden die Vorteile der spezialisierten Zuchtsauenhaltung umgehend klar. Der Betriebsleiter konzentriert sich nur noch auf einen Betriebszweig und kann hierdurch unrentable Geschäftsfelder abgeben. Vor allen Dingen die arbeitswirtschaftlichen Vorteile in Kombination mit dem konsequenten Einsatz von Fremdarbeitskräften führen zu erheblichen ökonomischen Effekten. Deutliche Kostendegressionen je verkauftes Ferkel können hierdurch erschlossen werden. Allerdings unterliegen diese Betriebe enormen Markt- und Einkommensrisiken.

Hauptziel muss hier das Anstreben der Kostenführerschaft sein, sodass in Phasen guter Ertragsentwicklungen die Verluste, die in Marktschwächephasen entstehen, wieder aufgeholt werden können.

1.2Strukturelle Ausgangslage

Viele Schweinehalter sind vor dem Hintergrund der enormen Preisschwankungen, insbesondere am Ferkelmarkt, stark verunsichert. Der Strukturwandel hat an Geschwindigkeit gewonnen, vor allem in der Ferkelerzeugung. Die Wachstumsschritte in der Schweinehaltung haben sich in den letzten 10 Jahren deutlich beschleunigt. Die Betriebe wachsen trotz oder vielleicht gerade wegen der ökonomisch schwierigen Situation immer schneller. Insgesamt reduziert sich die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in der Bundesrepublik Deutschland jährlich zwischen 2 und 3 Prozent, doch in der Ferkelerzeugung liegt dieser Wert momentan wesentlich höher.

Starke Überalterung

Nur ein Drittel der Betriebsleiter hat derzeit die Hofnachfolge geregelt. Insbesondere in der Ferkelerzeugung ist eine starke Überalterung bei den Betriebsleitern festzustellen. Etwa ein Drittel der aktiven Landwirte ist älter als 55 Jahre.

Betrachtet man strukturelle Entwicklungen in der Schweinehaltung insgesamt, so ist in den letzten 20 Jahren der Strukturwandel in der Schweinemast schneller abgelaufen als in der Ferkelerzeugung. Viele Schweinemastbetriebe haben ihre Bestände innerhalb weniger Jahre auf 2000 bis 5000 Mastplätze ausgeweitet. Deren Nachfrageverhalten zieht nunmehr einen Strukturwandel in der Ferkelerzeugung nach sich (Abb. 5).

 

Neuinvestitionen in Kombination mit Wachstumsschritten

Vor dem Hintergrund der neuen Haltungsanforderungen sind viele Betriebe zu Investitionen gezwungen. Sollten die erhöhten Platzansprüche dazu führen, dass der Sauenbestand abgestockt werden muss, ist eventuell über eine Betriebsauslagerung nachzudenken. Fest steht, dass man sich mit den erzeugten Ferkelpartien am aufnehmenden Markt orientieren muss. Das bedeutet, dass Partiegrößen an den Markt gebracht werden müssen, die dem Nachfrageverhalten der Schweinemastbetriebe entsprechen.

Abb. 5 Entwicklung ausgewählter Kenngrößen der Ferkelerzeugung (ab dem Wirtschaftsjahr 2001/02 bezieht sich die Kennzahl „Ferkel je Sau“ auf die abgesetzten Ferkel, zuvor waren es die aufgezogenen Ferkel; Quelle: Verdener Berichte, BR, VEZG)

Die Leistungsfortschritte in der Sauenhaltung werden auch in den nächsten Jahren beträchtlich sein. Als Hauptmotor wirkt der technische Fortschritt, der auch in den nächsten 10 Jahren den Trend in der Ferkelerzeugung vorgeben wird. Dieser vollzieht sich als

biologisch-technischer Fortschritt, indem beispielsweise durch züchterischen Fortschritt die Zahl der aufgezogenen Ferkel pro Sau und Jahr sprunghaft ansteigt,

organisatorisch-technischer Fortschritt, der vor allen Dingen bei Neubauvorhaben im Rahmen der Einführung von Mehrwochenrhythmen sowie durch betriebsorganisatorische Verbesserungen entsteht,

mechanisch-technischer Fortschritt, der vor allem in der Technik der Innenwirtschaft Sauen haltender Betriebe zu beobachten ist, welcher im Endeffekt dazu führt, dass pro erzeugtes Ferkel weniger Arbeitszeit aufgewendet werden muss.

Wenn langfristig die Erlössituation anhand der Ab-Hof-Preisnotierung für Qualitätsferkel der Landwirtschaftskammer Niedersachsen auf 25-Kilo-Basis betrachtet wird, lässt sich festhalten, dass in den letzten rund 22 Jahren eine durchschnittliche Notierung von € 45,40 je 25-Kilo Ferkel ohne MwSt. sowie ohne Mengen- bzw. Qualitätsimpfzuschläge erreicht worden ist (Abb. 6). Seit dem Jahre 2002 bezieht sich diese Notierung auf eine durchschnittliche Ablieferungsgröße von 100 verkauften Ferkeln pro Vermarktungsvorgang und Betrieb. Ab der 14. Kalenderwoche 2011 bezieht sich diese Kammernotierung Nord-West, die gemeinsam von den Landwirtschaftskammern Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen herausgegeben wird, auf eine 200er Verkaufsgruppengröße, d. h. Ferkelpartien, die darunter liegen, werden in der Regel mit einem Preisabzug belegt. Großgruppen erhalten analog zur Partiegröße in der Regel mengenbedingte Preisaufschläge.

Abb. 6 Ab-Hof-Preisnotierung für Qualitätsferkel (Jahresmittel ab 1995 auf 25 kg-Basis; Quelle: Landwirtschaftskammer Niedersachsen)

Entscheidend für die betriebliche Kalkulation ist allerdings die Trendlinie der Preisgrafik. Aus dieser Trendlinie geht hervor, dass die Erlöserwartungen vor rund 22 Jahren noch bei über € 49,– pro 25-Kilo-Ferkel gelegen haben. Heute verläuft die Trendlinie nur noch bei knapp € 40,– je Ferkel. Hieraus muss geschlussfolgert werden, dass Ferkelerzeuger künftig in der Lage sein müssen, für Notierungspreise von rund € 40,– vollkostendeckend Ferkel erzeugen zu können. Diese Aussage gilt allerdings nur unter den durchschnittlichen Futterkosten der letzten 22 Jahre. Sollten sich die Futterkosten maßgeblich auf einem deutlich höheren Niveau einpendeln, wird sich dies auch in den Ferkelpreisnotierungen mittelfristig widerspiegeln. Diese auf den ersten Blick ernüchternde Entwicklung ist vor allen Dingen auf den oben beschriebenen technischen Fortschritt zurückzuführen. Des Weiteren muss berücksichtigt werden, dass auf die Ab-Hof-Preisnotierung in der Regel noch Zuschläge für Übergewichte, Impfungen, Großgruppen oder Topgenetik gezahlt werden, sodass diese Erlöse eine zusätzliche Einnahmekomponente darstellen können.

Geringerer Ferkelbedarf aufgrund steigender Schlachtgewichte

Nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen nordeuropäischen Ländern steigen die Schlachtgewichte an. Waren vor wenigen Jahren 93 bis 94 Kilo Schlachtgewicht üblich, liegen heute die Durchschnittsgewichte vielfach bei 95 bis 96 Kilo und darüber.

Auch in Frankreich, den Niederlanden oder Belgien sind die Schlachtgewichte in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Und selbst in Dänemark, wo traditionell leichte Schweine geschlachtet werden, sind in den letzten 5 Jahren die Durchschnittsgewichte um 6 Kilogramm auf jetzt 84 Kilogramm Schlachtgewicht geklettert. Auch dies ist keine beruhigende Perspektive für den Ferkelerzeuger, denn steigende Schlachtgewichte bedeuten langfristig im Umkehrschluss eine Verringerung des Ferkelbedarfs, weil mit der gleichen Anzahl an Tieren mehr Fleisch erzeugt wird.

Kostendegression ausschöpfen

Ferkelerzeuger müssen Kosten senken!

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Wettbewerbsintensität werden sich die strukturell besser aufgestellten Standorte innerhalb der Europäischen Union tendenziell immer schneller durchsetzen. In allen Bereichen der Produktion und Vermarktung werden Kostendegressionen ausgeschöpft. Dies gilt nicht nur für die Produktion oder beim Stallneubau, sondern auch bei der Vermarktung und dem Transport der Ferkel. Von besonderer Bedeutung sowohl für die Kostensenkung als auch die Hygiene bzw. die Seuchenvorsorge ist die Auslastung der verfügbaren Transportkapazität. Aufgrund der Kostenexplosion beim Verkehr und der Logistik und der verschärften EU-Tierschutztransportrichtlinien kommt es darauf an, Größenordnungen an Ferkeln auf den Markt zu bringen, die sich an der LKW-Kapazität orientieren. Nur wenn ganze LKW-Züge aus einem Ferkelerzeugerbetrieb gefüllt werden können, können die Transportkosten je Stück minimiert werden. Moderne Viehtransporter fassen bei einem Vermarktungsgewicht von 28 bis 30 Kilogramm etwa 800 bis 900 Ferkel je LKW. Bei wöchentlicher Ausstallung ergibt sich eine Jahresproduktion von rund 20 000 Ferkeln bzw. eine Bestandsgröße von 700 bis 800 Sauen. Bei einem 3-Wochen-Rhythmus würden etwa 250 bis 300 Sauen benötigt, um ein Fahrzeug bei einem Liefervorgang zu füllen.

1.3Anforderungen an Qualitätsferkel

AutoFOM = vollautomatisches Verfahren zur Ermittlung des Muskelfleischanteils sowie zur Ermittlung von Teilstückgewichten auf der Basis einer Vielzahl an Ultraschallmaßen.

In den letzten Jahren hat sich herausgestellt, dass aus produktionstechnischen und seuchenhygienischen Gründen ein Durchmischen von Ferkelpartien aus unterschiedlichen Herkünften große Risiken und Nachteile mit sich bringt. Deshalb haben sich am Markt Aufschläge für Großgruppen durchgesetzt. Der Grundpreis wird zurzeit für eine Ablieferungspartie von mindestens 200 Ferkeln aus einem Erzeugerherkunftsbetrieb gezahlt. Für Großgruppen werden Bonuszahlungen bis zu € 5,– durchgesetzt. Deshalb muss der Ferkelerzeuger seine Produktion so ausrichten, dass er möglichst große verkaufsfertige Partien zu einem Vermarktungszeitpunkt andienen kann.

Der Markt sucht genetisch einheitliche Partien mit möglichst geringen Gewichtsstreuungen bei gleichem Alter. Es muss bereits in der Aufzuchtphase alles dafür getan werden, die Streuungen der Ferkelqualitäten zu minimieren.

Vor dem Hintergrund der zunehmend höheren Anforderungen bei der Schlachtschweinevermarktung sind die genetischen Parameter zu den AutoFOM-Merkmalen gezielt züchterisch zu bearbeiten. Die Erfolgsmerkmale der AutoFOM-Erlösparameter „Schinken“ und „Lachs“ bieten mit Erblichkeitsgraden von 0,28 gute züchterische Ansatzpunkte. Ebenfalls weist die Heritabilität für das Merkmal „Bauchfleischanteil“ mit einem h2 von 0,38 eine hervorragende züchterische Möglichkeit auf.

Ziel muss es ebenfalls sein, Gruppen an den Markt zu bringen, die unter gleichen Aufzuchtbedingungen, d. h. einem vergleichbaren Fütterungsregime, bekannten Stallklimaverhältnissen und klar definiertem Veterinär- und Hygienemanagement, aufgezogen worden sind. Hier kommt der abgestimmten Beratung beispielsweise innerhalb von Erzeugergemeinschaften eine besondere Bedeutung zu, um eine Gruppe von möglicherweise kleinstrukturierten Ferkelerzeugerbetrieben produktionstechnisch auf ein vergleichbares Qualitätsniveau zu bringen.

Vorteile des Ferkelerzeuger-Mäster-Direktbezuges

Eine feste, auf Langfristigkeit ausgelegte Partnerschaft zwischen Ferkelerzeuger und Mäster zeigt in der Praxis für beide Seiten viele Vorteile. Die wichtigsten produktionstechnischen und ökonomischen Vorzüge für den Mäster sind:

Ferkelerzeuger und -mäster bilden eine hygienisch geschlossene Einheit mit allen Vorteilen in den biologischen Leistungen, d. h. in der Regel höhere Tageszunahmen, bessere Futterverwertung,

Senkung der Verlustraten,

Minimierung des Medikamenteneinsatzes,

optimierte Gesundheitsprophylaxe,

abgestimmte Impfprogramme sowie abgestimmtes Fütterungs- und Hygienemanagement,

in der Regel günstigere und besser kalkulierbare Einkaufspreise durch eine geringere Handelsspanne.

Der Ferkelerzeuger hat folgende Vorteile:

in der Regel eine auch in schwachen Marktphasen verbesserte Absatzsicherheit,

eventuell Bonuszahlungen, die sich von dem allgemeinen Notierungsniveau abheben (höhere Verkaufserlöse),

geringere Vermarktungskosten und

eine schnelle Reaktionsmöglichkeit auf die Anforderungen des Marktes, die der Mäster unmittelbar an seinen Vorlieferanten weitergibt.

Fazit

Bei der Analyse des nordwesteuropäischen Ferkelmarktes wird klar, dass in den nächsten fünf bis zehn Jahren ein massiver Anpassungsprozess stattfinden muss, der in letzter Konsequenz dazu führt, dass deutlich weniger Zuchtsauen und Ferkelerzeugerbetriebe benötigt werden. Die Produktionskapazitäten in den Haupterwerbsbetrieben werden analog der technischen Entwicklung in der Sauenhaltung permanent größer. In einem äußerst harten Verdrängungswettbewerb werden die verbleibenden Betriebe um die schrumpfenden Marktanteile kämpfen. Nur wer in der Ferkelerzeugung künftig alle Potenziale zur Leistungsverbesserung ausschöpft, hat vor dem Hintergrund des oben beschriebenen schwierigen Marktumfeldes eine Überlebenschance.

Entwicklungsmöglichkeiten für kleinstrukturierte Ferkelerzeugerbetriebe

Im Zuge des zunehmenden Verdrängungswettbewerbes am Ferkelmarkt werden künftig klare betriebliche Entscheidungen gefordert. Sauenhalter haben es bereits in der Vergangenheit schmerzlich erfahren, dass insbesondere in Tiefpreisphasen oder Phasen mit saisonalen Ferkelüberschüssen die Produktionskosten durch die Markterlöse bei weitem nicht abgedeckt sind. Betriebliche Anpassungen können folgendermaßen aussehen:

Änderung des Herdenmanagements zur Optimierung der Verkaufsgruppengrößen (3- bzw. 4-Wochen Absatzrhythmus),

Produktion von 8-kg-Ferkeln bei gleichzeitiger innerbetrieblicher Aufstockung,

innerbetriebliches Wachstum in Größenordnungen, die im internationalen Wettbewerb überdurchschnittliche Markterlöse versprechen,

Kooperation von mehreren Ferkelerzeugerbetrieben, die gemeinsam einen Ferkelaufzuchtstall betreiben,

Suche nach einem kleinstrukturierten Mäster, der nicht nur die Verkaufsgruppengröße preislich honoriert, sondern vor allen Dingen die Qualität (feste 1 : 1 Beziehung).

Aufgrund der Komplexität der Fragestellungen gibt es kein allgemein gültiges Patentrezept für eine generelle Beratungsempfehlung. Jeder Betriebsleiter ist aufgefordert, zusammen mit dem entsprechenden Betriebsberater eine passgenaue Entwicklungskonzeption aufzubereiten.

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2Zucht- und Produktionsziele in der Schweinezucht

(M. Wähner)

Die Leistungsanforderungen im Rahmen von Zuchtzielen werden je nach der genetischen Ausrichtung und Merkmalsausprägung von Zuchttieren einer Rasse oder Linie sowie von Maßnahmen der Prüfung und Selektion definiert. Demnach werden Zuchtziele für Mutterrassen mit besonderer Betonung der Fruchtbarkeit und Aufzuchtleistung und solche für Vaterrassen mit besonderer Orientierung auf die Fleischleistung erstellt.

Gegenwärtig orientieren sich die rassespezifischen Zuchtziele weniger auf eine fortgesetzte Steigerung der absoluten Leistungshöhe als vielmehr auf eine erforderliche Robustheit der Tiere, welche die Nutzung und Umsetzung der genetischen Veranlagungen für die Merkmale zum Zweck einer hohen Produktionsstabilität und Effektivität gewährleisten soll.

Produktionsziele in der Schweinezucht werden von vier wesentlichen Faktoren beeinflusst:

Stellung des Bestandes in der zuchtaktiven Ebene (Basiszucht, Jungsauenvermehrung, F1-Sauen) bzw. in der Produktionsebene (Ferkelerzeugung für die Mast) der Zuchtpyramide,

genetische Prädisposition der Sauen für den Leistungskomplex Fortpflanzung,

Tiergesundheitsstatus im Bestand,

Niveau des Herdenmanagements.

Für einen leistungsfähigen gesunden Sauenbestand sollten die in Tabelle 1 aufgeführten Leistungskennzahlen für die Fortpflanzungsleistungen als Orientierung gelten, um wirtschaftlich arbeiten zu können.

2.1Schweinerassen und -herkünfte

In der Schweineproduktion werden Tiere aus Reinzuchtpopulationen (d. h. Rassen und Linien) sowie aus Herkünften verwendet. Als „Herkünfte“ werden sowohl Sauen oder Eber für die Ferkelerzeugung als auch Ferkel für die Mast bezeichnet, die nach einem systematischen Kreuzungsprogramm erzeugt werden. Herkünfte basieren demnach auf Rassen und Linien.

Tab. 1 Orientierungswerte für die Fortpflanzungsleistungen (Produktionsziele) von Sauen in der Ferkelerzeugung

Kennzahl

Orientierungswert

Erstbesamungsalter

250.–255. Lebenstag

Erstabferkelalter

bis 12–13 Monate

Wurfgröße

Jungsauen

Altsauen

13 insgesamt geborene Ferkel/Wurf

15 insgesamt geborene Ferkel/Wurf

Abferkelrate

Jungsauen

Altsauen

über 80 %

85–90 %

Güstzeit

unter 10 Tage

Anzahl abgesetzter Ferkel je Sau u. Jahr

24 bis > 26 Stück

Saugferkelverluste

unter 15 %

Anzahl Würfe je Sau und Jahr

2,3 Stück

Geburtsmasse der Einzelferkel

1,4–1,5 kg

Absetzmasse der Einzelferkel nach 21 Tagen

mindestens 6,0 kg

Nutzungsdauer (Anzahl Würfe)

über 4 Stück

Remontierungsquote (Ferkelerzeugung)

40 bis 45 %

Die Entwicklung von diesen reinen Rassen, aber auch von synthetischen Linien, welche aus Neuzüchtungen erstellt werden, erfolgt in den „Basiszuchtbetrieben“. Sie stellen somit die Basis für systematische Kreuzungszuchtprogramme dar. In solchen Kreuzungsprogrammen wird bei den Produkten ein Heterosiseffekt angestrebt, wofür als Voraussetzung genetisch differenzierte Kreuzungspartner verwendet werden müssen. Die dafür verwendeten Rassen und Linien werden den so genannten Mutterrassen zugeordnet, die sich speziell durch hohe Fruchtbarkeits- und Aufzuchtleistungen auszeichnen.

Die Vermehrungsstufe stellt die nachfolgende Zuchtebene dar. Aus ihr stammen die Eber und Sauen für das Kreuzungsprogramm zur Ferkelerzeugung. Im Ferkelerzeugerbetrieb werden die Kreuzungssauen mit Sperma von Endstufenebern, die sich in Besamungsstationen befinden, künstlich besamt.

National und international werden mehrheitlich fruchtbarkeitsbetonte Mutterlinien verwendet, die in ihrem züchterischen Ursprung meist auf die Landrasse und das Edelschwein/Large White zurückgehen. Von den jeweiligen Zielstellungen der Zuchtverbände bzw. -unternehmen (Herkünfte) beeinflusst, unterscheiden sich die Mutterlinien punktuell infolge differenzierter Schwerpunktsetzung bei den Merkmalen. Häufig werden je Herkunft mehrere Mutterlinien mit unterschiedlichen Schwerpunkten in den wichtigsten Leistungskomplexen angeboten, um den individuellen Wünschen der Ferkelerzeuger weitestgehend zu entsprechen. Zu den überregional tätigen Herkünften zählen

PIC Deutschland GmbH,

DanZucht,

Topigs-SNW GmbH,

BHZP-Züchtungszentrale Bundeshybridschwein GmbH,

Hypor Deutschland GmbH.

Deutsche Landrasse (DL)

Die DL ist eine weiße Schweinerasse mit Schlappohren (Abb. 7). Sie ist 1968 aus dem Deutschen veredelten Landschwein (DvL) hervorgegangen. Hauptzuchtgebiete waren Nord-, West- und Süddeutschland. Durch Verdrängungskreuzung mit fleischbetonten Typen (Niederländische Landrasse) erfolgte die Umzüchtung des DvL zum Fleischschwein, das ab 1968 als Deutsche Landrasse (DL) bezeichnet wird. Mit der Etablierung von Hybridzuchtprogrammen erfuhr die DL eine wachsende Bedeutung als Mutterrasse (Deutsche Landrasse-Sauenlinie; DLS), die sich durch hohe Fruchtbarkeits- und Aufzuchtleistung, Stressstabilität und hohe Zunahmeleistung bei ausreichend hohem Muskelfleischanteil und guter Fleischqualität auszeichnet. DL-Tiere sind wüchsig und lang bei besonderer Betonung der Rückenpartie und des Schinkens.

Deutsches Edelschwein/Large White (DE/LW)

Das DE/LW ist eine weiße Schweinerasse mit Stehohren (Abb. 8). Die Rasse entstand durch Verdrängungskreuzung bodenständiger Schweine (Norddeutsches Marschschwein) mit großen weißen englischen Schweinen (Yorkshire bzw. Large White). Im Vergleich zu den Landrassetypen waren die Edelschweine frühreife und schnellwüchsige Fleischschweine. Hauptzuchtgebiete waren Ostpreußen, Niederschlesien und Pommern. Die Rasse DE steht heute mit englischen Large White und niederländischen großen Yorkshire im Zuchttieraustausch, woher die Rassebezeichnung Deutsches Edelschwein/Large White (DE/LW) rührt. Es handelt sich um fruchtbare, wüchsige, vitale, stressstabile Tiere (MHS-Gen-frei) mit gutem Muskelfleischanteil und sehr guter Fleischqualität, die als Mutterrasse in der Gebrauchskreuzung bevorzugt als Kreuzungspartner für DL-Sauen zur Erzeugung von F1-Sauen genutzt werden. DE-Schweine verkörpern den Rechtecktyp mit besonderer Betonung des Schinkens und der Schulter.

Abb. 7 Jungsau der Deutschen Landrasse

Abb. 8 Sau der Rasse Deutsches Edelschwein/Large White

Pietrain (Pi)

Es handelt sich um eine mittel- bis großrahmige, meist bunte Schweinerasse mit besonderer Betonung der Bemuskelung und Fleischfülle, die alle anderen Rassen in diesen Merkmalen übertrifft (Abb. 9). Pietrain-Schweine stammen aus der Region Brabant (Belgien) und haben seit Mitte der 50er Jahre ihre Bedeutung als Vaterrasse für die Anpaarung in der Endstufe der Hybridschweineproduktion an fruchtbare Sauen (meist F1-Tiere aus DE/LW × DL) zur Erzeugung von Ferkeln für die Mast (Terminaleber) erlangt. Der Muskelfleischanteil liegt bei 63 bis 65 %. Anfangs war die relativ hohe Stressempfindlichkeit der Tiere, verbunden mit Mängeln der Fleischqualität von Nachteil. Ursache dafür ist das MHS-Gen, das zu Störungen des Muskelenergiestoffwechsels führt. Seit einigen Jahren werden verstärkt und erfolgreich MHS-Gen-freie Pi-Linien gezüchtet.

Hampshire (Ha)

Hampshire stammen aus den USA. Die schwarzen Tiere mit einer weißen Binde um die Brust und weißen Vorderbeinen sind mittelgroß. Sie prägen eine hohe Wachstumsleistung aus, sind reinerbig stressstabil und besitzen eine sehr gute Fleischqualität. Kreuzungseber aus Hampshire × Pietrain haben für die Anpaarung als Endstufeneber zur Erzeugung von Ferkeln für die Mast eine Bedeutung.

Duroc (Du)

Duroc sind einfarbig rote bis rotbraune Schweine, die aus dem Staat New York (USA) stammen (Abb. 10). Duroc sind wüchsig und stressstabil mit einer mittleren Fruchtbarkeit und Fleischfülle, aber sehr guter Fleischbeschaffenheit. Der intramuskuläre Fettgehalt in der Skelettmuskulatur beträgt über 2 %. In bestimmten Hybridzuchtprogrammen (z. B. Dänemark) werden Duroc-Linien mit besonderer Betonung der Fleischfülle gezüchtet und die Eber als Endstufeneber zur Erzeugung von Ferkeln für die Mast eingesetzt.

Abb. 9 Eber der Rasse Pietrain

Abb. 10 Eber der Rasse Duroc

2.2Leistungsprüfung

Die gesetzliche Grundlage der Leistungsprüfung ist das Tierzuchtgesetz. Demnach hat sie die Aufgabe, direkte oder über möglichst eng korrelierende Hilfsmerkmale die im Zuchtziel enthaltenen Leistungseigenschaften an den Zuchttieren selbst und/oder an mit diesen verwandten Informanten zum Zweck der Beurteilung des wirtschaftlichen Wertes als Erb- und Zuchtwert zu erheben.

Die erfolgreiche Züchtung auf der Grundlage einer effektiven Leistungsprüfung setzt drei unentbehrliche Voruntersuchungen voraus:

Beurteilung der wirtschaftlichen Bedeutung der Merkmale,

eine genügend große genetische Variabilität muss gute Aussichten für einen züchterischen Erfolg bieten und

die Merkmale müssen mit genügender Genauigkeit und Sicherheit erfassbar sein.

Leistungsprüfungen dienen gleichzeitig der Bewertung von Herkünften von Gebrauchstieren sowie der Wirtschafts-, Gesundheits- und Qualitätskontrolle in Zucht- und Produktionsherden.

Abb. 11 Leistungsmerkmale in der Schweinezucht

Die zu prüfenden Merkmale werden den Gruppen „Primäre“ und „Sekundäre“ bzw. „Funktionale“ Merkmale zugeordnet (Abb. 11).

2.2.1Organisation der Leistungsprüfung

Die Leistungsprüfung wird nach drei Aspekten durchgeführt und unterschieden:

nach dem Verwandtschaftsgrad: Vorfahrenleistung, Eigenleistung, Geschwister- und Nachkommenleistung,

nach dem Ort der Durchführung: Stationsprüfung oder Feldprüfung,

nach den Leistungsmerkmalen.

Beim Schwein werden zwei Gruppen von Leistungsmerkmalen geprüft:

Zuchtleistung: Fruchtbarkeits- und Aufzuchtleistung,

Fleischleistung: Mastleistung, Schlachtleistung.

2.2.2Exterieurbeurteilung

Die Exterieurbeurteilung (Bonitur) erfolgt bei Ebern durch eine Benotung während der Körung. Dabei werden folgende Merkmale mit Punkten von 1 bis 9 bewertet, wobei die 9 als die Bestnote gilt:

Typ (T),

Rahmen (R),

Kopf (K),

Fundament (F),

Bemuskelung (B),

Gesäuge (G).

Während bei Ebern der Mutterrassen (DL, DE/LW) alle diese Merkmale beurteilt werden, wird bei Endstufenebern (Pi, Du) das Gesäuge als Ausdruck für die Fruchtbarkeits- und Aufzuchtleistung nicht bewertet.

Bei Sauen wird in die Bonitur vor allem das Gesäuge und das Fundament einbezogen.

Die Durchführung der Exterieurbeurteilung wird in den Zuchtorganisationen im Detail unterschiedlich gehandhabt.

 

Gesäuge

Die normale Ausprägung von Exterieurmerkmalen, wie Fundamentstabilität und Gesäugeausbildung, ist die Voraussetzung für hohe Aufzuchtleistungen. Exterieurmerkmale werden als funktionale Merkmale bezeichnet.

In direktem Zusammenhang zur Reproduktionsleistung steht die Milchleistung der Sau. Sie muss dem Bedarf der Ferkel entsprechen. Die anatomisch-physiologische Voraussetzung dafür bietet die Ausbildung und Funktionalität des Gesäuges. Wichtige Mindestkriterien müssen dabei erfüllt sein:

Die Gesäugeleiste sollte gleichmäßig auf der rechten und linken Seite der Bauchdecke angelegt sein. Dabei soll die Anzahl an gut und regelmäßig ausgebildeten Zitzen 7/7, besser 7/8 bzw. 8/8 betragen.

Die äußere Beschaffenheit eines jeden Zitzenkomplexes muss eine große Anlage für das Drüsengewebe und für eine gute Durchblutung erkennen lassen.

Die normale Zitze besitzt einen gut ausgebildeten Zitzenkörper. Meist sind zwei Strichkanäle vorhanden, die in die Zitzenkuppe münden.

Ziel: 15 bis 16 funktionstüchtige Zitzen bei jeder Sau!

Stülpzitzen

sind pathologisch veränderte Zitzen - hier münden die Strichkanäle in eine Hautfalte, wodurch der Drüsenkomplex vom Ferkel nicht angesaugt werden kann. Sie sind Erbfehler und müssen durch Zuchtausschluss der davon betroffenen Tiere eliminiert werden.

Fundament

Die Gliedmaßen müssen kräftig genug und tragfähig sein. Nur eine korrekte Beinstellung mit entsprechender Winkelung im Sprung- und Zehengelenk sowie Zehenstellung gewährleistet eine gute Beweglichkeit und ist für eine stabile Gesundheit sowie lange Nutzungsdauer der Sauen wichtig. Hinzu kommt eine hohe Klauenfestigkeit als Voraussetzung für eine gute und stabile Klauengesundheit.

2.2.3Zuchtleistungsprüfung

Die Zuchtleistung gehört zu den funktionalen Merkmalen und beinhaltet die Teilleistungen der Fruchtbarkeits- und Aufzuchtleistung. Sie wird für weibliche und für männliche Tiere separat ausgewiesen, ist Grundlage für die Zuchtwertschätzung auf Fruchtbarkeit und wird für die Mutterrassen in den Eberkatalogen gesondert dokumentiert.

Für weibliche Tiere werden folgende Teilleistungen erfasst:

Trächtigkeits- und Abferkelrate,

Wurfleistung: Anzahl insgesamt (igF) und lebend geborener Ferkel (lgF),

Aufzuchtleistung: Anzahl aufgezogener Ferkel (agF).

Beispiel: 5/5 W 13,3 LGF/12,5 AGF

Die Sau hat in 5 geborenen und 5 gewerteten Würfen durchschnittlich 13,3 lebend geborene und 12,5 aufgezogene Ferkel erbracht.

Als Lebensleistung für eine Sau werden über 50 aufgezogene Ferkel angestrebt.

Für Eber werden folgende Teilleistungen erfasst:

Spermaqualität,

Befruchtungsvermögen (Trächtigkeits- und Abferkelrate) im Durchschnitt der Würfe.

Beispiel: 50 W 13,2

Im Durchschnitt von 50 Würfen wurden 13,2 lebend geborene Ferkel/Wurf erbracht.

2.2.4Fleischleistungsprüfung

Die Fleischleistung wird als Eigenleistung und/oder Geschwister-/Nachkommenleistung erfasst. Darin sind die Mast- und Schlachtleistungsmerkmale einbezogen. Die Eigenleistungsprüfung kann entweder in einer Station (Leistungsprüfanstalt, LPA) oder im Feld durchgeführt werden. Für Reinzuchttiere erfolgt die Geschwister-/Nachkommenprüfung in einer Station, aber auch als Stichprobentest für Kreuzungsherkünfte im Feld.

Die Mastleistung umfasst alle Teilleistungen, die das Wachstum und den Muskelansatz betreffen. Dazu zählen die

Lebendmassezunahme je Lebenstag und je Prüftag,

der Futterverbrauch im Prüfzeitraum,

der Futteraufwand je kg Lebendmassezuwachs,

die Nettozunahme, bezogen auf das Schlachtgewicht.

Die Schlachtleistung umfasst alle Teilleistungen am Schlachtkörper, wie

das Schlachtgewicht warm,

die innere Länge,

Rückenspeckdicke,

Fleisch-Fett-Verhältnis mit Fleisch- und Fettmaß,

den Muskelfleischanteil im Schlachtkörper gemessen mit Sonde (FOM) bzw. mit AutoFOM,

Anteile der jeweiligen Schlachtkörperteilstücke,

alle Kriterien der Fleischqualität, wie pH-Werte, Leitfähigkeit, Tropfsaftverlust sowie Anteil an intramuskulärem Fett.

2.2.5Prüfung auf Stressstabilität

Die Stressstabilität korreliert negativ mit Tierverlusten und positiv mit guter Fleischqualität. Schweinerassen mit starker Muskelhypertrophie neigen häufig bei genetischer Veranlagung zum „Malignen-Hyperthermie-Syndrom“ (MHS). Bei solchen Tieren liegt eine Störung der Ca2+-Regulation in der Muskelzelle vor, die beim Schwein eine besondere Stressanfälligkeit verursacht und bei Schlachttieren zur Ausbildung von PSE-Fleisch führt. Dieses Syndrom ist das Resultat einer Mutation am Ryanodin-Rezeptor, die autosomal rezessiv vererbt wird. Heute wird dieses Defektgen mithilfe des MHS-Gentests als molekulargenetischer Test diagnostiziert. So ist es möglich, die drei Genvarianten NN (homozygot stressstabil), NP (heterozygot/mischerbig) und PP (homozygot stressempfindlich) eindeutig zu bestimmen und für die Zuchttierselektion zu nutzen.

Tab. 2 Mast- und Schlachtleistungen von Masthybriden unterschiedlicher genetischer Herkunft (TLL 2011)

Mutterrasse

Naima (F1)

DanZucht (F1)

DE/LW × DL (F1)

Vaterrasse

Pi

Du

Pi

Du

Pi

Du

Anzahl Tiere

26

34

26

27

25

26

Prüftagszunahme (g)

927

1.059

943

1.144

883

1.014

Magerfleischanteil (%)

57,5

56,0

58,5

57,3

57,9

56,0

Kotelettfläche (cm2)

54,7

46,3

54,9

47,1

54,7

46,3

pH-Wert 45 min. p. m.

6,10

6,34

6,28

6,41

6,16

6,31